Kolumne Entgelt

Aktivrente, ELStAM und Geringfügigkeit: 2026 wird für HR sportlich


Jahreswechsel Entgelt: Aktivrente, ELStAM und Geringfügigkeit

Das Jahr 2026 verspricht für HR und Lohnabrechnung eine Vielzahl an Herausforderungen, die von neuen gesetzlichen Regelungen geprägt sind. Ob Aktivrente, ELStAM oder Minijob-Reform – die versprochene Bürokratieentlastung sieht unsere Kolumnistin Birgit Ennemoser für Personalabteilungen noch in weiter Ferne.

Schaut man sich die anstehenden gesetzlichen Veränderungen für 2026 im Bereich der Lohnabrechnung und der Personalarbeit an, scheint die viel gepriesene Bürokratieentlastung noch ein wenig auf sich warten zu lassen.

Ein buntes Gemisch aus Themen, aus dem wir uns hier nur dreier annehmen möchten, um daran ein wenig die Entwicklung aufzuzeigen. Die Begrifflichkeit der Aktivrente begleitet uns als Überlegung seit 2023: Es gab zwar schon früher Diskussionen rund um Rente, Flexibilisierung des Renteneintritts und Hinzuverdienst; die "Aktivrente" mit dem spezifischen Modell – steuerfreier Zuverdienst bis 2.000 Euro im Monat bei Erreichen des gesetzlichen Rentenalters und freiwilliger Weiterarbeit – wurde so aber erst 2023 konkret und als parteipolitischer Vorschlag benannt.

Die Absicht, die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung künftig als Lohnsteuer-Abzugsmerkmal zu melden, wurde bereits im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 verabschiedet. Aufgrund technischer und organisatorischer Komplexität wurde der Start mehrfach verschoben. Erst mit dem Schreiben des BMF vom 3. Juni 2025 wurde der finale Umsetzungszeitpunkt auf den 1. Januar 2026 festgelegt.

Den bunten Reigen rundet dann die Anpassung beim Minijob ab: Seit dem 1. Januar 2013 gilt für geringfügig entlohnte Beschäftigungen (= Minijobs) grundsätzlich Rentenversicherungspflicht, mit der Möglichkeit einer freiwilligen Befreiung durch den Arbeitnehmer. Derzeit gilt – nach Umkehrung der zuvor herrschenden grundsätzlichen Befreiung: Wird einmal eine Befreiung erklärt, gilt diese für die gesamte Dauer des Minijobs. Eine Rücknahme der Befreiung war nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich.

Nach aktuellem Stand plant die Bundesregierung für 2026 eine Reform: Danach soll ein Befreiungsantrag zur Rentenversicherungspflicht einmalig zurückgenommen werden können. Das heißt: Die jetzt dauerhaft geltende Bindung der Befreiung soll wieder geöffnet werden. Minijobber könnten demnach nachträglich entscheiden, doch Rentenbeiträge zahlen zu wollen. Dies soll zum Glück nur einmalig gelten und vermutlich auch erst ab dem 1. Juli 2026.

Generell zeigen diese Regelungen aber doch auf, dass sich der Gesetzgeber eigentlich eine gewisse Zeit nimmt, um Verfahren abzustimmen und zu regeln. Warum sind in den nun anstehenden Ergebnissen oder kurz vor der Umsetzung der Gesetze dennoch so viele Dinge unklar? Nimmt man derzeit an Jahreswechselseminaren teil, erlebt man eine stetige Weiterentwicklung von Themen, die einem als Anwenderin oder Anwender in der Lohnabrechnung sehr notwendig vorkommen. Daraus ergibt sich dann doch die Frage, inwieweit Praktiker in die Gesetzgebung einbezogen werden.

Akt I: Die Aktivrente – wenn "aktiv" vor allem der Gesetzgeber ist

Beginnen wir mit der Aktivrente, der neuesten Idee, wie Deutschland die Rente "Fit fürs 21. Jahrhundert" machen möchte – wohlgemerkt im Jahr 2026, also mit einer "kleinen" Verzögerung.

Die Aktivrente soll grundsätzlich "Anreize für längeres Arbeiten" setzen. Eine gute Idee, aber warum gibt es dann keinen Gleichklang in der Handhabung?  Ein Arbeitnehmer soll 2.000 Euro pro Monat steuerfrei erhalten können, wenn er ab Erreichen der Regelaltersgrenze weiter arbeitet. Diese 2.000 Euro sind aber mitnichten sozialversicherungsfrei, sondern eben -pflichtig. Sie dürfen aber, da sie keine Auswirkung auf die Vorsorgepauschale haben dürfen, nicht in der Lohnsteuerbescheinigung für die Vorsorgepauschale berücksichtigt werden. Das wirft Fragen auf: Erst sollte die Aktivrente dem Progressionsvorbehalt unterliegen, jetzt doch nicht? Dann sollte sie anteilig mit Erreichen des Rentenalters gewährt werden, dann ab dem 1. des Folgemonats? Das hier am Ende Fehler entstehen, weil Unklarheiten bestehen, überrascht eigentlich nicht wirklich.

Akt II: Private Kranken- und Pflegeversicherung über ELStAM – der digitale Traum, der keiner werden sollte

Als Nächstes steht die Integration privater Kranken- und Pflegeversicherungen in das ELStAM-Verfahren an. Grundsätzlich eine gute Idee, wenn dadurch die Abläufe vereinfacht werden. Wer aber das BMF-Schreiben dazu liest, stellt sich die Frage, ob eine Vereinfachung hier wirklich das Ziel war.

Die genaue Lektüre zeigt, dass jeder privat Krankenversicherte der Übermittlung der Daten an das Bundeszentralamt für Steuern durch seine Versicherung widersprechen kann. So weit, so gut. Dann werden keine Daten an ELStAM übermittelt, der Arbeitgeber müsste dann für diesen Mitarbeitenden von diesem die Beiträge für die private KV und PV anfordern. Warum aber sollte dann dieser Betrag tatsächlich steuer- und SV-pflichtig zur Auszahlung kommen? Selbst die Programmanbieter für Lohnprogramme setzen dies so erst einmal nicht um. Als Arbeitgeber kann ich aber doch nicht einfach gegen ein BMF-Schreiben verstoßen? Was also ist der richtige Weg und wie kann man vor allem eine solche Regelung an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommunizieren? Selbst wenn man nur einen einzigen solchen Fall hat, steht zu erwarten, dass der Klärungsbedarf daraus alle Einsparungen der sonstigen Einspielungen definitiv vernichten wird.

Akt III: Die Rücknahme der Befreiung von der Geringfügigkeit – das Déjà-vu des Arbeitsmarktes

Und dann ist da noch die Rücknahme der Befreiung von der Geringfügigkeit, ein politischer Schritt, der doch etwas überraschend kommt. Für diejenigen, die sich nicht täglich mit sozialversicherungsrechtlichen Feinheiten beschäftigen: Der Gesetzgeber hat festgestellt, dass zu viele Minijobber von der Befreiungsmöglichkeit Gebrauch machten – möglicherweise, weil sie existiert? Wer hätte das ahnen können?

Fortan soll wieder der Regelfall gelten: Minijobber sind rentenversicherungspflichtig. Das klingt nach einer guten Idee, wenn man davon ausgeht, dass Menschen mit 556 bzw. 603-Euro-Jobs durch die zusätzliche Beitragszahlung zu wohlhabenden Rentnern werden. Das ist dann aber doch eher etwas weiter entfernt. Interessant ist allerdings, wie die Politik den Schritt kommunikativ verpackt: "Stärkung der Altersvorsorge", "Solidarisierung im unteren Einkommenssegment", "verbesserter Erwerbsverlauf für Beschäftigte"…

In der Praxis bedeutet es jedoch vor allem eines: Die ohnehin komplexe Abrechnung von Minijobbern, bei denen man schon einen dreiseitigen Fragebogen benötigt, um alle Fragen dazu zu platzieren, wird nun um eine Frage erweitert. Jetzt hatten sich alle an die RV-Pflicht gewöhnt und die Befreiung angefragt. Und nun drehen wir dies wieder zurück und hinterfragen die Befreiung? Arbeitgeber, die bisher stolz darauf waren, den geringfügig Beschäftigten wenigstens ein unkompliziertes Arbeitsverhältnis bieten zu können, dürfen sich nun auf neue Anträge, Prüfungen und Nachberechnungen freuen.

Bürokratieentlastung 2026: Das große Ganze und die kleinen Freuden

Setzt man alle Neuerungen zusammen, ergibt sich ein faszinierendes Bild des Gesetzgebers für das Jahr 2026. Vor allem scheinen die meisten Themen wieder auf den letzten Drücker zu erfolgen.

Eine fehlerlose Umsetzung und gute Vorbereitung wird schwierig, wenn Gesetze am 19. Dezember 2025 im Bundesrat verabschiedet werden und am 1. Januar 2026 umgesetzt werden sollen. Unglückseligerweise liegen dazwischen auch noch Weihnachten und Neujahr. In einer Zeit, in der sich viele auf besinnliche Momente mit ihrer Familie freuen, dürfen sich Lohnabrechner den Kopf zerbrechen, wie sie was wann umsetzen können.

Man kann sich bildlich vorstellen, wie die Verantwortlichen im Januar 2026 das erste Mal die Lohnsoftware öffnen, tief durchatmen und hoffen, dass sich mit dem zum Jahreswechsel anstehenden Update alle Probleme in Luft aufgelöst haben.

Realistischer ist aber:

  • ELStAM sendet unvollständige Datensätze,
  • der Minijobber hat einen Antrag von 2012 wiedergefunden und möchte wissen, ob der noch gilt,
  • und parallel erscheint die Meldung: "Lohnart Aktivrente unbekannt. Bitte händisch erfassen."

Es wirkt ein wenig so, als hätte der Gesetzgeber die Lohnabrechnung als eine Art Escape Room verstanden: Man schließt möglichst viele Türen gleichzeitig ab und schaut dann, ob die Beteiligten eine Chance haben, trotzdem eine korrekte Lohnabrechnung zu erstellen.

Information ist eine Holschuld

Viele Lohnabrechner und HRler bekommen gar nicht mehr alle Änderungen mit – trotz aller Mühen und Interessenslagen. Es gibt aber so viele Medien und Nachschlagewerke und Möglichkeiten, etwas nachzulesen: Hier wird die Messlatte hochgelegt.

Zudem bleiben diese Ansätze nicht ohne Reaktionen bei den betroffenen Mitarbeitenden: von Genervtheit über Akzeptanz bis hin zum pragmatischen Kopfschütteln zeigt sich alles. Viele haben längst akzeptiert, dass jedes Jahr ein bestimmtes Kontingent an Gesetzesänderungen abgerufen werden muss. Für die meisten zählt ohnehin nicht die politische Vision, sondern die praktische Frage: "Was bedeutet das jetzt schon wieder für mich?" Genau darin liegt aber der Knackpunkt: Von HR wird erwartet, dass hier dann Antworten zu allen Fragen gegeben werden können. Und das selbstverständlich mit einer hohen Rechtssicherheit.

Die Lohnabrechnung bleibt also weiterhin ein Jonglierkurs während eines Erdbebens. Die Aktivrente verspricht viel und fordert noch mehr. ELStAM wird zum digitalen Kraken mit immer mehr Tentakeln. Und die Rücknahme der Befreiung der Geringfügigkeit bringt nostalgische Gefühle für frühere Zeiten zurück, als Minijobregelungen noch überschaubar kompliziert waren.

Doch seien wir ehrlich: Die Erstellung einer Lohnabrechnung wird ja häufig als "Knopfdruck" bezeichnet. Die Vielfalt der Veränderungen und die Komplexität der damit verbundenen Themen ist der Allgemeinheit oft gar nicht bewusst. Und den Lohnabrechnern? Na, wo bliebe denn die kollektive Freude, wenn im Februar die ersten Korrekturläufe fällig werden? Oder das erhabene Gefühl, nach drei Stunden Hotline-Warteschleife endlich jemanden von der Programmseite des Lohnprogrammes zu erreichen? In gewisser Weise schaffen diese Themen also Gemeinsamkeit: gemeinsame Sorgen, gemeinsame Absurditäten, und vor allem viel Austausch untereinander. Und vielleicht ist genau das der Plan? 

2026 wird kommen. Und es bleibt "sportlich" – im wahrsten Sinne des Wortes, mit Blick auf die hoffentlich zu erreichende Aktivrente.


Über die Kolumnistin: Birgit Ennemoser ist mit knapp 30 Jahren praktischer Erfahrung in den verschiedenen Sparten des Personalwesens vorrangig beratend sowie als Trainerin, Seminarleiterin und Autorin tätig. Seit 2009 leitet sie das Geschäftsfeld Personal Services der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Rechtsberatung Auren in Stuttgart.

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