Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsvereinbarung. Mitbestimmung. teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung über Sonderleistungen. Änderung der Verteilungsgrundsätze. Teilkündigung. Kündigungsausschluss. Nachwirkung

 

Leitsatz (amtlich)

Gewährt der Arbeitgeber auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung den tätigen Arbeitnehmern eine Jahressonderzahlung, welche der Höhe nach durch Einbeziehung der Überstundenvergütung den tariflichen, am Grundlohn orientierten Anspruch übersteigt und ferner tariflich nicht anspruchsberechtigte Personen (z.B. bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses) in den Kreis der Leistungsempfänger einbezieht, so begründet die Kündigung der Betriebsvereinbarung auch dann keine (umfassende) Nachwirkung gemäß § 76 Abs. 6 BetrVG hinsichtlich der übertariflichen Leistungshöhe, wenn der Arbeitgeber auch künftig freiwillige Leistungen in tariflicher Höhe für den Kreis der tariflich nicht anspruchsberechtigten Personen gewähren will. Insoweit handelt es sich nicht um eine bloße Änderung der Verteilungsgrundsätze einer einheitlichen Sozialleistung, vielmehr ist zu unterscheiden zwischen dem vollständigen Wegfall der übertariflichen Sozialleistung an aktive Arbeitnehmer einerseits und der (ebenfalls mitbestimmungsfreien) Bestimmung des anspruchsberechtigten Personenkreises, welche mit der Festlegung des Leistungszwecks untrennbar verbunden ist.

 

Normenkette

BetrVG §§ 76-77, 87 Abs. 1 Nr. 10

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 25.10.2000; Aktenzeichen 9 (4) Ca 2204/00)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 10.01.2003; Aktenzeichen 1 AZR 70/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 25.10.2000 – 9 (4) Ca 2204/00 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen des vorliegenden Verfahrens, welches vereinbarungsgemäß als „Musterverfahren” geführt wird, über die Rechtsfrage, ob bei der Berechnung der Jahressonderzahlung für das Jahr 1999 neben der Grundvergütung auch Vergütungsbestandteile für Mehrarbeit zu berücksichtigen sind. Der Kläger stützt seinen Anspruch insoweit auf die „Gesamtbetriebsvereinbarung über die Verfahrensweise zur Zahlung der tariflichen Jahressonderzahlung” zwischen Gesamtbetriebsrat und Vorstand der K2xxx H3xxxx S2xxx AG vom 10.05.1996 (Blatt 17 ff. d.A.), welche – über die tariflichen Regelungen der Stahlindustrie hinausgehend – als Berechnungsgrundlage den Durchschnitts-Bruttomonatsverdienst (einschließlich Überstundenvergütung) berücksichtigt. Inwiefern diese Regelung gegen den Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG verstößt oder – gemäß § 2 Ziff. 8 des Tarifvertrages über Sonderzahlungen in der Eisen- und Stahlindustrie – als „bestehende günstigere betriebliche Regelung” Bestand hat, ist unter den Parteien streitig. Vorsorglich hat die Beklagte die Gesamtbetriebsvereinbarung gekündigt Über Zulässigkeit und Folgen der Kündigung besteht ebenfalls Streit.

Nach Zusammenführung der Qualitätsstahl- und Flachstahlbereiche der K2xxx-H3xxxx-S2xxx AG und der T2xxxxx-S2xxx AG mit Wirkung zum 01.09.1997 gingen sämtliche Betriebe und Belegschaften dieser beiden Gesellschaften auf die Beklagte über. In diesem Zusammenhang trafen Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber unter dem 09.10.1997 (Blatt 22 d.A.) eine Vereinbarung über „anzuwendende Regelungen/Betriebsvereinbarungen ab dem 01. September 1997”. Hierin ist im Grundsatz vorgesehen, dass für die an den jeweiligen Standorten verbleibenden Arbeitnehmer die bisher gültigen Regelwerke unverändert angewandt und bei standortübergreifenden Versetzungen grundsätzlich die örtlich bestehenden Regelwerke des aufnehmenden Unternehmensbereich gelten. Einleitend heißt es in der genannten Vereinbarung wie folgt:

„Ab. dem 01. September 1997 gelten hinsichtlich der anzuwendenden Betriebsvereinbarungen bzw. sonstigen kollektivrechtlichen Regelungen bis zum Abschluss einer entsprechenden Harmonisierung folgende, mit dem Betriebsrat abgestimmte Grundsätze: ….”

Inwiefern sich hieraus ein Ausschluss des Rechts zur Kündigung von Betriebsvereinbarungen ergibt, ist unter den Parteien streitig. Mit Schreiben vom 16.08.1999 (Bl. 61 f. d.A.) sprach die Beklagte sodann unter Hinweis auf vorangehende Gespräche eine Kündigung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 10.05.1996 aus. Insoweit heißt es in dem Kündigungsschreiben wie folgt:

„Im Hinblick auf die von Ihnen nun neu entfachte Diskussion in dieser Sache und zur Bestätigung des beschriebenen Sachverhaltes kündigen wir hiermit rein vorsorglich nochmals die oben angeführte Gesamtbetriebsvereinbarung über die Verfahrensweise zur Zahlung der tariflichen Sonderzahlung der K2xxx-H3xxxx-S2xxx-AG vom 10.05.1996 unter Beachtung der gem. § 77 Abs. 5 BetrVG bestehenden Kündigungsfrist von 3 Monaten. Mit dieser Maßgabe wird die für Dezember d.J. vorgesehene tarifliche Jahressonderzahlung ausschließlich die Berechnungsgrundlage des Tarifvertrages über Sonderzahlungen für die T2xxxxx-K2xxx-S2xxx-AG und damit auch für die Standort...

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