Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 22.03.1990)

 

Tenor

Auf die Revision des Beigeladenen wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. März 1990 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Streitig sind Honorarkürzungen gegenüber dem als Kassenzahnarzt zugelassenen Kläger.

Der beigeladene Krankenkassenverband K beantragte unter dem 18. Juni und 28. August 1984 bei dem bei der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) eingerichteten Prüfungsausschuß, die Abrechnung des Klägers für die Quartale des Jahres 1983, und unter dem 17. September 1985 und 16. Januar 1986, die Abrechnungsquartale II/84 bis I/85 zu prüfen und die Honoraranforderungen des Klägers für 34 Parodontose-Behandlungsfälle zu kürzen, weil die nach den Parodontopathie-Richtlinien (Pa-RL) notwendige Vorbehandlung nicht stattgefunden habe. Die Anträge wurden von dem Prüfungsausschuß im März bzw Mai 1986 der beklagten KZÄV vorgelegt, weil sich der Prüfungsausschuß nicht für zuständig hielt. Durch Bescheid vom 2. Februar 1987 kürzte die Beklagte die Honoraranforderungen des Klägers wegen fehlender Vorbehandlung. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 1987).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. September 1988). Im Verlauf des Berufungsverfahrens stellte sich heraus, daß dem Widerspruchsbescheid die in ihm angeführten Anlagen nicht beigelegen hatten. Daraufhin hat der Vorstand der Beklagten als Widerspruchsstelle erneut über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 2. Februar 1987 entschieden und durch Widerspruchsbescheid vom 26. September 1989 die Kürzung in 13 Fällen aufgehoben, weil die Berichtigungsanträge des Beigeladenen verfristet gewesen seien. Der Kürzungsbetrag wurde von DM 32.523,88 auf DM 20.287,66 vermindert. Im übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 22. März 1990 aufgehoben und die Klage des Beigeladenen gegen den Widerspruchsbescheid abgewiesen, weil die Anträge des Beigeladenen verspätet gewesen seien.

Der Beigeladene rügt mit der in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils zugelassenen Revision Verletzung des Rechtssatzes, daß der beim Prüfungsausschuß eingelegte Antrag die Frist wahre.

Der Beigeladene beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. März 1990 aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen und nach dem in der Berufungsinstanz erhobenen Klageantrag des Beigeladenen zu erkennen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Beklagte für zuständig, Honorarabrechnungen für Parodontose-Behandlungen zu überprüfen. Mit ihren an die Prüfeinrichtungen gerichteten Anträgen habe der Beigeladene die Antragsfristen nicht einhalten können.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung an das LSG begründet, da eine notwendige Beiladung unterblieben ist.

1. Der Senat hat gemäß § 12 Abs 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Besetzung mit einem Kassenzahnarzt und einem Vertreter der Krankenkassen (KKen), also in sog gemischter Besetzung, entschieden. Das Bundessozialgericht (BSG) stellt bei der Besetzung der Spruchkörper mit ehrenamtlichen Richtern in erster Linie darauf ab, wie sich die Verwaltungsstelle zusammensetzt, die über die dem Rechtsstreit zugrundeliegende Verwaltungsentscheidung zu befinden hat (BSG, Urteil vom 20. Mai 1992 -14a/6 RKa 29/89 – zur Veröffentlichung vorgesehen-; BSGE 56, 222, 223 f = SozR 2200 § 368n Nr 30; BSGE 67, 256, 257 f = SozR 3-2500 § 92 Nr 1). Ist – wie hier – zweifelhaft und umstritten, ob ein allein aus Kassen(zahn)ärzten oder ein paritätisch (gemischt) zusammengesetzes Entscheidungsgremium zuständig ist, so ist das Gericht paritätisch zu besetzen (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 2).

2. Die Revision des beigeladenen Krankenkassenverbandes ist zulässig.

2.1. Bei Beigeladenen ist die Zulässigkeit des Rechtsmittels davon abhängig, ob sie materiell beschwert sind (BSG, Urteil vom 5. Juni 1991 -7 RAr 26/89- mit Hinweis auf BVerwGE 31, 233, 235; 37, 43 f; 47, 19 f; 64, 67, 69). Beigeladen ist nach der Fassung des Beiladungsbeschlusses der Krankenkassenverband K und nicht seine Mitgliedskassen oder die von ihm vertretenen Verbände und KKen. Der Beigeladene hat zwar im vorangegangenen Verwaltungsverfahren den Prüfantrag „gleichzeitig namens und im Auftrag” des Landesverbandes der Betriebskrankenkassen Rheinland-Pfalz, des Landesverbandes der Innungskrankenkassen Nordrhein und Rheinland-Pfalz, der Krankenkasse der rheinischen Landwirtschaft Düsseldorf und der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Kassel gestellt. In dieser Weise hat er auch seine Beiladung beim SG beantragt. Ob der Kassenverband zur Vertretung befugt war, kann auf sich beruhen. Das SG hat den Kassenverband K selbst, und nicht (auch) als Vertreter der vorgeblich vertretenen Verbände und Kassen beigeladen, was der Sache nach eine Beiladung (auch) dieser Verbände und Kassen wäre, so daß nur der Kassenverband die Stellung eines Beigeladenen erlangt hat.

Soweit das LSG die Klage des Beigeladenen gegen den Widerspruchsbescheid, wobei jeweils der zweite Widerspruchsbescheid gemeint ist, abgewiesen hat, folgt die Beschwer ohne weiteres aus dem Urteil des LSG. Auch insoweit hat der Beigeladene das Urteil des LSG angefochten, obgleich der Revisionsantrag, „das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen”, erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist durch die klarstellenden Worte ergänzt wurde „und nach dem in der Berufungsinstanz erhobenen Klageantrag des Beigeladenen zu erkennen”. Denn der innerhalb der Revisionsbegründungsfrist gestellte Antrag, das Urteil des LSG aufzuheben, war uneingeschränkt gestellt. Der Beigeladene kann zwar als solcher einen eigenen Klageanspruch nicht geltend machen (BSG SozR 1500 § 75 Nr 2). Von diesem Grundsatz ist aber aus Gründen der Prozeßökonomie für die Fallgestaltung eine Ausnahme zu machen, daß der Widerspruchsbescheid, der den Beigeladenen erstmalig beschwert, erst nach Klageerhebung ergeht, wie dies hier bei dem mit der Klage angefochtenen zweiten Widerspruchsbescheid der Fall ist.

Auch soweit das LSG dem Antrag des Beigeladenen, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, nicht entsprochen hat, ist der Beigeladene materiell beschwert. Der von der beklagten KZÄV nach Prüfung der Gebührenordnungsmäßigkeit der Abrechnung erlassene Kürzungsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides war zwar an den klagenden Kassenzahnarzt gerichtet. Gleichwohl ist der Beigeladene aufgrund der Verantwortlichkeit seiner Mitgliedskassen für die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots in eigenen Rechten betroffen. Nach seiner Auffassung hätte der Kürzungsbescheid vom Prüfungsausschuß erlassen werden müssen. Der Bescheid wäre auch dann an den Kassenarzt, und nicht an den Beigeladen adressiert. Gleichwohl wäre der Beigeladene, was noch auszuführen ist, selbständig rechtsmittelbefugt, wenn ein solcher Bescheid im Gerichtsverfahren aufgehoben worden wäre. Seine Rechtsmittelbefugnis kann nicht daran scheitern, daß hier (verfahrensfehlerhaft) nicht der Prüfungsausschuß sondern die KZÄV entschieden hat. Überdies ist die Prüfung der Gebührenordnungsmäßigkeit mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung eng verbunden (zum Grundsatz der einheitlichen Antragstellung vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 7 S 35). Auch das rechtfertigt es, zur Klage- und Rechtsmittelbefugnis die für die Wirtschaftlichkeitsprüfung geltenden Rechtssätze auf die Prüfung der Gebührenordnungsmäßigkeit jedenfalls dann anzuwenden, wenn gerade über die Zugehörigkeit zur Wirtschaftlichkeitsprüfung gestritten wird, wie das hier der Fall ist.

Der Beigeladene wäre rechtsmittelbefugt gewesen, wenn der Kürzungsbescheid vom Prüfungsausschuß erlassen und -wie hier- im Gerichtsverfahren aufgehoben worden wäre. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeitsprüfung wird die Klagebefugnis mit dem Ziel einer weitergehenden Kürzung und dementsprechend beim Streit um eine ausgesprochene Kürzung die Befugnis, als notwendig Beigeladener selbständig Rechtsmittel gegen eine Aufhebung oder Minderung der Kürzung durch das Gericht einzulegen, sowohl den Landesverbänden der KKen als auch jeder gegenüber der KZÄV zur Zahlung der Gesamtvergütung verpflichteten einzelnen KK zuerkannt (vgl BSGE 55, 110, 111), obgleich § 368n Abs 5 Satz 5 RVO aF als beschwerdebefugt die Landesverbände der KKen, und nicht daneben auch die KK nennt. Die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung ist ein einheitlicher Vorgang, und die KKen und ihre Landesverbände haben hieran ein übergreifendes und rechtlich geschütztes Interesse, auch soweit die begehrte Kürzung andere Landesverbände oder andere KKen betrifft (BSGE 60, 69, 71 = SozR 2200 § 368n Nr 42). Dementsprechend nennt nunmehr § 106 Abs 5 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) neben den Landesverbänden der KKen auch die KKen als berechtigt, den Beschwerdeausschuß anzurufen.

Soweit die einzelne KK neben dem Landesverband klagebefugt ist, kann auch ein Kassenverband iSv § 406 RVO (vgl nunmehr § 218 SGB V), wenn das Prüfverfahren zu seinem Aufgabengebiet gehört, im Wege der Prozeßstandschaft die Rechte der KK ausüben. Dem steht die Entscheidung des 1. Senats zur Genehmigung der Satzung eines solchen Kassenverbandes nicht entgegen (BSGE 64, 124 = SozR 2200 § 407 Nr 2). Hiernach dürfen Kassenverbände aufgrund einer Satzungsbestimmung nicht Aufgaben übernehmen, die von einem Landesverband oder dem Bundesverband derselben Kassenart wahrgenommen werden müssen oder können, wenn es sich um Aufgaben handelt, die wie die Ausrichtung von Arbeitstagungen und die Beratung der Verbandsmitglieder der Unterstützung der Mitgliedskassen dienen, und die deswegen begrifflich nicht Aufgabe der einzelnen Mitgliedskasse sein können. Demgegenüber ist die Beteiligung am Prüfungsverfahren gerade Aufgabe der einzelnen Mitgliedskasse. Der Senat beantwortet die in der Entscheidung des 1. Senats dargestellte und offen gelassene Rechtsfrage, ob § 407 RVO eine abschließende Aufzählung der möglichen Aufgaben enthält, dahin, daß jedenfalls die Aufgaben der KK im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung durch einen solchen Kassenverband wahrgenommen werden dürfen. Dabei ist berücksichtigt, daß § 218 SGB V keine Einschränkung der möglichen Aufgaben enthält.

2.2. Die Revisionsbegründung genügt den Anforderungen des § 164 SGG. Die Revisionsbegründung muß bei materiell-rechtlichen Rügen darlegen, daß und warum eine revisible Rechtsvorschrift auf den vom Tatsachengericht festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewandt worden ist. Obwohl es bei einer Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht darauf ankommt, ob die Revisionsbegründung den Revisionsangriff auch trägt, muß die Begründung aber doch rechtliche Erwägungen anstellen, die das Urteil als unrichtig, die Rechtsnorm als „verletzt” erscheinen lassen. Die Revision muß erkennen lassen, daß der Prozeßbevollmächtigte des Revisionsklägers eine Prüfung und rechtliche Durchdringung des im Urteil abgehandelten Rechtsstoffes vorgenommen hat (BSG, Urteil vom 30. Januar 1991 -6 RKa 17/89- nicht veröffentlicht). Der Beigeladene rügt mit der Revision, entgegen der Auffassung des LSG sei der Prüfungsantrag rechtzeitig und wirksam beim Prüfungsausschuß gestellt, weil für die Prüfung der Einhaltung der Pa-RL der Prüfungsausschuß allein zuständig sei. Der Beigeladene hat allerdings innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht deutlich gemacht, aus welchen Gründen nach seinem, des Beigeladenen, Antrag die Berufung des Klägers zurückzuweisen sein soll, wenn der angefochtene Bescheid von der KZÄV und damit nach seiner, des Beigeladenen, Auffassung von einer sachlich unzuständigen Stelle erlassen wurde. Der Rechtsschutz der KK wirft jedoch in dem Falle, daß die beantragte Kürzung zwar vorgenommen wird, aber nicht von dem nach Auffassung der KK allein zuständigen Prüfungsausschuß, sondern von der KZÄV, schwierige Rechtsfragen auf. Das gilt verstärkt, wenn sich die Meinung der Beteiligten und der Gerichte zur Zuständigkeitsfrage im Verfahren ändert, wie dies hier der Fall ist. Unter diesen Umständen kann aus dem aufgezeigten Widerspruch nicht geschlossen werden, daß der Beigeladene es an dem erforderlichen Bemühen hat fehlen lassen, den Rechtsstoff zu durchdringen.

3. Das angefochtene Urteil war auf die Revision des Beigeladenen aufzuheben, weil das LSG eine nach § 75 Abs 2 SGG notwendige Beiladung unterlassen hat, die im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden kann.

3.1. Notwendig beizuladen war nach § 75 Abs 2 SGG der Prüfungsausschuß der beklagten KZÄV. Dieser hat die Kürzungsanträge des Beigeladenen zuständigkeitshalber an die beklagte KZÄV weitergeleitet.

Der Prüfungsausschuß hat seine Entscheidung über die Zuständigkeit nicht als Verwaltungsakt bekanntgegeben. Die Bindungswirkung eines solchen Verwaltungsaktes wäre im übrigen nur zu beachten, wenn er sowohl dem Kläger als auch der Beklagten bekanntgegeben worden wäre. Das erübrigt zu prüfen, ob ein solcher Verwaltungsakt es rechtfertigen kann, die Zuständigkeit der KZÄV ohne Prüfung der Rechtslage zu bejahen, oder ob dem der Rechtsgedanke der §§ 75 Abs 5 und 180 Abs 1 Nrn 1 und 2 SGG entgegensteht.

Die Entscheidung, ob für die streitige Honorarkürzung wegen Nichteinhaltung der Pa-RL die paritätisch besetzten Prüfungsorgane zuständig sind, wie das BSG im Urteil vom 31. Juli 1991 -6 RKa 20/90- (SozR 3-2500 § 106 Nr 8), oder die KZÄV, wie das LSG im angefochtenen Urteil vom 22. März 1990 entschieden hat, kann gegenüber dem Prüfungsausschuß und der KZÄV nur einheitlich ergehen. Das LSG hätte den Prüfungsausschuß unabhängig davon, in welchem Sinne es entscheiden wollte, notwendig beiladen müssen.

Sollte auch der Beschwerdeausschuß hier betroffene Prüfanträge an die KZÄV abgegeben haben, so ist auch dieser notwendig beizuladen.

3.2. Weitere Fälle einer notwendigen Beiladung sind nicht ersichtlich.

3.2.1. Der Beigeladene rügt zu Unrecht, daß eine Beiladung des Bundesausschusses der Zahnärzte und KKen notwendig sei, weil dieser die in ihrer Bedeutung umstrittenen Pa-RL erlassen habe. Eine Beiladung der an Normsetzungsakten im Kassenarztrecht beteiligten Selbstverwaltungseinrichtungen oder von staatlichen Stellen, die im Rahmen der Normsetzung mit Regelungsbefugnis ausgestattet sind, ist grundsätzlich nicht notwendig iSv § 75 SGG und damit nicht erforderlich (so BSG, Urteil vom 8. April 1992 -6 RKa 24/90- unter Aufgabe von BSGE 66, 24 = SozR 1500 § 75 Nr 79; BSGE 67, 256, 258 = SozR 3-2500 § 92 Nr 1 und BSGE 67, 251, 252 = SozR 3-2500 § 92 Nr 2).

3.2.2. Auch hinsichtlich der Landesverbände ist kein Fall der notwendigen Beiladung gegeben. Zwar sind zum Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung grundsätzlich die Landesverbände der KKen und die Kassen, die die Rechtsstellung eines Landesverbandes haben, iS des § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen, insbesondere wenn der Prüfungsantrag des Kassenverbandes auch in ihrem Namen gestellt wurde (vgl hierzu BSG, Urteil vom 31. Juli 1991 -6 RKa 18/90-SozR 3-2500 § 106 Nr 7). Wird jedoch das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf Sonderbereiche wie die Einhaltung der Pa-RL oder die Feststellung eines Schadensersatzanspruchs wegen eines Behandlungsfehlers angewandt und sind ausschließlich solche Teilbereiche Gegenstand des Prüfungsverfahrens, so sind notwendig nur die KKen beizuladen, die als Kostenträger der Behandlungsfälle betroffen sind. In diesen Fällen steht der einzelne Behandlungsfall so im Mittelpunkt der Prüfung, daß die Verantwortung der Landesverbände der KKen für die Wirtschaftlichkeitsprüfung als solche und der Gedanke der Einheitlichkeit der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf der Grundlage der Zulässigkeit statistischer Prüfmethoden eine notwendige Beiladung nicht mehr rechtfertigen können.

3.2.3. Hinsichtlich der Mitgliedskassen des Beigeladenen ist ebenfalls kein Fall der notwendigen Beiladung gegeben (BSG Urteil vom 22.06.1983 -6 RKa 2/81-ArztR 1984, 146 = USK 83207). Die Interessen der KKen werden im Verfahren der allgemeinen Wirtschaftlichkeitsprüfung von dem jeweiligen Landesverband im Wege der Prozeßstandschaft vertreten. Das schließt nicht aus, daß sie gegen einen die Prüfung oder eine weitergehende Honorarkürzung ablehnenden Bescheid des Beschwerdeausschusses selbst Klage erheben dürfen. Werden sie -auf ihren Antrag- neben dem Landesverband beigeladen, so haben sie die Rechte eines notwendig Beigeladenen, dürfen also selbständig Rechtsmittel einlegen. Betrifft das Prüfungsverfahren die Einhaltung der Pa-RL oder Schadensersatzansprüche wegen Kunstfehlern, so sind zwar in der Regel die als Kostenträger betroffenen Kassen notwendig beizuladen. Haben sich diese Kassen jedoch zu einem Kassenverband ua für ihre Beteiligung am Prüfungsverfahren zusammengeschlossen, wie das hier der Fall ist, so können ihre Rechte im Prüfungsverfahren vom Kassenverband im Wege der Prozeßstandschaft wahrgenommen werden, und es genügt dann die notwendige Beiladung des Kassenverbandes.

3.3. Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung, hier des Prüfungsausschusses, steht einer Sachentscheidung des Revisionsgerichts nur dann nicht entgegen, wenn diese aufgrund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz möglich ist und den Beizuladenden weder materiell noch verfahrensrechtlich benachteiligt (Anschluß an BSG, Urteil vom 31. Juli 1991 -6 RKa 12/89-SozR 3-2500 § 106 Nr 6; BSGE 66, 144 = SozR 3-5795 § 6 Nr 1 und BSGE 67, 251 = SozR 3-2500 § 92 Nr 2). Da die Entscheidung den Beizuladenden ohne dessen Beiladung überhaupt nicht betrifft, kann damit nur gemeint sein, wie sie ihn -eine Beiladung unterstellt- fiktiv betreffen würde. Eine nachteilige Wirkung für den hier beizuladenden Prüfungsausschuß kann nur dann verneint werden, wenn der Senat diesen nicht für zuständig hielte, zumal dieser selbst seine Zuständigkeit bereits verneint hat. Der Senat sieht jedoch in Übereinstimmung mit der angeführten Entscheidung des 6. Senats (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 8) die Kompetenz des Prüfungsausschusses als gegeben an. In einem solchen Fall kann die Beiladung nicht unterbleiben, um einen negativen Kompetenzkonflikt zu vermeiden, wie dies der Zielsetzung des § 75 Abs 2 SGG entspricht.

3.3.1. Die alleinige Zuständigkeit des paritätisch besetzten Prüfungsausschusses für Honorarkürzungen bei Verstoß gegen die Pa-RL im Primärkassenbereich in der hier streitigen Zeit vor dem 1. Januar 1989 folgt daraus, daß die hier streitigen Bestimmungen der vom Bundesausschuß der Zahnärzte und KKen am 1. Juli 1976 beschlossenen Pa-RL (BAnz Nr 188 vom 5. Oktober 1976), die Wirtschaftlichkeit der Behandlung sichern sollen. Die Pa-RL wurden später in die ebenfalls vom Bundesausschuß der Zahnärzte und KKen beschlossenen Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche kassenzahnärztliche Versorgung (abgedruckt -Stand 24. Juni 1981- bei Liebold/ Raff /Wissing, BEMA-Z, Teil VII) als deren Teil B V mit der Überschrift „Systematische Behandlung von Parodontopathien (Pa-Behandlung)” übernommen.

Die hier insbesondere streitige Ziff 21 der Pa-RL und § 2 Abs 2 der Vereinbarung über das Gutachterverfahren bei Behandlungen von Parodontopathien (Anlage 9 zum BMV-Zahnärzte) stellen Konkretisierungen des Wirtschaftlichkeitsgebotes dar, was der neue Standort der Pa-RL verdeutlicht. Sie wurden aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung erlassen, „die zur Sicherung der kassenärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Kranken” zu beschließen (§ 368o Abs 1 RVO, nunmehr § 92 Abs 1 Satz 1 SGB V), worauf schon der 6. Senat (aaO) hingewiesen hat. Soweit danach die Durchführung systematischer Parodonthosebehandlungen auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung die Beachtung eines bestimmten Verfahrensablaufs voraussetzt, dient dies der Sicherstellung des Behandlungserfolges.

3.3.2. Die Revision wendet zu Unrecht ein, daß die dort geforderten Voraussetzungen vorrangig oder doch zumindest auch medizinisch geboten seien. Die medizinische Indikation steht mit der zugleich erstrebten Wirtschaftlichkeit nicht in Widerspruch. Ist die eigentliche Behandlung aus medizinischer Sicht nur nach der geforderten Vorbehandlung und nach Ablauf der Wartefrist aussichtsreich, so ist sie auch nur unter diesen Voraussetzungen wirtschaftlich.

Desgleichen vermag der Einwand nicht zu überzeugen, es handele sich bei den Pa-RL um eine Regelung der Abrechenbarkeit, über deren Einhaltung im Interesse einer ausreichenden Gewährleistung der Therapiefreiheit kein paritätisch besetztes Organ, sondern nur die K(Z)ÄV allein entscheiden dürfe. Derartige Richtlinien ermöglichen es nicht, den Anspruch des Versicherten auf eine notwendige und zweckmäßige ärztliche Behandlung (§ 182 Abs 2 RVO) in den Grenzen des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 368e RVO) einzuschränken (BSGE 63, 163, 165 f = SozR 2200 § 386p Nr 2). Die Verbindlichkeit von Richtlinien, die das Wirtschaftlichkeitsgebot konkretisieren, beruht darauf, daß sie Erfahrungssätze wiedergeben. Im Regelfall ist von den Richtlinien auszugehen. Der Kassen(zahn)arzt kann aber darlegen, daß im Einzelfall ein Abweichen wirtschaftlich war, oder daß der zugrundeliegende Erfahrungssatz nicht dem gegenwärtigen Erkenntnisstand entspricht (BSGE aaO, S 166). Der Charakter von Richtlinien zur Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots trägt damit der Therapiefreiheit weitergehend Rechnung als eine strikte Regelung der Abrechenbarkeit.

3.3.3. Am Zweck der Wirtschaftlichkeitssicherung der genannten Vorschriften ändert auch die Tatsache nichts, daß andere Teile der Pa-RL zahnärztliche Leistungen und die Voraussetzungen ihrer Erbringung im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung beschreiben. Das BSG hat dies bereits im Urteil vom 31. Juli 1991 (6 RKa 20/90 = SozR 3-2500 § 106 Nr 8) vor allem aus der Systematik der Überwachung des Wirtschaftlichkeitsgebotes im Kassenarztrecht gefolgert, wonach diese Aufgabe im Zweifel von kassen(zahn)ärztlicher Vereinigung und KK gemeinsam zu erfüllen ist. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.

3.3.4. Die Zuordnung zur Wirtschaftlichkeitsprüfung wird auch nicht – wie die Beklagte geltend macht – durch die der systematischen Parodontosebehandlung voraufgehende Genehmigung des Parodontalstatus durch die KK ausgeschlossen.

Die der Genehmigung des Parodontalstatus durch die KK vorausgehende Prüfung kann die Einhaltung der Fristen und die tatsächliche Durchführung der Vorbehandlung nicht umfassen. Die Vorlage des Parodontalstatus ist nicht erst nach Ablauf der Wartefrist zulässig. Eine Erklärung, daß die Wartefrist abgelaufen sei, ist nicht erforderlich. Auch schließt der Gesamtzusammenhang nicht aus, daß das Genehmigungsverfahren in der Wartezeit durchgeführt wird. Insbesondere kann bei der Genehmigung nicht geprüft werden, ob der Zahnarzt die eigentliche Behandlung erst nach der Genehmigung beginnt.

Das Gesetz schreibt eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit vor (§ 368n Abs 5 RVO), was für die hier nicht betroffene Zeit ab dem 1. Januar 1989 in verstärktem Maße gilt (§ 106 SGB V). Nur soweit gesetzliche Normen eine vorherige Prüfung der Wirtschaftlichkeit vorschreiben, ist in untergesetzlichen Normen ein Ausschluß von der nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung zulässig. Da die Einhaltung der hier streitigen Regeln im Genehmigungsverfahren nicht zu prüfen war und nicht geprüft wurde, unterfallen sie nach zwingendem Recht der nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung.

Auch ist ein -hiernach unzulässiger- Ausschluß der Wirtschaftlichkeitsprüfung in vertraglichen Sonderregelungen nicht enthalten. Dabei kann offen bleiben, ob die Prüfungsausschüsse die Wirtschaftlichkeit auch insoweit prüfen dürfen, als diese von der KK bei der Genehmigung bereits geprüft wurde. Während die Vereinbarung über das Gutachterverfahren bei kieferorthopädischen Maßnahmen (§ 2 Abs 3 der Anlage 6 BMV-Zahnärzte) und diejenige über das Gutachterverfahren bei der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen (§ 2 Abs 3 der Anlage 12 zum BMV-Zahnärzte) sowie § 9 Abs 9 EKV-Zahnärzte (für Pa-Behandlungen im Ersatzkassenbereich) Regelungen enthalten, die (insoweit) eine (erneute und nachträgliche) Prüfung auf Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit für Behandlungen ausschließt, für die die KKen aufgrund eines Heil- und Kostenplanes die Kosten übernommen oder einen Zuschuß gewährt haben, ist eine entsprechende Regelung in der Vereinbarung über das Gutachterverfahren bei der Behandlung von Parodontopathien für den Bereich der Primärkassen nicht enthalten. Selbst wenn ein solcher Ausschluß vereinbart wäre oder in ergänzender Auslegung als vereinbart gelten würde, wäre er in gesetzeskonformer Auslegung auf die Bereiche zu beschränken, die bei der vorangehenden Genehmigung zu überprüfen waren oder tatsächlich abschließend geprüft wurden, wie dies das BSG zum Schadensersatz wegen mangelhaftem Zahnersatz (vgl hierzu Urteile vom 20. Mai 1992 -14a/6 RKa 6/90- und -14a/6 RKa 9/90-) und im Falle mangelhafter kieferorthopädischer Behandlung (hierzu Urteil ebenfalls vom 5. August 1992 -14a/6 RKa 61/91-) entschieden hat. Denn derartige Regelungen über den Ausschluß der nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung betreffen allein die Bindungswirkung der Kostenübernahme, nicht aber die Überprüfung von Ausführung und Ergebnis der Behandlung auf der Grundlage eines genehmigten Planes. Daher kann eine solche der Behandlung vorangehende Genehmigung der Krankenkasse eine Überprüfung der Durchführung der grundsätzlich genehmigten Behandlung auf Unwirtschaftlichkeit nicht ausschließen (aA Ratajczak, Zahnarztmagazin 1992, S 44 ff). Aus der Tatsache, daß die Vertragspartner des BMV-Zahnärzte die Überprüfung der ordnungsgemäßen Ausführung einer Behandlung in Bereichen, die der Wirtschaftlichkeitskontrolle nicht unterliegen, einem besonderen Ausschuß übertragen haben (Beispiel: Prothetik-Einigungsausschuß § 4 Abs 1 Anl 12 zum BMV-Zahnärzte), kann nicht der Schluß gezogen werden, daß es für diese Leistungsbereiche ohne nachträgliche Wirtschaftlichkeitsprüfung stets einer besonderen Vereinbarung bedarf, um die Zuständigkeit der Prüfungseinrichtungen zu begründen. Die von den Vertragspartnern vereinbarten besonderen Prüfungseinrichtungen können für ihren Bereich lediglich an die Stelle der allgemeinen Prüfungseinrichtungen treten (BSG SozR 5545 § 24 Nr 2, aA Ratajczak, aaO). Weder der Gesamtvertrag noch der BMV-Zahnärzte enthalten Regelungen darüber, bei welcher Stelle der Antrag auf Berichtigung abgerechneter Parodontosebehandlungen anzubringen ist, so daß es bei der allgemeinen Zuständigkeit des Prüfungsausschusses verbleibt. Dieser ist deshalb vom LSG beizuladen.

3.4. Der Senat ist an dieser Entscheidung nicht durch § 41 SGG gehindert. Der 6. Senat des BSG hat allerdings im Urteil vom 31. Juli 1991 (6 RKa 20/90 = SozR 3-2500 § 106 Nr 8) den Kürzungsbescheid der KZÄV hinsichtlich der Ablehnung einer weiteren Kürzung in zwei Fällen wegen fehlender Zuständigkeit aufgehoben und damit im Ergebnis einen Fall der notwendigen Beiladung des Prüfungsausschusses verneint. Das wird jedoch nicht begründet. Da der erkennende Senat nunmehr für das Kassenzahnarztrecht allein zuständig ist, war eine Anrufung des Großen Senats nach § 41 SGG nicht erforderlich.

4. Ob das angefochtene Urteil auch deshalb aufzuheben war, weil das LSG nicht vorschriftsmäßig besetzt war, kann dahinstehen.

Der Beigeladene hat zwar gerügt, daß das LSG nach dem oben aufgezeigten Grundsatz in gemischter Besetzung hätte entscheiden müssen. Er hat damit nur angedeutet, daß das LSG tatsächlich nicht in gemischter Besetzung entschieden habe, aber nicht mit der erforderlichen Klarheit vorgetragen, daß das LSG mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Kassenzahnärzte entschieden hat. Er hat sein Vorbringen – um eine Sachentscheidung zu ermöglichen -auch in der mündlichen Verhandlung nicht ergänzt. Damit fehlt es an der erforderlichen Besetzungsrüge (BSGE 56, 222, 224 = SozR 2200 § 368n Nr 30), da diese nach § 164 Abs 2 Satz 3 SGG die Tatsachen bezeichnen muß, die den Mangel ergeben. Es bleibt offen, ob aus dem Rechtssatz, daß auch absolute Revisionsgründe verwirkt werden können (BSG SozR 1500 § 164 Nr 33), folgt, daß der Beigeladene auf eine ordnungsgemäß erhobene Besetzungsrüge hätte verzichten können.

Das LSG wird in der abschließenden Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173283

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