Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Kürzung von Kassenarzthonoraren gehört es zu den Anforderungen an die schriftliche Begründung eines Prüfbescheides, daß die von dem Prüfungsgremium gewählte Prüfungs-Grundmethode (- Wirtschaftlichkeitsprüfung durch statistischen Vergleich oder durch konkrete Einzelfallprüfung -) ausdrücklich genannt wird.

2. Die Zulässigkeit der statistischen Methode setzt ua voraus, daß die Fallkostendifferenz nicht (nur) anhand der Gesamtleistungen (des geprüften Arztes), sondern anhand spezieller Leistungsarten ermittelt wird.

3. Die Prüfungsinstanz ist verpflichtet, bei den jeweiligen Leistungsarten die Fallkostendifferenz rechnerisch einheitlich und eindeutig herauszustellen.

4. Das Prüfungsgremium hat bei der Prüfung der Unwirtschaftlichkeit als solcher keinen Beurteilungsspielraum derart, daß eine sachgerechte Aufbereitung des Streit- bzw Verfahrensstoffes und konkrete Tatsachenermittlungen durch allgemeine Erwägungen ersetzt werden könnten.

5. Einen Beurteilungsspielraum hat das Prüfungsgremium, soweit eine Schätzung deshalb notwendig wird, weil eine genaue Berechnung nicht möglich oder mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist.

 

Normenkette

RVO § 368n Abs. 4 S. 1 Fassung: 1955-08-17, Abs. 5 S. 1 Fassung: 1955-08-17

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 07.05.1980; Aktenzeichen L 7 Ka 3/77)

SG Berlin (Entscheidung vom 18.05.1977; Aktenzeichen S 71 Ka 39/75)

SG Berlin (Entscheidung vom 28.04.1976; Aktenzeichen S 71 Ka 12/75)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, gegenüber dem als Facharzt für innere Medizin in Berlin zugelassenen Beigeladenen Ziffer 1) eine Honorarkürzung für die Abrechnungsquartale I/73, II/73, IV/73 und II/74 vorzunehmen.

Der Beklagte - Beschwerdeausschuß - hat es abgelehnt, dem Beigeladenen Ziffer 1) - Dr. B. - das Honorar als Kassenarzt wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise für die genannten Quartale zu kürzen. Auf die Klage der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Berlin hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 28. April 1976 den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 1975 (durch den die eine Kürzung ablehnenden Entscheidungen des Prüfungsausschusses hinsichtlich der Quartale I und II/73 bestätigt worden waren) aufgehoben. Durch Urteil vom 18. Mai 1977 hat es den Bescheid des Beklagten vom 1. Juli 1975 (durch den die eine Kürzung ablehnenden Entscheidungen des Prüfungsausschusses hinsichtlich der Quartale IV/73 und II/74 bestätigt worden waren) ebenfalls aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufungen der Beigeladenen die Urteile aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt:

Der Senat halte hier eine Unwirtschaftlichkeit für nicht festgestellt, obwohl Dr. B. die Durchschnittswerte seiner Fachgruppe (insgesamt) um rund 80 %, 105 %, 93 % und 88 % überschritten habe und bei den Laborleistungen Überschreitungen von rund 220 %, 256 %, 228 % und 243 % vorlägen. Dieses Ergebnis rechtfertige sich durch Praxisbesonderheiten und durch die sachkundigen Entscheidungen des Beklagten. Dr. B. habe hier einen geringeren Anteil an Rentnern und eine besondere Laborausstattung. Denn Rentner dürften mehr an solchen (altersbedingten) Beschwerden leiden, die keine Laboruntersuchungen erfordern. Wenn 15 bis 20 Neuzugänge üblich seien, bei Dr. B. aber 20 bis 25 Neuzugänge genannt würden, so könne "dies ebenfalls zu einem gewissen Teil eine Anforderungserhöhung erklären". Dr. B. habe auch einen Minderaufwand in anderen Leistungsbereichen erzielt, wie von der Klägerin selbst bestätigt werde. Die geringere Anzahl von Fällen der Arbeitsunfähigkeit sowie der Unterschied der durchschnittlichen Dauer (19,2 und 19,7 Tage bei Dr. B. im Verhältnis zu 24,6 und 27,2 Tagen bei der Fachgruppe) sei bedeutsam. Außerdem hätten zwei Kliniken dargelegt, daß die Behandlung durch Dr. B. - insbesondere durch dessen Labor- und EKG-Leistungen -) den stationären Aufenthalt der Patienten verkürzen. Der Senat brauche nicht festzustellen, inwieweit die genannten Praxisbesonderheiten "sowie der Minderaufwand in Arbeitsunfähigkeitsfällen und im stationären Bereich die Höhe der Anforderungen bedingen und aufwiegen, ob auch noch das Argument der Aufbauphase, das der besonderen Fluktuation, das der Bestellpraxis heranzuziehen ist". Denn hier hätten die Prüfungsgremien eine Unwirtschaftlichkeit verneint. Ob die Wirtschaftlichkeit anhand des statistischen Vergleichs geprüft werde oder nicht, würden die Prüfungsgremien entscheiden. Der Verwaltung stehe hier ein nur begrenzt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Auch solche Bescheide der Prüfungsinstanzen, die sich nicht auf eine Schätzung der Honorarforderung beschränken, "sondern - wie hier - die einzelnen Leistungsgruppen behandeln, zueinander wertend ins Verhältnis setzen und so im gesamten eine Aussage zum wirtschaftlichen oder unwirtschaftlichen Vorgehen des Arztes machen", unterlägen nach Ansicht des Senats einer nur beschränkten Überprüfung. Da es sich bei den Prüfungsgremien um Einrichtungen der gemeinsamen Selbstverwaltung handele, seien ihre eigenverantwortlich getroffenen Verwaltungsentscheidungen grundsätzlich zu respektieren.Die Entscheidungen des beklagten Beschwerdeausschusses seien innerhalb des genannten Beurteilungsspielraums ergangen. Hierzu gehöre die Aussage, daß geringere medikamentöse Aufwendungen nicht den Schluß auf kein besonderes schweres Krankengut rechtfertigen, daß bestimmte Krankheitserscheinungen eine elektrokardiographische Untersuchung fordern, daß sich die Sonderleistungen des beigeladenen Arztes demnach nicht mehr wesentlich über dem Durchschnitt bewegen, daß dieser über ein hochqualifiziertes Labor verfüge, daß er Einsparungen auf dem stationären Sektor bewirke, daß eine höhere Zahl von besonderen Laborleistungen erfordernden Stoffwechselerkrankungen vorlägen, daß das Mehr an Neuzugängen und das Weniger an Rentnerpatienten anforderungssteigernd sei. Hinzu komme, daß der beklagte Ausschuß die Notwendigkeit der erbrachten Leistungen anhand bestimmter Einzelfälle überprüft habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin. Hierzu wird vorgetragen: Der unbestimmte Rechtsbegriff "Wirtschaftlichkeit" unterliege der vollen richterlichen Nachprüfung. Ein Beurteilungsspielraum sei nur dann zu bejahen, wenn die Verwaltungsmaßnahme auch mit Hilfe von Sachverständigen nicht mehr rekonstruierbar sei. Für die Feststellung der Unwirtschaftlichkeit hätten sich objektive Kriterien herausgebildet, die es einem Sachverständigen durchaus ermöglichten, eine gutachterliche Stellungnahme abzugeben. Entgegen den Ausführungen des LSG habe sie - die Klägerin - in ihrem Schriftsatz vom 27. Mai 1975 Beispiele zur Entkräftung der Behauptungen des Dr. B. genannt. Das LSG habe die Beweislastverteilung verkannt. Soweit der beigeladene Arzt Einsparungen geltend mache, genüge es nicht, seinen erhöhten Mehraufwand bei einzelnen Leistungsbereichen mit einem Minderaufwand in anderen Leistungsbereichen aufzurechnen; erforderlich sei ein ursächlicher Zusammenhang. Der Arzt trage insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Er hätte in allen Behandlungsfällen darlegen müssen, welche Leistung aus welchen medizinischen Gründen welche andere ärztliche Maßnahme erspart habe. Das LSG sei daher verpflichtet gewesen, eine Klärung durch Sachverständige herbeizuführen. Der Beschwerdeausschuß habe die unsubstantiierten Behauptungen des Arztes kritiklos übernommen und damit auch sachfremde Erwägungen angestellt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 7. Mai 1980 - L 7 Ka 3/77 - aufzuheben und die Berufungen der Beigeladenen gegen die Urteile des Sozialgerichts Berlin vom 28. April 1976 und vom 18. Mai 1977 zurückzuweisen, hilfsweise: das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beigeladenen beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das Berufungsurteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das Urteil des LSG war aufzuheben. Das SG hat durch seine Urteile vom 28. April 1976 (S 71 Ka 12/75) und vom 18. Mai 1977 (S 71 Ka 39/75) die Bescheide des beklagten Beschwerdeausschusses vom 31. Januar 1975 und vom 1. Juli 1975 mit Recht aufgehoben und den Ausschuß - allerdings nur im letztgenannten Urteil - verurteilt, über den Widerspruch der Klägerin erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Wegen der fehlenden Verurteilung im erstgenannten Urteil war die Verpflichtung insgesamt auszusprechen. Der beklagte Ausschuß ist an die Rechtsauffassung des Revisionsgerichts gebunden.

1. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin behauptet, durch die Beschlüsse des Beklagten beschwert zu sein (vgl § 54 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie macht geltend, die Entscheidungen seien rechtswidrig und verletzten ihre bzw die von ihr wahrzunehmenden rechtlichen Interessen (vgl § 54 Abs 2 Satz 1 SGG). Die tatsächlichen Behauptungen der Klägerin sind auch geeignet, die Verletzung von Rechten als möglich erscheinen zu lassen. Denn die Klägerin ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, wegen der mit der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) vereinbarten Gesamtvergütung (nach Einzelleistungen) von den Beschlüssen rechtsnachteilig betroffen. Obwohl die Verwaltungsakte des Beklagten gegenüber dem Dr. B. ergingen, berührten sie doch gleichzeitig den Rechtskreis der Klägerin derart, daß nicht von einem bloßen Rechtsreflex gesprochen werden kann. Das Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der Durchführung der Klage ist daher zu bejahen.

2. Nach § 368n Abs 4 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gehört die "gesetz- und vertragsgemäße Durchführung der kassenärztlichen Versorgung" und "die Überwachung der kassenärztlichen Tätigkeit" zu den Angelegenheiten der KÄV'en; und gemäß Absatz 5 Satz 1 dieser Vorschrift errichten die KÄV'en Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse zwecks "Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung im einzelnen". Eine von der Rechtsprechung nachvollziehbare Überprüfung der Wirtschaftlichkeit ist auf zwei Wegen denkbar: daß nämlich die Leistungen des Arztes entweder anhand eines statistischen Vergleichs mit den Leistungen anderer Ärzte verglichen oder aber als Einzelleistungen konkret überprüft werden.

Da jede dieser beiden Methoden nur dann zu rechtlich tragbaren Ergebnissen führen kann, wenn die ihr logisch innewohnenden Folgerichtigkeiten beachtet werden, muß sich die Verwaltung nicht nur zwischen beiden Wegen entscheiden, sondern ist auch verpflichtet, die gewählte Methode in den Entscheidungsgründen zu benennen. Ein (schriftlicher oder schriftlich bestätigter) Verwaltungsakt ist schriftlich zu begründen, und in der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (vgl § 35 des Sozialgesetzbuches - SGB -, Zehntes Buch - X - vom 18. August 1980, BGBl I , 1469, 2218 und § 39 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfg - vom 25. Mai 1976, BGBl I , 1253, durch die ein schon zuvor gültiger Grundsatz des Verwaltungsrechts aufgenommen worden ist; vgl auch § 368n Abs 5 Satz 6 RVO iVm § 85 Abs 3 SGG und BVerfGE 6, 32, 44). Dieser - sowohl im Interesse der Beteiligten als auch im Interesse der Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltung - unerläßlichen Begründungspflicht ist der beklagte Beschwerdeausschuß insofern nicht nachgekommen, als er es unterlassen hat, die gewählte Prüfungsmethode eindeutig herauszustellen. Sie ergibt sich eindeutig weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe. Die Verwaltungsakte des Beklagten sind daher schon insoweit fehlerhaft. Die Verpflichtung des Beklagten, in seinem Bescheid deutlich herauszustellen, welche Prüfungsmethode er eingeschlagen hat, bedeutet nicht, daß bei der Wahl des statistischen Vergleichs nicht auch beispielhafte Einzelfallprüfungen und bei der Methode der Einzelfallprüfung nicht auch - im Rahmen der Beweiswürdigung - der statistische Vergleich mit herangezogen werden könnte. Damit wird die jeweils gewählte Methode weder verlassen noch in Frage gestellt. Gerade deswegen, weil es demnach bei jeder der beiden Grundmethoden durchaus zweckmäßig sein kann, die jeweiligen Ergebnisse durch partielle Heranziehung der anderen Methode abzusichern, ist umso dringlicher zu fordern, daß die grundsätzlich gewählte Methode klar herausgestellt wird (vgl BSGE 17, 79, 83).

3. Wie die Gründe der beiden Beschwerdeentscheidungen zeigen, hat der beklagte Beschwerdeausschuß jedenfalls keine durchgehende Einzelfallprüfung vorgenommen. Wollte er aber die Methode des statistischen Vergleichs wählen, genügt sein Vorgehen auch insoweit nicht den rechtlichen Anforderungen. Die statistische Methode zum Nachweis der Unwirtschaftlichkeit - durch Gegenüberstellung der Fallkosten des geprüften Arztes mit den Fallkosten seiner Fachkollegen - ist vom Bundessozialgericht (BSG) in zahlreichen Entscheidungen gebilligt worden (vgl ua BSGE 11, 102; 17, 79; 19, 123; 46, 136); das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet (Beschluß vom 29. Mai 1978 - 1 BvR 951/77 - SozR 2200, § 368e RVO Nr 3). Dabei wurde geklärt, bei welchen Überschreitungen der Durchschnittsaufwendungen der Fachgruppe (und unter welchen weiteren Voraussetzungen) auf eine unwirtschaftliche Leistung geschlossen werden kann und daß dieser Schluß bei einem offensichtlichen Mißverhältnis ohne weiteres zulässig ist (BSGE 17, 79; 46, 136, 139 f; 145, 149). Die rechtlich zulässige Anwendung dieser statistischen Methode setzt jedoch ua voraus, daß die Fallkostendifferenz nicht (nur) anhand der Leistungen insgesamt, sondern anhand spezieller Leistungssparten ermittelt wird (vgl BSGE 17, 79). Denn erst dadurch werden verschiedene Leistungen unter dem Gesichtspunkt ihrer Gleichartigkeit zusammengefaßt, wird ihre Vergleichbarkeit verbessert (Baader, Honorarkürzung und Schadensersatz im Kassenarztrecht, 1983, S 11 f). Das Erfordernis, die Fallkostendifferenz anhand von (engeren) Leistungssparten zu ermitteln, schließt nicht aus, daß die Prüfungsbehörde zunächst einen Gesamtvergleich anstellt - und ihn damit als ein "Aufgreifkriterium" benutzt - oder die aus dem Gesamtvergleich resultierende Differenz heranzieht, um beweisverstärkende oder beweisentkräftende Gesichtspunkte zu gewinnen oder um sie bei der Festsetzung des Kürzungsbetrages zu berücksichtigen.

Die genannten Bedingungen eines rechtlich zulässigen und funktionierenden Systems des statistischen Leistungsvergleichs machen es, um den Grundsatz der Überprüfbarkeit der Verwaltung zu gewährleisten, aber auch erforderlich, daß die Prüfbehörde bei den jeweiligen Leistungssparten die Fallkosten Differenz, also die Überschreitung der vom geprüften Arzt verursachten Kosten gegenüber dem Fachgruppendurchschnitt rechnerisch einheitlich und eindeutig herausstellt. Das hat der beklagte Prüfungsausschuß nicht getan. Nach Lage des Falles kam hier eine Kürzung hinsichtlich der Leistungssparten "Sonderleistungen", "Physikalisch - medizinische - Leistungen" und "Laborleistungen" in Betracht. In dem Bescheid vom 1. Juli 1975 wurde bei den aufgeführten Leistungssparten (auf Bl 10 f) die Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts überhaupt nicht herausgestellt. Und im Bescheid vom 31. Januar 1975 wurde (- vgl Bl 9 -) auf Prozentzahlen abgehoben, die sich nicht an dem Grundwert des Durchschnitts (= 100 %), sondern am Gesamtverhältnis orientieren (zB Quartal I/73 Sonderleistungen 12,25 DM Fachgruppendurchschnitt zu 19,20 DM des Durchschnitts des geprüften Arztes = + 154), womit also nicht die Differenz der Fallkosten, sondern das Fallkostenverhältnis insgesamt herausgestellt wird. Da es bei der statistischen Methode letztlich aber auf die Abweichung, also auf den Unterschied zum Fachgruppendurchschnitt ankommt, wird durch die genannten Angaben Mißverständnissen und Verwechslungen Tür und Tor geöffnet. Das Herausstellen der Differenz erfordert eine Orientierung am Durchschnitt der Fachgruppe. Gleichgültig, ob gesagt wird, der Fallkostendurchschnitt des geprüften Arztes liege so und so viel mal höher als der Fachgruppendurchschnitt oder er betrage so und so viel Prozent des Fachgruppendurchschnitts: ohne die Bezugnahme auf den Fachgruppendurchschnitt als Grundwert ist eine eindeutige Herausstellung der Abweichung nicht möglich. Aus den genannten Gründen ermangeln die Bescheide des beklagten Beschwerdeausschusses der für den Verwaltungsakt erforderlichen Begründung, ganz abgesehen davon, daß die Angaben zumindest teilweise auch rechnerisch unrichtig sind (so ergibt sich im Bescheid vom 31. Januar 1975 für II/73 bei der Sparte "Physikalisch - medizinische - Leistungen" bei einem Gruppendurchschnitt von 1,16 DM und einem Kostendurchschnitt des Dr. B. in Höhe von 2,92 DM - vgl Bl 17 - kein Gesamtwert von + 209 - vgl Bl 9 - , sondern von + 251, so daß die herauszustellende Abweichung nicht mit 109 %, sondern mit 151 % zu beziffern ist).

4. Ergeben die Abweichungen des Dr. B. ein offensichtliches Mißverhältnis, wird es darauf ankommen zu prüfen, ob es diesem gelungen ist, den dadurch erbrachten Beweis des ersten Anscheins zu erschüttern. Das hängt davon ab, ob Dr. B. der ihm hinsichtlich seiner Einwendungen obliegenden Darlegungslast (BSGE 11, 115; 17, 79, 87) genügt hat. Ist das der Fall, so ist den einzelnen Einwendungen nachzugehen; globale Würdigungen, wie sie hier vom beklagten Beschwerdeausschuß und vom LSG vorgenommen wurden, sind rechtlich unzulässig. Soweit Dr. B. den Einwand des Kostenausgleichs schlüssig und spezifiziert erhoben hat (vgl Baader, aaO, S 15 ff, 21), hätte daher jeder einzelne Einwand sorgfältig geprüft werden müssen. Die Feststellung des LSG, daß Dr. B. "auch einen Minderaufwand in anderen Leistungsbereichen erzielt" habe, daß die "geringere Anzahl von Fällen der Arbeitsunfähigkeit" und ihre unterschiedliche Dauer "bedeutsam" seien und daß durch die Behandlung des Dr. B. der stationäre Aufenthalt der Patienten verkürzt werde, reicht nicht aus, um den erforderlichen Nachweis zu führen, daß bestimmte Überschreitungen in einer Leistungssparte für anderweitige Einsparungen der Klägerin ursächlich gewesen sind. Das wird nicht möglich sein ohne die Feststellungen, welchen Mehrbetrag Dr. B. in der jeweiligen Sparte verursacht und welchen - wenn auch nur im Wege der Schätzung zu ermittelnden - Betrag er eingespart hat. Soweit Dr. B. weitere Einwendungen erhoben hat, wurde schon versäumt, sie darauf zu untersuchen, inwieweit sie lediglich die Behauptung enthalten, besser, sorgfältiger, gründlicher als seine Fachkollegen zu arbeiten, und inwieweit es sich um Praxisbesonderheiten handelt, die eine entsprechende Auswahl der Vergleichsgruppe erfordern. Die erste Art des Vorbringens ist insofern unschlüssig, als vorausgesetzt werden darf, daß im Verhältnis zu dem geprüften Arzt der Durchschnitt einer statistisch hinreichenden Anzahl fachlich vergleichbarer, also über die gleiche Berufsausbildung verfügender Ärzte nicht ein solches Maß von weniger qualifizierten Leistungen erbringen wird, daß damit das offensichtliche Mißverhältnis erklärt werden könnte.

Mit solchem Vorbringen ist daher, weil unschlüssig, der Beweis des ersten Anscheins nicht zu erschüttern. Soweit das Vorbringen des Dr. B. aber (über den Einwand des Kostenausgleichs und über die Behauptung, bessere Leistungen zu erbringen, hinaus) auf Praxisbesonderheiten abstellt, hätten diese im einzelnen herausgearbeitet und untersucht werden müssen. Soweit Dr. B. etwa vorbringt, er habe weniger Rentner als andere Praxen, was wegen des höheren Anteils an Nicht-Rentnern bei diesen aufwendigere Laborleistungen (als bei offensichtlich altersbedingten Beschwerden) erfordere, hätte (nach der Prüfung der Frage, ob Dr. B. sein Vorbringen genügend spezifiziert, insbesondere hinreichende Angaben über die Zusammensetzung seiner Patientenschaft, über die Wahrscheinlichkeit, daß diese sich in anderen Praxen anders zusammensetze und daß daraus wesentlich höhere Laborleistungen resultierten, gemacht hat) der beklagte Beschwerdeausschuß einen Vergleich mit solchen Praxen anstellen müssen, bei denen sich die Patientenschaft ähnlich zusammensetzt oder er hätte, wenn eine statistische Berechnung insoweit nicht möglich oder mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden gewesen wäre, den insoweit anfallenden Mehraufwand des Dr. B. (rechnerisch) schätzen und die für die Schätzung maßgeblichen Gründe aufführen müssen. Ähnlich hätte bei dem Einwand, er verfüge über eine besondere Laborausstattung, verfahren werden müssen. Auch hier wäre ein Vergleich mit entsprechenden Praxen anzustellen gewesen, womit auch der Gegeneinwand der Klägerin, daß eine qualifizierte Laborkapazität bei den Internisten heute keine Besonderheit mehr sei, die notwendige Beachtung gefunden hätte. Sowohl der beklagte Ausschuß als auch das LSG haben verkannt, daß der schlüssige Einwand der Praxisbesonderheit eben gerade darauf abzielt, daß andere Ärzte als die bisherigen zur Vergleichsgruppe herangezogen werden (Baader, aaO, S 16). Ist auf diesem Wege festgestellt worden, daß Dr. B. unwirtschaftliche Leistungen erbracht hat, dann hat der beklagte Ausschuß (in einer zweiten Stufe) die Höhe der Mehrkosten rechnerisch zu ermitteln. Ist eine genaue Berechnung nicht möglich oder mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden, kann der Mehraufwand im Wege der Schätzung ermittelt werden (BSGE 11, 102, 114 ff; 46, 136, 138; BSG Urteil vom 9. Juni 1982 - 6 RKa 1/81 -). Nur bei einer solchen Schätzung hat die Verwaltung einen Beurteilungsspielraum derart, daß die Gerichte lediglich überprüfen können, ob die Verwaltung sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen (vgl BSG 11, 102, 118; Baader, aaO, S 24). Erst bei der anschließenden Festlegung des Honorarkürzungsbetrages (- in dritter Stufe -) kann das Prüfungsgremium nach pflichtgemäßem Ermessen den Umstand berücksichtigen, daß der geprüfte Arzt neu zugelassen wurde (vgl Baader, aaO, S 28); soweit die ärztlichen Leistungen aber offensichtlich unwirtschaftlich waren, hat diese Möglichkeit auszuscheiden (BSGE 46, 145, 150). Der Ansicht des LSG, die Verwaltung habe im Rahmen der ersten Verfahrensstufe, nämlich bei der Prüfung der Unwirtschaftlichkeit als solcher einen Beurteilungsspielraum derart, daß eine sachgerechte Aufbereitung des Prozeßstoffes und konkrete Tatsachenermittlungen durch allgemeine Erwägungen ersetzt werden könnten, kann nicht gefolgt werden.

5. Das SG hat daher die fehlerhaften Verwaltungsakte mit Recht aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über die Widersprüche der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Der Erlaß des Bescheidungsurteils war schon deshalb geboten, weil dem Beklagten bei der Festsetzung der Höhe des Kürzungsbetrages ein Ermessensspielraum zusteht, das Gericht sein Ermessen aber nicht an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen darf, aber auch deswegen, weil der Beklagte umfangreiche weitere Berechnungen anstellen, Klarstellungen und Feststellungen treffen und Ermittlungen durchführen muß, die derart zu seinem eigentlichen verwaltungsmäßigen Aufgabenbereich gehören, daß eine Herbeiführung der Spruchreife durch das Gericht dieses nicht nur überfordern, sondern auch der Gewaltenteilung widersprechen würde (vgl Meyer-Ladewig, Komm SGG, 2. Aufl 1981, RdNr 12 zu § 131 mwN und Eyermann/Fröhler, Komm VerwGO, 8. Aufl 1980, RdNr 62a mwN).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1653988

BSGE, 110

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