Einen wesentlichen Teil des Mutterschutzgesetzes bilden die Beschäftigungsverbote für werdende und stillende Mütter, §§ 4, 5, 6, 10 Abs. 3, 13 Abs. 1 Nr. 3 und 16 MuSchG. Diese Beschäftigungsverbote gelten teilweise absolut und ohne Rücksicht auf den Willen und die körperliche Verfassung der Frau, zum Teil kann die Frau auch auf den Schutz verzichten.

Die Beschäftigungsverbote beziehen sich auf die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung; der Teilnahme von Auszubildenden am Unterricht (z. B. Verwaltungs- oder Berufsschule) stehen sie nicht entgegen.

Bei Verstößen gegen die Beschäftigungsverbote kann der Arbeitgeber mit Geldbußen belegt werden und in Fällen, in denen die Gesundheit der Frau oder des Kindes gefährdet ist, könnten diese als Straftat angesehen werden (§§ 32, 33 MuSchG).

Die Beschäftigungsverbote schließen als abschließende gesetzliche Regelung ein Mitbestimmungsrecht des Personal-/Betriebsrats aus (§ 75 Abs. 3 BPersVG, § 87 Abs. 1 BetrVG).

7.1 Allgemeines

7.1.1 Ersatztätigkeit

Ein ganz zentraler Gedanke des Mutterschutzgesetzes ist es, der Frau eine verantwortbare Teilhabe am Erwerbsleben während der Schwangerschaft und Mutterschaft zu ermöglichen[1] . Fällt die Tätigkeit der Frau oder fallen Teile davon unter eines der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote, ist der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt, ihr im Wege des Weisungsrechts eine Ersatztätigkeit unter Berücksichtigung der Grundsätze der § 106 GewO, § 315 BGB zu übertragen.

 
Praxis-Beispiel

Der Arbeitgeber beschäftigt eine Klinik-Ärztin in Dauernachtschicht. Nach Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft darf die Frau für die Dauer ihrer Schwangerschaft grundsätzlich keine Nachtarbeit mehr verrichten (§ 5 MuSchG). Der Arbeitgeber ist berechtigt, sie für die Dauer der Schwangerschaft (innerhalb der arbeits- und tarifvertraglichen Grenzen) in Tagschicht zu beschäftigen.

Bei der Zuweisung einer Ersatztätigkeit gelten die allgemeinen Grundsätze und die Rechtsprechung zur Versetzung, insbesondere ist eine umfassende Interessenabwägung durchzuführen. Die Bestimmungen des Arbeitsvertrages und ggf. bestehende tarifliche und betriebliche Regelungen sind bei der Ausübung des Weisungsrechts zu beachten und die Grenzen des billigen Ermessens sind zu wahren. Darüber hinaus sind Mitbestimmungsrechte des Betriebs- oder Personalrats zu beachten.

Ein Wechsel kommt unter Berücksichtigung der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen auf alle freien Arbeitsplätze des Arbeitgebers in Betracht, auch auf Arbeitsplätze in anderen Betriebsteilen oder Arbeitsstätten[2] . Auch ein Tausch des Arbeitsplatzes mit einem anderen Beschäftigten kann in Erwägung gezogen werden, wenn dies im Rahmen des Weisungsrechts für beide betroffenen Beschäftigten möglich ist[3] . Der Arbeitgeber hat bei der Zuweisung einer Ersatztätigkeit alle Umstände des Einzelfalls umfassend zu prüfen[4] . Im Falle der Unzumutbarkeit für die Frau ist die Zuweisung einer Ersatztätigkeit nicht zulässig. Die Zuweisung einer Ersatztätigkeit kann auch unzumutbar sein, wenn damit z. B. eine Änderung der Arbeitszeit verbunden ist, der private oder familiäre Verpflichtungen der Frau entgegenstehen[5] . Die Zuweisung der Ersatztätigkeit hat so konkret zu erfolgen, dass ihre Zumutbarkeit beurteilt werden kann, anderenfalls gilt sie als nicht zugewiesen[6].

 
Wichtig

Der Gesetzeswortlaut lässt ein erweitertes Weisungsrechts des Arbeitgebers, das es dem Arbeitgeber gestattet, die Frau zur Vermeidung von mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverboten auch ohne ihre Zustimmung mit Tätigkeiten außerhalb ihres vertraglichen Aufgabenbereichs zu betrauen, wie es in der Literatur zum Teil noch vertreten wird, nicht erkennen. Auch in der Gesetzesbegründung wird klargestellt, dass eine Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz nur "unter Berücksichtigung der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen" in Betracht kommt[7]. Die in der Literatur vertretene Auffassung basiert auf einer Rechtsprechung, die lange vor der Novellierung des Mutterschutzgesetzes im Jahr 2018 ergangen ist[8]. Im Zusammenhang mit der Novellierung hat auch das Leitbild des Mutterschutzgesetzes gewechselt. Das neue Mutterschutzgesetz ist konzipiert, um berufliche Nachteile zu vermeiden und die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Beruf zu fördern. Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung vor diesem Hintergrund an den Grundsätzen zu einem erweiterten Weisungsrecht festhalten wird. Unabhängig davon sollte der Arbeitgeber bereits im Rahmen seiner sozialen Verantwortung und im Sinne einer wertschätzenden Personalführung jedoch sorgfältig abwägen, ob er die Frau gegen ihren Willen mit grundlegend anderen Tätigkeiten während ihrer Schwangerschaft betrauen möchte.

[1] Siehe u. a. BT-Drs. 18/8963, S. 66.
[2] Vgl. BT-Drs. 18/8963, S. 83.
[3] Vgl. BT-Drs. 18/8963, S. 83.
[5] Vgl. BAG, Urteil v. 14.4.1972, 3 AZR 395/71, BT-Drs. 18/8963, S. 83.
[7] Vgl. BT-Drucks. 18/8963, S. 83.
[8] Insbesondere BAG, Urteil v. 31.3.19...

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