Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Änderungskündigung. Annahme unter Vorbehalt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach Zugang einer außerordentlichen Änderungskündigung des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer unverzüglich zu erklären, ob er das Änderungsangebot ablehnt oder es mit oder ohne den in § 2 KSchG bezeichneten Vorbehalt annimmt (im Anschluß an BAG Urteil vom 19. Juni 1986 - 2 AZR 565/85 - AP Nr 16 zu § 2 KSchG 1969).

2. Allein die sofortige widerspruchslose Weiterarbeit des Arbeitnehmers auf dem ihm mit der fristlosen Kündigung angebotenen neuen Arbeitsplatz ist jedenfalls in der Regel so lange nicht als vorbehaltlose Annahme des Änderungsangebots und damit als Verzicht auf die Geltendmachung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Änderungskündigung zu verstehen, wie der Arbeitnehmer noch rechtzeitig, dh ohne schuldhaftes Zögern, einen Vorbehalt entsprechend § 2 KSchG erklären kann.

3. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, bei Ausspruch einer fristlosen Änderungskündigung einseitig die sich aus den Wertungen des Kündigungsschutzgesetzes ergebende Frist, innerhalb der sich der Arbeitnehmer auf das Änderungsangebot des Arbeitgebers abschließend erklären muß, zu verkürzen.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG §§ 2, 4, 13

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 21.10.1985; Aktenzeichen 7 Sa 66/85)

ArbG Wilhelmshaven (Entscheidung vom 04.04.1985; Aktenzeichen 1 Ca 230/85)

 

Tatbestand

Der 1939 geborene Kläger ist aufgrund Arbeitsvertrags vom 23. Januar 1963 seit 23. Januar 1963 in der Standortverwaltung W der Beklagten als Kesselwärter beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis gelten kraft Vereinbarung die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Arbeiter des Bundes (MTB II) vom 27. Februar 1964 nebst ändernden und ergänzenden Tarifverträgen. Der Kläger erhielt Vergütung nach LohnGr. II FallGr. 4 des Allgemeinen Teils zum Lohngruppenverzeichnis MTB II. Seit 12. Februar 1979 ist der Kläger gemäß § 58 MTB II nicht mehr ordentlich kündbar.

Die Arbeitsaufgabe des Klägers bestand in Betrieb, Wartung und Instandhaltung einer Hochdruck-Dampfkessel-Anlage, die nach der Dampfkessel-Verordnung unter ständiger Aufsicht betrieben werden muß. Am 24. Januar 1985 hatte der Kläger ab 6.00 Uhr morgens Frühdienst. Kurz nach 9.00 Uhr morgens fanden ihn seine Vorgesetzten schlafend und mit einem wärmenden Parka bekleidet auf einer Schaumstoffmatte oberhalb eines stillgelegten Kessels. Nachdem der Kläger geweckt und bei ihm Alkoholgeruch festgestellt worden war, wurde er von der Schicht abgelöst, dem zuständigen Sachgebietsleiter vorgestellt und aufgrund seines äußeren Eindrucks vor Beendigung seiner dienstplanmäßigen Arbeitszeit nach Hause geschickt.

Nach Zustimmung des Personalrats vom 31. Januar 1985 kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 1. Februar 1985, dem Kläger an diesem Tage ausgehändigt, das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit Ablauf des 3. Februar 1985 und bot ihm eine Weiterbeschäftigung als Unterkunfts- und Liegenschaftsarbeiter nach LohnGr. VII FallGr. 5.11 Sonderverzeichnis 2 a zum Lohngruppenverzeichnis MTB II (SV 2 a) an. Die Lohndifferenz zur früheren Tätigkeit des Klägers beträgt nach Darlegung der Beklagten monatlich netto 222,69 DM zuzüglich Zeitzuschläge und Wechselschichtzuschlag.

Noch am 1. Februar 1985, einem Freitag, nahm der Kläger die Arbeit zu den geänderten Arbeitsbedingungen auf und setzte sie am 4. und 5. Februar 1985 fort. Am 6. Februar 1985 ging bei der Beklagten ein Schreiben des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 5. Februar 1985 ein, in dem die Annahme der Änderungskündigung unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG erklärt wurde.

Der Kläger hält die Änderung seiner Arbeitsbedingungen für sozial ungerechtfertigt. Er hat im wesentlichen vorgetragen, er habe am Abend des 23. Januar 1985 beim Fernsehen etwa vier Flaschen Bier getrunken. Am Morgen des 24. Januar 1985 sei er etwa gegen 3.00 Uhr aufgestanden und habe bei sich zu Hause, bei seiner Bekannten und seiner Mutter vor dem Haus Schnee geräumt und gestreut. Danach sei er gegen 5.10 Uhr zum Dienst gefahren; Alkohol habe er nicht mehr getrunken. Gegen 8.50 Uhr habe er sich erschöpft und müde gefühlt und sich etwas hingelegt. Geschlafen habe er allenfalls zehn bis fünfzehn Minuten, bevor er gefunden worden sei.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Änderungskündigung der

Beklagten mit Schreiben vom 1. Februar 1985,

zugegangen am 1. Februar 1985, unwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im wesentlichen vorgetragen: Der Klage fehle bereits das Rechtsschutzinteresse. Die Parteien hätten sich dadurch, daß der Kläger am 1. Februar 1985 unmittelbar nach dem Ausspruch der fristlosen Änderungskündigung zu den geänderten Arbeitsbedingungen weitergearbeitet habe, ohne einen Vorbehalt zu erklären, schlüssig über die bedingungslose Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses zu den geänderten Bedingungen geeinigt. Der Kläger könne deshalb die Unwirksamkeit der Kündigung nicht mehr geltend machen. Im übrigen sei die außerordentliche Änderungskündigung aber auch zu Recht erfolgt. Der Kläger habe mit seinem Fehlverhalten das notwendige Vertrauen, das die Beklagte in ihn als eigenverantwortlich mit Betrieb und Überwachung der Anlage betrauten Kesselwärter gesetzt habe, in grober Weise mißbraucht; damit sei der störungsfreie Betriebsablauf nicht jederzeit gewährleistet. Der Kläger habe sich oberhalb des stillgelegten Kessels an einem vom Kesselraum aus nicht einsehbaren Platz versteckt, um dort ungesehen und ungestört schlafen zu können. Die Tatsache, daß er sich dort auf eine Schaumstoffmatte gelegt und zusätzlich mit einem Parka bekleidet habe, zeige eindeutig, daß er nicht nur eine kurze Erschöpfungspause habe einlegen wollen, sondern sich vielmehr auf einen ausgedehnten Schlaf vorbereitet und eingerichtet habe. Bei Berücksichtigung aller Umstände müsse davon ausgegangen werden, daß der Kläger, wenn er nicht gefunden worden wäre, bis zum Schichtende durchgeschlafen hätte. Mehrere Beamte hätten unabhängig voneinander festgestellt, daß der Kläger eindeutige äußere Merkmale eines Betrunkenen gezeigt habe, nämlich eine starke Alkoholfahne, unordentliche Kleidung, gerötete Augen, einen teilnahmslosen Blick, geistige Abwesenheit und einen schwankenden Gang. Aufgrund der ordentlichen Unkündbarkeit des Klägers sei die außerordentliche Änderungskündigung unvermeidbar gewesen. Der Kläger sei nicht mehr als zuverlässig genug für die weitere Verwendung an der Heizkesselanlage anzusehen und könne nur noch unter Aufsicht eines Liegenschaftsarbeiters beschäftigt werden. Andere geeignete Dienstposten stünden nicht zur Verfügung.

Der Kläger hat erwidert: Durch seine schlichte Weiterarbeit zu den angebotenen geänderten Arbeitsbedingungen im Anschluß an die außerordentliche Änderungskündigung habe er nicht auf die gerichtliche Nachprüfung ihrer Rechtswirksamkeit verzichtet, vielmehr durch das Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 5. Februar 1985 unverzüglich einen entsprechenden Vorbehalt erklärt. Er habe seinen Prozeßbevollmächtigten am 1. Februar 1985 nach Feierabend nicht mehr erreichen, sondern ihn erst am Montag, dem 4. Februar, nach Feierabend aufsuchen können, um sich wegen der Kündigung Rechtsrat zu holen. Er habe daher ohne schuldhaftes Zögern gehandelt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben; auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des Ersturteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat, ohne die sachliche Rechtfertigung der Änderungskündigung zu prüfen, im wesentlichen ausgeführt, die Klage sei bereits deshalb abzuweisen, weil der Kläger das Änderungsangebot der Beklagten vorbehaltlos angenommen habe; jedenfalls sei der mit Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 5. Februar 1985 erklärte Vorbehalt als verspätet anzusehen. Grundlage dieser Feststellung sei die Tatsache, daß die streitbefangene Änderungskündigung mit Schreiben der Beklagten vom 1. Februar 1985 zum 3. Februar 1985 und daher außerordentlich ausgesprochen worden sei, der Kläger die Arbeit nach eigenem Vortrag bereits am 1. Februar 1985 ohne Erklärung eines Vorbehalts zu den geänderten Arbeitsbedingungen aufgenommen, am 4. und 5. Februar 1985 fortgesetzt und der Beklagten erst mit dem bezeichneten Schreiben die Annahme unter Vorbehalt erklärt habe, obwohl er im Kündigungsschreiben vom 1. Februar 1985 unmißverständlich darauf hingewiesen worden sei, daß die Beklagte bei mangelndem Widerspruch gegen die streitbefangene Kündigung vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu den geänderten Vertragsbedingungen ab 4. Februar 1985 ausgehen werde. Unter diesen Umständen habe der Kläger durch ein von der Beklagten nicht anders zu verstehendes schlüssiges Verhalten die von der Beklagten angebotenen geänderten Arbeitsbedingungen angenommen mit der Folge, daß ein entsprechender Arbeitsvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen sei und der Kläger gegen die streitbefangene Änderungskündigung nicht mehr vorgehen könne. Bei einer außerordentlichen Änderungskündigung habe sich der Arbeitnehmer zu dem Änderungsangebot unverzüglich zu erklären. Davon könne im vorliegenden Falle keine Rede sein, denn die Erklärung vom 5. Februar 1985 sei nicht mehr unverzüglich erfolgt. Es seien auch keine Umstände ersichtlich, die die Vorbehaltserklärung des Klägers ausnahmsweise doch als ohne schuldhaftes Zögern abgegeben erscheinen lassen könnten. Dies gelte bereits deshalb, weil der Kläger im Kündigungsschreiben unmißverständlich darauf hingewiesen worden sei, daß die Beklagte sein Schweigen bzw. seinen mangelnden Widerspruch als Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den geänderten Vertragsbedingungen ab 4. Februar 1985 ansehen werde.

II. Diese Würdigung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Zutreffend ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des Landesarbeitsgerichts, der Arbeitnehmer könne nicht nur eine ordentliche, sondern auch eine außerordentliche Änderungskündigung unter dem in § 2 KSchG bezeichneten Vorbehalt annehmen und eine gerichtliche Klärung herbeiführen, ob das Arbeitsverhältnis zu den alten oder zu den neuen Arbeitsbedingungen fortbesteht. Der Senat folgt auch der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts, der Arbeitnehmer habe sich bei einer außerordentlichen Änderungskündigung unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, auf das Änderungsangebot zu erklären. Denn § 2 und § 4 Satz 2 KSchG sind auf die außerordentliche Änderungskündigung entsprechend anwendbar (BAG Urteile vom 17. Mai 1984 - 2 AZR 161/83 - AP Nr. 3 zu § 55 BAT und vom 19. Juni 1986 - 2 AZR 565/85 - AP Nr. 16 zu § 2 KSchG 1969). Dies bedeutet, daß der Arbeitnehmer bei einer fristlos ausgesprochenen außerordentlichen Änderungskündigung jedenfalls die Erklärung, ob er das Änderungsangebot ablehnt oder (wenn auch unter Vorbehalt) annimmt, unverzüglich nach Zugang der Änderungskündigung abgeben muß (vgl. BAG Urteil vom 19. Juni 1986, aaO).

Nicht gefolgt werden kann dem Landesarbeitsgericht jedoch in der Annahme, der Kläger habe das mit der fristlosen Kündigung unterbreitete Vertragsänderungsangebot der Beklagten durch schlüssiges Verhalten vorbehaltlos angenommen, so daß ein entsprechender Arbeitsvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen sei und der Kläger gegen die Kündigung nicht mehr vorgehen könne. Allein die sofortige schlichte Weiterarbeit des Klägers nach dem Ausspruch der fristlosen Kündigung auf dem ihm von der Beklagten entsprechend ihrem Änderungsangebot zugewiesenen anderen Arbeitsplatz als Unterkunfts- und Liegenschaftsarbeiter konnte die Beklagte jedenfalls so lange nicht als vorbehaltlose Annahmeerklärung verstehen, wie der Kläger noch rechtzeitig, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, einen Vorbehalt entsprechend § 2 KSchG erklären konnte.

Der Arbeitnehmer, dem gegenüber eine außerordentliche Änderungskündigung ausgesprochen wird, hat drei Reaktionsmöglichkeiten. Er kann das Änderungsangebot ablehnen oder es mit oder ohne Vorbehalt annehmen. Gibt der Arbeitnehmer keine ausdrückliche Erklärung ab, sondern setzt er die Arbeit im unmittelbaren Anschluß an eine fristlose Änderungskündigung auf dem angebotenen anderen Arbeitsplatz nur widerspruchslos fort, so gibt er dadurch zunächst einmal zu erkennen, daß er das Änderungsangebot jedenfalls nicht ablehnen will. Aus der schlichten Weiterarbeit folgt aber - jedenfalls in der Regel - nicht sogleich und ohne weiteres, daß der Arbeitnehmer das Änderungsangebot des Arbeitgebers vorbehaltlos, also unter Hinnahme der fristlosen Kündigung, annehmen will. Denn auch bei einer Annahme des Änderungsangebots unter dem Vorbehalt der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ist der Arbeitnehmer bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren zur Weiterarbeit zu den geänderten Arbeitsbedingungen verpflichtet (BAG Urteil vom 28. März 1985 - 2 AZR 548/83 - AP Nr. 4 zu § 767 ZPO, zu B II 4 c aa der Gründe).

Der Arbeitnehmer muß bei einer fristlosen Änderungskündigung auch nicht sofort erklären, ob er das Änderungsangebot mit oder ohne Vorbehalt annimmt; es genügt, wenn er den Vorbehalt unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, anbringt. Dabei sind an den Begriff der Unverzüglichkeit keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Das Interesse des Arbeitgebers an einer Klärung, ob der fristlos gekündigte Arbeitnehmer ein ihm unterbreitetes Änderungsangebot mit oder ohne Vorbehalt annimmt, ist nicht so dringend, daß er sogleich mit der Fortsetzung der Arbeit unter den geänderten Arbeitsbedingungen auch wissen müßte, ob die Annahme des Änderungsangebots mit oder ohne den Vorbehalt der Rechtswirksamkeit der fristlosen Kündigung erfolgt. Für seine unmittelbar nach der fristlosen Änderungskündigung zu treffenden betrieblichen Dispositionen ist es zunächst einmal wichtig, möglichst schnell zu erfahren, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot ablehnt oder ob er es, wenn auch unter Vorbehalt, annimmt; denn dann weiß der Arbeitgeber, ob er den Arbeitnehmer nunmehr zu den angebotenen geänderten Bedingungen im Betrieb einsetzen kann oder nicht. Dagegen ist die Klärung der weiteren Frage, ob es nun endgültig bei den geänderten Arbeitsbedingungen bleibt oder ob dies von der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung abhängt, nicht in gleicher Weise eilbedürftig. Selbst bei einer fristlosen Beendigungskündigung räumt das Gesetz dem gekündigten Arbeitnehmer eine Klagefrist von drei Wochen ein (§ 13 Abs. 1, § 4 KSchG) und mutet dem Arbeitgeber damit eine entsprechende Zeit der Ungewißheit darüber zu, ob der Arbeitnehmer die Kündigung hinnehmen oder gegen sie gerichtlich vorgehen will. Dem von einer fristlosen Änderungskündigung betroffenen Arbeitnehmer muß daher ebenfalls eine - wenn auch kurz bemessene - Überlegungsfrist eingeräumt werden, in der er die Möglichkeit hat, mit der gebotenen Eile Rechtsrat darüber einzuholen, ob er die ausgesprochene Änderungskündigung akzeptieren oder sich eine gerichtliche Überprüfung vorbehalten soll. Erst wenn der Arbeitnehmer auch nach einer den Umständen nach angemessenen Überlegungsfrist noch keinen Vorbehalt erklärt hat, kann der Arbeitgeber die Weiterarbeit des Arbeitnehmers zu den geänderten Arbeitsbedingungen dahin verstehen, daß der Arbeitnehmer das Änderungsangebot vorbehaltlos annehmen und die fristlose Kündigung nicht mehr im Klagewege angreifen wolle.

Mit dieser Auffassung setzt sich der erkennende Senat nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Juni 1986 - 2 AZR 565/85 - (AP Nr. 16 zu § 2 KSchG 1969), nach der in der widerspruchs- und vorbehaltlosen Weiterarbeit zu geänderten Arbeitsbedingungen dann eine Annahme des Änderungsangebots gesehen werden kann, wenn sich die neuen Arbeitsbedingungen alsbald auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Das bedeutet nicht, daß im Falle einer fristlosen Änderungskündigung der betroffene Arbeitnehmer sofort bei der Aufnahme der dem Änderungsangebot entsprechenden anderen Arbeit einen Vorbehalt erklären müsse, weil sonst seine Weiterarbeit als bedingungsloses Einverständnis mit dem Änderungsangebot und damit als Hinnahme der fristlosen Kündigung zu verstehen sei, und daß ein unverzüglich nach der Aufnahme der anderen Arbeit erklärter Vorbehalt nicht genüge. Vielmehr hat der Zweite Senat in dem zugrundeliegenden Fall das Gesamtverhalten des dortigen Klägers gewürdigt und dabei ausdrücklich hervorgehoben, daß der dortige Kläger erstmals zwei Wochen nach Aufnahme der angebotenen anderen Arbeit durch Klageerhebung zu erkennen gegeben habe, daß er mit den geänderten Arbeitsbedingungen nicht einverstanden sei und sich dagegen zur Wehr zu setzen beabsichtige. Dieser Widerspruch war nicht mehr unverzüglich.

Im vorliegenden Falle hat der Kläger dagegen seinen Vorbehalt unverzüglich erklärt. Nach seinem unwidersprochenen Vorbringen konnte der Kläger seinen Anwalt am Freitag, dem 1. Februar 1985, dem Tage des Ausspruchs der fristlosen Kündigung, nach Feierabend nicht mehr erreichen, sondern ihn erst am darauffolgenden Montag nach Feierabend aufsuchen. Sein Anwalt hat sodann mit Schreiben vom 5. Februar 1985, das am folgenden Tage bei der Beklagten einging, namens des Klägers den Vorbehalt erklärt. Damit hat der Kläger alles getan, um sich möglichst schnell Klarheit über die Rechtslage zu verschaffen und das danach Gebotene zu veranlassen. Ein schuldhaftes Zögern kann ihm nicht vorgeworfen werden.

Soweit das Landesarbeitsgericht die Erklärung des Vorbehalts deswegen nicht mehr als unverzüglich gelten lassen will, weil die Beklagte den Kläger im Kündigungsschreiben ausdrücklich darauf hingewiesen habe, daß sie vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu den geänderten Vertragsbedingungen ab dem 4. Februar 1985 ausgehen werde, falls der Kläger der außerordentlichen Änderungskündigung nicht widerspreche, kann ihm ebenfalls nicht gefolgt werden. Der einseitige Hinweis der Beklagten ist ohne rechtliche Bedeutung. Der Arbeitgeber kann nicht durch einseitige Fristsetzung die sich allein aus den gesetzlichen Wertungen des Kündigungsschutzgesetzes ergebende Frist, innerhalb welcher sich der Arbeitnehmer auf ein Änderungsangebot des Arbeitgebers abschließend zu erklären hat, verkürzen.

Nach alledem hat der Kläger das Änderungsangebot der Beklagten nur unter dem Vorbehalt der Wirksamkeit der fristlosen Änderungskündigung angenommen. Es kommt deshalb darauf an, ob für die fristlose Änderung der Arbeitsbedingungen ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorlag. Zur Prüfung dieser Frage war die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

Dr. Seidensticker Dr. Becker Dr. Steckhan

Wagner Schmalz

 

Fundstellen

BB 1988, 913-914 (LT1-3)

DB 1988, 1068-1069 (LT1-3)

AiB 1988, 196-196 (LT1-3)

ARST 1988, 81-82 (LT1-3)

JR 1988, 308

NZA 1988, 737-738 (LT1-3)

RdA 1988, 186

RzK, I 7c Nr 4 (LT1-3)

ZTR 1988, 226-227 (LT1-3)

AP § 2 KSchG 1969 (LT1-3), Nr 20

AR-Blattei, ES 1020.1.1 Nr 8 (LT1-3)

AR-Blattei, Kündigungsschutz IA Entsch 8 (LT1-3)

DÖD 1988, 259-261 (LT1-3)

EzA § 2 KSchG, Nr 10 (LT1-3)

EzBAT § 54 BAT Änderungskündigung, Nr 4 (LT1-3)

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