Entscheidungsstichwort (Thema)

Pauschale Bezugnahme auf tarifliche Vergütungsbestimmungen im Arbeitsvertrag als dynamische Bezugnahmeklausel. Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB erst nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden

 

Leitsatz (amtlich)

Die pauschale Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf tarifliche Vergütungsbestimmungen ohne Nennung fester Beträge und ohne Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung des in Bezug genommenen Tarifvertrags ist dynamisch zu verstehen, es sei denn, eindeutige Hinweise sprechen für eine statische Bezugnahme. 2. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines von diesen den klaren Vorzug verdient.

 

Normenkette

BGB §§ 305, 305c Abs. 2, § 611 Abs. 1, § 611a Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Schwerin (Entscheidung vom 26.07.2018; Aktenzeichen 6 Ca 186/18)

 

Tenor

1. Das Versäumnis-Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 25. Juni 2019 - 5 Sa 183/18 - wird aufrechterhalten.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel, insbesondere die Anwendbarkeit der DRK-Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung.

Die im Mai 1964 geborene Klägerin nahm am 01.09.1983 im Kreiskrankenhaus C-Stadt eine Beschäftigung als Krankenschwester auf. Am 27.06.1991 schloss sie mit ihrem damaligen Arbeitgeber, dem Landkreis C-Stadt, mit Wirkung zum 01.07.1991 einen Änderungsvertrag, in dem es u. a. heißt:

"...

§ 2

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den für die Angestellten jeweils geltenden Tarifverträgen, die von der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) für den Bereich des für den Arbeitgeber zuständigen Kommunalen Arbeitgeberverbandes und von diesem abgeschlossen worden sind. ...

Vergütungsgruppe: Kr. V a

..."

Zum 01.01.1992 ging das Krankenhaus im Wege eines Betriebsübergangs vom Landkreis C-Stadt auf den Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Mecklenburg-Vorpommern e. V. über. Die Klägerin erhielt nach dem Betriebsübergang weiterhin die Vergütung des BAT-O mit den jeweiligen Tariflohnsteigerungen. Der DRK Landesverband schloss mit der Klägerin am 27.08.1996 eine Vereinbarung zur Erhaltung der Arbeitsplätze, nach der die regelmäßige Arbeitszeit mit Wirkung zum 01.09.1996 von 40 auf 38 Wochenstunden abgesenkt wurde. Die übrigen Arbeitsbedingungen blieben laut Vertrag unberührt.

Zum 01.01.1999 ging das Krankenhaus im Wege eines weiteren Betriebsübergangs auf die dem DRK Landesverband angeschlossene Beklagte über. Auch nach diesem Betriebsübergang änderte sich für die Klägerin nichts an der Vergütung. Die Beklagte zahlte weiterhin den jeweiligen Tariflohn nach dem BAT-O. Insgesamt gab es nach beiden Betriebsübergängen mindestens sieben Tariflohnerhöhungen. In den Verdienstabrechnungen bezog sich die Beklagte weiterhin auf den "Tarif BAT/VKA KR Ost". Die Beklagte war zu keinem Zeitpunkt Mitglied der Bundestarifgemeinschaft oder einer Landestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes noch selbst Partei eines Tarifvertrages.

In der Folgezeit vereinbarte die Beklagte mit mehreren Arbeitnehmern Bezugnahmeklauseln, in denen es heißt (siehe BAG, Urteil vom 09. Dezember 2015 - 4 AZR 595/13 -; vorgehend ArbG Schwerin, Urteil vom 02. August 2012 - 6 Ca 2576/11 -; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 16. April 2013 - 5 Sa 229/12 -):

"Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den Arbeitsbedingungen des DRK(O) in der jeweils gültigen Fassung.

Die Angestellte ist in die Vergütungsgruppe KR ... (DRK-Tarifvertrag Ost) eingruppiert."

Ab dem 01.01.2002 gab die Beklagte keine Tariflohnsteigerungen mehr an die Arbeitnehmer weiter, wovon auch die Klägerin betroffen war. Änderungsvereinbarungen hierüber schloss die Beklagte nicht.

Mit Schreiben vom 08.11.2004 übertrug die Beklagte der Klägerin, nachdem diese bereits seit annähernd einem Jahr die Abteilung für Anästhesie kommissarisch geführt hatte, zum 01.11.2004 die Funktion der Leitenden Anästhesieschwester verbunden mit einer Höhergruppierung. Ausweislich der Verdienstbescheinigungen erhielt die Klägerin im Anschluss daran das Entgelt nach "Tarif 2BAT/VKA KR Ost Gruppe 07 Stufe 9".

Nachdem die Klägerin rund 10 Jahre lang diese Funktion wahrgenommen hatte, teilte sie der Beklagten unter dem 20.11.2014 mit, die Umstrukturierung in der Anästhesie nicht vertreten zu können und die Leitungsfunktion zum 01.01.2015 abgeben zu wollen. Aus diesem Anlass schlossen die Parteien am 24.11.2014 den folgenden Änderungsvertrag:

"...

1. Auf Antrag vom 20.11.2014 möchte Frau A. zum 01.01.2015 die Funktion der leitenden Anästhesieschwester niederlegen.

2. Unter dem Bestreben einer weiterhin gedeihlichen Zusammenarbeit stimmt der Arbeitgeber der nicht fristgerecht gekündigten Leitungstätigkeit zum 01.01.2015 zu.

3. Mit Aufgabe der Leitungstätigkeit erfolgt die Vergü...

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