Voraussetzung für die Entstehung einer betrieblichen Übung ist zunächst ein bestimmtes Verhalten des Arbeitgebers, etwa ein Anschlag am schwarzen Brett oder ein Rundschreiben an alle Arbeitnehmer, mit welchem zusätzliche Leistungen oder sonstige Vertragsänderungen (zum Vorteil der Arbeitnehmerschaft) angekündigt werden. Ausreichend ist in jedem Fall, dass der Arbeitgeber bewusst bestimmte Leistungen erbringt und hierdurch bei den Arbeitnehmern einen Vertrauenstatbestand dahingehend schafft, dass der Arbeitgeber sich binden wollte. Dies wirkt auch gegenüber neu in den Betrieb eintretenden Arbeitnehmern. Dabei entsteht ein Vertrauenstatbestand grundsätzlich nur dann, wenn der Arbeitgeber mindestens dreimal beispielsweise eine Gratifikationvorbehaltslos gewährt hat.

3.1 Zulässigkeit

Weicht eine betriebliche Übung von im Tarifvertrag enthaltenen Regelungen ab, so ist sie nur dann wirksam, wenn der Tarifvertrag die Abweichung gestattet, oder aber die Regelung nach dem sog. Günstigkeitsprinzip für die Arbeitnehmer günstiger ist. Das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG gilt auch im Verhältnis zu einem erst nach Entstehung der betrieblichen Übung abgeschlossenen Tarifvertrag.[1]

 
Praxis-Tipp

Eine betriebliche Übung kann auch die Gewährung tarifvertraglicher Leistungen an nicht tarifgebundene (d. h. nicht gewerkschaftlich organisierte) Arbeitnehmer zum Inhalt haben. Der Arbeitnehmer nimmt die betriebliche Übung durch Entgegennahme der tarifvertraglichen Leistungen (z. B. Tariflohn, Urlaubsgeld) an. Es sind dann aber auch die im Tarifvertrag für den Arbeitnehmer ungünstigen Regelungen (z. B. Kündigungs- und Ausschlussfristen) vereinbart. Im Falle der Kündigung des Tarifvertrages haben auch die nicht organisierten Arbeitnehmer im Nachwirkungszeitraum des § 4 Abs. 5 TVG Anspruch auf Weitergewährung kraft betrieblicher Übung.[2]

3.2 Vertragsinhalt

Ein Vertrauenstatbestand, aus dem eine betriebliche Übung erwächst, entsteht, wenn z. B. eine Sonderzahlung ohne Vorbehalt mindestens dreimal hintereinander gezahlt wurde.[1]

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine betriebliche Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Sie enthält daher eine Willenserklärung des Arbeitgebers, in seinem Betrieb eine bestimmte Übung einführen zu wollen, zu der ihn weder ein Gesetz noch ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung verpflichten. Diese Willenserklärung des Arbeitgebers wird von den Arbeitnehmern regelmäßig stillschweigend angenommen (§ 151 BGB),[2] mit der Folge, dass die üblich gewordene Vergünstigung dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber geschuldet wird.

Über die Auslegung dieser Willenserklärung entscheidet der objektive Empfängerhorizont, d. h. entscheidend ist, wie der Erklärungsempfänger (der Arbeitnehmer) die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte.[3] Auf einen etwaig anderslautenden Verpflichtungswillen des Arbeitgebers, der nicht nach außen bekannt geworden ist, kommt es nicht an.[4]

3.3 Keine anderweitigen Anspruchsgrundlagen

Es kann keine betriebliche Übung entstehen, wenn der Anspruch sich aus dem Gesetz, einem Tarifvertrag oder dem Arbeitsvertrag ergibt, da dies dann die Anspruchsgrundlage wäre oder wenn ein solcher Anspruch gesetzlich, tarifvertraglich oder einzelvertraglich ausgeschlossen ist.[1]

 
Praxis-Beispiel

Gewährt ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes seit elf Jahren Dienstbefreiung am Rosenmontag, so kann eine betriebliche Übung nicht entstehen, da § 52 BAT die Arbeitsbefreiung abschließend regelt. Zudem dürfte der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber aus haushaltsrechtlichen Gründen nur die tarifvertraglichen Leistungen gewähren. Aus demselben Grund besteht auch kein Freistellungsanspruch eines Mitarbeiters am Geburtstagsnachmittag.[2] Kein Anspruch besteht auf Beibehaltung einer bezahlten Frühstückspause (Nato-Pause), da § 15 Abs. 1 Satz 1 BAT entgegensteht.[3]

3.4 Irrtümliche Gewährung

Eine betriebliche Übung kann nicht entstehen, wenn der Arbeitgeber sich irrtümlich zu einer Leistung verpflichtet hat und der Arbeitnehmer diesen Irrtum erkennen konnte bzw. erkannte, dass der Arbeitgeber sich lediglich normgerecht verhalten wollte.

 
Praxis-Beispiel

Bringt ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes unzweideutig zum Ausdruck, dass er eine Leistu...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge