Entscheidungsstichwort (Thema)

Freiwillig Versicherter. Beitragsberechnung. Verfassungsmäßigkeit. Mietaufwendungen der Sozialhilfe. Revisionszulassung

 

Leitsatz (amtlich)

Die der Sicherstellung des Lebensunterhalts dienenden laufenden Leistungen der Sozialhilfe (Regelsatz nach § 22 BSHG, Miete für die Wohnung) gehören zum Grundlohn des freiwillig krankenversicherten Sozialhilfeempfängers nach § 180 Abs 4 S 1 RVO. Ob dies auch für einen Mehrbedarf (§§ 23, 24 BSHG) gilt, bleibt offen.

 

Orientierungssatz

1. Es ist keine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 darin zu erblicken, daß die Beiträge freiwillig Versicherter nach der Summe der dem einzelnen Versicherten für seinen Lebensunterhalt insgesamt zur Verfügung stehenden Einnahmen berechnet werden (vergleiche BSG vom 28.2.1984 12 RK 65/82 = SozR 2200 § 180 Nr 16). Die Unterschiede zwischen den freiwillig Versicherten und den Pflichtversicherten erfordern und rechtfertigen die voneinander abweichenden beitragsrechtlichen Regelungen.

2. Auch aus dem Prinzip des Nachrangs (der Subsidiarität) der Sozialhilfe (§ 2 BSHG) lassen sich keine überzeugenden Gründe gegen die beitragsrechtliche Berücksichtigung der Sozialhilfeleistungen herleiten.

3. Die vom BSG in den Entscheidungen zum Wohngeld aufgestellten Grundsätze (vergleiche BSG vom 2.6.1982 12 RK 65/81 = SozR 2200 § 180 Nr 10) sind auf die von der Sozialhilfe gedeckten Mietaufwendungen nicht übertragbar, weil diese im BSHG nicht aus dem allgemeinen Lebensunterhalt ausgeklammert sind und auch nicht einem besonderen Mehrbedarf zugeordnet werden können.

4. Die Zulassung der Revision kann nur auf einen von mehreren Ansprüchen oder auf einen abtrennbaren Teil eines Anspruchs, nicht aber auf eine einzelne Rechtsfrage beschränkt werden; andernfalls ist die Beschränkung unwirksam und ohne Bedeutung.

 

Normenkette

RVO § 180 Abs 4 S 1 Fassung: 1977-06-27; BSHG §§ 22-24, 12; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; BSHG § 2; SGG § 160

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 07.04.1982; Aktenzeichen L 11 Kr 16/80)

SG Duisburg (Entscheidung vom 10.01.1980; Aktenzeichen S 21 Kr 118/79)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob die der Klägerin gewährten Sozialhilfeleistungen Einnahmen zum Lebensunterhalt iS des § 180 Abs 4 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und deshalb bei der Bemessung des Beitrages zur gesetzlichen Krankenversicherung zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin, geschieden und Mutter von vier Kindern, ist freiwilliges Mitglied der Beklagten. Mit Bescheid vom 30. November 1978 setzte diese ab 1. Januar 1979 den monatlichen Beitrag auf 137,70 DM fest. Hierbei ging sie von Einkünften der Klägerin in Höhe von monatlich 1.335,90 DM aus, die sich aus 542,90 DM Sozialhilfe (ohne den ebenfalls von der Sozialhilfe getragenen Krankenversicherungsbeitrag von 77,52 DM), 322,-- DM Kindergeld, 303,-- DM Unterhaltsleistungen für zwei Kinder und 168,-- DM Wohngeld zusammensetzten. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. August 1979; Urteil des Sozialgerichts -SG- Duisburg vom 10. Januar 1980). Gegen dieses Urteil legte die Beigeladene als Kostenträger der Sozialhilfe Berufung ein. Während des Berufungsverfahrens setzte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Januar 1982 den Beitrag der Klägerin ab 1. Januar 1982 auf monatlich 112,20 DM fest, wobei sie als Einnahmen zum Lebensunterhalt einen Betrag von 1.034,29 DM (Regelsatz Sozialhilfe: 328,-- DM, Mehrbedarf: 98,40 DM, Miete: 572,68 DM, Mietanteil: 35,21 DM) zugrunde legte. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen am 7. April 1982 nahm die Beklagte den Bescheid vom 30. November 1978 und den Widerspruchsbescheid vom 6. August 1979 insoweit zurück, als Beiträge auch vom Kindergeld und vom Wohngeld berechnet worden waren. Auf die Berufung der Beigeladenen hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. November 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 1979 sowie des Bescheides vom 13. Januar 1982 verurteilt, den Beitrag der Klägerin zur freiwilligen Versicherung nach dem Mindestgrundlohn zu berechnen (Urteil vom 7. April 1982).

Das LSG hält in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Nichtanrechenbarkeit des Wohngeldes auch die Anrechnung von Sozialhilfe (in Form laufender Leistungen zum Lebensunterhalt) bei der Beitragsberechnung für unzulässig. Zwar sei in der Begründung des Regierungsentwurfs zum Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) ausgeführt, daß zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt auch Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zählten. Diese "Normvorstellung" der Gesetzesverfasser sei aber nicht Inhalt der vom Gesetzgeber getroffenen Anordnung geworden. Die Leistungen des Sozialhilfeträgers ließen sich schon sprachlich dem Begriff "Einnahmen" schwer zuordnen. Entscheidend sei jedoch letztlich der mit der Neufassung des § 180 Abs 4 RVO verfolgte Grundgedanke, die Beiträge für Versicherungsberechtigte iS der §§ 176 ff RVO und der freiwillig Weiterversicherten (§ 313 RVO) zu harmonisieren und dabei für die Beitragsbemessung der freiwillig Versicherten dasjenige heranzuziehen, was der typischen Funktion des Arbeitsentgelts bei Pflichtversicherten entspreche. Von diesem Ziel her sei die Berücksichtigung der laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem BSHG nicht geboten. Dieses Ziel werde auch dadurch erreicht, daß Leistungen der Sozialhilfe für beide Gruppen von freiwillig Versicherten in gleicher Weise außer Betracht blieben. Die Berücksichtigung dieser Leistungen würde auch zu sachlich nicht gerechtfertigten Beitragsunterschieden und damit zur Willkür führen. Wenn ein Pflichtversicherter wegen seines geringen Einkommens Anspruch auf Leistungen nach dem BSHG habe, würde nach § 180 Abs 1 RVO lediglich das Arbeitsentgelt der Berechnung des Grundlohnes zugrundegelegt. Er würde damit beitragsrechtlich besser gestellt als derjenige, der gänzlich auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen sei. Auch unter den völlig auf Sozialhilfe angewiesenen freiwillig Versicherten würden ungerechtfertigte Unterschiede in der Beitragshöhe eintreten, je nachdem, wo sie wohnten, welche Miete sie zu zahlen hätten und ob sie Wohngeld erhielten oder nicht. Wenn sich die Höhe des Beitrags nach der Höhe des insgesamt von der Sozialhilfe abzudeckenden Lebensbedarfs richtete, würde auch das - mit der Subsidiarität der Sozialhilfe verknüpfte - Ziel des § 13 BSHG (Übernahme der freiwilligen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zwecks Entlastung des Sozialhilfeträgers von unmittelbaren Aufwendungen für Krankenhilfe) in Frage gestellt. Der Widerstreit der beiden gesetzgeberischen Ziele (Angemessenheit der Beiträge zur Entlastung der Versichertengemeinschaft einerseits und Subsidiarität der Sozialhilfeleistungen andererseits) lasse sich nur zugunsten der Subsidiarität lösen, da sich sonst durch die Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen nach § 13 BSHG die "Leistungsfähigkeit" des Bedürftigen ständig erhöhe, so daß die Beiträge ebenfalls fortlaufend anstiegen. Folge man der Rechtsmeinung der Beklagten, dann gäbe es nur einen praktischen Anwendungsfall für den Mindestgrundlohn nach § 180 Abs 4 Satz 1 RVO, nämlich nur für Kinder im Rahmen einer Familiengemeinschaft, in der das Einkommen des nicht versicherten Elternteils das nach § 205 Abs 1 RVO maßgebende Einkommen übersteige. Um diese Ungereimtheiten zu vermeiden, seien auch in Fällen der vorliegenden Art die Beiträge nach dem Mindestgrundlohn zu bemessen, zumal dieser die unterste Grenze für den Lebensunterhalt darstelle.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision macht die Beklagte geltend, daß dem Begriff "Einnahmen zum Lebensunterhalt" alle wiederkehrenden Bezüge zuzurechnen seien, die für die Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhalts zur Verfügung stünden. Unter den in § 180 Abs 4 RVO dem Arbeitsentgelt gleichgestellten sonstigen Einnahmen seien solche zu verstehen, die an die Stelle des fehlenden Arbeitsentgelts träten. Hiervon ausgenommen seien nur jene zweckbestimmten Zuwendungen, die nicht geeignet seien, die allgemeine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu verbessern, sondern lediglich einen besonderen Mehraufwand abdecken sollten, wie das Wohngeld, das Kindergeld und Leistungen wegen Mehrbedarfs nach § 23 BSHG. Die der Klägerin zufließende laufende Sozialhilfe (Regelsatz) - einschließlich eines Erfahrungssatzes von 15 vH des Regelsatzes für Einzelbeihilfen - zählten dagegen zu den der Befriedigung der allgemeinen Lebensbedürfnisse dienenden finanziellen Mittel. Das gelte auch für den vom Sozialhilfeträger übernommenen Krankenkassenbeitrag und die ebenfalls übernommene Miete. Auch wenn es sich hierbei um zweckbestimmte Zuwendungen handele, so dienten sie doch der Deckung allgemeiner Lebensbedürfnisse und nicht dem Ausgleich besonderer Mehraufwendungen. Das Subsidiaritätsprinzip der Sozialhilfe könne nicht dazu führen, daß mittelbar ein Teil der von den Sozialhilfeträgern zu erbringenden Leistungen den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung aufgebürdet würde.

Die Beklagte und Revisionsklägerin beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben, soweit es die Nichtanrechnung von Sozialhilfeleistungen als Einnahmen zum Lebensunterhalt für die Beitragsberechnung betrifft, und die Beigeladene zu verurteilen, die Beitragsfestsetzung insoweit gegen sich gelten zu lassen, als die gesamte der Klägerin zufließende laufende Sozialhilfe berücksichtigt wird.

Die Beigeladene und Revisionsbeklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt ebenfalls,

die Revision zurückzuweisen.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wendet, zulässig und im wesentlichen begründet. Das von der Beklagten darüber hinaus im Wege der Widerklage verfolgte Begehren ist dagegen unzulässig.

Der Gegenstand des Berufungsverfahrens und damit auch der zulässige Gegenstand der Revision wird bestimmt von dem Gegenstand der Verwaltungsentscheidung der Beklagten, wie sie sich bei Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem LSG noch darbot. Hiernach hatte die Beklagte ihren ursprünglichen und im Widerspruchsbescheid bestätigten Bescheid vom 30. November 1978, mit dem sie einen - Einkünften der Klägerin in Höhe von 1.335,90 DM entsprechenden - Monatsbeitrag von 137.70 DM und - darin enthalten - auch Beiträge für das von der Klägerin empfangene Kindergeld (322,-- DM) und Wohngeld (168,-- DM) gefordert hatte, hinsichtlich des Kinder- und des Wohngeldes zurückgenommen. Demgemäß hatte sie den Krankenversicherungsbeitrag der Klägerin ab 1. Januar 1979 nur noch nach einer monatlichen Sozialhilfeleistung von 542,90 DM und den der Klägerin zugeflossenen Unterhaltsleistungen für zwei Kinder (303,-- DM) festgesetzt; den vom beigeladenen Sozialhilfeträger übernommenen Krankenversicherungsbeitrag hatte sie - wie schon vorher - außer Betracht gelassen. Desgleichen hatte sie diesen Beitrag auch mit dem während des Berufungsverfahrens erlassenen Bescheid vom 12. Januar 1982 dem für die Beitragsbemessung maßgeblichen Grundlohn nicht zugerechnet. Wenn die Beklagte nunmehr im Revisionsverfahren erstmals die von der Beigeladenen nach § 13 BSHG übernommenen Krankenversicherungsbeiträge als zu berücksichtigende Einnahmen zum Lebensunterhalt geltend macht, dann ist darin eine Widerklage zu erblicken. Abgesehen davon, daß eine solche im Revisionsverfahren grundsätzlich unzulässig ist (vgl Meyer-Ladewig SGG, 2. Aufl, § 165 Anm 5 mwN), mangelt es ihr hier auch schon am Rechtsschutzbedürfnis, weil die Beklagte insoweit durch Verwaltungsakt hätte entscheiden können (hM, vgl Meyer-Ladewig aaO, § 100 Anm 6). Das gleiche gilt für die von der Beklagten im Revisionsverfahren erstmals beanspruchte Anrechnung eines zusätzlichen Betrages von 15 vH des Regelsatzes der Sozialhilfe als Erfahrungssatz für Einzelbeihilfen.

In der Sache kann sonach vom Revisionsgericht nur darüber entschieden werden, ob und inwieweit die von der Beklagten in ihren streitgegenständigen Verwaltungsakten vorgenommene Anrechnung von Sozialhilfe- und Unterhaltsleistungen als Einnahmen zum Lebensunterhalt iS von § 180 Abs 4 Satz 1 RVO rechtens ist.

Dem Urteil des LSG liegt die Rechtsauffassung zugrunde, daß Sozialhilfeleistungen grundsätzlich nicht - als dem Grundlohn nach § 180 Abs 4 RVO zuzurechnende - "Einnahmen zum Lebensunterhalt" in Betracht kommen. Dem vermag der Senat nicht beizupflichten. Die Ansicht des LSG läßt sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus dessen Systematik und Zielsetzung ableiten.

Der Begriff "Einnahmen zum Lebensunterhalt" ist in der Vorschrift des § 180 Abs 4 RVO selbst nicht näher erläutert. Auch das Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV), in dem die für alle Bereiche der Sozialversicherung geltenden Begriffe definiert werden, enthält keine einschlägige Begriffsbestimmung. Was den Einnahmen zum Lebensunterhalt iS des § 180 Abs 4 RVO zuzuordnen ist, muß daher im Wege der Gesetzesauslegung ermittelt werden.

Wie der Senat wiederholt entschieden hat, erfaßt § 180 Abs 4 RVO neben dem Arbeitsentgelt auch die dem Arbeitsentgelt vergleichbaren, dem allgemeinen Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Einnahmen (vgl BSG SozR 2200 § 180 Nrn 9 und 10). Dafür spricht schon der Wortlaut des Gesetzes, der Arbeitsentgelt und "sonstige Einnahmen zum Lebensunterhalt" verknüpft, darüber hinaus aber auch die Vorgeschichte der Regelung. Die Neufassung des § 180 Abs 4 RVO durch das KVKG ab 1. Juli 1977 geht auf einen Vorschlag des Bundestags-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zurück, der das Ziel verfolgte, die Beiträge für Versicherungsberechtigte iS der §§ 176 ff RVO und freiwillig Weiterversicherte (§ 313 RVO) zu harmonisieren (vgl BT-Drucks 8/338, S 60). In der Begründung zu seinem Vorschlag führte der Ausschuß aus, daß zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt auch die Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem BSHG mit Ausnahme der einmaligen Zuwendungen aus besonderen Anlässen gehören. Der Vorschlag des Ausschusses ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht mehr verändert worden. Er bringt somit die Normvorstellung des Gesetzgebers authentisch zum Ausdruck. Tatsachen, die auf einen entgegengesetzten Willen des Gesetzgebers schließen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. Hätte der Gesetzgeber die Sozialhilfeleistungen in § 180 Abs 4 RVO außer Betracht lassen wollen, dann hätte angesichts der klaren, auf Einbeziehung der Sozialhilfeleistungen zielenden Gesetzesbegründung erwartet werden müssen, daß das Gegenteil im Gesetz selbst zum Ausdruck gebracht worden wäre, zumal dem Gesetzgeber die Entscheidung des BSG zu § 313a RVO aF bekannt war, wonach schon nach dieser Vorschrift die Hilfe zum Lebensunterhalt iS des BSHG bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen war (SozR 2200 § 313a Nr 4).

Gegenüber der nach Ansicht des Senats eindeutigen Entscheidung des Gesetzgebers können die vom LSG hervorgehobenen Gesichtspunkte nicht durchgreifen:

Sprachlich können Sozialhilfeleistungen auf Seiten des Sozialhilfe"empfängers" unbedenklich als "Einnahmen" zum Lebensunterhalt angesehen werden. Auch wirtschaftlich werden sie von ihm "eingenommen" und dienen seinem Unterhalt. Daß sie keine Lohnersatzleistungen im engeren Sinne wie etwa Sozialversicherungsrenten und Arbeitslosengeld sind, ist unerheblich. Einer Lohnersatzleistung und damit dem Arbeitsentgelt sind sie jedenfalls insofern vergleichbar, als sie wie dieses Quelle und Grundlage für die Bestreitung des Lebensunterhalts sind und die wirtschaftliche Situation des Empfängers der Leistungen prägen.

Das mit der Neufassung des § 180 Abs 4 RVO verfolgte Ziel der Harmonisierung des bis dahin unterschiedlich geregelten Beitragsrechts der beiden Gruppen freiwillig Versicherter gebot aus sich heraus weder die Berücksichtigung noch die Nichtberücksichtigung der Sozialhilfeleistungen. Die gleiche Behandlung aller freiwillig Versicherten ließ sich auf beiden Wegen bewirken. Es lag in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, sich für die eine oder andere der beiden Möglichkeiten zu entscheiden. Diese Entscheidung kann nicht durch Billigkeitserwägungen der zur Gesetzesanwendung berufenen Gerichte korrigiert werden.

Daß die beitragsrechtliche Berücksichtigung der Sozialhilfeleistungen bei den freiwillig Versicherten zu einer unterschiedlichen Behandlung gegenüber den Pflichtversicherten führt, ergibt sich aus der unterschiedlichen Struktur des Beitragsrechts der beiden Gruppen, hängt insbesondere mit den verschiedenen Grundsätzen für die Erhebung von Pflichtbeiträgen und von freiwilligen Beiträgen zusammen. So werden die Beiträge für versicherungspflichtig Beschäftigte - entsprechend dem Rechtsgrund ihrer Versicherungspflicht, dem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis - allein von dem aus dieser Beschäftigung erzielten Arbeitsentgelt erhoben, sonstige Einnahmen der Beschäftigten folglich nicht berücksichtigt. Für die Beiträge der freiwillig Versicherten, von denen viele eine selbständige Tätigkeit ausüben oder nicht mehr erwerbstätig sind, eignet sich dagegen das Arbeitsentgelt nicht als Bemessungsgrundlage, es sei denn, die freiwillig Versicherten würden je nach Art ihrer Einkünfte in verschiedene Untergruppen geteilt, was der Gesetzgeber aber offenbar hat vermeiden wollen. Deshalb werden bei ihnen die Beiträge nach der Summe der dem einzelnen Versicherten für seinen Lebensunterhalt insgesamt zur Verfügung stehenden Einnahmen berechnet (Urteil des Senats vom 28. Februar 1984, 12 RK 65/82). Eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) ist darin nicht zu erblicken, denn die dargelegten Unterschiede zwischen den freiwillig Versicherten und den Pflichtversicherten erfordern und rechtfertigen die voneinander abweichenden beitragsrechtlichen Regelungen.

Auch aus dem Prinzip des Nachrangs (der Subsidiarität) der Sozialhilfe (§ 2 BSHG) lassen sich keine überzeugenden Gründe gegen die beitragsrechtliche Berücksichtigung der Sozialhilfeleistungen herleiten. Das genannte Prinzip betrifft die Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers; diese setzt voraus, daß die fragliche Leistung nicht schon von einem anderen zu erbringen ist. Deshalb entfällt auch die Verpflichtung zur Gewährung der Krankenhilfe nach § 37 BSHG, wenn der Sozialhilfeempfänger Anspruch auf Krankenhilfe aufgrund seiner Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung hat. Der Sozialhilfeträger kann dann gemäß § 13 BSHG die Krankenversicherungsbeiträge übernehmen und ist dazu in bestimmten Fällen sogar verpflichtet. Daß er sich dadurch von einer eigenen Leistungspflicht entlastet und diese Entlastungsmöglichkeit vom Gesetzgeber beabsichtigt war, läßt die Frage, wie die Krankenversicherungsbeiträge des Sozialhilfeempfängers zu berechnen sind, entgegen der Ansicht des LSG unberührt. Das gilt jedenfalls, soweit es sich um die Beitragspflicht von laufenden Sozialhilfeleistungen (Hilfe zum Lebensunterhalt iS der §§ 21, 22 BSHG) handelt.

Zu Recht hat die Beklagte sonach der Beitragsberechnung die der Klägerin gewährten Leistungen nach dem BSHG zugrundegelegt, soweit diese dazu bestimmt sind, den allgemeinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Das gilt sowohl für den als laufende Leistung zum Lebensunterhalt gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 BSHG gewährten Regelsatz als auch für die von der Beigeladenen getragenen Mietaufwendungen, die beide zu dem in § 12 Abs 1 BSHG definierten notwendigen Lebensunterhalt gehören. Die vom BSG in den Entscheidungen zum Wohngeld aufgestellten Grundsätze (vgl SozR 2200 § 180 Nr 10) sind auf die von der Sozialhilfe gedeckten Mietaufwendungen nicht übertragbar, weil diese im BSHG nicht aus dem allgemeinen Lebensunterhalt ausgeklammert sind und auch nicht einem besonderen Mehrbedarf zugeordnet werden können. Daß es hierbei wegen der nach Wohnlage unterschiedlichen Kosten der Unterkunft auch zu unterschiedlichen Beiträgen kommen kann, muß als unvermeidliche Folge der einkommensabhängigen Beitragsberechnung in Kauf genommen werden.

Ob auch ein - neben dem Regelsatz - für die Deckung eines etwaigen Mehrbedarfs gewährter Betrag (§ 23 BSHG) zum Bereich des allgemeinen Lebensunterhalts gehört, war vom Senat nicht zu entscheiden, weil die Beklagte nach der Revisionsschrift einen solchen Betrag selbst nicht mehr bei der Beitragsbemessung berücksichtigen will. Über die erstmals im Revisionsverfahren von der Beklagten mit einem bestimmten Pauschsatz (15 % des Regelsatzes) für beitragspflichtig gehaltenen Einzelbeihilfen und über die von ihr übernommenen Krankenversicherungsbeiträge kann, wie schon dargelegt, aus prozessualen Gründen (Unzulässigkeit der Widerklage) sachlich nicht entschieden werden.

Daß die für zwei Söhne der Klägerin, Christian und Sven, gezahlten Unterhaltsleistungen nicht der Klägerin selbst als beitragspflichtige Einnahmen zum Lebensunterhalt zuzurechnen sind - was die Beklagte in ihrem ersten Bescheid vom 30. November 1978 noch angenommen, in dem nachfolgenden Bescheid vom 13. Januar 1982 hingegen nicht mehr aufrechterhalten hatte -, hat das LSG zu Recht ausgeführt. Über diese Frage hatte der Senat ungeachtet der vom LSG auf die Anrechnung von Sozialhilfeleistungen beschränkten Revisionszulassung zu befinden. Die Zulassung der Revision kann nur auf einen von mehreren Ansprüchen oder auf einen abtrennbaren Teil eines Anspruchs, nicht aber - wie hier geschehen - auf eine einzelne Rechtsfrage beschränkt werden; andernfalls ist die Beschränkung unwirksam und ohne Bedeutung (vgl Meyer-Ladewig aaO, § 160 Anm 28).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660000

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