ADP

Gemeinsamkeit von Arbeitsvertrag mit Waschanlage und Möbelkauf

Sollen Sondervergütungen nicht dauerhaft ausbezahlt werden, kann eine Vorbehaltsklausel helfen. Diese birgt Tücken, da sie oft als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) strengeren Regeln unterliegt. In der Kolumne rät Rechtsanwalt Thomas Muschiol auch bei der Formulierung zur Vorsicht.

Wenn Sie Sondervergütungen auszahlen, aber damit kein dauerhaftes Entgeltversprechen verbinden wollen, müssen Sie diese mit einer Vorbehaltsklausel versehen. So lässt sich verhindern, dass bei den Mitarbeitern das Vertrauen entsteht, auch in Zukunft mit derartigen Sonderzahlungen rechnen zu können. Ist dies nämlich der Fall, so können Sie es bekanntlich mit der sogenannten betrieblichen Übung zu tun bekommen, bei der vorbehaltlose Leistungen zu vertraglichen Daueransprüchen mutieren.

AGB im Arbeitsvertrag: der Vergleich zum Schlafsofa

Was würden Sie aber sagen, wenn ein Arbeitsrichter Ihre Vorbehaltsklausel für unwirksam erklärt und dies Ihnen  im Gerichtstermin mit Erläuterungen über Autowaschanlagen oder den Kauf eines Schlafsofas näher bringt? Von einem solchen Erlebnis berichtete mir kürzlich ein Personalleiter, der den Ausflug des Arbeitsrichters in die Welt des allgemeinen Vertragsrechts nicht nachvollziehen konnte. Schließlich sei er gewohnt, dass im Arbeitsrecht  "alles anders sei", aber genau deswegen könne man doch jetzt nicht einfach den umgekehrten Weg gehen und einen Arbeitsvertrag mit denselben Rechtsgrundlagen wie bei einer Waschanlagenbenutzung oder einem Möbelkauf auslegen.  

"Doch, kann man!", so musste ich den Personalleiter enttäuschen. Denn: Arbeitsverträge haben nicht nur mit Waschanlagen oder Möbelkäufen etwas gemeinsam, sondern mit fast allen Rechtsgeschäften, die uns im täglichen Leben begegnen. Hier werden die Vertragsklauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen, abgekürzt AGB, bezeichnet. Der Gesetzgeber definiert diese AGB als "alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt".

Was nach AGB-Recht gilt

"Moment mal", wendete unser Personalleiter ein, "es muss doch einen Unterschied zwischen dem Kleingedruckten an der Waschhallentür und einem im Einzelfall durchgelesenen und unterschriebenen Arbeitsvertrag geben."

"Leider nicht", musste ich den Personalleiter ein zweites Mal enttäuschen. Es kommt nur darauf an, ob der verwendete Vertrag grundsätzlich zur Mehrfachverwendung geeignet ist. Auch wenn die betreffende Funktion nur einmal im Betrieb existiert, ist der Vertrag nach den Sondervorschriften zu den AGB nach §§ 305 ff BGB zu beurteilen; eben genauso wie das Kleingedruckte an Waschanlagen oder auf der Rückseite der Möbelbestellung.  

Die Konsequenz: Es ist stets zu prüfen bei diesen arbeitsrechtlichen AGB, ob die im Vertrag bestehenden Klauseln unklar, überraschend oder unangemessen sind.

"Also gut", lenkte der Personalleiter ein, "dann muss ich diese AGB-Kröte in Zukunft schlucken." Den Fehler bei der Vorbehaltsklausel verstehe er dennoch nicht. "Schließlich habe ich unterstrichen und fettgedruckt geschrieben, dass die Sonderzahlung rein freiwillig ist und wir uns einen Widerruf jederzeit vorbehalten. Klarer, geht’s doch wohl nicht", meinte er. Dass jemand von einer solchen Klausel überrascht sein soll, werde man nicht ernsthaft behaupten können.

Alles klar? Klausel zur freiwilligen und widerruflichen Leistung

Jetzt musste ich zunächst zugestehen, dass er eigentlich Recht hat. Denn angesichts einer doppelten Vorbehaltsklausel ist die Intention des Arbeitgebers, keine Bindungswirkung für die Zukunft einzugehen, eindeutig. Da es aber vor Gericht mit der Eindeutigkeit so eine Sache ist, musste ich dem Personalleiter mit einer dritten Enttäuschung aufwarten, denn ich konnte ihm schließlich nicht die Meinung des Bundesarbeitsgerichts vorenthalten. Was eine "unklare" Regelung bei einer allgemeinen Geschäftsbedingung ist, bestimmt sich nämlich nicht danach, ob der betreffende Mitarbeiter dies im konkreten Fall so verstehen konnte, sondern nach einem vom konkreten Fall abgehobenen Prüfmaßstab.

Das Ergebnis haben die Bundesrichter schon im Jahr 2008 (Az. 10 AZR 606/07) festgelegt: Wird eine Vorbehaltsklausel zusammen mit einer Widerrufsklausel verwendet, sei nicht er­kenn­bar, wel­chen (juristischen) Re­ge­lungs­ge­halt die­se Klau­sel über­haupt ha­ben soll­te, sie sei daher unklar und insgesamt unwirksam.

Jetzt bekam mein Personalleiter sichtlich Schnappatmung und bezweifelte, dass eine solch hanebüchene Auslegung auch bei der Waschanlage oder dem Möbelkauf vorgenommen würde, obwohl es dort seiner Erfahrung nach von unklaren Regelungen nur so wimmele. An dieser Stelle war ich erleichtert, als mein Handy klingelte und es mir erspart blieb, dem Personalleiter einerseits Recht zu geben, denn eine solche AGB-Auslegung findet man außerhalb des Arbeitsrechts wohl wirklich nicht. Anderseits hätte ich zur Verteidigung des BAG wiederum den Satz bemühen müssen: "Im Arbeitsrecht ist halt alles etwas anders".