Betriebsratsgründung: Rechtliche Voraussetzungen

Immer wieder müssen sich die Arbeitsgerichte mit Fällen befassen, in denen Arbeitgeber die Gründung eines Betriebsrats zu verhindern versuchen. Der Lieferdienst Gorillas und der Autovermieter Sixt waren jüngst deswegen in arbeitsgerichtliche Streitigkeiten verwickelt. Dabei regelt das Betriebsverfassungsgesetz klar, welche Voraussetzungen generell für eine Betriebsratsgründung erfüllt sein müssen.

40 Prozent der westdeutschen und 36 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten waren laut IAB-Betriebspanel 2020 in Betrieben mit Betriebsrat tätig. Insgesamt ist die Verbreitung von Betriebsräten heute deutlich geringer als noch zu Anfang der 2000er Jahre (im Jahr 2000 waren noch 50 Prozent der westdeutschen und 41 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten in Betrieben mit Betriebsrat tätig), was insbesondere an der großen Zahl von Kleinbetrieben liegt, in denen die Existenz eines Betriebsrats eher die Ausnahme ist.

Oftmals tun sich die Beschäftigten schwer, einen Betriebsrat zu gründen, wie die unlängst vom Arbeitsgericht Düsseldorf (lesen Sie dazu "Kündigung einer Sixt-Mitarbeiterin unwirksam") und vom LAG Berlin (hierzu "Gorillas-Belegschaft darf Betriebsrat wählen" und "Gekündigter "Rider" muss weiterbeschäftigt werden") entschiedenen Streitigkeiten um eine Betriebsratsgründung belegen. Welche Voraussetzungen müssen generell für eine Betriebsratsgründung gegeben sein?

Betriebsrat gründen: ab wie vielen Mitarbeitern?

Die gesetzlichen Voraussetzungen damit überhaupt ein Betriebsrat gebildet werden darf, finden sich im Betriebsverfassungsgesetz – ebenso wie die wenigen Ausnahmen, die es für bestimmte Betriebe gibt.

Liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BetrVG vor, kann die Wahl eines Betriebsrats vom Arbeitgeber nicht verhindert werden. Dies bedeutet, dass in Betrieben, in denen fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind und drei Arbeitnehmer davon wählbar sind, grundsätzlich ein Betriebsrat gewählt werden kann. 

Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die sechs Monate dem Betrieb angehören – auch in Heimarbeit Beschäftigte, wenn sie in der Hauptsache für den Betrieb gearbeitet haben. 

Wahlberechtigt sind grundsätzlich alle Arbeitnehmer eines Betriebs, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers, die zur Arbeitsleistung überlassen werden, sind wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden.

Lesen Sie hier mehr zum aktiven und passiven Wahlrecht bei der Betriebsratswahl.

Was ist ein Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes?

Das Betriebsverfassungsgesetz nennt das Vorhandensein eines Betriebs als Voraussetzung für die Errichtung eines Betriebsrats. Der Begriff des Betriebs ist als technisch-organisatorische Einheit zu verstehen und umfasst beispielsweise landwirtschaftliche oder gewerbliche Betriebe ebenso wie Verwaltungen jeder Art, also auch Kliniken oder Anwaltsbüros.

Vielfach werden Unternehmen so strukturiert, dass sie mehrere selbstständige Betriebe bilden. Für ein Unternehmen mit mehreren Betrieben kann ein Gesamtbetriebsrat, § 47 BetrVG, oder ein Wirtschaftsausschuss, § 106 BetrVG, errichtet werden.

Auch in einem gemeinsamen Betrieb, in dem Arbeitgeber eine einheitliche organisatorische Einheit gebildet haben, kann ein Betriebsrat gewählt werden, der dann für die Arbeitnehmer aller Arbeitgeber zuständig ist. 

Bei Zweifeln darüber, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, können Arbeitgeber, jeder beteiligte Betriebsrat, jeder beteiligte Wahlvorstand oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragen.

Betriebsratsgründung: Ausnahmen für bestimmte Betriebe

Für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen machte das Betriebsverfassungsgesetz eine Ausnahme: Nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG darf durch Tarifvertrag eine Vertretung gebildet werden. Der Grund lag in der besonderen, nicht ortsgebundenen Tätigkeit der im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Eine ohne Tarifvertrag gebildete Vertretung ist mangels Rechtsgrundlage nichtig, entschied nicht nur das Arbeitsgericht Frankfurt im Fall von Sun Express. Durch einen Zusatz, den der Gesetzgeber zu § 117 Abs 2. beschlossen hat, ist das Betriebsverfassungsgesetz nunmehr auch für Arbeitnehmer im Flugbetrieb uneingeschränkt anwendbar, wenn keine tarifvertragliche Vertretung existiert. (Lesen Sie dazu: Anpassungen bei Tarifeinheit und Betriebsratsgründung beschlossen).

Für sogenannte Tendenzbetriebe gilt das Betriebsverfassungsgesetz teilweise nur eingeschränkt (§ 118 BetrVG). Dies betrifft Religionsgemeinschaften, politische Parteien oder wirtschaftspolitische Vereinigungen.

Initiative zur Gründung eines Betriebsrats muss von Mitarbeitern ausgehen

Es ist allein die Sache der Belegschaft zu entscheiden, ob im Betrieb ein Betriebsrat gewählt werden soll oder nicht. Es ist nicht die Aufgabe des Arbeitgebers, darauf hinzuwirken. 

Wollen Mitarbeiter eines Betriebs zum ersten Mal einen Betriebsrat wählen, müssen sie also die Initiative ergreifen und zur Wahlversammlung einladen. In dieser wird dann der Wahlvorstand gewählt, der für die Durchführung der Betriebsratswahl zuständig ist. Alles zur Betriebsratswahl lesen Sie in unserem Top-Thema.

Wenn noch kein Betriebsrat existiert, kann die erstmalige Betriebsratswahl jederzeit durchgeführt werden. Neben den wahlberechtigten Arbeitnehmern können auch die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften Wahlvorschläge machen. 

Betriebsratsgründung: Pflichten für Arbeitgeber

Abgesehen davon, dass der Arbeitgeber die Gründung eines Betriebsrats nicht verhindern darf, hat er auch eine Unterstützungs- und Mitwirkungspflicht den Arbeitnehmern gegenüber, die zur Wahlversammlung einladen. Er ist verpflichtet, alle nötigen Unterlagen und Auskünfte zu geben, anhand derer festgestellt werden kann, welche Beschäftigten wahlberechtigt und welche wählbar sind. Außerdem besteht die Verpflichtung, dem sich gründenden Betriebsrat die Betriebsratswahl zu ermöglichen, sei es durch das Bereitstellen von Räumen oder Büromaterial. 

Tarifvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten: Alternative zum Betriebsrat

§ 3 BetrVG räumt den Tarifvertragsparteien flexible Gestaltungsmöglichkeiten ein, um Arbeitnehmervertretungen schaffen zu können, die auf die besondere Struktur des jeweiligen Betriebs, Unternehmens oder Konzerns passgenau zugeschnitten sind.

Erfahren Sie hier mehr über Mitarbeitervertretungen als Alternative zum Betriebsrat.


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Schlagworte zum Thema:  Betriebsrat, Gründung, Betriebsverfassungsgesetz