Entscheidungsstichwort (Thema)

Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise (Honorarkürzung wegen fehlender Abrechnungsfähigkeit). Klagebefugnis der Landesverbände der Krankenkassen gegen Honorarkürzungsbescheide des Beschwerdeausschusses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine Entscheidung des Prüfungs- oder des Beschwerdeausschusses gemäß § 368n Abs 5 S 5 RVO von einem durch sie beschwerten Landesverband der Krankenkassen rechtzeitig angefochten, so wird sie auch gegenüber den übrigen beschwerten Landesverbänden nicht bindend.

2. Zur Berechnungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von Beratungen neben Auftragsleistungen nach Abschnitten M, O und Q des BMÄ '78.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wenn die Landesverbände der Krankenkassen mit der Kassenärztlichen Vereinigung eine Gesamtvergütung nach Einzelleistungen vereinbart haben, können sie gegen einen Bescheid des Beschwerdeausschusses klagen, durch den eine Honorarkürzung abgelehnt worden ist.

2. Die Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise ist ohne Aufspaltung nach Versicherten der einzelnen Krankenkassen zu prüfen.

3. Soll ein Mehraufwand an Leistungen durch Praxisbesonderheiten kompensiert werden, ist im Prüfungsbescheid anzugeben, um welche Besonderheiten es sich handelt; ferner ist nachvollziehbar zu begründen, welchen Mehraufwand sie rechtfertigen.

4. Über die Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise können die Prüfinstanzen im allgemeinen erst dann entscheiden, wenn zuvor die Abrechnungsfähigkeit der Leistungen festgestellt worden ist.

 

Normenkette

RVO § 368n Abs. 5 S. 5; SGG § 77; BMÄ Abschn. B Nr. 4, Abschn. M, Abschn. O, Abschn. Q

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 04.04.1984; Aktenzeichen L 7 Ka 650/83)

Hessisches LSG (Entscheidung vom 04.04.1984; Aktenzeichen L 7 Ka 734/83)

Hessisches LSG (Entscheidung vom 04.04.1984; Aktenzeichen L 7 Ka 651/83)

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.04.1983; Aktenzeichen S 5 Ka 91/81)

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.04.1983; Aktenzeichen S 5 Ka 92/81)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Honorarforderungen des Beigeladenen zu 1) für die Quartale III und IV/1979 rechtmäßig gekürzt worden sind.

Der Beigeladene zu 1) ist Facharzt für Röntgenologie und Strahlenheilkunde. Mit Bescheid vom 15. Februar 1980 kürzte der Prüfungsausschuß seine Honorarforderungen für Beratungen im dritten Quartal 1979 um 1/3, weil er eine Beratung neben Auftragsleistungen abgerechnet und dies nicht oder nur in unzulässiger Weise begründet habe. Die Honorarforderungen für Beratungen im Quartal IV/1979 kürzte der Prüfungsausschuß mit Bescheid vom 19. Mai 1980 um 30 % mit der Begründung, er könne nicht in jedem Fall eine Beratung zur Inspektion und Palpation zum Ca/Ausschluß bei Mammographie anerkennen, die Leistungsnummer der Mammographie beinhalte die notwendige Palpation und Inspektion. Das gleiche gelte für die Schilddrüsendiagnose und die routinemäßige Beratung bei der Kontrastmittelinjektion; daher müsse das Honorar im Rahmen einer rechnerischen Berichtigung gekürzt werden. Auf den Widerspruch des Beigeladenen zu 1) hob der Beklagte die beiden Bescheide auf (Bescheid vom 7. Oktober 1981). In der Begründung ist ausgeführt, der Beigeladene zu 1) überschreite in den Quartalen III und IV/1979 bei den Beratungen die Durchschnittswerte der Fachgruppe um 157 % und 149 % des Betrages der mittleren Abweichung. Deshalb komme eine pauschale Kürzung nur in Betracht, wenn die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise anhand einer repräsentativen Zahl von Einzelfällen nachgewiesen werden könne. Eine Beratung komme nach den allgemeinen vertraglichen Bestimmungen zum BMÄ neben den Leistungen der Strahlendiagnose bei Durchführung einer Auftragsleistung im Einzelfall nur in Betracht und könne nur berechnet werden, wenn eine Klärung erforderlich sei, um einen für den beauftragten Arzt nicht ausreichend umschriebenen Auftrag durchführen zu können oder wenn eine über den Auftrag hinausgehende Beratung des Kranken erforderlich wurde. Im großen und ganzen seien in den Fällen, in denen der Beigeladene zu 1) die Beratungsgebühr berechnet habe, noch zusätzliche Untersuchungen bzw Beratungen der Patienten erforderlich gewesen. Auch sei zu berücksichtigen, daß ein Vergleich der Praxis des Beigeladenen zu 1) mit der Fachgruppe nicht ohne weiteres möglich sei, denn die Gruppe umfasse wenige Ärzte und beim Beigeladenen zu 1) liege eine andere Ausrichtung der Praxis vor.

Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid des Beklagten aufgehoben und den Widerspruch des Beigeladenen zu 1) zurückgewiesen und ausgeführt, der Beklagte habe die Bestimmungen des Bewertungsmaßstabs für kassenärztliche Leistungen vom 21. März 1978 (BMÄ '78) unrichtig angewendet; derartige Beanstandungen dürften auch noch im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung erhoben werden; eine nach dem BMÄ '78 gar nicht zustehende Position könne niemals wirtschaftlich sein. Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen 1) und 2) hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen und ausgeführt, der Beigeladene zu 1) habe die streitigen Leistungen aufgrund von Überweisungsaufträgen erbracht. Aus grundlegenden Überlegungen habe er die Beratungsgebühr nicht in der generellen Form ansetzen dürfen. Etwaige Ausnahmefälle, die der Ansetzung der Gebühr gerecht werden würden, seien vom Beigeladenen zu 1) nicht vorgebracht worden. Die angebliche Häufigkeit der Eingänge unpräziser Überweisungsaufträge könne nicht dazu führen, daß der Kläger in 50 % aller Überweisungsaufträge Beratungen durchgeführt habe und dies ohne Rücksprache beim behandelnden Arzt.

Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben Revision eingelegt. Der Beigeladene zu 1) macht geltend, der Beklagte habe die beiden Bescheide des Prüfungsausschusses schon deshalb mit Recht aufgehoben, weil der Prüfungsausschuß für die Entscheidung nicht zuständig gewesen sei; er habe nämlich keine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgenommen, sondern die Honorarforderung gebührenordnungsmäßig berichtigt. Die von ihm, dem Beigeladenen zu 1), berechneten Beratungen seien notwendig gewesen. Mit den vom Prüfungsausschuß beanstandeten Fällen habe sich das LSG nicht auseinandergesetzt. Er habe immer wieder darauf hingewiesen, daß er in bestimmten Einzelfällen die Ziffer 1 BMÄ '78 zur Anwendung gebracht habe, in denen eine Beratung unter Berücksichtigung der Präambel zum Abschnitt B BMÄ '78 notwendig war. Gegenüber den Beigeladenen zu 3) bis 6) sei der angefochtene Bescheid des Beklagten bindend geworden, da sie keine Klage erhoben hätten.

Der Beigeladene zu 1) beantragt, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 4. April 1984 zum Az: L 7 Ka 650/83, L 7 Ka 651/83 und L 7 Ka 734/83 sowie das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. April 1983 zum Az: S 5 Ka 91/81 verbunden mit S 5 Ka 92/81 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, festzustellen, daß der Beschluß des Beschwerdeausschusses vom 6. Mai 1981 bezüglich der Leistungen für Versicherte der Ortskrankenkassen und Landwirtschaftlichen Krankenkassen bindend geworden ist.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 2) beantragen, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 4. April 1984 (Az.: L 7 Ka 650/83, 651/83, 734/83) sowie das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. April 1983 (Az: S 5 Ka 91/81 verbunden mit S 5 Ka 92/82) aufzuheben und dahingehend abzuändern, daß sich die Honorarkürzungen nur auf die Behandlungsfälle der Betriebs- und Innungskrankenkassen erstrecken.

Die Kläger und die Beigeladenen zu 3) bis 6) beantragen, die Revisionen zurückzuweisen.

Sie machen geltend, die Anfechtung einer Entscheidung der Prüfungsinstanzen durch einen Verfahrensbeteiligten bewirke, daß die Entscheidung für keinen Verfahrensbeteiligten rechtsverbindlich werde. Sie seien notwendige Streitgenossen iS des § 74 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 62 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Da der Bescheid des Beklagten keine speziellen Feststellungen für einzelne Kassen enthalte, sei er nicht geeignet, eine partielle Bindung zu bewirken. Die Prüfungsbescheide umfaßten das gesamte Abrechnungsverhalten und differenzierten nicht kassenspezifisch. Nicht abrechnungsfähige Leistungen seien stets auch unwirtschaftlich. Die Prüfung der Frage, ob die im Einzelfall abgerechneten Beratungen den Erfordernissen für die Berechnungsfähigkeit unter Berücksichtigung der Ziffer B 4 BMÄ '78 entspreche, obliege dem Prüfungsausschuß.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen der Beigeladenen zu 1) und 2) sind teilweise begründet. Im Ergebnis hat das LSG die Aufhebung des Bescheides des Beklagten durch das SG mit Recht bestätigt. Erfolg haben die Revisionen dagegen insoweit, als sie die Widersprüche des Beigeladenen zu 1) gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses betreffen; diese hat das SG zu Unrecht zurückgewiesen. In diesem Umfang hat auch die Revision der Beigeladenen zu 2) Erfolg; sie begehrt die Aufhebung der Urteile des SG und des LSG hinsichtlich der Beigeladenen zu 3) bis 6) und damit im Ergebnis Aufhebung der Bescheide des Prüfungsausschusses soweit sie Honorarforderungen aus dem Bereich dieser Beigeladenen betreffen.

Die Klage ist zulässig. Nach ihrer Behauptung sind die Kläger durch den Bescheid des Beklagten beschwert, und zwar durch den gesamten Bescheid und nicht nur insoweit, als er Honorarforderungen aus dem Bereich ihrer Mitgliedskassen betrifft.

Die Beschwer für eine Anfechtungsklage ist gegeben, wenn der Verwaltungsakt nach der Behauptung des Klägers seine Rechte verletzt; dazu gehören auch rechtlich anerkannte und geschützte Rechtspositionen, der Verwaltungsakt muß die Rechtssphäre beeinträchtigen, damit der Betroffene ihn anfechten kann (BSGE 42, 256, 257). Den Landesverbänden der Krankenkasse steht, jedenfalls dann, wenn sie wie hier mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) eine Gesamtvergütung nach Einzelleistungen vereinbart haben, die Klage gegen einen die Honorarkürzung ablehnenden Bescheid des Beschwerdeausschusses offen (BSGE 55, 110, 111).

Die Kläger sind durch den Bescheid des Beklagten ohne Einschränkung auf Behandlungsfälle ihrer Bereiche beschwert. Für ihre Klagebefugnis bedarf es nicht der Annahme einer Prozeßstandschaft für die Beigeladenen zu 3) bis 6). Die geschützte Rechtsposition dieser Beigeladenen leitet sich nämlich nicht daraus her, daß sie unberechtigte Forderungen gegen sich selbst oder ihre Mitgliedskassen abwehren dürfen. Auch soweit es in der Wirtschaftlichkeitsprüfung um Leistungen an Versicherte oder Angehörige von Versicherten der Beigeladenen zu 3) bis 6) oder ihrer Mitgliedskassen geht, sind mit dem Bescheid des Beklagten nicht Rechtsverhältnisse gegenüber den Beigeladenen zu 3) bis 6) geregelt worden. Die Entscheidungen der Prüfungsinstanzen greifen nicht unmittelbar in das Rechtsverhältnis ein, an dem die Krankenkassen beteiligt sind, nämlich in deren Rechtsverhältnis zur KÄV (vgl Urteil des Senats vom 22. Juni 1983 - 6 RKa 2/81 mit Hinweis auf BSG SozR Nr 31 zu § 75 SGG).

An dieser Rechtslage ändert sich nichts durch die besonderen Vorschriften der hier einschlägigen Gesamtverträge. Der Senat kann die Vorschriften dieser Verträge jedenfalls deshalb heranziehen, weil das LSG sich in den Gründen seines Urteils damit nicht auseinandergesetzt hat (vgl BSGE 7, 122, 125). Den Verträgen kann nicht entnommen werden, daß Entscheidungen der Prüfungsinstanzen über das Honorar des Arztes etwa gleichzeitig die von der einzelnen Krankenkasse zu zahlende Gesamtvergütung mit Bindungswirkung gemäß § 77 SGG regeln. Die Krankenkassen entrichten nach § 2 der Gesamtverträge für die gesamte kassenärztliche Versorgung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung an die von der Beigeladenen zu 2) bestimmte Stelle. Hiervon unberührt bleiben die Rechte der Beigeladenen zu 2) bei der Verteilung der Gesamtvergütung unter die Kassenärzte nach Maßgabe des im Benehmen mit den Landesverbänden festgesetzten Verteilungsmaßstabes. Die Gesamtverträge beschränken sich allerdings nicht auf die Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen der Beigeladenen zu 2) und den Krankenkassen. Sie regeln zB auch, in welcher Form und Frist die Kassenärzte ihre Leistungen abzurechnen haben, sowie die Verwirkung der Honorarforderungen (§ 9) und daß die 1eigeladene zu 2) die Honorarabrechnungen rechnerisch und sachlich prüft und richtigstellt (§ 10). Den Krankenkassen sind nach § 11 vorzulegen: Zusammenstellungen über das angeforderte und vom Prüfungsausschuß anerkannte Honorar sowie über die nach rechnerischer und sachlicher Prüfung angeforderten Leistungen für die Berechtigten der Krankenkassen je Behandlungsfall; Ausfertigungen der Entscheidungen des Prüfungsausschusses. Aus diesen Regelungen ergibt sich eine gewisse Bedeutung der Entscheidungen der Prüfungsinstanzen für die Abrechnung zwischen der Beigeladenen zu 2) und der einzelnen Kasse, aber keine Bindungswirkung der Prüfungsbescheide für dieses Rechtsverhältnis. Eine solche Wirkung ergibt sich auch nicht aus der Bestimmung, daß die Zahlungen der Krankenkasse unter dem Vorbehalt der rechnerischen und sachlichen Nachprüfung gemäß § 13 der Verträge sowie der Entscheidungen der Prüfungsinstanzen und der Sozialgerichte erfolgen (§ 12). Aus einem derartigen Vorbehalt hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 22. Juni 1983 - 6 RKa 2/81 - nicht auf eine Bindungswirkung der Entscheidungen der Prüfungsinstanzen für das Rechtsverhältnis zwischen einer KÄV und den Krankenkassen geschlossen. Der Bestimmung des § 12 der Gesamtverträge kann nicht entnommen werden, daß diese Entscheidungen bindend die Höhe der Gesamtvergütung regeln. In welcher Weise sich die Entscheidungen der Prüfungsinstanzen im Verhältnis zwischen der Beigeladenen zu 2) und den Krankenkassen auswirken, ist in § 12 der Gesamtverträge nicht bestimmt. Die Vorschrift betrifft nur die Wirkung der Zahlungen. Für die rechnerische und sachliche Berichtigung der Abrechnungen nach Vorlage der Abrechnungsunterlagen bei der Kasse und gegebenenfalls Durchführung des Prüfungsverfahrens ist in den Gesamtverträgen der Kläger und der Beigeladenen zu 2) bis 6) ein besonderes Verfahren vorgesehen, das bei Nichteinigung mit der Entscheidung eines Vertragsausschusses abschließt. Die Verträge sehen nicht vor, daß die Kasse gegenüber der Beigeladenen zu 2) die Unwirtschaftlichkeit ärztlicher Leistungen geltend machen könnte. Aber auch damit ist keine Bindungswirkung geregelt. Vielmehr kann es sich hier nur um eine Tatbestands- oder Drittwirkung handeln (vgl BSG SozR 2200 § 381 Reichsversicherungsordnung -RVO- Nr 5).

Die Beschwer der Kläger durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten ergibt sich aus einem anderen Grund, der sich auf den gesamten Bescheid und nicht nur auf die ihre Mitgliederkassen betreffenden Honorarforderungen des Beigeladenen zu 1) bezieht. Die gesetzliche und die vertragliche Regelung lassen nämlich darauf schließen, daß die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung ein einheitlicher Vorgang ist, und daß die Krankenkassen und ihre Verbände daran ein übergreifendes rechtlich geschütztes Interesse haben. Wie dargelegt ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung eine Trennung der Rechtsverhältnisse der KÄV von den zum Kassenarzt und zu den Kassen. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung betrifft das Rechtsverhältnis der KÄV zum Kassenarzt. Für dieses Rechtsverhältnis spielt es grundsätzlich keine Rolle, welche Krankenkasse die einzelne Leistung zu erbringen hat. Dementsprechend ist die Errichtung der Prüfungsinstanzen in § 368n Abs 5 Satz 1 RVO den KÄV'en aufgegeben. Die KÄV'en haben insoweit im Rahmen ihrer Pflicht zu gewährleisten, daß die kassenärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (§ 368n Abs 1 RVO). Diese Gewähr übernehmen aber die KÄV'en gegenüber den Krankenkassen und ihren Verbänden. Deren besondere Rechtsposition wird bei der Überwachung der Wirtschaftlichkeit unterstrichen durch ihre paritätische Beteiligung an den Prüfungsinstanzen gemäß § 368n Abs 5 Satz 2 RVO und durch die Bestimmung, daß das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung von den Vertragsparteien des Gesamtvertrages vereinbart wird (§ 368n Abs 5 Satz 3 RVO). Den Landesverbänden der Krankenkassen ist schließlich das Recht eingeräumt worden, gegen die Entscheidungen der Prüfungsausschüsse den Beschwerdeausschuß anzurufen (§ 368n Abs 5 Satz 5 RVO). Für eine Beschränkung dieses Beschwerderechts auf Fälle aus dem eigenen Bereich des jeweiligen Verbandes fehlt jeder Anhaltspunkt. Auch aus der Prüfungsvereinbarung zwischen der Beigeladenen zu 2) und dem Beigeladenen zu 3) sowie den Klägern vom 19. Februar 1971 ergibt sich keine solche Einschränkung. Die Rechtsposition der Landesverbände bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung wird verdeutlicht, wenn sie mit der Position der Krankenkassen bei der Prüfung der Verordnungsweise und bei der Feststellung eines sonstigen Schadens verglichen wird. Nach § 34 Abs 1 Buchst d des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) iVm § 18 Abs 4 der Prüfungsvereinbarung hat der Prüfungsausschuß über Regreßforderungen wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise zu entscheiden, die von den Krankenkassen gestellt werden, und erforderlichenfalls den Betrag festzusetzen, den der Arzt den antragstellenden Krankenkassen zu erstatten hat. Ähnlich entscheiden die Prüfungsinstanzen nach § 18 Abs 3 BMV-Ä iVm § 19 der Prüfungsvereinbarung über Schäden der einzelnen Krankenkassen. In diesen Fällen mag zweifelhaft sein, ob andere Kassen oder die Landesverbände durch Entscheidungen der Prüfungsinstanzen beschwert sind. Bei der Prüfung der Behandlungsweise ist die Rechtslage aber anders.

Für die Einheitlichkeit des Verfahrens zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise ohne Aufspaltung nach Behandlungen von Versicherten der einzelnen Kasse spricht auch ein praktischer Gesichtspunkt. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung anhand eines statistischen Vergleichs ist auf Fallzahlen angewiesen, durch die eine Statistik erst aussagekräftig werden kann. Deshalb wird es oft ausgeschlossen sein, die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise eines Arztes bezogen auf einzelne Kassen oder Kassenarten zu prüfen. Die Möglichkeit der Prüfung würde von Verhältnissen abhängen, auf die weder der Arzt noch die KÄV oder die Kasse einen Einfluß hat. Beeinträchtigt wäre die Prüfung insbesondere dann, wenn die Kasse des Patienten ihren Sitz nicht in dem betreffenden Land hat. Allerdings folgt daraus unmittelbar nur die Notwendigkeit, die Behandlung der Versicherten und Familienangehörigen für alle RVO-Kassen einheitlich zu überprüfen. Die gesetzlichen und vertraglichen Regelungen lassen aber nicht erkennen, daß der Umfang der Wirtschaftlichkeitsprüfung vom Umfang des sich daraus ableitenden Ergebnisses und der Entscheidung zu trennen wäre.

Aus allen diesen Gründen sind die Kläger durch den Bescheid des Beklagten ohne Einschränkung beschwert. Ihre Klage ist in vollem Umfang zulässig.

Die Revisionen sind unbegründet, soweit das LSG die Aufhebung des Bescheides des Beklagten durch das SG bestätigt hat. Der Bescheid ist rechtswidrig. Damit hat der Beklagte zu Unrecht die Honorarkürzung aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung abgelehnt. Der Beklagte geht in dem Beschwerdebescheid zwar auch auf die Voraussetzungen für die Berechnungsfähigkeit der Leistungen ein, entscheidet aber über die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise. Dies ergibt sich schon aus dem einleitenden Satz der Begründung, eine pauschale Kürzung komme nach dem Vergleich der Werte des Beigeladenen zu 1) mit denen der Fachgruppe nur bei Nachweis der Unwirtschaftlichkeit anhand einer repräsentativen Zahl von Einzelfällen in Betracht. In den folgenden Ausführungen, die sich auf Tatbestandsmerkmale der Ziffer B 4 BMÄ '78 beziehen, geht es um die Berechnungsfähigkeit einer nicht präzisierten ("häufig", "im großen und ganzen") Zahl von Einzelleistungen. Der Hinweis auf die besondere Ausrichtung der Praxis des Beigeladenen zu 1) gehört dann wieder eindeutig zur Wirtschaftlichkeitsprüfung. Im Ergebnis hat der Beklagte die Bescheide des Prüfungsausschusses aufgehoben, weil der Nachweis der Unwirtschaftlichkeit nicht erbracht sei.

Der Bescheid ist rechtswidrig, weil er den besonderen Anforderungen an einen Prüfbescheid nicht entspricht. Den Prüfinstanzen steht, wie der Senat entschieden hat (BSG SozR 2200 § 368n RVO Nr 31), bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung ein gerichtlich nicht voll nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die vom Beklagten entschiedene Ablehnung der Honorarkürzung beruht auf der - fehlerhaften - Ausfüllung eines derartigen Spielraums. Bei der Entscheidung hat er nämlich ohne nähere Darlegungen die "andere" Ausrichtung der Praxis berücksichtigt. Damit hat der Beklagte Praxisbesonderheiten aufgrund eigener Beurteilung angenommen und einen dadurch verursachten Mehraufwand geschätzt.

Im Bereich eines Beurteilungsspielraums bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist die Kontrolle der Gerichte auf die Fragen beschränkt, ob die Verwaltung gegen übergeordnete Verfassungs- oder Verwaltungsgrundsätze, gegen zwingende Verfahrensregeln oder Denk- und Erfahrungsgesetze verstoßen hat, keine wesentlichen entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hat, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt und nicht von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, ob sie die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs abstrakt ermittelten Grenzen eingehalten und beachtet hat und ob sie ihre Subsumtion so verdeutlicht und begründet hat, daß im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG SozR 2200 § 368n RVO Nrn 31 und 36).

Der Beklagte hat im angefochtenen Bescheid Praxisbesonderheiten berücksichtigt ohne anzugeben, um welche Besonderheiten es sich handelt und ohne nachvollziehbar zu begründen, welchen Mehraufwand des Beigeladenen zu 1) sie rechtfertigen. Schon aus diesem Grund ist der Bescheid aufzuheben.

Der Bescheid des Beklagten ist in vollem Umfang aufzuheben. Mit ihrem Einwand gegen die Aufhebung des Bescheides des Beklagten, er sei gegenüber den Beigeladenen zu 3) bis 6) bindend geworden, können die Revisionskläger keinen Erfolg haben. Der Bescheid des Beklagten regelt - wie bereits dargelegt - einheitlich die Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung durch den Beigeladenen zu 1) und beschwert die Landesverbände und die Beigeladenen zu 4) bis 6) - jeden durch seinen gesamten Inhalt -. Daraus folgt schon, daß der Bescheid nicht nur einzelnen Betroffenen gegenüber aufgehoben und anderen Betroffenen gegenüber bindend werden kann. Die Aufhebung des Bescheides ohne Einschränkung auf die Kläger ist auch aus einem anderen Grund geboten. Die Kläger haben mit ihrer Anfechtungsklage gleichzeitig in der Funktion notwendiger Streitgenossen die Beigeladenen zu 3) bis 6) vertreten (§ 74 SGG iVm § 62 ZPO). Im Sinn des § 62 ZPO ist streitiges Rechtsverhältnis hier der Anspruch auf Aufhebung des Bescheides des Beklagten. Es kann den Klägern und den Beigeladenen zu 3) bis 6) gegenüber nur einheitlich festgestellt werden. Zu verweisen ist insoweit auf das Urteil des Senats vom 16. März 1967 - 6 RKa 19/66 - (BSGE 26, 170, 172). Der Senat hat dort entschieden, ein Prüfungsbescheid, der einen Honorarabstrich zugunsten mehreren Ersatzkassen enthalte, binde diese Kassen unmittelbar; wenn das SG den Bescheid aufgehoben und eine der Kassen die Berufungsfrist versäumt habe, greife § 62 ZPO iVm § 74 SGG ein. Die Gründe dafür sind dieselben wir im vorliegenden Fall, wenn auch der Senat in der Entscheidung vom 16. März 1967 von weitergehenden Bindungswirkungen der Prüfungsbescheide im Ersatzkassenbereich ausgegangen ist.

Die Revisionen der Beigeladenen zu 1) und 2) haben teilweise Erfolg, soweit damit nämlich die Zurückweisung der Widersprüche des Beigeladenen zu 1) durch das SG angefochten wird. Auf die Widersprüche sind die Bescheide des Prüfungsausschusses aufzuheben. Die Bescheide sind rechtswidrig, weil den Entscheidungen der Prüfungsinstanzen über die Honoraranforderungen des Beigeladenen zu 1) notwendig eine gebührenordnungsmäßige Prüfung vorauszugehen hat, für die die Prüfinstanzen nicht zuständig sind.

Die Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse werden zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung im einzelnen errichtet (§ 368n Abs 5 RVO). Nach § 34 Abs 1 Buchst c iVm Abs 2 BMV-Ä haben die Ausschüsse die Honoraranforderungen ärztlich nach Maßgabe der in § 368e RVO bestimmten Erfordernisse zu prüfen und gegebenenfalls Abstriche an den Forderungen vorzunehmen. Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung in diesem Sinn mit dem Ergebnis, daß von einer Honorarkürzung abgesehen wird, setzt notwendig die Annahme voraus, daß die Leistungen, um die es geht, nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab berechnungsfähig sind. Nur erbrachte und abrechnungsfähige Leistungen können wirtschaftlich sein. Soweit der Arzt Honorar für nicht abrechnungsfähige Leistungen fordert, steht ihm nicht nur eine gekürzte, sondern überhaupt keine Vergütung zu. Deshalb kann allgemein über die Wirtschaftlichkeit erst entschieden werden, wenn die Berechnungsfähigkeit feststeht.

Die rechnerische und gebührenordnungsmäßige Prüfung der Honoraranforderungen und gegebenenfalls ihre Berichtigung erfolgt durch die KÄV (§ 34 Abs 1 Buchst a iVm Abs 2 BMV-Ä). Ergibt sich allerdings die Notwendigkeit einer rechnerischen oder gebührenordnungsmäßigen Richtigstellung im Rahmen einer Prüfung nach § 34 Abs 1 Buchst c BMV-Ä, so können hierüber die Prüfungseinrichtungen entscheiden (§ 34 Abs 2 Satz 2 BMV-Ä). Sie befinden nur in diesem Zusammenhang nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen, ob sie darüber selbst entscheiden oder die Entscheidung der KÄV überlassen. Nach § 5 Abs 2 der zwischen der Beigeladenen zu 2) und dem Beigeladenen zu 3) sowie den Klägern abgeschlossenen Prüfungsvereinbarung vom 19. Februar 1971 ist insoweit die Entscheidung des Prüfungsausschusses über die Zuständigkeit endgültig.

Eine Prüfung der Berechnungsfähigkeit der vom Beigeladenen zu 1) geltend gemachten Beratungen vor der Wirtschaftlichkeitsprüfung war geboten. Der Prüfung der Berechnungsfähigkeit kommt hier im Verhältnis zur Wirtschaftlichkeitsprüfung eine derartig überragende Bedeutung zu, daß die Prüfinstanzen die Entscheidung über die Berechnungsfähigkeit der KÄV überlassen mußten. Ihr Ermessensspielraum ist insoweit auf Null geschrumpft. Für die Berechnungsfähigkeit von Beratungen neben Auftragsleistungen nach Abschnitten M, O und Q genügte es nach Ziffer B 4 BMÄ '78 nicht, daß tatsächlich eine Beratung erbracht worden ist. Abrechnungsfähig ist die Beratung nur unter ausdrücklich geregelten Voraussetzungen, die im Einzelfall vorliegen müssen. Der Arzt muß sie auch im Einzelfall darlegen, denn er hat die Abrechnung der Beratungen besonders zu begründen (Ziffer B 4 Satz 3 BMÄ '78). Aus der Notwendigkeit, die Berechnung dieser Beratungen in jedem Einzelfall besonders zu begründen, ergibt sich, daß sie nur ausnahmsweise berechnungsfähig sind. Ob eine ausreichende Begründung vorliegt, ist ausschließlich Gegenstand der gebührenordnungsmäßigen Prüfung. Abrechnungsfähig ist die Beratung in zwei Fällen, nämlich bei nicht ausreichend umschriebenem Auftrag oder wenn sie über den ursprünglichen Auftrag hinausgeht. In beiden Fällen kommt das Merkmal der Erforderlichkeit hinzu. Es enthält zwar Elemente der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Anzustreben ist aber die Ermittlung der Erforderlichkeit in der Weise, daß ihre Feststellung im Einzelfall gerechtfertigt ist. Jedenfalls kommt der Berechnungsfähigkeit, wenn es bei der gesamten Prüfung, wie hier, ausschließlich um die Merkmale der Ziffer B 4 des BMÄ '78 geht, eine derartige Dominanz zu, daß die Prüfinstanzen ihre Prüfung nicht an sich ziehen dürfen.

Neben dem Bescheid des Beklagten sind aus diesen Gründen auch die Bescheide des Prüfungsausschusses aufzuheben. Klarzustellen ist aber im Hinblick auf etwaige Fristregelungen, daß die vom Prüfungsausschuß deutlich vorgenommene Prüfung der Berechnungsfähigkeit bis zur Entscheidung in dieser Sache anhängig war.

Die Revisionen haben aus diesen Gründen teilweise Erfolg. Die Kosten des Beigeladenen zu 1) sind von dem Beklagten zu tragen. Im wesentlichen hat nämlich der Beigeladene zu 1) mit seiner Revision und damit im gesamten Verfahren Erfolg. Die ihn belastenden Verwaltungsakte des Prüfungsausschusses werden aufgehoben.

 

Fundstellen

BSGE, 69

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