Kolumne Arbeitsrecht: Werkverträge in der Fleischindustrie

Das geplante und sich bereits im Gesetzgebungsverfahren befindende Gesetz zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (kurz Arbeitsschutzkontrollgesetz) sieht ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischindustrie vor. Die Diskussion, ob ein solches Verbot sinnvoll und rechtlich überhaupt möglich ist, hat unter Experten bereits eingesetzt. Auch unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller macht sich seine Gedanken dazu.

Ja, es ist eine unappetitliche Sache. Dass sich gerade in der Fleischindustrie die Corona-Fälle häuften, hat wohl das Fass zum Überlaufen gebracht. Ein Fass, das man bei genauem Hinsehen vielleicht nicht nur in der Fleischindustrie findet – aber lassen wir das einmal außen vor.

Von der Dialektik des "missbrauchten Vertrages"

Vom "Missbrauch von Werkverträgen" ist die Rede. Geht das überhaupt, Verträge zu "missbrauchen"? Gibt es einen "anerkannten (oder vorherrschenden) den Regeln oder gesellschaftlichen oder rechtlichen Normen widersprechenden Gebrauch" (so eine Definition des Missbrauchs) einer Gesetzesregelung? Nein. Dazu bin ich zu sehr Jurist und zu wenig Politiker. Es ist klar, was ein Werkvertrag ist. Der Werkunternehmer schuldet ein Ergebnis. Das ist seit dem Jahr 1900 klar in §§ 631 ff. BGB geregelt. Und seit 2017 hilft uns § 611a BGB bei der Abgrenzung zum Arbeitsvertrag. Aus meiner Sicht ein Entweder-oder. Wenn es sich nicht um einen Werkvertrag handelt, dann liegt ein Arbeitsvertrag vor. Und eben kein "widersprechender Gebrauch" eines Werkvertrages! Aber wenn es ein Werkvertrag ist, dann gelten eben dessen Regelungen. Missbrauch? Rein begriffstechnisch geht das gar nicht. Oder spricht irgendjemand beim Überfahren einer roten Ampel vom Missbrauch der Straßenverkehrsordnung? Niemand. Wenn Grün ist, dann ist Fahren erlaubt, wenn Rot ist, dann gibt es Bußgeld und Punkte. "Missbrauch" ist eine politische Erfindung im Rechtswesen – und dazu sollte man stehen.

Unappetitlich ist, im Bereich gesetzlicher Regelungen von Missbrauch zu sprechen, wenn es um Gestaltungsfragen geht.

Nicht nur Werkverträge – auch die Arbeitnehmerüberlassung ist im Visier

Vom "Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung" ist ebenfalls die Rede. Man vergisst dabei, dass die Arbeitnehmerüberlassung einer der geschütztesten Bereiche überhaupt ist. Damals durch die Regierung Schröder per gesetzlicher Regelung aus dem Schmuddel-Milieu befreit, durchreguliert und tariflich abgesichert wie kaum eine andere Branche. Unter Observation der Bundesagentur, Gewerkschaften und Betriebsräte wie wenig andere Beschäftigtengruppen. Wer hier von Missbrauch spricht, will der Arbeitnehmerüberlassung den Garaus machen. Und findet im Arbeitsschutzkontrollgesetz einen "gelungenen Einstieg". Und wenn wir schon dabei sind: Die Befristung, ein Ausweg aus dem Verbot von Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung, sollte dann auch gleich verboten werden …

Unappetitlich ist, im Bereich gesetzlicher Regelungen von Missbrauch zu sprechen, wenn gesetzlich zugelassene Instrumente angewandt werden und nicht zugegeben wird, dass diese Anwendung der Vorschriften politisch unerwünscht ist.

Gibt es Alternativen?

Nein, andere Wege machen das, was in der Fleischbranche passiert ist, nicht appetitlicher. Ich möchte hier klar sagen, dass es mir nicht um den Schutz von Unternehmern geht, die ihre Verpflichtungen nicht ernst nehmen. Mir geht es darum, ein arbeitsrechtliches Instrumentarium, das seit 100 Jahren und länger bewährt ist, nicht ohne Sinn und Verstand aufzugeben. Und dazu gehört neben dem Arbeitsvertrag der Werkvertrag, der Dienstvertrag und die Arbeitnehmerüberlassung. Zigtausendfach bewährte Instrumente, mit denen wir gelernt haben, sinnvoll und sozial verantwortlich umzugehen.

Es gibt die Verantwortung eines Unternehmers für Leiharbeitnehmer und wenn man eine solche Verantwortung auch für Werk- und Dienstvertragsnehmer möchte, dann ist das regelbar. Also warum gleich ein Verbot? Warum das Kind mit dem Bade ausschütten? Warum gerade (und nur) in dieser Branche? Weil es hier besonders unappetitlich zugeht? Oder weil hier manch ein Unternehmer seine Verantwortung gar zu dreist von sich geschoben hat?

Bleiben wir doch bitte auf dem Boden der FDGO!

Ist das rechtlich überhaupt zulässig? Artikel 12 Grundgesetz – zur Erinnerung, das ist unsere Verfassung – gewährleistet die Berufsfreiheit. Einfach platt Werkverträge zu verbieten, dürfte also in der Tat nur jemand fordern, der nicht fest auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung steht. Regulieren der Werkverträge – ja. Verbieten – da ist die Verfassung vor. Es gibt ein Gutachten von Prof. Däubler, welches die Rechtmäßigkeit des Verbots attestiert. In der Quintessenz argumentiert er, dass die Rechtsdurchsetzung nicht als Grundrechtseingriff zu werten sei. Ich stimme ihm zu (auch wenn er zur Rechtfertigung häufig sich selbst zitiert). Aber es geht gar nicht um die Herstellung von mehr Rechtsdurchsetzung – denn dieselben Missstände könnten auch im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen stattfinden. Ein Scheinargument.

Unappetitlich ist, im Bereich gesetzlicher Regelungen mit Scheinargumenten zu hantieren.

Hilft oder schadet ein Verbot?

Was sind denn die wesentlichen Fragen? Wird durch dieses Verbot der soziale Schutz der in der Fleischindustrie Beschäftigten besser? Wird dadurch der Gesundheitsschutz besser? Wird es dadurch mehr Arbeitsplätze geben? Wird dadurch unser Fleisch appetitlicher? Ich glaube: Nichts davon. Es wird nach wie vor Unternehmer geben, die auch künftig, wenn sie Arbeitsverträge abschließen müssen, unverändert agieren werden. Es wird Unternehmer geben, die die Produktion ins Ausland verlagern. Wo es noch weniger Kontrolle gibt. Es wird eher, entschuldigung, noch unappetitlicher werden. Wohlgemerkt, es soll auch Unternehmer geben, die mit der heutigen Rechtssituation, selbst bei Einsatz von Werkverträgen, verantwortungsvoll umgehen. Darf man sie bestrafen wegen einer Reihe auffällig gewordener, "schwarzer Schafe"?

Völlig übers Ziel hinaus schießt die von einigen Seiten erhobene Forderung, Werkverträge gänzlich zu verbieten. Klar, in Zukunft, wenn ich einen Schrank brauche, stelle ich einen Schreiner ein, wenn mein Auto repariert werden soll, stelle ich einen Kfz-Mechaniker ein, und so fort. Wo soll die Abgrenzung stattfinden? Der Werkvertrag in der Fleischindustrie ist "Missbrauch", wenn ein Unternehmen alle Elektroarbeiten fremdvergibt, ist es keiner? Die Kantine? Die Gartenarbeiten? Die Spedition? Die Verpackung? Wir könnten hier eine endlose Auflistung fertigen. Stattdessen sollten wir uns damit abfinden, dass wir in einer arbeitsteiligen Gesellschaft leben und dafür Sorge tragen, dass unter genau diesen Umständen "ordentlich" gearbeitet wird, mit Gesundheitsschutz.

Ich fürchte, es wird unappetitlich werden. Die Gerichte – vordringlich die Arbeitsgerichte – werden sich mit neuen Formen der Arbeitsteilung beschäftigen müssen, wenn die Verbote kommen. So wie im Steuerrecht oder im Sozialversicherungsrecht gibt es auch im Arbeitsrecht immer wieder den Versuch, neu zu "gestalten". Ich fürchte, dass wir dann erst einmal eines haben werden: Rechtsunsicherheit über Jahre hinweg. Und das finde ich auch unappetitlich.


Unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller, Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU), blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.