Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiladung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Durch Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen werden Rechtspositionen derjenigen Leistungsanbieter, welche nicht Adressaten der Richtlinien sind, im allgemeinen nicht berührt.

2. Zur notwendigen Beiladung der Bundesrepublik Deutschland bei Klage gegen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (Abgrenzung zu BSGE 64, 78 = SozR 1500 § 51 Nr. 50).

 

Normenkette

SGB V § 92; RVO § 368p

 

Gründe

I. Der Kläger, ein staatlich anerkannter Masseur und medizinischer Bademeister, ist Inhaber eines Kurbades. Streitig ist, ob er vom beklagten Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen eine Änderung der von diesem erlassenen Richtlinien über die Verordnung von Heilmitteln und Hilfsmitteln in der kassenärztlichen Versorgung (Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien) hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit von römisch-irischen und russisch-römischen Bädern verlangen kann.

Der Kläger bietet in seinem Kurbad u.a. Leistungen der physikalischen Therapie an. Dazu gehören auch römisch-irische und russisch-römische Bäder. Diese wurden durch Teil A Ziffer 4.1.1. der Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien vom 26. Februar 1982 (Beilage Nr. 32/82 zum BAnz Nr. 125), die aufgrund eines Beschlusses des Beklagten vom 12. Januar 1989 auch auf der Grundlage des § 92 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) weiterbestehen (BArbBl Nr. 3, März 1989), von der Verordnung ausgeschlossen. Daraufhin ging der Umsatz des Klägers zurück.

Die gegen den Ausschluß gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Aachen als unzulässig abgewiesen (Urteil vom 26. November 1984), weil es sich um eine im sozialgerichtlichen Verfahren unzulässige abstrakte Normenkontrollklage handele. Das Landessozialgericht -LSG- für das Land Nordrhein-Westfalen hat die Berufung des Klägers als unbegründet zurückgewiesen (Urteil vom 21. Januar 1988). Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, die Unzulässigkeit der Klage ergebe sich schon daraus, daß nach § 51 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht eröffnet sei. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) habe am 10. April 1986 - GmS-OGB 1/85 - entschieden, daß für Klagen auf Zulassung zur Belieferung von Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln aufgrund eines Vertrages zwischen Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung oder ihren Verbänden mit Leistungserbringern der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben sei. Das gleiche gelte nach den Entscheidungen des GmS-OGB vom 29. Oktober 1987 - GmS-OGB 3/86 und 5/86 - für Rechtsstreitigkeiten zwischen nichtärztlichen Leistungserbringern und Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung über die Vergütung medizinischer Badeleistungen. Diese Entscheidungen seien auf die vorliegende Fallkonstellation entsprechend anwendbar. Eine Verweisung des Rechtsstreites komme nicht in Betracht, weil der Kläger einen entsprechenden Antrag nicht gestellt habe.

Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Klage sei zulässig, insbesondere sei gemäß § 51 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Das Bundessozialgericht (BSG) habe dies inzwischen für die Klage eines Arzneimittelherstellers auf Abänderung der vom Beklagten beschlossenen Arzneimittel-Richtlinien (AMR) ausdrücklich entschieden (BSGE 64, 78 = SozR 1500 § 51 Nr. 50). Für Klagen gegen die Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien könne nichts anderes gelten. Außerdem habe das Landessozialgericht (LSG) § 75 Abs. 2 Regelung 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt, weil es die Bundesrepublik Deutschland nicht zum Verfahren beigeladen habe. In der Sache selbst rügt der Kläger insbesondere eine Verletzung des § 34 SGB V und Art. 12 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG). Der beanstandete Teil der Richtlinien beinhalte einen Eingriff in sein Recht auf freie Berufsausübung, für den eine ausreichende gesetzliche Grundlage fehle. Heilmittel dürften nach § 34 Abs. 4 SGB V nur noch durch Rechtsverordnung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) mit Zustimmung des Bundesrates ausgeschlossen werden.

Der Kläger beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Januar 1988 und des Sozialgerichts Aachen vom 26. November 1984 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, Teil A Ziffer 4.1.1. der Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien vom 26. Februar 1982 insoweit aufzuheben, als dort römisch-irische und russisch-römische Heilbäder von der Verordnung ausgeschlossen werden,

hilfsweise, festzustellen, daß Teil A Ziffer 4.1.1. der Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien nichtig ist, weiter hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er trägt vor, der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sei eröffnet. Unabhängig von den Erwägungen des Landessozialgericht (LSG) ergebe sich dies aus der Neufassung des § 51 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Art. 32 Nr. 3 des Gesundheitsreformgesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I, 2477). Dennoch sei die Klage unzulässig. Es fehle nämlich an der notwendigen Substantiierung einer Rechtsbeeinträchtigung.

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Das Urteil des Landessozialgericht (LSG) ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung bzw Änderung oder Nichtigerklärung der Heilmittel- und Hilfsmittel-RL durch den Beklagten. Die Entscheidung hierüber obliegt den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit (Urteil des Senats vom 20. September 1988 - BSGE 64, 78, 79 ff = SozR 1500 § 51 Nr 50), es handelt sich um eine Angelegenheit des Kassenarztrechts. Insoweit kann im Hinblick auf die neue Rechtspr des BSG dem Landessozialgericht (LSG) nicht gefolgt werden.

Die Klage ist allein als echte Leistungsklage iS des § 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Eine Anfechtungsklage, ggf kombiniert mit einer Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1, 2 und 4 SGG), scheidet mangels Vorliegens eines Verwaltungsaktes aus. Die Richtlinie (RL) des Beklagten sind nach § 92 Abs 7 SGB V Bestandteil der Bundesmantelverträge sowie der Verträge mit den Ersatzkassenverbänden und der Bundesknappschaft (§ 83 Abs 3 und 4 SGB V), für den Arzt als Satzungsrecht nach § 81 Abs 3 Nrn 1 und 2 SGB V verbindlich und schon von daher keine Verwaltungsakte. Auch vor Inkrafttreten des SGB V (1. Januar 1989) mußten die KÄVen und die Verbände der Krankenkassen in ihre Satzungen Bestimmungen aufnehmen, nach denen die Richtlinie (RL) von ihren Mitgliedern beachtet werden sollen (§ 368p Abs 3 RVO). Beim Erlaß von Richtlinie (RL) wird die gemeinsame Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen tätig. Maßnahmen der Selbstverwaltung, insbesondere der Satzungsgebung, können Gegenstand der echten Leistungsklage sein (Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl 1987, § 54 RdNr 42).

Der erkennende Senat kann über den vom Kläger erhobenen Anspruch in der Sache selbst und abschließend entscheiden. Er ist nicht genötigt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zwecks Nachholung einer im Revisionsverfahren unzulässigen Beiladung (vgl § 168 SGG) des Bundesminister f. Arbeit u. Sozialordnung (BMA) den Rechtsstreit an das Landessozialgericht (LSG) zurückzuverweisen. Zwar hat der Senat in dem Rechtsstreit eines Arzneimittelherstellers gegen den Beklagten wegen Aufhebung oder Änderung der Arzneimittel-Richtlinien (AMR) in seinem Urteil vom 20. September 1988 (BSGE 64, 78, 85 = SozR 1500 § 51 Nr 50 S 101) ausgesprochen, eine Beiladung der Bundesrepublik Deutschland sei notwendig, weil dem Bundesminister f. Arbeit u. Sozialordnung (BMA) hinsichtlich der AMR eine übergeordnete Regelungsbefugnis zustehe und damit die von der seinerzeitigen Klägerin begehrte Änderung der Regelung unmittelbar in Rechte der Bundesrepublik Deutschland eingreifen würde. Indes hat in dem dem Urteil vom 20. September 1988 (aaO) zugrunde liegenden Fall die Rechtmäßigkeit der AMR zweifelhaft sein können. Im Falle einer notwendigen Änderung dieser Richtlinie (RL) hätte der Bundesminister f. Arbeit u. Sozialordnung (BMA) ihre Neufassung beanstanden (§ 368p Abs 2 RVO, § 94 Abs 1 SGB V) und damit die Ausführung des Urteils verzögern oder verhindern können. Aus diesem Grunde hat die damalige Entscheidung auch gegenüber der durch den Bundesminister f. Arbeit u. Sozialordnung (BMA) vertretenen Bundesrepublik Deutschland nur einheitlich ergehen können (§ 75 Abs 2 Regelung 1 SGG). Im vorliegenden Fall hingegen ist aus den nachfolgenden Gründen der Beklagte nicht zur Änderung seiner Heilmittel- und Hilfsmittel-RL entsprechend dem Begehren des Klägers gezwungen, so daß die Beanstandung einer Neufassung der Richtlinie (RL) seitens des Bundesminister f. Arbeit u. Sozialordnung (BMA) von vornherein ausscheidet. Im übrigen hat der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 18. Januar 1990 (BSGE 66, 144 = SozR 3-5795 § 6 Nr 1) im Anschluß an die Rechtspr des Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) (BVerwGE 74, 19, 21 ff; 80, 228, 230) entschieden, daß das Unterlassen einer notwendigen Beiladung eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz dann nicht nach sich zieht, wenn aus der Sicht des Revisionsgerichts die Klage in jedem Fall abgewiesen werden muß. Dies ist hier der Fall.

Die Begründetheit der Klage setzt voraus, daß auf die mit ihr begehrte Leistung ein Rechtsanspruch besteht (§ 54 Abs 5 SGG). Dies ist nach den rechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht und somit unter Berücksichtigung der bis zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Rechtsänderungen zu beurteilen (vgl BSGE 50, 82, 83 f = SozR 1500 § 54 Nr 40 S 23; Meyer-Ladewig, aaO, § 54 RdNr 34).

Hiernach steht dem Kläger aus sachlich-rechtlichen Gründen ein Rechtsanspruch auf die von ihm begehrte Aufhebung bzw Änderung oder Nichtigerklärung des Abschn A Nr 4.1.1. der Heilmittel- und Hilfsmittel-RL 1982 idF vom 4. Mai 1990 (BArbBl Nr 7/8 vom 31. Juli 1990) nicht zu.

Dabei braucht der Senat im vorliegenden Rechtsstreit nicht auf die Frage einzugehen, in welchem Verhältnis die in § 34 Abs 4 SGB V erteilte Verordnungsermächtigung zu der dem Beklagten durch § 92 Abs 1 Sätze 1 und 2 Nr 6 SGB V eingeräumten Richtlinienkompetenz steht (vgl dazu Maaßen, GKV-Komm, § 34 SGB V RdNr 3; Kasseler Komm-Hess § 34 SGB V RdNr 8) und insbesondere, ob seit dem 1. Januar 1989 als Folge der Verordnungsermächtigung des § 34 Abs 4 SGB V die Zuständigkeit für den Ausschluß der Verordnungsfähigkeit eines Heilmittels ausschließlich beim Bundesminister f. Arbeit u. Sozialordnung (BMA) liegt und es deshalb für eine diesbezügliche Regelung in den vom Beklagten erlassenen Richtlinie (RL) an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage fehlt. Selbst wenn dies zutreffen sollte, erwächst daraus jedenfalls dem Kläger nicht ein Anspruch auf Aufhebung bzw auf Änderung oder Nichtigerklärung der RL.

Seinen Anspruch kann der Kläger nicht aus einem besonderen Rechtsverhältnis im System der gesetzlichen Krankenversicherung wie etwa aus einer Mitgliedschaft, Zulassung, Beteiligung, Ermächtigung oder einem Vertrag ableiten. Nach § 2 Abs 1 Satz 1 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die Leistungen des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung. Zur Erfüllung dieses Auftrages bedarf es der Konkretisierung, welche Wirtschaftsgüter beschafft werden müssen oder dürfen. Diesen Auftrag zur Konkretisierung hat der Gesetzgeber in § 92 SGB V (früher § 368p RVO) dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen übertragen, der seinerseits die ihm erforderlich erscheinenden Richtlinie (RL) erläßt. Die Richtlinie (RL) stehen insoweit unter dem Vorbehalt des Gesetzes, als sie den Anspruch des Versicherten auf ausreichende und zweckmäßige Versorgung nicht verkürzen und die Therapiefreiheit des Arztes (vgl § 2 Abs 1 Satz 2 SGB V) nicht unangemessen beeinträchtigen dürfen.

Insgesamt enthalten die Richtlinie (RL) Handlungsanweisungen an ihre Adressaten, insbesondere die Ärzte. Auf Leistungserbringer wie den Kläger haben sie nur eine mittelbare tatsächliche Wirkung. Im Kassenarztrecht werden nicht nur Richtlinie (RL) im Rahmen des § 92 SGB V erlassen, eine Richtlinienkompetenz gibt es auch nach § 75 Abs 7 SGB V für die KÄBV und nach § 135 Abs 3 SGB V zur Qualitätssicherung der kassenärztlichen Versorgung. Das Netzwerk der Richtlinie (RL) dient der Gewährleistung einer qualitätsorientierten, ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten. Für Leistungsanbieter wie den Kläger, die nicht Adressaten der Richtlinie (RL) sind, hat es allenfalls wirtschaftliche Auswirkungen, ohne Rechtspositionen zu begründen oder zu beseitigen. Für den Kläger haben die Richtlinie (RL) des Beklagten keine weitergehende rechtliche Bedeutung als in anderen Bereichen, in denen die öffentliche Verwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben Richtlinie (RL) erläßt, zB der Staat als Dienstherr beim Erlaß von Beihilfe-RL zur Erfüllung seiner Fürsorgepflicht oder als Träger der Bundeswehr durch den Erlaß von Beschaffungs-RL zur Erfüllung des Verteidigungsauftrages. Auch die private Krankenversicherung kann über ihre allgemeinen Versicherungsbedingungen (Musterbedingungen) Regelungen zur Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für Güter und Dienstleistungen treffen, die mehr oder weniger nachhaltige wirtschaftliche Auswirkungen auf einzelne Leistungsanbieter haben können, ohne daß diese wegen des privatrechtlichen Charakters der Versicherungsbedingungen im Klagewege Einfluß auf deren Inhalt nehmen könnten.

Seinen Anspruch auf Aufhebung bzw auf Änderung oder Nichtigerklärung des Teils A Ziff 4.1.1. der Heilmittel- und Hilfsmittel-RL kann der Kläger ferner nicht aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) oder aus der Gewährleistung des Eigentums (Art 14 Abs 1 Satz 1 GG) in seiner Ausprägung als Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb herleiten. Fraglich ist bereits, ob er als Nicht-Adressat der vom Beklagten erlassenen Richtlinie (RL) sich diesem ihm nicht übergeordneten Organ der kassenarztrechtlichen Selbstverwaltung gegenüber auf die genannten Grundrechte berufen und unmittelbar daraus den von ihm erhobenen Leistungsanspruch herleiten kann. Das braucht indes nicht vertieft zu werden. Denn jedenfalls wird der Kläger durch die Heilmittel- und Hilfsmittel-RL weder in seiner Berufsfreiheit noch in einem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb tangiert.

Schutzgut des Art 12 GG ist die Freiheit, eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit, insbesondere ein Gewerbe, zu betreiben. Das trifft für die Tätigkeit eines Masseurs und medizinischen Bademeisters zu. Die Freiheit der Wahl dieses Berufes wird jedoch durch die hier beanstandete Regelung von vornherein nicht berührt. Selbst wenn entsprechend dem Vorbringen des Klägers aufgrund der Richtlinie (RL) sein Umsatz erheblich zurückgegangen sein sollte, betrifft dies nur eine Tätigkeit, die lediglich als Bestandteil eines umfassenderen Berufes ausgeübt wird und deren Regelung die eigentliche Berufstätigkeit als Grundlage der Lebensführung unberührt läßt (vgl BVerfGE 68, 272, 281 mwN). Die Heilmittel- und Hilfsmittel-RL stellen sich im Verhältnis zu den nicht in das System der kassenärztlichen Versorgung eingebundenen Leistungsanbietern auch nicht als eine Regelung der Berufsausübung dar. Sie haben nicht unmittelbar die berufliche Betätigung dieser Leistungsanbieter zum Gegenstand, sondern richten sich - wie bereits dargelegt - an einen anderen Adressatenkreis mit der Folge, daß der Kläger lediglich mittelbar und in tatsächlicher Hinsicht betroffen wird. Allerdings kann der Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG auch durch Regelungen berührt werden, welche infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen (BVerfGE 52, 42, 54 mwN). Das trifft jedoch für die hier streitigen Richtlinie (RL) in ihrer Auswirkung auf Badebetriebe nicht zu. Die vom Beklagten erlassenen Richtlinie (RL) dienen allein der Durchführung der Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Weder schreibt der Beklagte dem Kläger vor, wie er seine Leistungen zu erbringen hat, noch schließt er die Verordnungsfähigkeit wegen der Art der Leistungserbringung aus. Er sieht lediglich keine Notwendigkeit, bestimmte Leistungen, die auch vom Kläger erbracht werden, in den Kreis der zu Lasten der Krankenkassen verordnungsfähigen Leistungen aufzunehmen. Dies ist keine Frage der Berufsausübung, sondern des unternehmerischen Risikos. Kein Leistungsanbieter hat einen Rechtsanspruch auf die Abnahme seiner Leistungen, auch dann nicht, wenn durch die Entscheidung eines Kunden, bestimmte Leistungen nicht (mehr) abzunehmen, ein Umsatzrückgang eintritt. Wollte man einen derartigen (grundrechtlichen) Rechtsanspruch bejahen, so müßte sich dieser auch auf Arbeitnehmer erstrecken, die infolge einer Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse (hier: Änderung von RL) ihren Arbeitsplatz verlieren. Nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Art für einzelne Unternehmen und ihre Mitarbeiter könnte nur durch eine mehr oder weniger umfassende allgemeine Wirtschaftslenkung begegnet werden, die unsere Rechtsordnung nicht gebietet. Ob die Rechtslage anders zu beurteilen wäre, wenn Richtlinie (RL) des Beklagten gezielt die oder einzelne Leistungen des Klägers diskriminierten, kann auf sich beruhen, weil nicht speziell die römisch-irischen und russisch-römischen Bäder des Klägers, sondern Bäder dieser Art schlechthin von den Richtlinie (RL) erfaßt werden.

Art 14 Abs 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Unterstellt, Schutzgut der Eigentumsgarantie sei auch der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb (zweifelnd BVerfGE 51, 193, 221 f), umfaßt dieser Schutz jedenfalls nicht bloße Umsatz- oder Gewinnchancen sowie tatsächliche Gegebenheiten wie bestehende Geschäftsverbindungen, Kundenstamm oder Marktstellung (BVerfGE 77, 84, 118). Die Heilmittel- und Hilfsmittel-RL haben jedoch lediglich zu einer Beeinträchtigung der Umsatz- und Gewinnchancen des Klägers bezüglich einer der von ihm angebotenen Leistungen geführt.

Weitere Rechtsgrundlagen für den vom Kläger erhobenen Anspruch sind nicht ersichtlich.

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Aufhebung bzw auf Änderung oder Nichtigerklärung des Teils A Ziff 4.1.1. der Heilmittel- und Hilfsmittel-RL. Dies führt zur Zurückweisung seiner Revision.

 

Fundstellen

NJW 1991, 1254

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