Die neue Pflegeversicherung mit erhöhtem Betreuungsaufwand

Familien sollen bald in der Pflegeversicherung entlastet werden - das hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Mai 2022 entschieden. Nun ist der entsprechende Gesetzentwurf da und wirft laut unserer Kolumnistin Christiane Droste-Klempp Fragen auf.

Sind Sie auch kinderreich? Ich bin es,  habe zwei Kinder und werde also in Kürze in der Pflegeversicherung entlastet – so hat es das Bundesverfassungsgericht im Mai 2022 entschieden. Jetzt ist der Gesetzesentwurf da und dieser ist insbesondere detailreich.

Gönnen wir uns einen Blick in die Vergangenheit:

Im Januar 1995 wurde die Pflegeversicherung als eigenständiger Zweig der Sozialversicherung eingeführt und ist im SGB XI gesetzlich geregelt. Versicherungspflichtig ist jede Person, die Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung oder einer privaten Krankenversicherung ist. Bei der Einführung der Pflegeversicherung spielte es keine Rolle, ob Versicherte kinderlos, ein Kind hatten oder gar kinderreich waren. Demzufolge wurde 2001 vom Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Eltern bei der Pflegeversicherung entlastet werden müssen, sprich weniger zahlen müssen als Kinderlose.

Aus diesem Grund hatte der Gesetzgeber die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Prozent und Anfang 2022 ein weiteres Mal auf aktuell 0,35 Prozent angehoben. Hierdurch haben Familien eine geringe Entlastung erfahren, allerdings wird nicht danach unterschieden, ob jemand ein Kind oder mehrere Kinder hat. Nun hatte das Bundesverfassungsgericht im Mai letzten Jahres entschieden, dass der Gesetzgeber bei dem Pflegebeitrag nach der Kinderzahl differenzieren muss.

Einfache Logik: Mehr Kinder, mehr Kosten

Denn wussten Sie, dass eine Familie mit vier oder fünf Kindern einen höheren Kosten- und Betreuungsaufwand hat als eine Familie mit einem Kind?! – aus diesem Grund spricht das Bundesverfassungsgericht von "erziehungsbedingt entgangenen Erwerbschancen". Das Gericht kommt daher zum Schluss: Das alles muss bei der Pflegeversicherung berücksichtigt werden.

Fazit: Die neue Pflegeversicherung muss also wirtschaftlich entlasten und karriereverlorene Zeiten gutschreiben.

Das erinnert mich an die Kurzgeschichte "Holmsen" aus dem kleinen Erziehungsberater von Axel Hacke. Hier geht es darum, dass Antje und Axel immer wieder von ihrem Kind aufgeweckt werden, sobald sie in den Tiefschlaf gefallen sind und den ersten Traum träumen. Morgens beim Frühstück gibt es dann Streit, wer nachts öfter aufstehen musste – um elf, um Mitternacht, um zwei und um drei – Antje um halb elf, um halb zwölf, um halb zwei und zwischen vier und sechs Uhr ständig. "Das aktuelle Schlafdefizit liegt bei 421 Stunden plus drei Prozent Zinsen macht das ein Guthaben von 433,63 Stunden. Das schreibe ich mir auf, denn ich will alles wiederhaben, wenn der kleine süße Fratz im Kinderstühlchen groß ist."

Unterstützung für Kinder soll bis zum 25. Lebensjahr auslaufen

Mit der Erstattung der Karriere wird es also nix, aber die wirtschaftliche Belastung bei der Pflegeversicherung zu berücksichtigen – unter Abbildung des jeweiligen Kinderreichtums scheint, zumindest aus der Ferne, möglich – interessant ist nun das Ergebnis, welches sich PUEG nennt: "Entwurf eines Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz)".

Zur Entlastung soll nun der Kinderlosenzuschlag um 0,25 Beitragssatzpunkte auf 0,6 Beitragssatzpunkte angehoben werden. Mitglieder mit mehreren Kindern sollen ab dem zweiten bis zum fünften Kind mit einem Abschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten für jedes Kind entlastet werden. Allerdings, und jetzt wird es wirklich spannend: Sollen Kinder bei der Ermittlung des Abschlags nicht berücksichtigungsfähig sein, die das 25. Lebensjahr vollendet haben.

Puh – ach nein Pueg – und wer sagt jetzt dem Lohnabrechnungsprogramm, wie viele Kinder die abzurechnenden Mitarbeitenden haben und noch viel spannender, wann diese Kinder das 25. Lebensjahr vollendet haben …

Wie viel Zeit bleibt, bis die Entlastung endet?

Die Gerüchteküche brodelt, gestern sollte es ganz problemlos über ELStAM digital mit dem Merkmal "Kinderfreibetrag" übermittelt werden – nicht aufregen, was ist dann z.B. bei Steuerklasse V … - ELStAM ist wieder vom Tisch; die neue Idee ist ITSG, denn wie steht es doch so schön im Gesetzesentwurf vom 05. April 2023: "Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen und ein möglichst effizientes, schnelles und digitales Verwaltungshandeln zu gewährleisten, wird das Bundesministerium für Gesundheit gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Inneren und für Heimat sowie dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ein Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der Kinder bis spätestens zum 1. Juli 2023 entwickeln."

Machen Sie sich also keine Sorgen, heute ist erst der 26. April 2023, wir haben also noch viel Zeit bis zur Entlastung – es sei denn, es geht Ihnen wie meiner Nachbarin, denn ihre Tochter wird am 30. Juni 2023 25 Jahre alt – Herzlichen Glückwunsch!


Christiane Droste-Klempp arbeitet im eigenen Unternehmen als Trainerin, Beraterin und Projektleiterin für sämtliche Themen des Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrechts und berät seit vielen Jahren Unternehmen bei der Auswahl und Umsetzung strategischer Personalmodelle.