Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerschaden bei Zuschlägen für bestimmte Arbeiten

 

Normenkette

BGB §§ 280, 284-286, 325, 362, 611, 615; EStG §§ 3b, 11, 38, 38a; SGB X § 115 Abs. 1; Fünftes VermBG § 2; Fünftes VermBG § 3; Fünftes VermBG § 4

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 27.05.1999; Aktenzeichen 4 Sa 1658/98)

ArbG Dortmund (Urteil vom 03.07.1998; Aktenzeichen 8 Ca 6758/97)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. Mai 1999 – 4 Sa 1658/98 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten den Ausgleich eines Nettoverdienstausfalls.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Saalchef im Spielkasino in D beschäftigt. Im Juni 1995 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos. Das Arbeitsgericht D hat diese Kündigung durch Urteil vom 14. Dezember 1995 für rechtsunwirksam erklärt und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung durch Urteil vom 16. Juni 1997 zurückgewiesen. Seit dem 1. Oktober 1996 beschäftigt die Beklagte den Kläger wieder.

Nach Abschluß des Kündigungsschutzprozesses legte die Beklagte im Juli 1997 eine Abrechnung vor. Sie leistete dem Kläger einschließlich der anteiligen Zahlungen für Juni 1995 und für Oktober 1996 eine Nachzahlung in Höhe von 185.464,69 DM brutto. Hiervon führte sie die Steuern und die vom Arbeitnehmer zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge ab und behielt das vom Kläger bezogene Arbeitslosengeld in Höhe von 25.267,30 DM ein. Die Nettoauszahlung betrug 41.303,70 DM unter Einschluß der Vergütung für den Monat Juni 1997.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihm einen zu geringen Nettobetrag ausgezahlt. Bei der tatsächlichen Ausübung der Nacht-, Sonn- und Feiertagsdienste wären die von der Beklagten gezahlten Zuschläge steuerfrei gewesen und auch der Steuersatz wäre bei monatlicher Zahlung nicht so hoch gewesen wie bei einer nachträglichen Einmalzahlung. Ohne die Kündigung hätte die private Krankenversicherung beibehalten werden können. Der Anspruch ergebe sich aus Annahmeverzug, jedenfalls aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes. Die Beklagte treffe ein Verschulden, da sie spätestens seit der erstinstanzlichen Entscheidung in dem Kündigungsschutzprozeß nicht mehr auf die Wirksamkeit ihrer Kündigung habe vertrauen dürfen. Die Höhe der Forderung folge aus den Abrechnungen des Steuerberaters für jeden einzelnen Monat. Danach bestehe ein Gesamtnettonachzahlungsanspruch in Höhe von 134.698,74 DM, auf den der anrechenbare Teil der Nachzahlung in Höhe von 35.143,71 DM, die anteiligen Nettovergütungen für Juni 1995 und Oktober 1996 in Höhe von 2.896,14 DM und 2.333,32 DM sowie das Arbeitslosengeld in Höhe von 25.267,30 DM anzurechnen seien. Es verbleibe ein Zahlungsanspruch in Höhe von 69.058,27 DM, den der Kläger hinsichtlich einer Teilforderung in Höhe von 1.934,10 DM reduziert hat. Ferner bestehe ein Anspruch auf Zahlung der vermögenswirksamen Leistungen von monatlich 78,00 DM mit einem Gesamtbetrag von 1.170,00 DM für die Monate Juli 1995 bis September 1996.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 67.124,17 DM zuzüglich 9 % Zinsen hieraus seit dem 1. Juli 1995, hilfsweise 1.170,00 DM zuzüglich 9 % Zinsen hieraus seit dem 9. Oktober 1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe die dem Kläger zustehende Bruttovergütung zutreffend abgerechnet. Die steuerfreie Gewährung von Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschlägen könne der Kläger nicht, auch nicht als Schadensersatz verlangen. Es handele sich um eine staatliche Begünstigung für tatsächlich erlittene Erschwernisse. Der Steuerberater des Klägers habe nicht die vom Kläger aufzuwendenden Beiträge zur privaten Krankenkasse und Pflegeversicherung berücksichtigt, sondern nur den Arbeitgeberzuschuß zur Kranken- und Pflegeversicherung dem Nettobetrag hinzugerechnet. Da der Kläger nach der Kündigung aber gesetzlich versichert gewesen sei, habe sie, die Beklagte, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag abgeführt und den Arbeitnehmeranteil vom Bruttolohn abgezogen. Ein Steuerprogressionsschaden sei nicht schlüssig dargelegt. Auf die Zahlung von vermögenswirksamen Leistungen habe der Kläger zwar grundsätzlich einen Anspruch. Voraussetzung sei aber, daß der Kläger einen entsprechenden Vertrag abschließe und die Stelle mitteile, an die abgeführt werden solle. Das habe der Kläger nicht getan.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch aus Annahmeverzug zutreffend verneint.

1. Nach § 615 BGB kann der Arbeitnehmer im Fall des Annahmeverzugs für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein.

a) § 615 BGB gewährt keinen eigenständigen Anspruch, sondern erhält den Vergütungsanspruch aus § 611 BGB. Es handelt sich um einen Erfüllungs-, nicht um einen Schadensersatzanspruch (vgl. nur BAG 23. August 1990 – 2 AZR 156/90 – DB 1991, 445, zu B I 2 c der Gründe; BGH 14. November 1966 – VII ZR 112/64 – NJW 1967, 248, 250; Erman/Belling BGB 10. Aufl. § 615 Rn. 34; MünchKomm/Schaub BGB 3. Aufl. § 615 Rn. 45). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß der Anspruchsinhalt von § 615 BGB dahin bestimmt wird, der Arbeitnehmer müsse so gestellt werden, als wenn der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug geraten wäre. Dadurch soll nur der Inhalt des Anspruchs als Erfüllungsanspruch charakterisiert werden (BAG 23. August 1990 a.a.O., zu B I 2 c der Gründe).

b) Die Annahmeverzugsvergütung unterliegt dem Steuer- und Sozialversicherungsrecht wie jeder Vergütungsanspruch (vgl. nur BAG 23. August 1990 a.a.O.; ErfK/Preis § 615 BGB Rn. 76; Erman/Belling a.a.O. § 615 Rn. 36; MünchArbR/Boewer 2. Aufl. Band 1 § 78 Rn. 45). Sofern nicht ausnahmsweise eine Nettolohnvereinbarung besteht, hat der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber Anspruch auf die Zahlung der vereinbarten Bruttovergütung (vgl. nur BAG 22. August 1985 – 6 AZR 504/83 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 50 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 82; 17. April 1985 – 5 AZR 74/84BAGE 48, 229, 231 m.w.N.; 18. Januar 2000 – 9 AZR 122/95 (B) – AP BGB § 288 Nr. 3 = EzA BGB § 288 Nr. 2, zu III 1 der Gründe).

c) Der Arbeitgeber erfüllt den Engeltanspruch des Arbeitnehmers dadurch, daß er die vom Arbeitnehmer geschuldeten Steuern und die Sozialversicherungsbeiträge vom Entgelt einbehält, an das Finanzamt und den zuständigen Sozialversicherungsträger abführt sowie das verbleibende Entgelt an den Arbeitnehmer auszahlt. Führt der Arbeitgeber die einbehaltenen Beträge ab, leistet er kraft gesetzlicher Anordnung an Dritte mit der Folge der Schuldbefreiung nach § 362 BGB. Die bürgerlich-rechtliche Schuld des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer erlischt (vgl. BAG 18. Januar 2000 a.a.O. m.w.N.).

2. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung des geforderten Nettobetrages in Höhe von 67.124,17 DM oder in geringerer Höhe für den Annahmeverzugszeitraum vom 14. Juni 1995 bis 20. Oktober 1996 gemäß § 615 Satz 1, § 611 BGB besteht nicht. Dem Kläger steht kein Nettozahlungsanspruch gegen die Beklagte zu. Er hat für den streitigen Zeitraum einen Anspruch auf die von der Beklagten geschuldete und der Höhe nach unstreitige Bruttovergütung, die diese abgerechnet und unter Berücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge und Steuern ausgezahlt hat (§ 362 BGB). Die Beklagte hat auch die auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangenen Arbeitsentgeltansprüche (§ 115 Abs. 1 SGBX) zutreffend angerechnet. Der Kläger behauptet die Vereinbarung einer Nettovergütung selbst nicht. Soweit er meint, die Steuerbegünstigung hinsichtlich der Zuschläge für die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit (§ 3 b EStG) sei konkludent vereinbart oder Geschäftsgrundlage des Arbeitsvertrages geworden, ist dem nicht zu folgen. Geschäftsgrundlage sind die bei Abschluß des Vertrages zu Tage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien hierauf aufbaut (vgl. nur BAG 25. Juli 1990 – 5 AZR 394/89BAGE 65, 290, 301 m.w.N.). Die steuer- und sozialrechtliche Behandlung des Arbeitslohns unterliegt nicht der Dispositionsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien, sondern ergibt sich aus den zwingenden öffentlich-rechtlichen Normen des EStG. Daß die Parteien oder auch nur der Kläger im Streitfall bei Vertragsabschluß von anderen Vorstellungen, nämlich der Nichtmaßgeblichkeit der steuerrechtlichen Bestimmungen für die Auszahlung der Arbeitsvergütung, ausgegangen sind, ist nicht erkennbar. Es genügt nicht, daß das Arbeitsverhältnis in hohem Maße durch die steuerbegünstigten Zuschläge geprägt war und der Kläger sich auf die steuerfreie Zahlung eingestellt hatte, also mit dem Nettoentgelt rechnete. Erst recht liegen entsprechende auf eine Übernahme der Steuer gerichtete Erklärungen – auch konkludent – nicht vor. Ein Anhaltspunkt dafür, die „steuerfreie Gewährung” sei zugesagt worden, besteht nicht.

II. Das Landesarbeitsgericht hat einen Schadensersatzanspruch im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

1. Die Beklagte hat dem Kläger nicht die Vermögenseinbuße zu ersetzen, die er dadurch erlitten hat, daß ihm wegen der tatsächlichen Nichtbeschäftigung die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nicht gemäß § 3 b Abs. 1 EStG steuerfrei gewährt werden konnten.

a) Bei der durch die nicht steuerfreie Auszahlung der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit bewirkten Vermögenseinbuße handelt es sich nicht um einen Verzugsschaden nach § 286 Abs. 1 BGB. Diese Vermögenseinbuße ist nicht durch die verspätete Lohnzahlung entstanden, sondern dadurch, daß der Kläger tatsächlich nicht beschäftigt worden ist. Ein solcher Schadensersatzanspruch könnte sich aus § 280 Abs. 1 BGB oder aus positiver Vertragsverletzung ergeben, je nachdem, ob die Beschäftigungspflicht als Haupt- oder Nebenpflicht des Arbeitgebers anzusehen ist (vgl. hierzu MünchArbR/Blomeyer a.a.O. § 95 Rn. 9 ff.). Zeitlich ist zu differenzieren zwischen dem Zeitraum bis zum Erlaß des arbeitsgerichtlichen Urteils im Kündigungsschutzprozeß und dem Zeitraum danach, weil die Beklagte erst durch das Arbeitsgericht zur Weiterbeschäftigung verurteilt wurde, vorher aber auf Grund der ausgesprochenen Kündigung nicht zur Weiterbeschäftigung verpflichtet war (BAG Großer Senat 27. Februar 1985 – GS 1/84BAGE 48, 122 ff.).

b) Die Vermögenseinbuße des Klägers kann der Beklagten nicht normativ zugerechnet werden.

aa) Die Regelung in § 3 b EStG stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, daß Arbeitseinkommen ebenso zur Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer gehört wie das Einkommen, das zB Gewerbetreibende oder Freiberufler durch Arbeit an Sonn- und Feiertagen oder durch Nachtarbeit erzielen (vgl. BT-Drucks. 11/2157, S 138). Die Regelung wurde aus wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Gründen eingeführt (vgl. die Gesetzesbegründung zur Vorgängerregelung in § 34 a EStG, BT-Drucks. 7/419, S 16), weil an dieser Arbeit ein Allgemeininteresse besteht (vgl. BT-Drucks. 11/2157, S 138). Zudem soll dem Arbeitnehmer durch die Steuerfreiheit ein finanzieller Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen, die mit dieser Arbeit verbunden sind, gewährt werden (vgl. BFH 26. Oktober 1984 – VI R 199/80BFHE 142, 146).

bb) Bei Nichtleistung dieser steuerlich begünstigten Arbeit entsteht kein ausgleichsbedürftiger Tatbestand. Dabei ist unerheblich, ob die Nichtleistung freiwillig erfolgt, wie etwa bei einem freigestellten Betriebsratsmitglied, oder unfreiwillig wie im Streitfall. Der Kläger war jedenfalls auf Grund der Nichtbeschäftigung nicht der besonderen Art und Weise der Erbringung der Arbeitsleistung zu unüblichen Zeiten ausgesetzt und sie ist auch Dritten tatsächlich nicht zugute gekommen.

cc) Zweck der dem Arbeitgeber trotz Ausspruchs einer Kündigung unter bestimmten Voraussetzungen auferlegten Weiterbeschäftigungspflicht ist nicht der Erhalt von Steuervorteilen des Arbeitnehmers. Die wirtschaftliche Verwertung der Arbeitskraft wird dadurch gesichert, daß dem Arbeitnehmer gemäß § 615 BGB trotz Nichtleistung der Arbeit sein Vergütungsanspruch erhalten bleibt. Hierfür bedarf es der tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht. Vielmehr leitet sich die Weiterbeschäftigungspflicht aus dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ab (vgl. nur BAG Großer Senat 27. Februar 1985 a.a.O.). Schutzzweck ist die Wahrung des ideellen Beschäftigungsinteresses des Arbeitnehmers und nicht in erster Linie die Sicherung der Vergütung oder gar die Wahrung der steuerlichen Interessen des Arbeitnehmers. Deshalb kann dem Arbeitgeber bei einer Verletzung der Beschäftigungspflicht der Wegfall von Steuervorteilen regelmäßig nicht im Rahmen einer Schadensersatzpflicht zugerechnet werden. Will sich der Arbeitnehmer die Steuervorteile tatsächlich erhalten, muß er seinen Weiterbeschäftigungsanspruch durchsetzen. Eine weitergehende Haftung des Arbeitgebers kommt insbesondere nach § 826 BGB in Betracht. Hierzu hat der Kläger aber nichts vorgetragen.

c) Ob dem Kläger hinsichtlich seiner Nichtbeschäftigung ein Mitverschulden (§ 254 BGB) zur Last zu legen ist, weil er den titulierten Weiterbeschäftigungsanspruch nicht vollstreckt hat, kann deshalb dahinstehen.

2. Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch, so gestellt zu werden, als wäre er in dem Zeitraum vom 14. Juni 1995 bis 20. Oktober 1996 privat versichert gewesen.

a) Der Kläger unterfiel als Arbeitslosengeldbezieher der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V i.V.m. § 155 AFG, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XI). Ein Schaden kann dem Kläger vor allem dann entstanden sein, wenn er neben der gesetzlichen Pflichtversicherung in einem privaten Versicherungsverhältnis stand und zur Beitragszahlung gegenüber der privaten Versicherung verpflichtet war.

Der Kläger hat nicht dargelegt, zu welchem Unternehmen und zu welchen Bedingungen ein privater Versicherungsvertrag bestanden haben soll und welche Zahlungen er dafür geleistet haben will.

b) Ob der Kläger – das Bestehen eines privaten Versicherungsvertrages unterstellt – aus Gründen der Schadensminderungspflicht verpflichtet gewesen wäre, mit Eintritt der gesetzlichen Pflichtversicherung einen privaten Versicherungsvertrag zu kündigen (vgl. § 5 Abs. 9 SGB V bzw. § 27 SGB XI) oder eine Ruhens- oder Anwartschaftsversicherung zu vereinbaren, kann angesichts der Unschlüssigkeit des klägerischen Vorbringens offenbleiben.

3. Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch in Höhe von 67.124,17 DM oder in Höhe eines bestimmten geringeren Betrages wegen Schuldnerverzugs gem. § 286 Abs. 1 i.V.m. § 284 Abs. 2 Satz 1, § 285 BGB als sog. Steuerprogressionsschaden gegen die Beklagte zu.

a) Die Beklagte hat die Vergütung für den Zeitraum vom 14. Juni 1995 bis 20. Oktober 1996 verspätet, nämlich erst im Juli 1997, gezahlt. Die Fälligkeit der Annahmeverzugsvergütung bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, in dem die Vergütung bei ordnungsgemäßer Abwicklung fällig geworden wäre. Die Ansprüche entstehen auch während des Kündigungsschutzprozesses unbedingt und werden fällig, wie wenn die Dienste wirklich geleistet worden wären (vgl. nur BAG 10. April 1963 – 4 AZR 95/62BAGE 14, 156, 160; 4. Mai 1977 – 5 AZR 187/76 – BAGE 29, 152, 156; Großer Senat 27. Februar 1985 a.a.O. BAGE 48, 122, 144 f., zu C II 1 b der Gründe). Es bedurfte keiner Mahnung des Klägers. Die Zahlungen waren nach dem Kalender bestimmt (§ 284 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 614 Satz 2 BGB).

b) Zu dem Verzugsschaden gem. § 286 Abs. 1 BGB kann auch ein durch die verspätete Zahlung entstandener Steuerschaden gehören (vgl. Senat 23. September 1999 – 8 AZR 791/98 – n.v.; 23. September 1999 – 8 AZR 792/98 – n.v.; 27. Mai 1999 – 8 AZR 322/98 – n.v.; 18. Februar 1999 – 8 AZR 320/97 – n.v.; 14. Mai 1998 – 8 AZR 633/96 – n.v.; 14. Mai 1998 – 8 AZR 634/96 – NZA-RR 1999, 511; 14. Mai 1998 – 8 AZR 158/97 – AuA 1999, 34). Nach dem im Steuerrecht geltenden „Zuflußprinzip” (§ 11 Abs. 1 Satz 1, § 38 Abs. 2 Satz 2, § 38 a Abs. 1 EStG) sind Arbeitsvergütungen grundsätzlich im Steuerjahr des Zuflusses zu versteuern. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitsvergütung für ein dem Steuerjahr vorangegangenes Beschäftigungsjahr an den Arbeitnehmer nachgezahlt wird. Kommt es danach, wie im Streitfall, zu Nachzahlungen aus den Vorjahren, so kann die einmalige Zahlung zusammen mit der Zahlung der laufenden Arbeitsvergütung im Steuerjahr zu einer „progressionsbedingten” erhöhten Steuerbelastung führen. Auch dieser steuerliche Nachteil kann als Verzugsschaden bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 286 Abs. 1, § 284 Abs. 2 Satz 1, § 285 BGB geltend gemacht werden. Hiergegen läßt sich nicht einwenden, dieser Steuerschaden könne dem Arbeitgeber nicht im Sinne von § 286 BGB normativ zugerechnet werden. Zwar beruht der finanzielle Nachteil des Arbeitnehmers auf einer Anwendung zwingender Steuervorschriften. Zu dem möglichen Steuerschaden ist es aber nur deshalb gekommen, weil die Beklagte als die Arbeitgeberin nicht fristgerecht geleistet hat. Indem das Gesetz dem Arbeitgeber die Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten des Arbeitnehmers treuhänderisch auferlegt, bezweckt es gerade auch den Schutz der steuerlichen Interessen des Arbeitnehmers. Die regelmäßige Zahlung der Bruttovergütung soll ein gleichmäßiges und berechenbares Einkommen des Arbeitnehmers sichern. Die genannten steuerrechtlichen Nachteile sind daher von der Ersatzpflicht mit erfaßt. Sie sind das spiegelbildliche Gegenstück für die Anrechnung von steuerlichen Vorteilen im Wege des Vorteilsausgleichs (vgl. hierzu BGH 18. Dezember 1969 – VII ZR 121/67BGHZ 53, 132, 134).

c) In Höhe von 67.124,17 DM hat der Kläger keinen Progressionsschaden erlitten, weil er in diesen Betrag weitere Berechnungsposten einbezogen hat. Hiervon geht auch der Kläger aus. Ihm wäre im Rahmen seines Leistungsantrages gemäß § 308 ZPO ein geringerer Schadensersatz zuzusprechen, wenn sich ein solcher auf Grund der vorgetragenen Tatsachen berechnen ließe. Das ist aber nicht der Fall.

Die Schadensberechnung kann nicht in der Weise erfolgen, daß gegenübergestellt wird, welche Steuern der Kläger hätte zahlen müssen, wenn die Beklagte die Vergütung jeweils monatlich für den Zeitraum 14. Juni 1995 bis 20. Oktober 1996 ausgezahlt hätte und welche Steuern demgegenüber die Beklagte mit der Abrechnung und Auszahlung im Juli 1997 in Abzug gebracht hatte. Abgesehen davon, daß bei dieser Berechnung auch die Steuerbefreiungsregelung des § 3 b EStG zu Gunsten des Klägers berücksichtigt würde, die gesonderter Betrachtung bedarf, kommt es für das Vorliegen eines Schadens auf die Höhe der Jahreslohnsteuer (vgl. § 38 a EStG) an. Der Kläger hätte dann einen Steuerschaden erlitten, wenn er für die Jahre 1995, 1996 und 1997 zusammen mehr Steuern entrichten mußte, als er hätte Steuern zahlen müssen, wenn die Beklagte die Gehälter für den Zeitraum 14. Juni 1995 bis 20. Oktober 1996 fristgerecht jeweils in den Jahren 1995 und 1996 und nicht erst insgesamt im Jahre 1997 gezahlt hätte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der Kläger auf Grund der ausbleibenden Gehaltszahlungen in den Jahren 1995 und 1996 eine geringere Steuerbelastung hatte. Der Kläger hat hierzu keinerlei Angaben gemacht und auch im übrigen keinen Vortrag zur Berechnung eines Progressionsschadens geleistet. Ihm wären diesbezügliche Angaben bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung möglich gewesen. Er weist in der Revisionsbegründung selbst darauf hin, daß der Steuerbescheid für das Jahr 1997 am 16. Oktober 1998, also mehrere Monate vor der Berufungsverhandlung, ergangen ist.

d) Ob ein Verschulden der Beklagten vorlag (§ 285 BGB), kann deshalb dahinstehen.

III. Die Klage ist auch unbegründet, soweit der Kläger von der Beklagten die Zahlung von vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 1.170,00 DM verlangt.

1. Vermögenswirksame Leistungen sind Geldleistungen, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer anlegt (§ 2 Abs. 1 Fünftes VermBG). Sie sind arbeitsrechtlich Bestandteil des Lohns oder Gehalts (§ 2 Abs. 7 Fünftes VermBG), steuerpflichtige Einnahmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes und Einkommen, Verdienst oder Entgelt (Arbeitsentgelt) im Sinne der Sozialversicherung und des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (§ 2 Abs. 6 Satz 1 Fünftes VermBG). Es handelt sich um einen Brutto-, nicht um einen Nettobetrag. Der Arbeitnehmer hat im Regelfall gegen seinen Arbeitgeber keinen Anspruch auf die Zahlung von vermögenswirksamen Leistungen an sich selbst. Der Arbeitgeber hat nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Fünftes VermBG die vermögenswirksamen Leistungen für den Arbeitnehmer unmittelbar an das Unternehmen oder Institut zu überweisen, bei dem sie angelegt werden sollen. Lediglich für die Anlageform nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Fünftes VermBG ist geregelt, daß der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers die vermögenswirksamen Leistungen an den Arbeitnehmer zu überweisen hat, wenn dieser dem Arbeitgeber eine schriftliche Bestätigung seines Gläubigers vorgelegt hat, daß die Anlage bei ihm die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Fünftes VermBG erfüllt (§ 3 Abs. 3 Satz 1 Fünftes VermBG). Hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen. Von diesem Ausnahmefall abgesehen kann der Arbeitnehmer nicht die Leistung offener vermögenswirksamer Leistungen an sich selbst verlangen, sondern nur auf ein auf seinen Namen laufendes Konto bei einem Dritten, bei dem die vermögenswirksame Leistung angelegt werden soll (vgl. BAG 3. März 1993 – 10 AZR 36/92 – n.v., zu 14 der Gründe). Das ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und konnte für den Kläger nicht überraschend sein.

2. Eine Zahlung an sich selbst könnte der Kläger als Schadensersatz gemäß § 325 BGB wegen Unmöglichkeit geltend machen (vgl. Senat 21. Januar 1999 – 8 AZR 217/98 – n.v.), wenn es sich um einen Wertpapier-Sparvertrag gemäß § 4 Fünftes VermBG gehandelt hat, der wegen Nichteinzahlung beendet worden ist (§ 4 Abs. 6 Fünftes VermBG). Der Kläger hat nicht vorgetragen, ob hinsichtlich seiner Anlageform ein Fall der Unmöglichkeit eingetreten, insbesondere der Vertrag wegen Nichteinzahlung vom Vertragspartner beendet worden ist. Er hat auch nicht geltend gemacht, er sei in Vorlage getreten und könne deshalb Zahlung an sich selbst verlangen.

IV. Der Kläger hat gemäß den § 97 Abs. 1, §§ 566, 515 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Etzel, Dr. Wittek, Mikosch, Noack, Lorenz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1532041

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