Wer fünfmal mahnt, dem glaubt man nicht

Richtig abmahnen heißt vor allem beweissicher abmahnen. Allerdings kann man auch zu viel des Guten tun; meint Thomas Muschiol in seiner Kolumne "Arbeitsrecht.

Liebe Personalexperten, bevor Sie Mitarbeitern eine verhaltensbedingte Kündigung ausstellen, müssen Sie – von krassen Ausnahmefällen abgesehen, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen – nicht nur einen Wiederholungsfall feststellen, sondern das Fehlverhalten zuvor schon einmal abgemahnt haben. Diese Voraussetzung, die Sie auch nach noch so intensiver Suche in keinem Gesetz finden werden, wird nach wie vor von den Arbeitsgerichten penibel beurteilt, und das Abmahnungsrecht füllt mittlerweile ganze Bibliotheken. Schaut man sich darin die unzähligen rechtlichen Fallstricke an, so ist man auf den ersten Blick gehalten zu kapitulieren. Denn die Möglichkeiten, eine Abmahnung scheitern zu lassen, sind an Detailreichtum kaum zu überbieten.

Nehmen Sie dies jedoch nicht zum Anlass, jetzt aus jeder Abmahnung eine juristische Doktorarbeit zu machen. Vielmehr sollten Sie beachten, dass ein Großteil der Abmahnungen im gerichtlichen Streitfall schlicht und einfach auf der Sachverhaltsebene entschieden wird.

Mit anderen Worten: An erster Stelle scheitern Abmahnungen im Tagesgeschäft der Arbeitsgerichte nicht an komplizierten Rechtsfragen, sondern an der Fähigkeit der beteiligten Arbeitgeber, das, was in einem Vorwurf formuliert wurde, später auch gerichtsfest beweisen zu können. Sie wissen: Wenn ein Sachverhalt einmal auf dem Richtertisch landet, geht es nicht mehr um die Frage, wer recht hat, sondern wer die Voraussetzungen seiner Rechte beweisen kann. Und die sogenannte Beweislast liegt bekanntlich in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten fast immer beim Arbeitgeber. Checken Sie also jede Abmahnung mit der Frage: „Was kann ich dem Gericht als Beweis für ein Verhalten vorlegen, wenn der Sachverhalt streitig wird?“

Gleichwohl möchte ich die Gelegenheit nutzen, Sie auf einen besonders pikanten Fauxpax hinzuweisen, bei dem für Sie die gerade noch gelobte Beweisbarkeit eines Fehlverhaltens ausnahmsweise leider ohne Bedeutung sein kann. Dieser Abmahnungsfehler lautet: Zu häufig. Auch wer seine Abmahnungsschreiben mustergültig verfasst und jeden Vorwurf explizit beweisen kann, darf eines nicht machen: Er darf nicht zu oft abmahnen. So geschehen bei einem Straßenreiniger, der einen Rekord im Verschlafen des Arbeitsbeginns aufgestellt hatte. Grund für den Arbeitgeber, dieses Verhalten insgesamt fünfmal durch eine Abmahnung zu rügen, wobei in jeder Abmahnung mehrere „Schlaftaten“ streng nach den Abmahnungsregeln über Zeit, Ort und Umstände des Zuspätkommens aufgelistet wurden.

Leider umsonst, denn dazu hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – mit Unterstützung der Abmahnungsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Rücken – geurteilt: „Der Kläger konnte aufgrund der bisherigen Abmahnungspraxis der Beklagten durchaus den Eindruck gewinnen, seine Verspätungen würden zwar missbilligt, der Arbeitgeber würde aber erneut Milde walten lassen und keine Konsequenzen ziehen.“

Rechtsanwalt Thomas Muschiol (Leiter Ressort Recht "Personalmagazin")
Schlagworte zum Thema:  Abmahnung, Arbeitsrecht