Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Kellners in einem Bahnhofsrestaurant

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Kellner in einem Bahnhofsrestaurant ist in Tarifgruppe 5 des Entgelttarifvertrages für die Arbeitnehmer/innen und Auszubildenden des Geschäftsbereichs Mitropa City Gastronomie (MCG) der Mitropa AG vom 22. November 1998 einzugruppieren.

 

Normenkette

BBiG § 40 Abs. 2; TVG §§ 1, 3-4

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 10.10.2001; Aktenzeichen 13 Sa 1413/01)

ArbG Berlin (Urteil vom 09.05.2001; Aktenzeichen 43 Ca 2272/01)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 10. Oktober 2001 – 13 Sa 1413/01 – aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. Mai 2001 – 43 Ca 2272/01 – wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/12 und die Beklagte 11/12 zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die zutreffende tarifliche Eingruppierung des Klägers.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit September 1980, zunächst als Buffetier, seit 1987 als Kellner in deren IC-Bahnhofsrestaurant des Bahnhofs in Berlin beschäftigt. Dabei nimmt er Bestellungen auf, serviert in der Regel ein- bis zweigängige Speisenfolgen und die bestellten Getränke, stellt die entsprechende Rechnung und kassiert. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Haustarifverträge der Beklagten Anwendung. Hierzu gehört auch der Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen und Auszubildenden des Geschäftsbereiches Mitropa City Gastronomie (MCG) der Mitropa AG vom 22. November 1998. Dessen Vorschriften lauten, soweit vorliegend von Belang:

„…

§ 2

Tarifgruppen

Für die Feststellung des tariflichen Entgeltes werden folgende Tarifgruppen (TG) gebildet:

Tarifgruppe 1:

Tätigkeiten, die keine Vorkenntnisse erfordern, z. B. Arbeitnehmer/innen mit einfachen Tätigkeiten

Reinigungspersonal Spül- und Küchenhilfen sonstiges Hilfspersonal

Tarifgruppe 2:

Tätigkeiten, die Kenntnisse oder Fertigkeiten voraussetzen, für die eine Anlernzeit erforderlich ist, z.B. Reinigungspersonal mit erhöhten Anforderungen Spül- und Küchenhilfen mit erhöhten Anforderungen Lagerpersonal mit erhöhten Anforderungen Servicepersonal und/oder Küchenpersonal ohne Fachausbildung in den ersten 12 Monaten der Tätigkeit

Tarifgruppe 3:

Tätigkeiten, die weitergehende Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern, z. B. Lagerpersonal mit besonderen Anforderungen Servicepersonal und/oder Küchenpersonal ohne Fachausbildung nach 12 Monaten der Tätigkeit

Tarifgruppe 4:

Tätigkeiten, die Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern, die über die TG 3 hinausgehen, z.B. Servicepersonal und/oder Küchenpersonal ohne Fachausbildung mit erhöhten Anforderungen

Tarifgruppe 5:

Tätigkeiten, die gründliche und/oder vielseitige Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, wie sie in der Regel durch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder durch eine betriebliche Ausbildung bzw. entsprechende Berufserfahrung (analog § 40 Abs. 2 BBiG) im fachlich entsprechenden Tätigkeitsbereich (Gastronomie/Handel) erworben werden, z. B. Servicepersonal und/oder Küchenpersonal ohne Fachausbildung mit besonderen Anforderungen Produktions- und Verkaufspersonal mit besonderen Anforderungen Koch/Köchin (gelernt) Restaurantfachmann-/frau (gelerntes Servicepersonal)

Tarifgruppe 6:

Tätigkeiten, die vertiefte gründliche und vielseitige Kenntnisse voraussetzen und deren Ausführung im begrenzten Umfang eigene Entscheidungen erfordern, z. B. Koch/Köchin (gelernt) mit erhöhten Anforderungen Restaurantfachmann-/frau (gelerntes Servicepersonal) mit erhöhten Anforderungen

§ 6

Allgemeine Eingruppierungsgrundsätze

1. Eingruppierungsverfahren

Die Arbeitnehmer/innen werden entsprechend der von ihnen überwiegend ausgeübten Tätigkeit in die Entgeltgruppen eingruppiert. … Für die Eingruppierung in eine Entgeltgruppe ist nicht die berufliche oder betriebliche Bezeichnung, sondern allein die Tätigkeit des/der Arbeitnehmers/in maßgebend.

Die Nennung von Tätigkeitsbeispielen in diesem Tarifvertrag verpflichtet den Betrieb/das Unternehmen nicht, diese in der ganzen Eingruppierungsbreite anzuwenden, wenn aufgrund fehlender Tätigkeitsfelder eine Eingruppierung nicht möglich bzw. die tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten auf bestimmte Tarifgruppen begrenzt sind.

2. Bewertungskriterien

Die Zuordnung der Arbeitnehmer/innen in die Tarifgruppen erfolgt unter Anwendung der jeweiligen Bewertungskriterien in den Oberbegriffen sowie nach den Tätigkeitsbeispielen.

Die Beispiele der Tätigkeiten sind kein abschließender Katalog und dienen der Erläuterung. Maßgebend sind die Oberbegriffe.

Bei der Eingruppierung ist die Art der überwiegend ausgeübten Tätigkeit maßgeblich. …

Soweit Arbeitnehmer/innen bereits in der Gastronomie/im Handel gearbeitet haben, sind deren Kenntnisse und Fertigkeiten bei der Eingruppierung entsprechend zu berücksichtigen.

Arbeitnehmer/innen, die bereits im Hotel- und Gaststättengewerbe als gelernte Fachkräfte tätig waren, sind mindestens ab der Tarifgruppe 5 einzugruppieren, vorausgesetzt, sie üben tatsächlich eine entsprechende Tätigkeit nach den Oberbegriffen bzw. Tätigkeitsbeispielen aus.

Ansonsten erfolgt die Eingruppierung für die oben genannten Arbeitnehmer/innen nach der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit. …

Bei der Eingruppierung … ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.”

Vor dem zum 1. Januar 1999 erfolgten Tarifwechsel war der Kläger zuletzt in der BewertungsGr. V.1 des Rahmentarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Berlin (West) eingruppiert. Mit am 25. Januar 1999 zugegangenem Schreiben teilte die Beklagte dem Kläger mit, er werde ab dem 1. Januar 1999 in Tarifgruppe 4 eingruppiert, und zahlte ihm das sich hieraus ergebende Arbeitsentgelt.

Die Beklagte beschäftigt in dem Betrieb gleichermaßen gelernte und ungelernte Kellner und Serviererinnen, ohne bei der Dienstplaneinteilung oder der Art der zugewiesenen Tätigkeit hiernach zu unterscheiden. Die ungelernten Servicekräfte, zu denen auch der Kläger gehört, erhalten Vergütung nach Tarifgruppe 4, die gelernten solche gemäß Tarifgruppe 5.

Der Kläger hat vorgetragen, er erfülle die Merkmale der Tarifgruppe 5, denn er übe Tätigkeiten aus, die gründliche und/oder vielseitige Kenntnisse und Fertigkeiten erforderten, wie sie regelmäßig durch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder entsprechende Berufserfahrung erworben würden. Dies ergebe sich zum einen aus seiner seit 1987 erworbenen Berufserfahrung als Kellner und zum anderen aus seiner im Verhältnis zu den gelernten Servicekräften gleichartigen Tätigkeit. Er sei in der Lage, anspruchsvollere Servicetätigkeiten zu erbringen wie Weinberatung, Eindecken eines mehrgängigen Menüs oder Vorlegen von Gerichten einschließlich filieren und tranchieren. Allerdings würden diese Leistungen im Betrieb der Beklagten selten abgefordert. In anderen Betrieben gruppiere die Beklagte vergleichbare Arbeitnehmer in Tarifgruppe 5 oder sogar Tarifgruppe 6 ein.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn ab dem 1. Januar 1999 in die Tarifgruppe 5 des Entgelttarifvertrages für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie Auszubildenden der MITROPA AG vom 22. November 1998 entsprechend dem Zusatzabkommen für die Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen in den ehemaligen Tochterunternehmen der MITROPA AG vom 22. November 1998 einzugruppieren.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, die Tätigkeit des Klägers beschränke sich im Wesentlichen auf Getränkeservice und das Servieren einer ein- bis zweigängigen Speisenfolge. Dies sei eine einfache Servicetätigkeit. Anspruchsvollere Servicetätigkeiten könne der Kläger nicht ausüben, insbesondere nicht ordnungsgemäß vorlegen, ein mehrgängiges Menü eindecken, umfangreiche Getränkeberatung im Hinblick auf Weine erbringen, tranchieren oder filetieren. Der Kläger habe auch nicht dargelegt, dass er solche besonderen Anforderungen im Rahmen seiner Tätigkeit erfüllen müsse. Auf das Fallbeispiel der Tarifgruppe 5 „Restaurantfachmann-/frau (gelerntes Servicepersonal)” könne er sich mangels abgeschlossener Fachausbildung nicht berufen. Der Struktur des Tarifvertrages sei jedoch zu entnehmen, dass einerseits an die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit angeknüpft werde, für die Vergütung andererseits aber auch im Rahmen einer Ausbildung erworbene und nachweisbare Qualifikationen maßgeblich seien.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung für die Zeit ab 1. April 1999. Im Übrigen hat er die Revision zurückgenommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet, denn er ist in Tarifgruppe 5 des Entgelttarifvertrages für die Arbeitnehmer/innen und Auszubildenden des Geschäftsbereiches Mitropa City Gastronomie (MCG) vom 22. November 1998 eingruppiert.

I. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es davon ausgegangen ist, dass der Kläger nicht überwiegend Tätigkeiten des Servicepersonals ausführt, welche „besondere Anforderungen” bzw. eine qualifizierte Berufsausbildung erfordern. Bei dem Fehlen einer abgeschlossenen Berufsausbildung komme es nach den zu berücksichtigenden Tätigkeitsbeispielen auf das Vorliegen besonderer Anforderungen an. Der Kläger habe das Vorbringen der Beklagten, er verrichte in der Bahnhofsgaststätte nur einfache Servicetätigkeiten, die im wesentlichen aus dem Servieren von ein- bis zweigängigen Speisenfolgen und Getränkeservice bestehen, nicht widerlegt. Daß die Beklagte bei der Dienstplaneinteilung nicht zwischen gelernten und ungelernten Kellnern unterscheide, sei nach dem Tarifvertrag unerheblich. Sein Vorbringen zur Gleichbehandlung mit angeblich vergleichbaren gelernten und ungelernten Kellnern anderer Bahnhofsrestaurants sei unsubstantiiert.

II. Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

1. Die Klage ist zulässig.

Es handelt sich um eine allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (z.B. BAG 20. Juni 2002 – 8 AZR 499/01 – nv.). Diese ist nicht nur im Bereich des öffentlichen Dienstes, sondern auch für die Privatwirtschaft anerkannt, denn der Kläger kann zumindest für die Zukunft, auf die sich die Klage auch erstreckt, seine Ansprüche nicht beziffern und ist daher insoweit an der Erhebung einer Leistungsklage gehindert (vgl. BAG 30. November 1994 – 4 AZR 901/93 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Druckindustrie Nr. 27; 20. September 1995 – 4 AZR 450/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Druckindustrie Nr. 32 = EzA TVG § 4 Druckindustrie Nr. 27; 23. September 1992 – 4 AZR 30/92BAGE 71, 195, 199 = AP BGB § 612 Diskriminierung Nr. 1).

2. Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht Vergütung nach Tarifgruppe 5 des Entgelttarifvertrages zu, denn er erfüllt die im Oberbegriff der Tarifgruppe genannten Voraussetzungen.

a) Der Kläger erfüllt zwar keines der in Tarifgruppe 5 genannten Tätigkeitsbeispiele.

aa) Der Kläger ist nicht Restaurantfachmann im Tarifsinne. Wie auch der Klammerzusatz zum entsprechenden Tätigkeitsbeispiel verdeutlicht, ist Voraussetzung der erfolgreiche Abschluß einer Ausbildung zum Restaurantfachmann/zur Restaurantfachfrau im Sinne der Verordnung über die Berufsausbildung im Gastgewerbe vom 13. Februar 1998 (BGBl. I S 351). Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht.

bb) Der Kläger erfüllt auch nicht das Tätigkeitsbeispiel des Servicepersonals ohne Fachausbildung mit besonderen Anforderungen.

(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dem für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Daher ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben (21. März 2001 – 10 AZR 41/00 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 75 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 43; 19. November 1997 – 10 AZR 249/97 – nv.). Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden (21. März 2001 – 10 AZR 41/00 – aaO). Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (20. April 1994 – 10 AZR 276/93 – AP BAT §§ 22, 23 Zulagen Nr. 11).

(2) Soweit es Servicepersonal betrifft, worunter auch der Kläger fällt, bauen die Tätigkeitsmerkmale der Tarifgruppen 3 bis 5 des Entgelttarifvertrages aufeinander auf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei derartigen Aufbaufallgruppen zunächst zu prüfen, ob der Arbeitnehmer die Anforderungen der allgemeinen und darauf jeweils nacheinander die der qualifizierenden Merkmale der höheren Vergütungsgruppen erfüllt (vgl. 18. Februar 1998 – 4 AZR 552/96 – nv.; 24. September 1980 – 4 AZR 727/78BAGE 34, 158 = AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 36). Dabei reicht eine pauschale Überprüfung aus, soweit die Parteien die Tätigkeit als unstreitig ansehen und der Arbeitgeber selbst für die Tätigkeit des Arbeitnehmers die Merkmale als erfüllt erachtet (26. April 2000 – 4 AZR 128/99 – nv.; 18. Februar 1998 – 4 AZR 552/96 – nv.; 5. März 1997 – 4 AZR 511/95 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 222; 6. Juni 1984 – 4 AZR 203/82 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 91). Eine summarische Prüfung muss allerdings erkennen lassen, auf Grund welcher konkreten Tatsachen die Erfordernisse einer bestimmten Fallgruppe bzw. Vergütungsgruppe als erfüllt angesehen werden und welche Tatumstände insbesondere für die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der niedrigeren Vergütungsgruppen herangezogen worden sind (24. Februar 1999 – 4 AZR 8/98 – ZTR 1999, 319). Zur schlüssigen Darlegung der Erfüllung eines Heraushebungsmerkmals genügt nicht allein eine genaue Darstellung der eigenen Tätigkeit. Vielmehr muss der Tatsachenvortrag auch einen wertenden Vergleich mit den nicht unter das Heraushebungsmerkmal fallenden Tätigkeiten ermöglichen (24. Februar 1999 – 4 AZR 8/98 – aaO; 20. Oktober 1993 – 4 AZR 47/93 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 173).

(3) Das Vorliegen der „besonderen Anforderungen” im Sinne des Tätigkeitsbeispiels der Tarifgruppe 5 hat der nach zutreffender Auffassung des Landesarbeitsgerichts darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht dargetan. Das Merkmal der besonderen Anforderungen nach Tarifgruppe 5 stellt eine Heraushebung gegenüber den „erhöhten Anforderungen” gemäß Tarifgruppe 4 dar; dieses wiederum baut auf das Tätigkeitsbeispiel „Servicepersonal … ohne Fachausbildung nach 12 Monaten der Tätigkeit” zu Tarifgruppe 3 auf. Das Vorbringen des Klägers lässt einen wertenden Vergleich mit den nicht unter das Heraushebungsmerkmal fallenden Tätigkeiten nicht zu. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nimmt der Kläger Bestellungen auf, serviert in der Regel ein- bis zweigängige Speisenfolgen und die bestellten Getränke, stellt die entsprechende Rechnung und kassiert. Besondere Anforderungen im Sinne der Tarifgruppe 5 oder auch nur erhöhte Anforderungen im Sinne der Tarifgruppe 4 sind hieraus nicht erkennbar. Daß der Kläger die nach seinem Vorbringen von ihm beherrschten qualifizierten Tätigkeiten wie Vorlegen von Platten, Tranchier- und Filierarbeiten usw. im Rahmen seiner Tätigkeit in nennenswertem Umfang benötigt, behauptet er selbst nicht.

Auch die von der Beklagten vorgenommene Eingruppierung gelernter Servicekräfte in Tarifgruppe 5 gibt für die Erfüllung dieses Heraushebungsmerkmals nichts her. Restaurantfachleute (gelernte Servicekräfte) sind nach dem Tätigkeitsbeispiel, welches das Heraushebungsmerkmal der besonderen Anforderungen nicht vorsieht, stets in Tarifgruppe 5 eingruppiert. Das Argument des Klägers, die Eingruppierung des gelernten Personals zeige, dass die Beklagte besondere Anforderungen im Sinne des ersten Tätigkeitsbeispiels für gegeben halte, trägt mithin nicht.

b) Der Kläger erfüllt jedoch die im Oberbegriff zu Tarifgruppe 5 genannten Voraussetzungen. Er verrichtet Tätigkeiten, die gründliche und/oder vielseitige Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, wie sie in der Regel durch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder durch eine betriebliche Ausbildung bzw. entsprechende Berufserfahrung (analog § 40 Abs. 2 BBiG) im fachlich entsprechenden Tätigkeitsbereich erworben werden.

aa) Wird die von einem Arbeitnehmer überwiegend ausgeübte Tätigkeit von einem Tätigkeitsbeispiel nicht oder nicht in vollem Umfang erfasst, so sind für die Eingruppierung die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale heranzuziehen; so regelt es im übrigen auch § 6 Ziff. 2 Satz 3 des Tarifvertrages. Bei der Auslegung von in den Oberbegriffen enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffen sind wiederum die Tätigkeitsbeispiele zu berücksichtigen (BAG 10. März 1999 – 4 AZR 246/98 – nv.; 15. Juni 1994 – 4 AZR 327/93 – AP BAT §§ 22, 23 Krankenkassen Nr. 9 = EzA TVG § 4 Eingruppierung Nr. 4; 7. November 1984 – 4 AZR 286/83 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 6; 8. Februar 1984 – 4 AZR 158/83 – BAGE 45, 121 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 134; 29. Oktober 1980 – 4 AZR 750/78 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 41).

bb) Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es davon ausgegangen ist, dass der Kläger nicht überwiegend Tätigkeiten des Servicepersonals ausführt, welche „besondere Anforderungen” bzw. eine qualifizierte Berufsausbildung erfordern.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

(1) Der Kläger verfügt über eine der beruflichen oder betrieblichen Ausbildung analog § 40 Abs. 2 BBiG entsprechende Berufserfahrung im fachlich entsprechenden Tätigkeitsbereich. Der Begriff „entsprechend” verweist auf die Art der Berufsausbildung; aus dem für die Auslegung heranzuziehenden Tätigkeitsbeispiel ergibt sich, dass für Servicekräfte die Ausbildung zum Restaurantfachmann/zur Restaurantfachfrau gemeint ist. Die Ausbildungsinhalte ergeben sich aus der Verordnung über die Berufsausbildung im Gastgewerbe vom 13. Februar 1998 (BGBl. I S 351). Gemäß deren § 14 Abs. 3 Satz 1 soll der Auszubildende in der praktischen Prüfung zeigen, dass er Gäste beraten, den Service planen und durchführen, Maschinen und Gebrauchsgüter wirtschaftlich und ökologisch einsetzen und Sicherheit und Gesundheitsschutz sowie Hygiene bei der Arbeit berücksichtigen kann. Gemäß § 14 Abs. 4 soll die schriftliche Prüfung in den Prüfungsbereichen Restaurantorganisation, Service sowie Wirtschafts- und Sozialkunde durchgeführt werden. Es kommen Fragen und Aufgaben, die sich auf praxisbezogene Fälle beziehen sollen, in Betracht. Dabei sind beispielsweise genannt die Restaurantorganisation, Führen einer Station, Umgang mit Gästen, Beratung und Verkauf, Arbeitstechniken oder Produktpräsentation. Dies sind Fertigkeiten, die auch der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit beherrschen und anwenden muss.

Nicht zu verlangen ist für die Zeit der „entsprechenden Berufserfahrung” eine Servicetätigkeit, deren Anforderungen über das bei der Beklagten tatsächlich Verlangte hinausgehen. Der Tarifvertrag verweist insoweit ausdrücklich auf § 40 Abs. 2 BBiG. Dessen Satz 1 nennt als Voraussetzung eine Berufstätigkeit von mindestens zweifacher Dauer der Ausbildungszeit. Da letztere gemäß § 25 Abs. 2 Ziff. 2 BBiG iVm. § 1 Ziff. 2, § 2 VO über die Berufsausbildung im Gastgewerbe drei Jahre beträgt und der Kläger im Betrieb seit 1987 ununterbrochen als Kellner tätig ist, liegt diese Voraussetzung vor. Weitere Voraussetzungen, insbesondere einen bestimmten Inhalt oder Anforderungsgrad der Tätigkeit nennt § 40 Abs. 2 Satz 1 BBiG nicht. § 40 Abs. 2 Satz 2 BBiG regelt für die Zulassung zur Prüfung, dass auf die zurückgelegte Berufstätigkeit verzichtet werden kann, wenn Kenntnisse und Fertigkeiten erworben wurden, die dies rechtfertigen. Eine systematische Auslegung von § 40 Abs. 2 BBiG ergibt daher, dass im Rahmen des Satzes 1 nicht zusätzlich zur Berufstätigkeit als weitere Voraussetzung zu verlangen ist, dass alle in der Ausbildungsordnung vorgesehenen Tätigkeiten ausgeübt und hinreichende Fertigkeiten und Kenntnisse im Sinne des gesamten Berufsbildes erworben sein müssten (so auch Eule BB 1990, 1337, 1338). Es genügt vielmehr jede berufsspezifische Tätigkeit. Lediglich die Arbeit in einem nur ähnlichen Beruf oder als Hilfskraft erfüllt diese Voraussetzung nicht (vgl. Knopp/Kraegeloh BBiG 4. Aufl. § 40 Rn. 3; Leinemann/Taubert BBiG § 40 Rn. 24, 30; Gedon/Spiertz Berufsbildungsrecht Bd. 1 Stand: Juni 2002 § 40 Rn. 21). Es entspricht der Erfahrung, dass die Anforderungen an einen Kellner je nach Art des Betriebes verschieden sein können (BAG 25. Juni 1958 – 4 AZR 572/56 – BAGE 6, 104, 107 = AP Art. 44 Truppenvertrag Nr. 21). Gleichwohl erfüllt auch eine Servicekraft, die – wie in der Mehrzahl der Gaststättenbetriebe – keine Gelegenheit hat, z.B. Fleisch zu tranchieren oder detaillierte Weinberatung durchzuführen, die Voraussetzungen dieses Berufsbildes.

Die Ablegung der Abschlussprüfung ist nicht Eingruppierungsvoraussetzung im Sinne der Tarifgruppe 5. Andernfalls wäre die Tarifregelung überflüssig, nach der der Abschluß einer Berufsausbildung durch entsprechende Berufserfahrung ersetzt werden kann (so auch BAG 5. September 2002 – 8 AZR 575/01 – nv. für den gleichlautenden Obersatz der Tarifgruppe 5 Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen und Auszubildenden in den Betrieben der Systemgastronomie innerhalb der Tarifvertraglichen Arbeitsgemeinschaft der Landesverbände im Deutschen Hotel- und Gaststättengewerbe).

(2) Der Kläger verrichtet auch „Tätigkeiten, die gründliche und/oder vielseitige Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern”. Bei der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist das Tätigkeitsbeispiel „Restaurantfachmann-/frau (gelerntes Servicepersonal)” zu berücksichtigen. Es verdeutlicht, dass bei der Tätigkeit einer gelernten Restaurantfachkraft unwiderleglich vermutet wird, dass die von ihr ausgeübten Tätigkeiten gründliche und/oder vielseitige Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, denn das Tätigkeitsbeispiel verzichtet auf das Erfordernis erhöhter oder besonderer Anforderungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob es sich um eine den allgemeinen Merkmalen entsprechende Tätigkeit handelt (10. März 1999 – 4 AZR 246/98 – nv.). Ein Rückgriff auf die Merkmale des Oberbegriffs ist in diesem Falle nach dem Willen der Tarifvertragsparteien ausgeschlossen (23. April 1997 – 10 AZR 903/95 – nv.; 8. Februar 1984 – 4 AZR 158/83 – BAGE 45, 121 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 134). Vorliegend kann für den Kläger nichts anderes gelten als für ausgebildete Restaurantfachleute, denn der abgeschlossenen Berufsausbildung steht nach der Regelung zu Tarifgruppe 5 die entsprechende Berufserfahrung gleich.

Dies zeigt auch der Umkehrschluss aus dem Tätigkeitsbeispiel „Servicepersonal und/oder Küchenpersonal ohne Fachausbildung mit besonderen Anforderungen”. Bei Arbeitnehmern ohne Fachausbildung ergibt sich das Vorhandensein gründlicher und/oder vielseitiger Kenntnisse und Fertigkeiten nicht bereits aus der Ausbildung (bzw. wie beim Kläger aus der Berufserfahrung als ihrem Surrogat nach § 40 Abs. 2 BBiG). Daher knüpft das für sie zutreffende Beispiel an die konkrete Tätigkeit an und fordert anders als bei den Arbeitnehmern, die die Voraussetzungen des Obersatzes erfüllen, Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

 

Unterschriften

Hauck, Dr. Wittek, Laux, Schömburg, P. Knospe

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1480162

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