Kündigung wegen privater Nutzung von dienstlicher Tankkarte

Benutzt ein Mitarbeiter die ihm nach der Dienstwagenrichtlinie des Arbeitgebers nur für den Dienstwagen überlassene Tankkarte auch um seine Privatautos zu betanken, ist eine außerordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt. Das hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen entschieden.

Der gekündigte Arbeitnehmer war seit August 2011 Vertriebsmitarbeiter bei einem Hersteller von Landbohranlagen. Als "Vice President Sales" stand ihm für Kundenbesuche ein Dienstwagen – zuletzt ein BMW 320 d Touring (Diesel) mit einem Tankvolumen von 59 Litern – zur Verfügung, den er auch für private Fahrten einsetzen durfte. Laut Dienstwagenrichtlinie trug das Unternehmen dabei "die Leasinggebühr, Versicherungsprämie, Überführungskosten sowie die laufenden Betriebskosten (Kraftstoff, Öl)". Auch die Kosten für Wartung und Verschleißreparaturen waren über die vom Arbeitgeber gezahlte Leasinggebühr abgedeckt. Die Reinigung des PKW (innen und außen) wurde ebenfalls vom Arbeitgeber bezahlt. Um den Dienstwagen zu betanken, erhielt der Vertriebsmitarbeiter zwei Tankkarten unterschiedlicher Anbieter.

Kündigung wegen Verstoßes gegen die Dienstwagenrichtlinie

Statt die Tankkarten, wie vorgesehen, ausschließlich zur Betankung seines Dienstwagens zu nutzen, setze der Beschäftigte die Karten auch ein, um seine Privatfahrzeuge zu betanken. Dies fiel auf, weil sein Privatfahrzeug vom Typ Porsche 911 Cabrio mit Superkraftstoff betankt werden musste, statt – wie das Dienstfahrzeug – mit Dieselkraftstoff. Darüber hinaus betankte der Arbeitnehmer mit den Tankkarten auch sein anderes Privatfahrzeug vom Typ VW Touareg. Dies wurde bemerkt, weil der Touareg ein Tankvolumen von mehr als 59 Litern Diesel hatte, was die maximale Tankfüllung des Firmenfahrzeugs gewesen wäre. Außerdem nutzte der Beschäftigte die ihm überlassene Tankkarte, um eine Cabrio-Pflege vornehmen zu lassen, die nur für sein Privatfahrzeug Typ Porsche 911 Cabrio durchgeführt worden sein konnte, weil es sich beim Dienstwagen nicht um ein Cabrio handelte.

Daraufhin sprach der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung aus. Dagegen klagte der Arbeitnehmer. Die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses sei unwirksam. Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Nutzung der Tankkarten seien ihm nicht vorzuwerfen, weil er seine Privatfahrzeuge auch für dienstliche Zwecke nutze. Außerdem bestritt er die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates vor Ausspruch der Kündigung.

Erst Abmahnung erforderlich?

Vor dem Arbeitsgericht Lingen war er mit seiner Kündigungsschutzklage zunächst erfolgreich. Zwar, so Arbeitsgericht, sei die unzulässige private Nutzung der vom Arbeitgeber überlassenen Tankkarte "an sich geeignet, einen wichtigen Grund für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung darzustellen". Doch verletze die Kündigung das Ultima-Ratio-Prinzip. Der Arbeitgeber hätte vor Ausspruch der Kündigung als milderes Mittel eine Abmahnung aussprechen müssen.

Das jedoch sah das LAG Niedersachsen in der Berufungsinstanz anders und hat die außerordentliche Kündigung als wirksam erachtet. Der Arbeitnehmer war nicht befugt, entgegen den Regelungen der Dienstwagenrichtlinie auch seine Privatfahrzeuge mit den überlassenen Tankkarten zu betanken. Er hat nach Überzeugung des Gerichts in 38 Fällen die Tankkarten weisungs- und pflichtwidrig zur Betankung seiner Privatfahrzeuge benutzt und dadurch das Vermögen seines Arbeitgebers insgesamt um 2.801,04 € geschädigt.

Abmahnung bei endgültig zerrüttetem Vertrauensverhältnis entbehrlich

Bereits jeder einzelne Pflichtverstoß stelle an sich einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB dar, zumindest aber die Gesamtheit der Verstöße bilde einen solchen. Die außerordentliche Kündigung verstoße auch nicht gegen das Ultima-Ratio-Prinzip. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung bedurfte es keiner vorherigen Abmahnung durch den Arbeitgeber. Aufgrund der Häufigkeit der fehlerhaften Nutzung liege hier kein Flüchtigkeitsfehler oder einmaliger Ausrutscher vor. Eine Wiederherstellung des für das Arbeitsverhältnis notwendigen Vertrauens konnte durch den Ausspruch einer Abmahnung nicht mehr erwartet werden. Daher ist das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung wirksam beendet worden.

Hinweis: Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachen vom 29. März 2023, Az. 2 Sa 313/22.


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