Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Sonderzahlung. Anrechnung eines 13. Monatsgehalts

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 29.09.1995; Aktenzeichen 16 Sa 79/95)

ArbG Berlin (Urteil vom 09.05.1995; Aktenzeichen 69 Ca 3846/95)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 29. September 1995 – 16 Sa 79/95 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer tariflichen Sonderzahlung für das Jahr 1994.

Der Kläger ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängern seit dem 15. Oktober 1970 beschäftigt. Am 1. April 1993 schlossen die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag, der rückwirkend ab dem 1. Januar 1993 Gültigkeit haben sollte. Außerdem enthält er die Vereinbarung, daß die bei den Rechtsvorgängern der Beklagten im Zeitraum 15. Oktober 1970 bis 31. Dezember 1992 erworbene Betriebszugehörigkeit auf das Arbeitsverhältnis der Parteien angerechnet wird.

Weiter sind folgende Vereinbarungen getroffen:

㤠1

Tätigkeit und Aufgabengebiet

1.4. Grundlage des Arbeitsverhältnisses sind die Bestimmungen dieses Vertrages, die Betriebsvereinbarungen und betrieblichen Regelungen sowie die tariflichen Bestimmungen.

§ 2

Bezüge

2.1. Als Vergütung zahlt I. GmbH

ab 01.04.93 monatlich

DM 4.615,00 brutto

und ein 13. Monatsgehalt von

DM 4.620,00 brutto,

dessen Auszahlung betrieblich geregelt wird.”

Der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Tarifvertrag über betriebliche Sonderzahlungen für das Tarifgebiet II (Berlin-Ost und Brandenburg) vom 10. März 1991 (gültig ab: 1. Januar 1991) (im folgenden: TV-Sonderzahlung) lautet, soweit vorliegend von Interesse:

„2 Anspruch

2.1 Arbeitnehmer, die jeweils am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen 6 Monate angehört haben, haben je Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen.

2.2 Die Sonderzahlungen werden nach folgender Staffel gezahlt:

ab 1.1.1994

nach

6 Monaten Betriebszugehörigkeit 20 %

nach

12 Monaten Betriebszugehörigkeit 30 %

nach

24 Monaten Betriebszugehörigkeit 40 %

nach

36 Monaten Betriebszugehörigkeit 50 %

eines Monatsverdienstes

3 Zeitpunkt

3.1 Der Zeitpunkt der Auszahlung wird durch Betriebsvereinbarung geregelt.

3.2 Falls dieser Zeitpunkt durch Betriebsvereinbarung nicht geregelt ist, gilt als Auszahlungstag im Sinne der Ziffer 2.1 der 1. Dezember.

In diesem Falle ist es dem Arbeitgeber unbenommen, die Erfüllung der Zahlung vorher durchzuführen.

4 Anrechenbare betriebliche Regelungen

Leistungen des Arbeitgebers wie Jahresabschlußvergütungen, Gratifikationen, Jahresprämie, Ergebnisbeteiligung, Weihnachtsgeld und ähnliches gelten als betriebliche Sonderzahlungen im Sinne der Ziffer 2 dieses Tarifvertrages und erfüllen den tariflichen Anspruch. Hierfür vorhandene betriebliche Systeme bleiben unberührt.

…”

Im Betrieb der Beklagten besteht eine Betriebsvereinbarung vom 10. Mai 1993, welche u.a. regelt, daß die Beklagte jedem Mitarbeiter ein 13. Monatsgehalt zahlt und daß dieses zu 40 % am 31. Mai und zu 60 % am 30. November eines jeden Jahres auszuzahlen ist.

Im Jahre 1992 zahlte die Beklagte an alle Mitarbeiter die betriebliche Sonderzahlung nach dem TV-Sonderzahlung und die arbeitsvertraglich vereinbarten 13. Monatsgehälter.

Aus wirtschaftlichen Gründen verweigerte sie in den Jahren 1993 und 1994 die Zahlung der betrieblichen Sonderzahlung und berief sich darauf, daß die gezahlten 13. Monatsgehälter Leistungen seien, welche nach Ziff. 4 TV-Sonderzahlung auf die betriebliche Sonderzahlung angerechnet werden könnten. Der Kläger erhielt demzufolge im Jahre 1994 am 31. Mai 40 % eines 13. Monatsgehalts (= 1.948,00 DM) und am 30. November 1994 60 % (= 2.852,50 DM).

Der Kläger meint, bei dem arbeitsvertraglich vereinbarten 13. Monatsgehalt handele es sich um einen Vergütungsbestandteil, welcher keiner der in Ziff. 4 TV-Sonderzahlung aufgeführten anrechenbaren Leistungen des Arbeitgebers „ähnlich” sei. Dies ergebe sich u.a. auch daraus, daß in einem Sozialplan vom 15. Dezember 1994 das Bruttomonatsgehalt als Faktor für die Errechnung eines Abfindungsanspruches mit einem Zwölftel des Jahresgehaltes unter Einschluß des 13. Monatsgehalts berechnet werde und daß die Beklagte in Arbeitsbescheinigungen für ausgeschiedene Mitarbeiter das monatliche Bruttomonatsentgelt auch mit einem Zwölftel des Gesamtjahresverdienstes (unter Einschluß des 13. Monatsgehalts) angegeben habe.

Daher sei durch die Zahlung des 13. Monatsgehalts sein Anspruch auf die betriebliche Sonderzahlung nicht erfüllt worden. Deshalb stehe ihm noch ein Anspruch auf diese Sonderzahlung nach dem TV-Sonderzahlung in Höhe von 50 % eines Bruttomonatsverdienstes, den er mit 5.308,00 DM errechnet, zu.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.654,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Der klägerische Anspruch auf eine betriebliche Sonderzahlung für das Jahr 1994 gemäß dem TV-Sonderzahlung ist nach Ziff. 4 TV-Sonderzahlung auf Grund der Zahlung eines 13. Monatsgehalts durch die Beklagte erfüllt worden.

I. Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch des Klägers im wesentlichen mit der Begründung verneint, bei dem von der Beklagten an den Kläger im Jahre 1994 gezahlten 13. Monatsgehalt handele es sich um eine „ähnliche” Leistung im Sinne der Ziff. 4 Satz 1 TV-Sonderzahlung, durch welche der Anspruch des Klägers auf eine betriebliche Sonderzahlung nach diesem Tarifvertrag für 1994 erfüllt worden sei.

Bei den in Ziff. 4 Satz 1 TV-Sonderzahlung im einzelnen aufgeführten, auf die betriebliche Sonderzahlung anrechenbaren Leistungen des Arbeitgebers handele es sich um solche mit Mischcharakter, bei denen aber der Entgeltcharakter im Vordergrund stehe. Das 13. Monatsgehalt dagegen sei eine Leistung der Beklagten mit reinem Entgeltcharakter. Dies stehe der Annahme der „Ähnlichkeit” dieser Zahlungen mit den übrigen in Ziff. 4 Satz 1 TV-Sonderzahlung genannten anrechenbaren Leistungen jedoch nicht entgegen, weil der Tarifvertrag nicht „Gleichartigkeit”, sondern nur „Ähnlichkeit” der anderweitigen Leistungen für die Anrechenbarkeit ausreichen lasse.

Auch die Tatsache, daß der Kläger im Jahre 1992 neben dem 13. Monatsgehalt auch die betriebliche Sonderzahlung erhalten habe, könne keinen Anspruch auf die Sonderzahlung für die Zukunft begründen. Daß die Parteien im Arbeitsvertrag eine Anrechnung des 13. Monatsgehalts auf die betriebliche Sonderzahlung nicht vereinbart hätten, sei ebenfalls ohne Belang, weil der Kläger nicht behauptet habe, der Hinweis auf den TV-Sonderzahlung sei nur deshalb unterblieben, weil beide Parteien die Nichtanrechnung als selbstverständlich vorausgesetzt hätten.

Schließlich könne sich der Kläger auch nicht darauf berufen, daß die Beklagte sich im Sozialplan vom 15. Dezember 1994 auf einen Abfindungsfaktor eingelassen habe, der von der Teilung eines Jahresgehalts (unter Einschluß des 13. Monatsgehalts) durch 12 ausgehe. Diese für die Arbeitnehmerseite günstige Berechnungsmethode für Abfindungen könne nichts darüber aussagen, zu welcher Anrechnung die Beklagte nach Ziff. 4 TV-Sonderzahlung berechtigt sei. Gleiches gelte auch für möglicherweise fehlerhafte Angaben in Arbeitsbescheinigungen für ausgeschiedene Arbeitnehmer.

II. Dem Landesarbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch weitgehend in der Begründung zu folgen.

1. Der dem Kläger an sich nach Ziff. 2 des kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden TV-Sonderzahlung für 1994 zustehende Anspruch auf eine betriebliche Sonderzahlung in Höhe von 50 % eines Monatsverdienstes ist auf Grund der Zahlung des 13. Monatsgehalts durch die Beklagte an den Kläger durch Erfüllung erloschen, § 362 Abs. 1 BGB.

Es kann letztlich dahinstehen, ob – wie das Landesarbeitsgericht meint – für die Berechnung der Höhe der betrieblichen Sonderzahlung ein Bruttomonatsgehalt von 4.786,00 DM zugrunde zu legen ist oder aber ein solches in Höhe von 5.308,00 DM, wie der Kläger meint.

Da die Beklagte dem Kläger im Jahre 1994 in zwei Raten insgesamt 4.800,50 DM als 13. Monatsgehalt ausbezahlt hat, hat er nämlich mehr als 50 % des von ihm geforderten halben Bruttomonatsgehalts von 2.654,00 DM erhalten.

2. Das von der Beklagten gezahlte 13. Monatsgehalt stellt eine Leistung des Arbeitgebers im Sinne der Ziff. 4 Satz 1 TV-Sonderzahlung dar, welche nach der tariflichen Regelung den tariflichen Anspruch des Klägers auf eine betriebliche Sonderzahlung erfüllt, ohne daß es zum Eintritt der Erfüllungswirkung einer gestaltenden Anrechnungserklärung oder Tilgungsbestimmung der Beklagten bedarf (BAG Urteil vom 8. März 1995 – 10 AZR 369/94 – n. v.).

a) Zwar ist die Gewährung eines 13. Monatsgehalts bei den beispielhaft in Ziff. 4 Satz 1 TV-Sonderzahlung aufgeführten „anrechenbaren” Leistungen nicht ausdrücklich erwähnt, jedoch stellt sie eine „ähnliche” Leistung im Sinne dieser Tarifnorm dar.

Dies ergibt eine am Wortlaut des Tarifvertrages und am Sinn und Zweck der tariflichen Regelung orientierte sachgerechte Auslegung des TV-Sonderzahlung. Nach Ziff. 4 Satz 2 TV-Sonderzahlung bleiben für die im Satz 1 der Tarifvorschrift genannten „anrechenbaren” Leistungen „vorhandene betriebliche Systeme” unberührt. Dies läßt den Schluß zu, daß nach dem Willen der Tarifvertragsparteien alle vom Arbeitgeber auf Grund eines betrieblichen Systems zusätzlich gewährten Leistungen den tariflichen Anspruch auf die betriebliche Sonderzahlung erfüllen, sofern sie – ebenso wie die namentlich in Ziff. 4 Satz 1 TV-Sonderzahlung aufgeführten zusätzlichen Leistungen – auf das Kalenderjahr bezogen sind. Ein solches System soll nach Ziff. 4 Satz 2 TV-Sonderzahlung von den tariflichen Bestimmungen des TV-Sonderzahlung nicht berührt werden (vgl. BAG Urteil vom 7. Dezember 1994 – 10 AZR 532/94 -n. v. – zur gleichlautenden Bestimmung des § 5 des Tarifvertrags über betriebliche Sonderzahlungen für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte für die Metallindustrie Hamburgs und Umgebung sowie Schleswig-Holstein).

b) Bei dem von der Beklagten gewährten 13. Monatsgehalt an alle Beschäftigten handelt es sich deshalb um eine „ähnliche” Leistung im Sinne der Ziff. 4 Satz 1 TV-Sonderzahlung, weil sie sich ebenso wie die dort aufgeführten Leistungen auf das laufende Kalenderjahr bezieht. Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, stellt das 13. Monatsgehalt eine zusätzliche Vergütung für die im Kalenderjahr erbrachte Arbeitsleistung dar. Das folgt u.a. daraus, daß an den Anspruch keine besonderen Voraussetzungen geknüpft sind, wie beispielsweise der Bestand eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag, und daß der Anspruch nicht mit einer Rückzahlungsklausel bei einem vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers verbunden ist. Somit liegt keine einmalige Leistung des Arbeitgebers vor, die sich nicht auf den Bezugszeitraum des laufenden Kalenderjahres bezieht, wie dies beispielsweise bei einem einmalig gezahlten Treuegeld für vom Arbeitnehmer erwiesene Betriebstreue der Fall wäre (vgl. BAG Urteil vom 10. Februar 1993 – 10 AZR 207/91 – AP Nr. 149 zu § 611 BGB Gratifikation).

c) Das 13. Monatsgehalt wird auch nach einem betrieblichen System ausbezahlt, auf das im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien im Zusammenhang mit der Vereinbarung über die Gewährung eines 13. Monatsgehalts auch ausdrücklich Bezug genommen wird. So heißt es in § 2 des Arbeitsvertrages vom 1. April 1993: „Als Vergütung zahlt I. GmbH … ein 13. Monatsgehalt …, dessen Auszahlung betrieblich geregelt wird”.

Eine solche betriebliche Regelung ist für den Betrieb der Beklagten durch eine Betriebsvereinbarung vom 10. Mai 1993 getroffen worden. In dieser ist festgelegt, daß jeder Mitarbeiter ein 13. Monatsgehalt erhält und dieses zu 40 % am 31. Mai und zu 60 % am 30. November eines jeden Jahres ausgezahlt wird.

Liegt ein solches betriebliches System über die Gewährung zusätzlicher Leistungen durch den Arbeitgeber an seine Mitarbeiter vor, so ist es für die Erfüllungswirkung dieser Leistungen nach Ziff. 4 Satz 1 TV-Sonderzahlung unschädlich, wenn es sich bei diesen Leistungen um solche handelt, mit denen kein weiterer Zweck verfolgt wird als die Entlohnung der erbrachten Arbeitsleistung, d.h. wenn der einzelne Arbeitnehmer demnach die arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung als Vergütungsbestandteil im jeweiligen Abrechnungsmonat verdient, diese jedoch aufgespart und dann erst am vereinbarten Fälligkeitstag ausbezahlt wird (vgl. BAG Urteil vom 10. Mai 1995 – 10 AZR 648/94 – AP Nr. 174 zu § 611 BGB Gratifikation).

d) Zwar handelt es sich bei den in Ziff. 4 Satz 1 TV-Sonderzahlung namentlich aufgeführten Sonderleistungen in vielen Fällen um solche, die sich nicht als reine monatlich „verdiente” Vergütungsbestandteile darstellen. Dies wird insbesondere bei der erwähnten „Ergebnisbeteiligung” deutlich. Dennoch ist davon auszugehen, daß den Tarifvertragsparteien bewußt war, daß beispielsweise auch die ebenfalls in Ziff. 4 Satz 1 TV-Sonderzahlung aufgeführten Jahresabschlußvergütungen und Weihnachtsgeldzahlungen in manchen Betrieben in der Weise gewährt werden, daß sie sich als reine „pro rata temporis” erdiente Vergütungsbestandteile darstellen, die erst zum Jahresschluß oder in zeitlichem Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest ausgezahlt werden (vgl. zur Annahme, ein vertraglich vereinbartes Weihnachtsgeld habe reinen Entgeltcharakter: BAG Urteil vom 21. Dezember 1994 – 10 AZR 832/93 -n. v.).

Damit kann aus der beispielhaften Aufzählung in Ziff. 4 Satz 1 TV-Sonderzahlung, welche Leistungen des Arbeitgebers die Tarifvertragsparteien als „anrechnungsfähige” betrachten, nicht zwangsläufig geschlossen werden, daß nur solche Leistungen als „ähnliche” Leistungen anzusehen sind, die sich nicht als reine Vergütungsbestandteile darstellen.

e) Hinzu kommt, daß sich auch aus der Überschrift der Ziff. 4 TV-Sonderzahlung „anrechenbare betriebliche Regelungen” ergibt, daß die Tarifvertragsparteien entscheidend darauf abstellen, daß der Arbeitgeber zusätzliche Leistungen auf Grund allgemeiner betrieblicher Regelungen und nicht auf Grund individueller Vereinbarungen gewährt. Im Falle solcher betrieblichen Regelungen soll eine umfangreiche Anrechnungsmöglichkeit gegeben sein. So hat der Senat im Urteil vom 7. Dezember 1994 (– 10 AZR 532/94 – n. v.) die Zahlung von arbeitsvertraglich vereinbarten 13,5 Gehältern, welche auf Grund langjähriger betrieblicher Praxis als Urlaubsgeld (ein ganzes Monatsgehalt) und als Weihnachtsgeld (ein halbes Monatsgehalt) ausgezahlt wurden, als anrechenbare Leistungen im Sinne einer mit Ziff. 4 TV-Sonderzahlung gleichlautenden Anrechnungsklausel betrachtet, weil ein betriebliches System zur Erbringung zusätzlicher Arbeitgeberleistungen, bezogen auf das Kalenderjahr, vorliege.

3. Die in Ziff. 4 TV-Sonderzahlung getroffene Regelung verstößt auch nicht gegen gesetzliche Vorschriften. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG vor.

Der Tarifvertrag greift nämlich nicht in den Anspruch des Klägers auf sein arbeitsvertraglich vereinbartes 13. Monatsgehalt ein. Ziff. 4 Satz 1 TV-Sonderzahlung regelt nur die Anrechnung dieses 13. Monatsgehalts auf den tariflichen Anspruch auf eine betriebliche Sonderzahlung. Das führt aber nicht zu einer Beseitigung des klägerischen Anspruchs auf das 13. Monatsgehalt; vielmehr wird der tarifliche Anspruch von vornherein nur bedingt durch die Kürzung um bestimmte arbeitsvertragliche Zahlungen eingeräumt. Eine solche Regelung ist zulässig (BAGE 43, 188 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen; BAG Urteil vom 3. März 1993 – 10 AZR 42/92 – AP Nr. 151 zu § 611 BGB Gratifikation).

4. Auf Grund des Sachvortrags des Klägers kann auch nicht vom Entstehen einer betrieblichen Übung dahingehend ausgegangen werden, daß ihm die Beklagte das 13. Monatsgehalt neben der tariflichen Sonderzahlung gewährt. Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, könnte eine ein- oder auch zweimalige Nichtanrechnung des 13. Monatsgehalts auf den tariflichen Anspruch auf eine betriebliche Sonderzahlung nicht zum Entstehen einer betrieblichen Übung führen.

5. Mit dem Landesarbeitsgericht ist auch davon auszugehen, daß keine Anhaltspunkte für die Annahme vorgetragen sind, die Parteien hätten vereinbart, daß das 13. Monatsgehalt dem Kläger immer neben der betrieblichen Sonderzahlung nach dem TV-Sonderzahlung gewährt werden solle.

6. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß die Tatsache, daß die Beklagte in Arbeitsbescheinigungen für ausgeschiedene Mitarbeiter möglicherweise unzutreffende Angaben über die Gehaltshöhe gemacht hat und daß im Sozialplan vom 15. Dezember 1994 das 13. Monatsgehalt bei der Berechnung von Abfindungsansprüchen als Gehaltsbestandteil mitberücksichtigt wird, nicht dazu führen kann, daß die Gewährung des 13. Monatsgehalts nicht unter die Anrechnungsvorschrift der Ziff. 4 TV-Sonderzahlung fällt.

7. Die Parteien haben nichts dazu vorgetragen, ob die Beklagte den Betriebsrat bei ihrer Entscheidung über die „Anrechnung” des gewährten 13. Monatsgehalts auf die tariflichen Sonderzahlungsansprüche beteiligt hat.

Ob eine solche Beteiligung des Betriebsrats vorgelegen hat, ist aber für die Entscheidung des Rechtsstreits letztlich unerheblich, weil ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in diesem Falle nicht bestanden hat. Die Zahlung des 13. Monatsgehalts an die Mitarbeiter der Beklagten führte nämlich nach Ziff. 4 Satz 1 TV-Sonderzahlung automatisch zur Erfüllung des tariflichen Anspruchs. Damit wäre ein eventuelles Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bereits wegen der insoweit bestehenden tariflichen Regelung ausgeschlossen, § 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG (vgl. BAG Urteil vom 8. März 1995, a.a.O.).

8. Die vom Landesarbeitsgericht angedeutete mögliche Divergenz zu den Entscheidungen des Fünften Senats vom 8. Juni 1983 (– 5 AZR 138/81 und 139/81 – n. v.) liegt nicht vor.

In den vom Fünften Senat entschiedenen Fällen war darüber zu befinden, ob ein gemäß Arbeitsvertrag zu 30 % „zum Urlaub” und zu 70 % „zum Jahresende” gewährtes 13. Monatsgehalt, ein zusätzliches Urlaubsgeld i.S.d. Urlaubsvereinbarung für die Textilindustrie in den Ländern Schleswig-Holstein und Hamburg vom 10. Mai 1979 darstellt.

Dies hat der Fünfte Senat mit der Begründung verneint, daß eine betriebliche Leistung auf eine tarifliche Leistung nur dann angerechnet werden kann, wenn die betriebliche Leistung nach Ausgestaltung und Zweck gleicher Art wie die tarifliche Leistung ist.

Die vom Fünften Senat entschiedenen Fälle unterscheiden sich vom vorliegenden aber grundlegend. Der dort anzuwendende Tarifvertrag über zusätzliches Urlaubsgeld enthielt im Gegensatz zum TV-Sonderzahlung keine der Ziff. 4 Satz 1 TV-Sonderzahlung entsprechende Anrechnungsklausel, welche eine weitgehende Anrechnungsmöglichkeit von zusätzlichen Arbeitgeberleistungen auf den tariflichen Sonderzahlungsanspruch vorsieht.

Demnach haben die Vorinstanzen die Klage zu Recht abgewiesen, so daß die Revision des Klägers zurückzuweisen war.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Hauck, Böck, Enck, Großmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093089

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