Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Sonderzahlung – Urlaubsgeld

 

Leitsatz (redaktionell)

Hinweise des Senats:

Erfüllung eines tariflichen Anspruchs auf eine Sonderzahlung durch die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 19.01.1994; Aktenzeichen 3 Sa 351/93)

ArbG Neumünster (Urteil vom 07.04.1993; Aktenzeichen 2a Ca 103/93)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 19. Januar 1994 – 3 Sa 351/93 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer tariflichen Sonderzahlung.

Die Klägerin ist seit November 1989 als kaufmännische Angestellte bei der Beklagten beschäftigt. Ihr schriftlicher Anstellungsvertrag vom 17. Oktober 1989 enthält u.a. folgende Vereinbarung:

„Das Gehalt gelangt nach zwölfmonatiger Betriebszugehörigkeit 13,5 mal, bei kürzerer Zugehörigkeit anteilig, zur Auszahlung.”

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit und arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte für die Metallindustrie Hamburgs und Umgebung sowie Schleswig-Holstein und der Tarifvertrag über betriebliche Sonderzahlungen in seiner jeweiligen Fassung Anwendung.

Nach § 10 Ziffer 10.31. MTV besteht für 30 Urlaubstage im Jahr ein Anspruch auf eine zusätzliche Urlaubsvergütung in Höhe von 50 % der tariflichen Urlaubsvergütung.

Nach § 2 TV-Sonderzahlung in der Fassung vom 30. Oktober 1976, gültig ab 1. Januar 1977, betrug die betriebliche Sonderzahlung nach 36monatiger Betriebszugehörigkeit 50 % eines Monatsverdienstes. Nach § 2 TV-Sonderzahlung i.d.F.v. 27./29. Mai 1992, gültig ab 1. April 1992, wurde sie auf 55 % eines Monatsgehaltes erhöht.

Der TV-Sonderzahlung enthält in § 5 ferner folgende Regelung:

§ 5

Anrechenbare betriebliche Regelungen

Leistungen des Arbeitgebers, wie die Jahresabschlußvergütungen, Gratifikationen, Jahresprämie, Ergebnisbeteiligungen, Weihnachtsgeld u.ä. gelten als betriebliche Sonderzahlung im Sinne des § 2 dieses Tarifvertrages und erfüllen den tariflichen Anspruch. Hierfür vorhandene betriebliche Systeme bleiben unberührt.

Die Beklagte zahlte in langjähriger Praxis mit dem Juni-Gehalt zusätzlich ein Bruttomonatsgehalt als Urlaubsgeld und mit dem November-Gehalt zusätzlich ein halbes Monatsgehalt als Weihnachtsgeld.

Die Klägerin erhielt im Jahre 1992 mit dem Juni-Gehalt deshalb einen Betrag von 3.930,– DM brutto als zusätzliches Urlaubsgeld. Der Anspruch auf die tarifliche zusätzliche Urlaubsvergütung betrug 2.709,45 DM. Mit dem November-Gehalt erhielt die Klägerin als Weihnachtsgeld 1.965,– DM brutto. Ihr tariflicher Anspruch auf die betriebliche Sonderzahlung betrug 2.161,50 DM brutto.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet, ihr als Differenz zwischen dem gezahlten Weihnachtsgeld und der tariflichen Sonderzahlung weitere 196,50 DM brutto zu zahlen. Eine Verrechnung nach § 5 TV-Sonderzahlung mit dem Betrag, der mit dem Juni-Gehalt über den tariflichen Anspruch auf eine zusätzliche Urlaubsvergütung hinaus gezahlt worden sei, sei nicht zulässig.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 196,50 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Dezember 1992 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, der Klägerin stehe ein weiterer Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung nicht zu. Die Klägerin habe im Jahr 1992 aufgrund der betrieblichen Regelung insgesamt 5.895,– DM brutto erhalten, obwohl ihr nur tarifliche Ansprüche auf zusätzliche Urlaubsvergütung und tarifliche Sonderzahlung in Höhe von 4.870,95 DM zugestanden hätten. Damit seien die tariflichen Ansprüche erfüllt. Dies folge aus § 5 TV-Sonderzahlungen. Nach dieser tariflichen Bestimmung erfülle auch die über den tariflichen Anspruch hinausgehende Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes den Anspruch auf die betriebliche Sonderzahlung nach § 2 TV-Sonderzahlungen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Klägerin steht ein weiterer Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung nicht zu.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ein Anspruch auf die Differenz zwischen dem als Weihnachtsgeld von der Beklagten mit dem November-Gehalt gezahlten Betrag von 1.965,– DM brutto und der tariflichen Sonderzahlung in Höhe von 2.161,50 DM brutto nicht zu.

Die arbeitsvertragliche Vereinbarung der Parteien über die Zahlung von 13,5 Monatsgehältern sei durch die jahrelange Praxis einvernehmlich dahingehend konkretisiert worden, daß ein Monatsgehalt als zusätzliches Urlaubsgeld und ein halbes Monatsgehalt als Weihnachtsgeld gezahlt werde. Durch den als Urlaubsgeld über die tarifliche Urlaubsvergütung hinaus gezahlten Betrag sei der Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung nach § 2 TV-Sonderzahlungen erfüllt worden. Dies folge aus § 5 TV-Sonderzahlungen. Nach dieser tariflichen Bestimmung bestehe ein tariflicher Anspruch von vornherein nur bedingt durch die Kürzung um die in § 5 TV-Sonderzahlungen genannten Leistungen des Arbeitgebers. Dazurechne auch das von der Beklagten gezahlte zusätzliche Urlaubsgeld. Dies folge insbesondere daraus, daß nach § 5 TV-Sonderzahlungen vorhandene betriebliche Systeme über zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers unberührt blieben.

II. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Der Klägerin steht ein Anspruch auf eine weitere tarifliche Sonderzahlung in Höhe von 196,50 DM brutto nicht zu. Der Anspruch ist durch die Zahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes im Kalenderjahr 1992 erfüllt worden.

1. Zutreffend legt das Landesarbeitsgericht § 5 TV-Sonderzahlungen, wonach Leistungen des Arbeitgebers, wie Jahresabschlußvergütungen, Gratifikationen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen, Weihnachtsgeld u.ä. als betriebliche Sonderzahlung i.S.v. § 2 TV-Sonderzahlungen gelten und den tariflichen Anspruch erfüllen, dahingehend aus, daß der tarifliche Anspruch von vornherein nur bedingt durch die Kürzung um die genannten Leistungen eingeräumt wird. Eine solche Regelung verstößt nicht gegen das Günstigkeitsprinzip. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. BAG Urteil vom 10. Februar 1993 – 10 AZR 207/91 – AP Nr. 149 zu § 611 BGB Gratifikation und Urteil vom 3. März 1993 – 10 AZR 42/92 – AP Nr. 151 zu § 611 BGB Gratifikation).

2. Der Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung in Höhe von 2.161,50 DM brutto wurde durch den mit dem November-Gehalt als Weihnachtsgeld gezahlten Betrag von 1.965,– DM brutto sowie durch den mit dem Juni-Gehalt über den Anspruch auf die tarifliche zusätzliche Urlaubsvergütung hinaus gezahlten Betrag von 1.220,55 DM brutto erfüllt.

Nach der Aufzählung in § 5 TV-Sonderzahlungen gelten Jahresabschlußvergütungen, Gratifikationen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen, Weihnachtsgeld u.ä. als betriebliche Sonderzahlungen i.S.v. § 2 TV-Sonderzahlungen. Der über die zusätzliche Urlaubsvergütung hinaus gezahlte Betrag ist als eine solche „ähnliche Leistung” des Arbeitgebers anzusehen.

Es handelt sich, wie die ausdrücklich genannten Leistungen des Arbeitgebers, um eine Sonderleistung, die sich auf den Bezugszeitraum des Kalenderjahres bezieht.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die von der Klägerin mit der Revision durch eine formelle Rüge nicht angegriffen wurden, wurde die Vereinbarung im Arbeitsvertrag über die Zahlung von 13,5 Monatsgehältern einvernehmlich entsprechend der langjährigen Praxis der Beklagten dahingehend konkretisiert, daß ein Bruttomonatsgehalt als Urlaubsgeld mit dem Juni-Gehalt und ein halbes Bruttomonatsgehalt als Weihnachtsgeld pro Kalenderjahr gezahlt wurden. Diese Zahlungsweise wurde bei allen Beschäftigten praktiziert. Deshalb ist davon auszugehen, daß insoweit ein betriebliches System zur Erbringung zusätzlicher Arbeitgeberleistungen, bezogen auf das Kalenderjahr, vorlag. Ein solches System soll nach § 5 Satz 2 TV-Sonderzahlungen von den tariflichen Bestimmungen des TV-Sonderzahlungen unberührt bleiben. Dies bedeutet, daß alle im Rahmen des Systems erbrachten Leistungen, die wie Jahresabschlußvergütungen, Gratifikationen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen und Weihnachtsgeld, auf das Kalenderjahr bezogen sind, den Anspruch auf die betriebliche Sonderzahlung i.S.v. § 2 TV-Sonderzahlungen erfüllen sollen.

Ob die Erfüllung eingetreten ist, ist deshalb aufgrund eines Gesamtvergleichs der tariflichen Ansprüche mit den Arbeitgeberleistungen im Kalenderjahr zu beurteilen und deshalb nicht nur die tarifliche Urlaubsvergütung dem gezahlten Urlaubsgeld und die tarifliche Sonderzahlung dem gezahlten Weihnachtsgeld gegenüberzustellen. Dies ergibt sich auch ohne weiteres daraus, daß die Beklagte im Rahmen eines betrieblichen Systems mit Erfüllungswirkung für die tariflichen Ansprüche auch ein halbes Monatsgehalt als zusätzliche Urlaubsvergütung und ein volles Monatsgehalt als Weihnachtsgeld hätte zahlen können.

Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die tarifliche Regelung im Manteltarifvertrag über die Zahlung einer zusätzlichen Urlaubsvergütung eine eigenständige Regelung über die Anrechnung betrieblicher Leistungen enthielte. Dann wäre eine entsprechende Arbeitgeberleistung allein auf die zusätzliche Urlaubsvergütung anrechenbar und könnte nicht nochmals nach § 5 TV-Sonderzahlungen berücksichtigt werden. Entgegen dem Vortrag der Klägerin enthält der Manteltarifvertrag jedoch keine eigenständige Regelung über die Anrechnung betrieblicher Leistungen auf die zusätzliche Urlaubsvergütung.

Ist deshalb ein Gesamtvergleich der tariflichen Ansprüche mit den im Rahmen eines betrieblichen Systems erbrachten, auf das Kalenderjahr bezogenen Arbeitgeberleistungen zulässig, hat die Beklagte im Kalenderjahr 1992 auch den tariflichen Anspruch auf die Sonderzahlung erfüllt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, Böck, Hickler, Staedtler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI916129

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge