Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsetatisierungsbescheid

 

Leitsatz (amtlich)

Die Begründung eines Zwangsetatisierungsbescheides muß die für seinen Erlaß maßgebenden Opportunitätserwägungen der Aufsichtsbehörde erkennen lassen.

 

Normenkette

SGB IV § 70 Abs. 3 S. 3; SGB X § 35 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 3, § 97 Abs. 1 Nr. 6

 

Gründe

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines die Haushaltspläne der klagenden Landesversicherungsanstalt (LVA) für das Jahr 1985 betreffenden Feststellungsbeschlusses des beklagten Landes.

Die Klägerin gewährte ihren Bediensteten Essenskostenzuschüsse in seit Februar 1973 unveränderter Höhe von 1,50 DM je eingenommener Mahlzeit. Auch in den vom Vorstand der Klägerin am 6. September bzw. am 12. Juli 1984 aufgestellten Haushaltsplänen der Abteilung Arbeiterrentenversicherung und der Abteilung Krankenversicherung für das Jahr 1985 wurden Mittel zur Gewährung von Essenskostenzuschüssen in bisheriger Höhe ausgewiesen. Mit Bescheid vom 17. Oktober 1984 beanstandete der durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit, Familie und Sozialordnung Baden-Württemberg vertretene Beklagte die vom Vorstand der Klägerin aufgestellten Haushaltspläne für das Haushaltsjahr 1985 insoweit, als mit ihnen Zuschüsse zur Gemeinschaftsverpflegung bereitgestellt würden, die höher seien als die vom Land Baden-Württemberg seinen Bediensteten gewährten Essenszuschüsse. Ohne Berücksichtigung dieser Beanstandung stellte die Vertreterversammlung der Klägerin am 7. Dezember 1984 die Haushaltspläne in den vom Vorstand aufgestellten Fassungen fest. Daraufhin erließ der Beklagte den Bescheid vom 12. Dezember 1984 mit - auszugsweise - folgendem Inhalt:

"Die Beschlüsse der Vertreterversammlung vom 7. Dezember 1984, mit denen die vom Vorstand am 6. September 1984 aufgestellten Haushaltspläne der Abteilung Arbeiterrentenversicherung und Abteilung Krankenversicherung für das Haushaltsjahr 1985 festgestellt wurden, werden nach § 70 Abs. 3 Satz 3 SGB IV insoweit aufgehoben, als sie die mit Haushaltsschreiben vom 17. Oktober 1984 ... erfolgte Beanstandung nicht berücksichtigen.

Die Haushaltspläne ... werden mit der Maßgabe neu festgestellt, daß Mittel für Zuschüsse zur Gemeinschaftsverpflegung nur in Höhe von 1,- DM täglich pro Essen bereitgestellt werden".

In der Begründung des Bescheides hieß es u.a., unter Berücksichtigung der im Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. Februar 1984 (BSGE 56, 197 = SozR 2100 § 69 Nr. 4) konkretisierten Anwendungsmaßstäbe verstoße die Veranschlagung von mehr als 1,- DM pro Essen gegen die in § 69 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs, Viertes Buch, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, vom 23. Dezember 1976 (BGBl I S. 3845; = SGB IV) enthaltenen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Daß in der Verwaltung des Landes Baden-Württemberg mit der Gewährung eines Zuschusses zum Mittagessen von 1,- DM arbeitstäglich die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung gewährleistet sei, mache deutlich, daß ein höherer Zuschuß die Grenze der Wirtschaftlichkeit überschreite.

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Stuttgart zunächst beschlossen, den Rechtsstreit auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darüber einzuholen, ob die Staatsaufsicht hinsichtlich der Haushaltspläne der Sozialversicherungsträger i.S. des § 70 Abs. 3 SGB IV dann gegen die Selbstverwaltungsgarantie der Versicherungsträger verstoße, wenn sie sich über die Rechtsaufsicht hinaus auf die Fachaufsicht erstrecke (Beschluß vom 26. September 1986). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluß vom 15. Dezember 1987 (BVerfGE 77, 340) die Vorlage für unzulässig erklärt.

Mit Urteil vom 29. Juni 1988 hat das SG Stuttgart den Bescheid des Beklagten vom 12. Dezember 1984 aufgehoben und dies im wesentlichen wie folgt begründet:

Der Beklagte habe die Klägerin nicht verpflichten dürfen, ihren Bediensteten entgegen dem Beschluß der Vertreterversammlung nur noch einen gekürzten Essenskostenzuschuß zu gewähren. Er habe damit ermessensfehlerhaft gehandelt. Aus der Verwendung der Formulierung "kann" in § 70 Abs. 3 Satz 2 SGB IV folge, daß es sich dabei um eine Ermessensvorschrift handele. Danach stehe der Aufsichtsbehörde ein Beurteilungsspielraum zu, ob sie eingreife oder nicht. Beachte sie dabei nicht die rechtlichen Grenzen ihrer Befugnisse, handele sie ermessensfehlerhaft. Der Beklagte habe durch die vorliegende gezielte Einzelmaßnahme rechtswidrig in die Selbstverwaltungsgarantie der Klägerin eingegriffen. Diese sei einfach rechtlich in § 29 SGB IV normiert, der seinerseits eine Konkretisierung der bereits vor Inkrafttreten des GG entwickelten und verfassungsrechtlich vorgegebenen Eigenständigkeit der selbstverwalteten Sozialversicherungsträger sei. Diese rechtliche Eigenständigkeit habe der Beklagte nicht hinreichend berücksichtigt. Vor dem Hintergrund der Selbstverwaltungsgarantie gehe, auch wenn einzelne Ansätze der jeweiligen Haushaltspläne von Aufsichtsseite her beanstandet werden könnten, diese Beanstandungsbefugnis nicht so weit, daß jeder einzelne kleine Ausgabenposten im Falle der Mißliebigkeit durch eigene Verfügung ersetzt werden könne. Die Haushaltsautonomie der Klägerin sei wegen des gesetzlich vorgegebenen Rahmens der Pflichtaufgaben ohnehin gering genug, weil über 95 % des Ausgabevolumens zwingend vorgegeben seien. Hinsichtlich des restlichen Bereiches steigere sich der Anspruch der Selbstverwaltungsorgane auf eigenbestimmtes Handeln und hoheitliche Respektierung ihres Handlungsrahmens, weil anderenfalls die Institution der Selbstverwaltung keinen Sinn mehr gebe. Die Regulierung etwaiger Verstöße gegen Haushaltsrecht sei eine eigene Aufgabe der Selbstverwaltung. Ein aufsichtsrechtlicher Eingriff in die originäre Haushaltshoheit wäre nur zu rechtfertigen, wenn über einen eklatant falschen Haushaltsansatz beschlossen worden wäre. Das sei nicht der Fall; bereits das relative Ausgabevolumen von 0,000911 % spreche dagegen. Wenn der Beklagte für seinen eigenen Bereich die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit öffentlicher Verwaltung dahin definiere, daß bislang gewährte Essenskostenzuschüsse um ein Drittel reduziert werden müßten, brauche die Vertreterversammlung der Klägerin diese Entwicklung nicht nachzuvollziehen, sondern könne es bei den bisherigen Verhältnissen belassen. Vor diesem materiell-rechtlichen Hintergrund könnten die erheblichen Zweifel, die bereits unter formalen Gesichtspunkten gegen die Beanstandungsverfügung bestünden, zurückgestellt werden.

Das SG hat im Urteil die Sprungrevision zugelassen. Der Beklagte hat unter Beifügung der schriftlichen Zustimmungserklärung der Klägerin das Rechtsmittel eingelegt und trägt zu dessen Begründung vor:

Das angefochtene Urteil beruhe auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des § 70 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 2 und § 69 Abs. 2 sowie des § 29 SGB IV. Das SG habe offen gelassen, ob ein Gesetzesverstoß i.S. des § 70 Abs. 3 Satz 2 SGB IV durch Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes des § 69 Abs. 2 SGB IV vorliege, und seine Entscheidung allein auf die von ihm angenommene Fehlerhaftigkeit der Ermessensausübung bei der Entscheidung, gegen die Klägerin gemäß § 70 Abs. 3 Satz 3 SGB IV vorzugehen, gestützt. Diese Art der Begründung trage das angefochtene Urteil weder methodisch noch inhaltlich. Die zunächst entscheidende Frage eines Verstoßes der Haushaltsbeschlüsse der Klägerin gegen § 69 Abs. 2 SGB IV sei eindeutig zu bejahen und auch entscheidungsreif. Wenn in der Verwaltung des Landes Baden-Württemberg als Essenskostenzuschuß nur 1,- DM und in der Verwaltung des Bundes sogar keinerlei Zuschüsse gewährt würden, zeigten die Verhältnisse in diesen beiden Verwaltungsbereichen, daß die Funktionsfähigkeit einer öffentlichen Verwaltung ohne Aufwendung von Mitteln von Essenkostenzuschüssen in der von der Klägerin vorgesehenen, über die in der Landesverwaltung gewährten Zuschüsse hinausgehenden Höhe gewährleistet sei. Danach sei jedenfalls der sich aus der Differenz zwischen 1,- und 1,50 DM ergebende Mehraufwand für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung der Klägerin nicht notwendig. Besondere Umstände, die i.S. der Rechtsprechung des BSG abweichend von dem hiernach indizierten Regelmaß des Notwendigen und damit Wirtschaftlichen die Gewährung eines Zuschusses in der von der Klägerin vorgesehenen Höhe für die Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Verwaltung erfordern könnten, seien nicht ersichtlich. Ausgehend von der Verletzung des gesetzlichen Wirtschaftlichkeitsgebotes durch die streitigen Haushaltsansätze sei die Auffassung des SG, welche die von ihm ausgesprochene Aufhebung des angefochtenen Bescheides tragen solle, in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft und daher unhaltbar. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und des BSG sei das Selbstverwaltungsrecht weder grundrechtlich abgesichert noch als Institution verfassungsrechtlich garantiert. Es bestehe nur im Rahmen der einfachen Gesetze, so daß der in § 69 Abs. 2 SGB IV normierte Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und der Grundsatz der Rücksichtnahme auf die Verhältnisse im übrigen öffentlichen Dienst eine Rechtsschranke für das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin bildeten und sie nicht zu einer unwirtschaftlichen Verwendung ihrer Mittel berechtigten. Die Einhaltung u.a. dieser Rechtsschranke durch die Versicherungsträger im Rahmen der Aufstellung und Verabschiedung des Haushalts aufsichtlich prüfen und ggf. sicherstellen zu können, sei Sinn und Zweck des § 70 Abs. 3 SGB IV und der darin zur Verfügung gestellten besonderen Aufsichtsmittel. Dabei liege die Bedeutung der Ausgestaltung des § 70 Abs. 3 Sätze 2 und 3 SGB IV als Kann-Vorschriften ausschließlich in der Statuierung des sogen. Opportunitätsprinzips i.S. einer Ermächtigung und nicht der Verpflichtung der Aufsichtsbehörde zum Einschreiten bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift. Das ihr eingeräumte Handlungsermessen stehe aber nicht unter dem Vorbehalt des Selbstverwaltungsrechts des Versicherungsträgers. Es unterliege allerdings dem allgemeinen Gebot der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Anhaltspunkte für eine Verletzung dieses Gebotes seien jedoch nicht ersichtlich. Sie ergäben sich insbesondere nicht aus der Geringfügigkeit des in Rede stehenden Mittelansatzes im Verhältnis zum Gesamthaushalt der Klägerin. Sie könne nach dem Urteil des BSG vom 29. Februar 1984 (a.a.O.) die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit dieses Mittelaufwandes nicht beeinflussen. Im übrigen könne, wenn die Ausführungen des SG zur Ermessensfehlerhaftigkeit des angefochtenen Bescheides dahin zu verstehen sein sollten, daß sich die fraglichen Haushaltsansätze innerhalb der Grenzen der der Klägerin zustehenden und durch ihr Selbstverwaltungsrecht verstärkten Einschätzungsprärogative bewegten, auch dieser Gesichtspunkt das angefochtene Urteil nicht tragen. Denn die Klägerin habe mit den Haushaltsansätzen deshalb die Grenzen ihres Einschätzungsspielraums überschritten und damit rechtswidrig gehandelt, weil sie unter Verletzung des Gebotes der Beachtung der Verhältnisse im übrigen öffentlichen Dienst über das danach indizierte Maß des Notwendigen hinausgegangen sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juni 1988 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision des Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß festgestellt wird, daß der Bescheid vom 12. Dezember 1984 rechtswidrig gewesen ist.

Sie führt aus, die streitigen Haushaltsansätze verstießen nicht gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Diese unbestimmten Rechtsbegriffe beinhalteten für den Sozialversicherungsträger einen Beurteilungsspielraum i.S. einer Einschätzungsprärogative. Werde diese ernst genommen, könne nicht die Aufsichtsbehörde ihre Auffassung von Wirtschaftlichkeit an die Stelle der Auffassung des Sozialversicherungsträgers setzen, wenn letztere auf vertretbaren Überlegungen beruhe. Sie (Klägerin) habe bei der Festsetzung des Essenskostenzuschusses auf 1,50 DM die periphere Lage ihrer Hauptverwaltung, die Großraumsituation, die Gewährung eines Zuschusses von 1,50 DM durch andere LVAen und Kommunen sowie die Gleichbehandlung ihrer Beschäftigten in der Hauptverwaltung und in den Kliniken hinsichtlich des Essenspreises berücksichtigt und sich damit von vernünftigen und vertretbaren Überlegungen leiten lassen. Sei entsprechend der Auffassung des BSG (Urteil vom 29. Februar 1984, a.a.O.) der den Sozialversicherungsträgern zugestandene Beurteilungsspielraum i.S. einer Einschätzungsprärogative durch die weiteren Kriterien der Wirtschaftlichkeit, nämlich "Funktionsfähigkeit der Verwaltung" und "Nichtüberschreitung des unbedingt Notwendigen", begrenzt, wäre ihr (der Klägerin) Selbstverwaltungsrecht zwar formal nicht angetastet, der Beurteilungsspielraum insoweit jedoch auf Null reduziert. Auch mit einer Verletzung des Grundsatzes der Rücksichtnahme auf die Verhältnisse im übrigen öffentlichen Dienst könne die Beanstandung der Höhe des Essenskostenzuschusses nicht begründet werden. Dieser Grundsatz könne nicht i.S. einer absoluten Anbindung verstanden werden, sondern nur eine Indizwirkung für das Notwendige haben; die Gewährung eines Zuschusses von 1,50 DM statt 1,- DM sei sicher nicht geeignet, die Homogenität der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst zu gefährden und ihr (der Klägerin) gegenüber anderen Trägern der öffentlichen Verwaltung einen Vorteil zu verschaffen. Überdies könne weder für den Bereich des Landes Baden-Württemberg noch bei einem Vergleich mit anderen LVAen von einer einheitlichen Zuschußgewährung im öffentlichen Dienst gesprochen werden, so daß es an einer Homogenität der Regelungen mit Indizwirkung für das Maß des Notwendigen fehle. Eine Übertragung der Grundsätze zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit von Leistungen, die ihrer Art nach in der öffentlichen Verwaltung nicht üblich seien, auf allgemein übliche Leistungen werde dem Inhalt und der Bedeutung des Selbstverwaltungsrechts der Sozialversicherungsträger nicht gerecht. Auch wenn dieses Recht verfassungsrechtlich nicht geschützt sei, müßten, wenn die Einrichtung der Selbstverwaltung überhaupt noch Bedeutung haben solle, ihr (der Klägerin) als eigenverantwortlicher und organisatorisch selbständiger Körperschaft des öffentlichen Rechts Möglichkeiten der Verwendung von Haushaltsmitteln in eigener Verantwortung verbleiben und müsse es der Aufsichtsbehörde verwehrt sein, auf einem unbedingten Nachvollzug der für die Landesverwaltung geltenden Regelungen zu bestehen. Eine solche starre Bindung sei mit dem Selbstverwaltungsrecht nicht vereinbar. Das Spannungsfeld zwischen ihm und den Befugnissen der Aufsichtsbehörde lasse sich praxisgerecht dadurch lösen, daß die Aufsichtsbehörde zum Einschreiten nur berechtigt, aber auch verpflichtet sei, wenn die Ausgaben des Versicherungsträgers nicht mehr im Rahmen vernünftigen Verwaltungshandelns lägen. Der Essenskostenzuschuß von 1,50 DM halte sich insbesondere unter Berücksichtigung seiner Erhöhungen seit dem Jahre 1961 im Rahmen vernünftigen Verwaltungshandelns und beschränke sich auf das notwendige Maß. Schließlich seien entgegen der Meinung des Beklagten exakte Festlegungen der Wirtschaftlichkeitsgrenze nicht möglich. Es könne nur auf einen Wirtschaftlichkeitsrahmen abgestellt werden, innerhalb dessen verschiedene Lösungen vertretbar seien.

II.

Die Sprungrevision des Beklagten ist insoweit begründet, als das SG den Bescheid des Beklagten vom 12. Dezember 1984 aufgehoben hat. Die hierauf gerichtete Klage ist abzuweisen. Hingegen ist auf den Antrag der Klägerin festzustellen, daß der Bescheid vom 12. Dezember 1984 rechtswidrig gewesen ist.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 70 Abs 3 Sätze 2 und 3 SGB IV. Danach kann die Aufsichtsbehörde den Haushaltsplan eines Trägers der Rentenversicherung der Arbeiter oder einzelne Ansätze innerhalb von sechs Wochen nach Vorlage beanstanden, soweit gegen Gesetz oder sonstiges für den Versicherungsträger maßgebendes Recht verstoßen oder die Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gefährdet wird. Berücksichtigt die Vertreterversammlung bei der Feststellung des Haushaltsplans die Beanstandung nicht, kann die Aufsichtsbehörde insoweit den Feststellungsbeschluß aufheben und den Haushaltsplan selbst feststellen.

Ungeachtet dessen, ob entsprechend der Meinung des SG die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 70 Abs 3 Satz 3 SGB IV für eine "Zwangsetatisierung" nicht erfüllt gewesen sind und deshalb der Bescheid vom 12. Dezember 1984 rechtswidrig gewesen ist, hat ihn das SG jedenfalls nicht aufheben dürfen. Eine Zwangsetatisierung als einziger Fall einer Ersatzvornahme durch die Aufsichtsbehörde ist ein Verwaltungsakt, welcher grundsätzlich mit der Aufsichtsklage nach § 54 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angefochten werden kann (Kröninger SozVers 1977, 256, 258; Meydam in Gemeinschaftskomm zum Sozialgesetzbuch, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, 1978, § 70, Rdn 14 und 15). Diese Klage hat keine aufschiebende Wirkung, weil § 97 Abs 1 Nr 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nur auf § 89 Abs 1 und nicht auch auf § 70 Abs 3 SGB IV verweist (BSGE 56, 45, 49 = SozR 2100 § 70 Nr 1 S 6; Binder DRV 1982, 297, 303; Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch - SGB IV, Stand Februar 1990, K § 70, Rdn 21; Kröninger, aaO, 257; Neumann-Duesberg BKK 1978, 27). Demzufolge ist nach Ausführung des Haushaltsplans gemäß der von der Aufsichtsbehörde vorgenommenen Zwangsetatisierung und somit nach Ablauf des entsprechenden Haushaltsjahres eine Aufhebung des Feststellungsbescheides der Aufsichtsbehörde nicht mehr veranlaßt und möglich. Das gilt auch im vorliegenden Fall. Das SG hat durch Urteil vom 29. Juni 1988 entschieden. In diesem Zeitpunkt ist das Haushaltsjahr 1985, für welches die Haushaltspläne der Abteilung Arbeiterrentenversicherung und der Abteilung Krankenversicherung (vgl speziell hierzu Binder, aaO, 304) der Klägerin durch den angefochtenen Bescheid vom 12. Dezember 1984 anderweitig festgestellt worden sind, bereits abgelaufen gewesen und somit eine Aufhebung des Bescheides nicht mehr in Betracht gekommen.

In einem solchen Falle kann jedoch eine Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides gemäß § 131 Abs 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Frage kommen. Hiernach spricht das Gericht, wenn sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Ein solches berechtigtes Interesse ist ua dann anzunehmen, wenn ohne eine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes die Gefahr besteht, daß sich der Erlaß eines solchen Verwaltungsaktes bei nächster Gelegenheit unter gleichen oder ähnlichen Voraussetzungen wiederholen wird (vgl BSGE 40, 190, 196 = SozR 4100 § 116 Nr 1 S 6; BSGE 42, 212, 217; BSG SozR 4100 § 19 Nr 5 S 23). Diese Gefahr ist hier zu bejahen, weil die Klägerin damit hat rechnen müssen, daß der Beklagte auch für die auf das Jahr 1985 folgenden Haushaltsjahre eine dem Bescheid vom 12. Dezember 1984 entsprechende Zwangsetatisierung vornehmen wird (vgl BSGE 56, 45, 49f = SozR 2100 § 70 Nr 1 S 6). Allerdings hat die Klägerin im Verfahren vor dem SG lediglich die Aufhebung des Bescheides vom 12. Dezember 1984 beantragt und einen Antrag auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit nicht gestellt. Indes ist dann, wenn sich ein Verwaltungsakt inzwischen erledigt, der Kläger aber lediglich den Antrag auf Aufhebung gestellt hat, darin auch ein Antrag nach § 131 Abs 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu erblicken, sofern der Vortrag des Klägers dies rechtfertigt. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich aus dem Gesamtvortrag das berechtigte Interesse an dem Ausspruch ergibt (BSGE 42, 212, 215f; 56, 45, 50 = SozR 2100 § 70 Nr 1 S 6). Dieses ist vorliegend im Hinblick auf die zukünftige Haushaltsgebarung der Klägerin bezüglich der hier streitigen Haushaltsansätze zu bejahen. Demgemäß hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat auf dessen Anregung (§ 112 Abs 2 SGG) ihren Antrag auf Zurückweisung der Revision durch einen entsprechenden Feststellungsantrag modifiziert.

Diesem Antrag ist stattzugeben und unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß der Bescheid des Beklagten vom 12. Dezember 1984 rechtswidrig gewesen ist. Dabei ist allerdings eine Prüfung, ob diese Rechtswidrigkeit auf den vom SG angenommenen materiellen Gründen beruht hat, weder erforderlich noch möglich. Der Bescheid vom 12. Dezember 1984 ist vielmehr bereits aus in der Prüfungsreihenfolge vorrangigen formellen Gründen rechtswidrig gewesen. Seine Begr genügt nicht den im vorliegenden Fall einschlägigen Erfordernissen des § 35 Abs 1 Satz 3 SGB X.

Ein schriftlicher oder schriftlich bestätigter Verwaltungsakt ist schriftlich zu begründen (§ 35 Abs 1 Satz 1 SGB X). Die Begründung von Ermessensentscheidungen muß auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (§ 35 Abs 1 Satz 3 SGB X).

Im Gegensatz zu der Beanstandung und der Anrufung der Aufsichtsbehörde nach § 1355 Reichsversicherungsordnung (RVO) in seiner bis zur Aufhebung durch Art II § 1 Nr 1 Buchst b) SGB IV mit Wirkung vom 1. Juli 1977 geltenden Fassung sind die Beanstandung iS des § 70 Abs 3 Satz 2 SGB IV und - worauf es im vorliegenden Rechtsstreit ankommt und deswegen im folgenden allein eingegangen wird - die Zwangsetatisierung iS des § 70 Abs 3 Satz 3 SGB IV Ermessensentscheidungen. Bei Erfüllung der hierfür erforderlichen Voraussetzungen "kann" die Aufsichtsbehörde den Feststellungsbeschluß in dem durch die vorhergehende Beanstandung gezogenen Rahmen aufheben und den Haushaltsplan selbst feststellen. Diese Formulierung ist gesetzlicher Ausdruck des Opportunitätsprinzips (zu dessen Inhalt vgl insbesondere Schirmer/Kater/Schneider, Aufsicht in der Sozialversicherung, Stand Oktober 1983, Ziff 230, S 4f). Nach Feststellung einer Rechtsverletzung bzw einer Gefährdung der Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers und nach Beanstandung des Haushaltsplans bzw einzelner seiner Ansätze steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Aufsichtsbehörde, ob sie eine Zwangsetatisierung vornehmen oder aber davon Abstand nehmen will (so speziell für die Zwangsetatisierung Binder, aaO, 303; von einer "Ermächtigung" zur Zwangsetatisierung bzw zur Ersatzvornahme sprechen auch Meydam, aaO, § 70, Rdn 10; Kröninger, aaO, 257 und daran anschließend Schroeter in Gesamtkomm zur Sozialversicherung, Stand März 1989, Bd 2, § 70 SGB IV, Anm 6; allgemein zum Opportunitätsprinzip im Rahmen des § 70 Abs 3 SGB IV, ausdrücklich allerdings nur bezogen auf das Beanstandungsrecht der Aufsichtsbehörde, Neumann-Duesberg BKK 1977, 277, 282 und 1978, 27; Schirmer/Kater/Schneider, aaO, Ziff 360, 2).

§ 35 SGB X und damit insbesondere dessen Abs 1 Satz 3 gelten auch für die Begründung von Zwangsetatisierungsbescheiden iS des § 70 Abs 3 Satz 3 SGB IV. Zwar soll § 35 Abs 1 SGB X seiner Zielrichtung nach das Vertrauensverhältnis zwischen dem Bürger und der Sozialverwaltung stärken und die Stellung des Bürgers insbesondere durch den Schutz vor Überraschungsentscheidungen verbessern (vgl BSGE 64, 36, 40 = SozR 1300 § 41 Nr 2 S 5). Eine Zwangsetatisierung iS des § 70 Abs 3 Satz 3 SGB IV hingegen berührt ausschließlich das Verhältnis zwischen dem betroffenen Versicherungsträger und der Aufsichtsbehörde (vgl auch § 68 Abs 2 SGB IV und dazu BSGE 55, 277, 278 = SozR 2100 § 69 Nr 3 S 2; BSGE 56, 45, 47 = SozR 2100 § 70 Nr 1 S 3f). Das steht indes einer Anwendbarkeit des § 35 SGB X auf die Begründung von Zwangsetatisierungsbescheiden nicht entgegen.

Dafür spricht gesetzessystematisch, daß die Regelung des § 35 SGB X und insbesondere seines Abs 1 Satz 3 eine Beschränkung auf bestimmte Arten der Verwaltungsakte nicht enthält und auch die Zwangsetatisierung als Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 SGB X anzusehen ist (so Meydam, aaO, Rdn 14; Kröninger, aaO, 258; wohl auch Schroeter DRV 1977, 132, 138). Darüber hinaus gebieten Sinn und Zweck des § 35 SGB X, daß den Erfordernissen dieser Vorschrift auch die Begr von Zwangsetatisierungsbescheiden genügen muß.

Innerhalb des Aufsichtsrechts der Sozialversicherung stellt die allein den Trägern der Rentenversicherung und den landwirtschaftlichen Alterskassen gegenüber (vgl § 70 Abs 3 Satz 1, Abs 4 SGB IV) zulässige, über die allgemeinen aufsichtsrechtlichen Mittel iS des § 89 Abs 1 SGB IV hinausgehende und im Verhältnis zu ihnen rechtlich vorrangige (vgl BSGE 56, 45, 53 = SozR 2100 § 70 Nr 1 S 10) Zwangsetatisierung den einzigen Fall einer zulässigen Ersatzvornahme dar. Sie führt dazu, daß hinsichtlich der innerhalb der dafür vorgeschriebenen Fristen beanstandeten Haushaltsansätze die Haushaltshoheit des betroffenen Leistungsträgers suspendiert und statt dessen von der Aufsichtsbehörde ausgeübt wird. Darin liegt ein einschneidender Eingriff in das Budgetrecht des Leistungsträgers und damit in einen wesentlichen Teilbereich der ihm durch § 29 Abs 1 SGB IV übertragenen körperschaftlichen Selbstverwaltung (vgl BSGE 56, 45, 48 = SozR 2100 § 70 Nr 1 S 4). Dieser Eingriff ist umso gravierender, als - wie erwähnt - eine gegen den Zwangsetatisierungsbescheid erhobene Aufsichtsklage mangels einer Bezugnahme des § 97 Abs 1 Nr 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf § 70 Abs 3 SGB IV keine aufschiebende Wirkung hat und deswegen, wie der vorliegende Rechtsstreit bestätigt, der betroffene Leistungsträger im Falle einer Rechtswidrigkeit der Zwangsetatisierung regelmäßig nicht mehr deren Aufhebung, sondern lediglich die nachträgliche Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit erreichen kann. Zwar ist das Selbstverwaltungsrecht der Träger der Sozialversicherung anders als dasjenige der Gemeinden und Gemeindeverbände (vgl Art 28 Abs 2 GG) auch in seinem Kernbereich nicht "verfassungsfest". Es ist lediglich durch einfaches Gesetzesrecht eingeräumt worden und besteht nur im Rahmen des Gesetzes, so daß es auch durch Gesetz eingeschränkt werden kann (vgl Urteil des erkennenden Senats in BSGE 61, 254, 261 = SozR 7223 Art 8 § 2 Nr 3 S 8 mit umfassenden Hinweisen) und insbesondere der Ausübung des Haushaltsrechts die in § 70 Abs 3 SGB IV bestimmten Schranken gezogen werden dürfen. Dennoch folgt in Verbindung mit der Verleihung der Rechtsfähigkeit aus der grundsätzlichen Verleihung des Rechts zur Selbstverwaltung als eines tragenden Organisationsprinzips der Sozialversicherung, dessen einer funktioneller Schwerpunkt im Bereich des Finanzwesens liegt, daß die Versicherungsträger ein subjektives Recht gegenüber der Staatsverwaltung auf Wahrung ihrer gesetzlich eingeräumten Kompetenzen haben (vgl Urteil des erkennenden Senats in BSGE 58, 247, 249 ff = SozR 1500 § 51 Nr 38 S 59 ff). Ob die Aufsichtsbehörde dieses subjektive Recht respektiert und, soweit sie gemäß dem Opportunitätsprinzip nach ihrem Ermessen zum Einschreiten befugt ist, bei den von ihr anzustellenden Ermessenserwägungen berücksichtigt hat, läßt sich zuverlässig und in einer einen effektiven Rechtsschutz des Selbstverwaltungsträgers gewährleistenden Weise nur dann beurteilen und nachprüfen, wenn sich aus der schriftlichen Begründung des Zwangsetatisierungsbescheides die Gesichtspunkte ergeben, von denen sich die Aufsichtsbehörde bei der Ausübung ihres Ermessens hat leiten lassen.

Dies muß aus einem weiteren Grunde verlangt werden. Der erkennende Senat hat wiederholt die Beratung iS des § 89 Abs 1 Satz 1 SGB IV als Ausdruck des Bemühens um partnerschaftliche Kooperation zwischen Selbstverwaltung und Aufsicht, als Teil einer geistigen Auseinandersetzung zwischen ernsthaft um optimale Lösungen im Interesse der versicherten Bevölkerung bemühten Partnern und als Ausgangspunkt eines möglichen Dialogs zwischen Versicherungsträger und Aufsichtsbehörde zwecks Vermeidung aufsichtsbehördlicher Anordnungen und sich daran eventuell anschließender gerichtlicher Auseinandersetzungen qualifiziert (BSGE 61, 254, 258 = SozR 7223 Art 8 § 2 Nr 3 S 4f; BSGE 64, 124, 129 = SozR 2200 § 407 Nr 2 S 7f; Urteil vom 20. Juni 1990 - BSGE 67, 85 = SozR 3 - 2400 § 89 Nr 1). Ob dasselbe oder ähnliches für die einer Zwangsetatisierung vorausgehende Beanstandung iS des § 70 Abs 3 Satz 2 SGB IV zu gelten hat, kann hier auf sich beruhen (zum rechtlich erforderlichen "Minimum" einer Beanstandung vgl ebenfalls Urteil vom 20. Juni 1990, aaO). Zumindest die ihr folgende Zwangsetatisierung selbst ist im Gegensatz dazu eine einseitige und hoheitliche Maßnahme als Ausdruck eines Rechtskonflikts zwischen Versicherungsträger und Aufsichtsbehörde. Indes entbindet auch eine solche Konfliktsituation die daran Beteiligten nicht von ihrer Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme und zu fairem Verhalten gegenüber dem jeweils anderen Beteiligten. Das rechtfertigt und gebietet die Heranziehung des § 35 SGB X für die Begründung von Zwangsetatisierungsbescheiden mit der Konsequenz, daß die Aufsichtsbehörde darin nicht nur den nach ihrer Meinung vorliegenden Verstoß gegen Gesetz oder sonstiges für den Versicherungsträger maßgebendes Recht bzw die von ihr angenommene Gefährdung seiner Leistungsfähigkeit, sondern zugleich darzulegen hat, daß und aus welchen Gründen sie nach Ausübung ihres Ermessens die Vornahme einer Zwangsetatisierung für geboten erachtet hat.

Der Beklagte hat entgegen § 35 Abs 1 Satz 3 SGB X in der Begr des angefochtenen Bescheides vom 12. Dezember 1984 nicht die Gesichtspunkte dargelegt, die für seine dem Opportunitätsprinzip unterliegende Entscheidung, eine Zwangsetatisierung iS des § 70 Abs 3 Satz 3 SGB IV vorzunehmen, maßgebend gewesen sind. Die Begr des angefochtenen Bescheides erschöpft sich in einer Darlegung der Gründe, aus denen der Beklagte in der Veranschlagung von mehr als 1,- DM pro Essen einen Verstoß gegen die in § 69 Abs 2 SGB IV enthaltenen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in ihrer Konkretisierung durch das Urteil des BSG vom 29. Februar 1984 (aaO) erblickt und das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin als nicht tangiert ansieht. Hingegen sind der Begr keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß der Beklagte sich seiner Befugnis und Pflicht zur Ermessensausübung bewußt gewesen ist, daß er die Möglichkeit erwogen hat, unter Opportunitätsgesichtspunkten von der Durchführung einer Zwangsetatisierung abzusehen, und welche Gründe dafür entscheidend gewesen sind, statt dessen dem Vollzug einer Zwangsetatisierung den Vorzug zu geben.

Demgegenüber hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat die Ansicht vorgetragen, der angefochtene Zwangsetatisierungsbescheid habe gemäß § 35 Abs 2 Nr 2 SGB X deshalb nicht der Begr bedurft, weil er der "Kulminationspunkt" einer längeren und eingehenden Erörterung der Problematik mit der Klägerin und ihr hieraus sein (des Beklagten) Rechtsstandpunkt bekannt gewesen sei. Dem kann der Senat nicht nachgehen. Im angefochtenen Urteil des SG sind entsprechende tatsächliche Feststellungen darüber und speziell zu der hier relevanten Frage, ob der Beklagte der Klägerin die für seinen Entschluß zum Erlaß eines Zwangsetatisierungsbescheides maßgebenden Opportunitätserwägungen mitgeteilt oder in sonstiger Weise zur Kenntnis gebracht hat, nicht enthalten. (von der weiteren Darstellung wird abgesehen)

Der angefochtene Bescheid ist nach alledem mangels einer formgerechten Begr rechtswidrig gewesen. Dieser Feststellung (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG) steht § 42 Satz 1 SGB X nicht entgegen. Zwar kann danach die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften ua über die Form zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Das gilt jedoch grundsätzlich nur für gebundene Verwaltungsakte. Auf Ermessensentscheidungen ist § 42 Satz 1 SGB X im Regelfall nicht anwendbar, weil bei ihnen die, wenn auch ggf entfernte Möglichkeit einer anderen Sachentscheidung stets gegeben ist (Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch - SGB X 1, 2, Stand Mai 1988, K § 42, Rdn 18; Wiesner in Schroeder-Printzen ua, Sozialgesetzbuch, Verwaltungsverfahren, 1981, § 42, Anm 7.2). Deshalb ist bei Fehlen einer dem § 35 Abs 1 Satz 3 SGB X entsprechenden Begr eine Ermessensentscheidung aufzuheben (vgl für Rücknahmebescheide iS des § 45 SGB X ua Urteil des erkennenden Senats in BSG SozR 1300 § 45 Nr 32 S 105 mwN) bzw, sofern sie sich vorher erledigt hat, unter den - hier gegebenen - Voraussetzungen des § 131 Abs 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ihre Rechtswidrigkeit festzustellen.

 

Fundstellen

BSGE, 78

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge