Neue Ausnahme bei Privat-Nutzungsverbot für den Dienstwagen
Überlässt der Arbeitgeber seinen Beschäftigten ein Fahrzeug für private Fahrten bzw. für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, stellt das steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Der (pauschale) Nutzungswert für Privatfahrten ist grundsätzlich auch dann anzusetzen, wenn das Kraftfahrzeug tatsächlich nur gelegentlich überlassen oder genutzt wird. Wird Mitarbeitenden ein Kraftfahrzeug mit der Maßgabe zur Verfügung gestellt, es für Privatfahrten nicht zu nutzen, ist von dem Ansatz des pauschalen Nutzungswertes jedoch abzusehen, wenn das Nutzungsverbot durch entsprechende Unterlagen (z. B. eine arbeitsvertragliche oder andere arbeits- oder dienstrechtliche Rechtsgrundlage) nachgewiesen wird.
Aktuelles Urteil: rein betriebliche Nutzung
Im aktuellen Urteilsfall war Klägerin eine GmbH, die ihrem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer einen neu angeschafften betrieblichen PKW unter Berücksichtigung eines schriftlich vereinbarten Privatnutzungsverbots zur rein betrieblichen Nutzung überlassen hatte.
Aufgrund der besonderen Stellung des Gesellschafters sah das Finanzgericht (FG) dennoch den sog. Anscheinsbeweis für eine Privatnutzung als erfüllt an. Nach allgemeiner Lebenserfahrung würden betriebliche Fahrzeuge, die auch zur Nutzung für private Zwecke zur Verfügung stehen, tatsächlich auch privat genutzt. Das FG hält die Anwendung des Anscheinsbeweises in Fällen der Privatnutzung eines PKW durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer für zutreffend. Neben einem Nutzungsverbot müssten zusätzliche Maßnahmen getroffen werden, um zu gewährleisten, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer keine unbeschränkte Zugriffsmöglichkeit auf den PKW habe.
FG entscheidet gegen BFH
Damit entscheidet das FG gegen die bisherige Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH). Demnach gibt es keinen auf der allgemeinen Lebenserfahrung gründenden Erfahrungssatz, nach dem ein angestellter Gesellschafter-Geschäftsführer auf generell arbeitsvertraglich vereinbarte Nutzungsverbote nicht achten werde. Dass der Arbeitgeber das vereinbarte Privatnutzungsverbot nicht überwacht, sollte hieran nichts ändern (vgl. BFH-Urteile v. 21.4.2010 - VI R 46/08, BStBl II 2010, 848; v. 21.3.2013 - VI R 46/11, BStBl II 2013, 1044; v. 21.3.2013 - VI R 42/12, BStBl II 2013, 918; v. 18.4.2013 - VI R 23/12, BStBl II 2013, 920; v. 14.11.2013 - VI R 25/13, BFH/NV 2014, 678). Diese Grundsätze hat der BFH auch auf den Fall eines alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH angewendet (vgl. BFH-Urteil v. 08.08.2013 - VI R 71/12, BFH/NV 2014, 153).
Das FG hält es hingegen im aktuellen Fall trotz schriftlichem Nutzungsverbot für möglich, dass das Fahrzeug auch privat genutzt wird, weil bei Zuwiderhandlung für den Gesellschafter-Geschäftsführer keine arbeits- oder gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen drohen. Schließlich fehle die Kontrollinstanz bei vollständiger Entscheidungsgewalt durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer. Eine tatsächliche Überprüfung könne mangels vorliegender Nachweise z.B. durch die Vorlage eines Fahrtenbuchs oder sonstiger Aufzeichnungen für den betrieblichen oder privaten PKW nicht erfolgen, sodass die Beweislast zu Lasten der GmbH geht. Es bleibt abzuwarten, welche Ansicht der BFH in diesem Fall vertreten wird.
Hinweis: FG Münster, Urteil vom 28. April 2023 - 10 K 1193/20 K,G,F; Revision anhängig, BFH I R 33/23
Das FG Köln hat in einem vergleichbaren Fall ähnlich entschieden (Urteil vom 8. Dezember 2022, 13 K 1001/19). Auch dort war die Revision zugelassen, die Entscheidung wurde jedoch rechtskräftig. Bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung sollten streitige Fälle offen gehalten werden.
Wichtig: Auch bei anderen Beschäftigten ist natürlich eine (unbefugte) Nutzung trotz eines Verbots denkbar. Die eventuelle unbefugte Privatnutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs hat nach der Rechtsprechung jedoch keinen Lohncharakter. Es gilt die Grundregel: Diebstahl ist nicht steuerpflichtig (aber natürlich trotzdem verboten!). Ein Zufluss von Arbeitslohn liegt in diesen Fällen erst in dem Zeitpunkt vor, in dem der Arbeitgeber zu erkennen gibt, dass er die ihm zustehende Schadenersatzforderung gegenüber den betroffenen Beschäftigten nicht geltend machen wird.
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