Entscheidungsstichwort (Thema)

Versäumung der Berufungsbegründungsfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

- Anschluß an BAG 30. Mai 2001 – 4 AZR 271/00 – zur Veröffentlichung vorgesehen -

 

Normenkette

ZPO §§ 233, 519 Abs. 1, 2 S. 2, § 519b Abs. 1; ArbGG § 64 Abs. 6, § 66 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 13.12.1999; Aktenzeichen 4 Sa 625/99)

ArbG Köln (Urteil vom 13.01.1999; Aktenzeichen 10 Ca 7305/97)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 13. Dezember 1999 – 4 Sa 625/99 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im wesentlichen darüber, ob die Beklagte eine dem Kläger erteilte Versorgungszusage wegen wirtschaftlicher Notlage wirksam widerrufen hat.

Der am 5. September 1942 geborene Kläger war zunächst bis 1986 bei der Fa. J. D. beschäftigt. Mit Anstellungsvertrag vom 10. Oktober 1986 wurde er dann von der KHD Agrartechnik GmbH, vertreten durch ihre Alleingesellschafterin, die zum damaligen Zeitpunkt unter der Bezeichnung K. – H. – D. AG (KHD AG) firmierende Beklagte, zum 1. Januar 1987 eingestellt und zum Geschäftsführer bestellt. Ab dem 1. Juni 1988 war er für die Beklagte selbst als Prokurist und Leiter der Abteilung Industrielle Vorhaben tätig. Im Arbeitsvertrag vom 20. Dezember 1988 erteilte ihm die Beklagte eine Pensionszusage. Mit Schreiben vom 5. Januar 1989 bestätigte die Beklagte dem Kläger darüberhinaus die folgende Vereinbarung:

„Sollte Ihr seinerzeitiger Arbeitgeber J. D. mit einer Übertragung der Pensionsrückstellungen nicht einverstanden sein, so erklärt sich KHD bereit, die hier für Sie gebildeten Pensionsrückstellungen gegebenenfalls aufzulösen und zu übertragen, falls Sie vor Ablauf von 10 Jahren aus dem Unternehmen ausscheiden.”

Mit Wirkung vom 1. Januar 1990 wurde der Geschäftsbetrieb der Abteilung Industrielle Vorhaben ausgegliedert und auf die KHD Techno-Transfer GmbH übertragen. Mit der Übertragung gingen die Arbeitsverhältnisse der in dieser Abteilung beschäftigten Arbeitnehmer auf die KHD Techno-Transfer GmbH über, deren Geschäftsführer der Kläger wurde. Alleingesellschafterin der KHD Techno-Transfer GmbH war die KHD Beteiligungsverwaltung Gesellschaft mbH. Zwischen ihr und der KHD Techno-Transfer GmbH bestand ein Beherrschungsvertrag. Aufgrund einer Führungsvereinbarung bildete letztere mit der Beklagten und anderen Konzerngesellschaften einen Gemeinschaftsbetrieb am Standort K.

Mit Schreiben vom 24. Juni 1996 widerrief die KHD Beteiligungsverwaltung Gesellschaft mbH die Zusage auf betriebliche Altersversorgung „im Hinblick auf die wirtschaftliche Notlage der KHD-Gruppe” zum 30. Juni 1996.

Im Jahre 1997 verschmolz die KHD Techno-Transfer GmbH mit der Beklagten, die seit 1. Januar 1997 unter der Bezeichnung D. AG firmiert. Seither ist der Kläger bei der Beklagten mit der Betreuung von Sonderprojekten beschäftigt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Widerruf der Versorgungszusage sei unwirksam. Der Widerruf habe nicht von der KHD Beteiligungsverwaltung Gesellschaft mbH erklärt werden können. Zudem lägen die Voraussetzungen für einen Widerruf nicht vor. Zumindest sei die ihm mit Schreiben vom 5. Januar 1989 erteilte Individualzusage von dem Widerruf nicht betroffen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

  1. Es wird festgestellt, daß der Widerruf der dem Kläger von der Beklagten erteilten Versorgungszusage durch Schreiben der Fa. KHD Beteiligungsverwaltung GmbH vom 24. Juni 1996 rechtsunwirksam ist.
  2. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger mit Eintreten der Voraussetzungen nach der Leistungsordnung des Essener Verbandes ein Altersruhegeld gem. Gruppe P dieser Leistungsordnung zu zahlen.
  3. Hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über die Höhe der für ihn gebildeten und am 30. Juni 1996 aufgelösten Altersversorgungsrückstellungen per 30. Juni 1996 Auskunft zu erteilen.
  4. Hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, nach erteilter Auskunft eine Summe in Höhe der aufgelösten Rückstellungen für die Pensionsansprüche des Klägers auf einen vom Kläger zu benennenden Träger der betrieblichen Altersversorgung zu übertragen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Widerruf sei zu Recht von der KHD Beteiligungsverwaltung Gesellschaft mbH als Alleingesellschafterin der KHD Techno-Transfer GmbH erklärt worden. Der Widerruf sei wegen wirtschaftlicher Notlage gerechtfertigt gewesen. Für die Vereinbarung vom 5. Januar 1989, die auch in einem untrennbaren Zusammenhang mit der arbeitsvertraglichen Versorgungszusage stehe, sei infolge des Eintritts der wirtschaftlichen Notlage im Juni 1996 die Geschäftsgrundlage entfallen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Versäumnisurteil vom 9. September 1998 abgewiesen. Mit Schreiben vom 5. November 1998 und vom 19. November 1998 hat es vergeblich beim Prozeßbevollmächtigten des Klägers die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses über die Zustellung des Versäumnisurteils angemahnt. Dieses Urteil wurde dann dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 30. November 1998 durch Postzustellungsurkunde zugestellt. Am 7. Dezember 1998 hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers gegen das Versäumnisurteil vom 9. September 1998 Einspruch eingelegt. Durch Urteil vom 13. Januar 1999 hat das Arbeitsgericht das Versäumnisurteil vom 9. September 1998 aufrechterhalten. Dieses Urteil ist dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 29. April 1999 zugestellt worden. Die auf Montag, den 31. Mai 1999, datierte Berufungsschrift des Klägers wurde am selben Tag in den Nachtbriefkasten des Landesarbeitsgerichts eingeworfen.

Mit Schriftsatz vom 1. Juli 1999, eingegangen per Fax am selben Tage, beantragte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis zum 15. Juli 1999; es sei Akteneinsicht beantragt worden, sein Büro sei erst am 30. Juni 1999 über das Vorliegen der erstinstanzlichen Akten unterrichtet worden, die am 1. Juli 1999 abgeholt worden seien. Der Unterzeichner sehe sich wegen der Wahrnehmung anderer Termine an diesem Tage nicht in der Lage, kurzfristig eine umfangreiche Berufungsbegründung zu fertigen. Unter dem 1. Juli 1999 wies das Landesarbeitsgericht den Prozeßbevollmächtigten des Klägers darauf hin, daß die Berufungsbegründungsfrist am 30. Juni 1999 abgelaufen sei.

Mit der am 15. Juli 1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufungsbegründungsschrift hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers einen gesonderten Schriftsatz eingereicht, in dem er beantragt hat, dem Kläger wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat hierzu vorgetragen und glaubhaft gemacht, die Berufungsbegründungsfrist sei nicht bereits mit Einlegung der Berufung, sondern erst mit Eingang einer Eingangsbestätigung des Landesarbeitsgerichts notiert worden. Die Bestätigung vom 2. Juni 1999 über den Berufungseingang am 31. Mai 1999 sei in der Praxis am 9. Juni 1999 eingegangen und von der seit dem 1. November 1998 beschäftigten Rechtsanwaltsfachangestellten G. bearbeitet worden. Diese habe die Begründungsfrist auf der Eingangsbestätigung des Landesarbeitsgerichts ordnungsgemäß auf den 30. Juni 1999 notiert. Sie habe dann im Fristenkalender die Frist zur Einlegung der Berufung entgegen ihrer Notiz auf diesem Schreiben und entgegen der zutreffenden Notierung der Vorfrist auf den 23. Juni 1999 fälschlich auf den 1. Juli 1999 notiert. Ein vergleichbares Fehlverhalten dieser Mitarbeiterin in der Vergangenheit sei dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers nie aufgefallen. Frau Gassen könne sich den Fehler allein damit erklären, daß sie während der Eintragung der Frist in den Terminkalender von der linken Seite (30. Juni 1999) auf die rechte Seite (1. Juli 1999) „gerutscht” sei.

Bei Wiedervorlage der Akte am 23. Juni 1999 habe der Prozeßbevollmächtigte festgestellt, daß die angeforderte Gerichtsakte noch nicht eingegangen sei. Er habe Frau G. angewiesen, ihm sofort nach einem entsprechenden Anruf der Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts Mitteilung über das Eintreffen der erstinstanzlichen Akten zu machen. Die von Frau G., einer qualifizierten Rechtsanwaltsfachangestellten, auf dem Schreiben des Landesarbeitsgerichts vom 2. Juni 1999 notierte Frist sei von ihm bereits bei Vorlage dieses Schreibens mit der Akte überprüft worden. Im Zusammenhang mit der Wiedervorlage am 23. Juni 1999 habe er erneut und routinemäßig überprüft, daß die Berufungsbegründungsfrist mit dem 30. Juni 1999 auf dem Schreiben der Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts zutreffend notiert gewesen sei. Die Eintragung im Fristenkalender sei in den Handakten vermerkt. Des weiteren habe er auf seinem Büroschreibtisch einen Handkalender oder einen Übersichtskalender im Kleinformat, anhand dessen er dann gleichzeitig auch feststellen könne, ob Vorfristen rechtzeitig und gesondert vorgelegt würden. Aufgrund der fehlerhaften Notierung im Fristenkalender sei die Akte dann erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 1. Juli 1999 mit der Gerichtsakte zur Anfertigung der Berufungsbegründung vorgelegt worden. Ein Anwaltsverschulden liege nicht vor. Die in seinem Büro beschäftigten qualifizierten Mitarbeiter seien sowohl von ihm als auch von einer dort ebenfalls tätigen Rechtsanwältin in die Bedeutung von Fristen und in die Besonderheiten von arbeitsgerichtlichen Verfahren eingewiesen worden.

Die Beklagte hat sich gegen den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers gewandt und die Auffassung vertreten, das Verschulden des Prozeßbevollmächtigten des Klägers stehe einer Wiedereinsetzung entgegen. Die Berufungsbegründungsfrist hätte mit Einlegung der Berufung schon vor Eingang der gerichtlichen Bestätigung vorläufig im Fristenkalender notiert und danach erneut überprüft werden müssen. In diesem Fall wäre es nicht zu einer fehlerhaften Eintragung gekommen. Die Beklagte hat ferner geltend gemacht, der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 9. September 1998 sei verspätet erhoben worden. Da das Versäumnisurteil am 10. November 1998 bereits beim Prozeßbevollmächtigten der Beklagten eingegangen sei und die Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts die Prozeßbevollmächtigten des Klägers zweimal zur Rücksendung des betreffenden Empfangsbekenntnisses aufgefordert habe, spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, daß das Versäumnisurteil bereits vor der am 30. November 1998 durch Postzustellungsurkunde erfolgten Zustellung bei den Prozeßbevollmächtigten des Klägers eingegangen sei.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat es zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Berufung zu Recht als unzulässig verworfen und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt.

I. Die Berufung war als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist begründet worden ist (§ 64 Abs. 6, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 519 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, § 519 b Abs. 1 ZPO).

Die einmonatige Frist zur Berufungsbegründung hat mit der Einlegung der Berufung am 31. Mai 1999 zu laufen begonnen. Sie ist am Mittwoch, den 30. Juni 1999 abgelaufen (§ 188 Abs. 3 BGB). Das Landesarbeitsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die Berufungsbegründungsfrist über diesen Termin hinaus zu verlängern. Der Antrag auf Verlängerung einer Frist muß innerhalb des Laufs der zu verlängernden Frist bei Gericht eingehen (ArbGV/Knipp § 66 Rn. 13; Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 66 Rn. 28). Der Verlängerungsantrag des Klägers ist demgegenüber erst am 1. Juli 1999 eingegangen.

Da die Berufungsbegründungsfrist mithin am 30. Juni 1999 abgelaufen ist, war die erst am 15. Juli 1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufungsbegründung verspätet.

II. Dies führt zur Unzulässigkeit der Berufung des Klägers, weil ihm wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war. Der Kläger war nicht ohne sein Verschulden gehindert, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten (§ 233 ZPO). Seinem Prozeßbevollmächtigten ist ein für die Fristversäumnis ursächliches Organisationsverschulden unterlaufen, das dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen, das § 233 ZPO rechtsfehlerfrei und in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung angewendet hat.

1. Entgegen der Auffassung des Klägers hat er die Berufungsbegründungsfrist nicht aufgrund des individuellen Versagens einer ansonsten als zuverlässig bekannten Rechtsanwaltsfachangestellten versäumt. Entscheidend war ein Organisationsverschulden seines Prozeßbevollmächtigten, für das er nach § 85 Abs. 2 ZPO einzustehen hat. Dieser hat sein Büropersonal, wie er in der Revisionsbegründung noch einmal ausdrücklich bestätigt hat, nicht angewiesen, die voraussichtliche Frist für die Berufungsbegründung bereits bei Absendung der Berufungsschrift im Fristenkalender zu vermerken. Er hält sich zu Unrecht nicht für verpflichtet, dies zu tun.

Es gehört zu den Organisationspflichten eines Rechtsanwalts, selbst oder durch entsprechende Anweisungen an geschultes und zuverlässiges Büropersonal dafür Sorge zu tragen, daß bei oder nach Absendung der Berufungsschrift die nach bisherigem Recht von deren Einreichung abhängige voraussichtliche Frist für die Berufungsbegründung sofort festgehalten wird (BAG 30. Mai 2001 – 4 AZR 271/00 – zVv., zu II 2 a der Gründe; BGH 9. Januar 2001 – VIII ZB 26/00VersR 2001, 1132, zu IV der Gründe; 6. Mai 1997 – VI ZB 12/97 – VersR 1997, 1118, zu II 1 der Gründe; 21. Oktober 1987 – IVb ZB 158/87 – NJW 1988, 568). Die Pflicht, nach Eingang der gerichtlichen Empfangsbestätigung diese Fristeintragung zu überprüfen und ggf. zu korrigieren, ersetzt diese notwendige Vorkehrung nicht, sondern ergänzt sie. Erst die Kombination beider Organisationsregelungen erfüllt den hohen Sorgfaltsmaßstab, den ein Rechtsanwalt im Hinblick auf die Bedeutung der Einhaltung prozessualer Fristen zu wahren hat. Der Verpflichtung zur Notierung der vorläufigen Frist bereits bei Absendung der Berufung kommt nicht nur die Funktion zu, die Einhaltung der Frist für den Fall zu sichern, daß keine Eingangsmitteilung des Gerichtes eingeht. Sie stellt gleichzeitig eine Sicherung gegen Fehler bei der Notierung der Frist bei Eingang der Empfangsbestätigung des Gerichtes dar. Sie führt dazu, daß die Frist – jedenfalls als vorläufige – im Fristenbuch eingetragen ist, auch wenn bei Eingang der gerichtlichen Empfangsbestätigung die Frist versehentlich nicht eingetragen oder fehlerhaft berechnet oder eingetragen wird (BAG 30. Mai 2001 – 4 AZR 271/00 – aaO).

Die Auffassung des Klägers, die Eintragung einer vorsorglichen Begründungsfrist bei Absendung des Rechtsmittels und die Überprüfung oder Korrektur dieser „fiktiven” Frist bei Eingang der Empfangsbestätigung des Gerichtes könne zu einer Häufung individueller Fehler und zu vermehrten Fristversäumnissen durch individuelle Fehler des Büropersonals führen, ist unrichtig. Sie läßt außer Acht, daß durch die Kombination dieser organisatorischen Vorkehrungen eine zusätzliche Überprüfungsmöglichkeit geschaffen wird. Nach einer Einweisung des qualifizierten Büropersonals, wie sie von Rechts wegen geboten ist, hat dies typischerweise keine Fehlerhäufung, sondern eine Fehlerminimierung zur Folge. Es ist auch unzutreffend, wenn der Kläger meint, die Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts führe dazu, daß bei Eingang der Empfangsbestätigung eine „zweite” Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender zu notieren sei. Es sind nicht mehrere Begründungsfristen in einer Angelegenheit zu vermerken, vielmehr ist die bei Absendung der Rechtsmittelfrist vorläufig im Fristenkalender einzutragende Begründungsfrist bei Eingang der gerichtlichen Mitteilung zu überprüfen und möglicherweise zu korrigieren. Auch der Einwand des Klägers, durch eine im Kanzleikalender nicht eingetragenen Wiedervorlage sei sichergestellt, daß Akten nicht aus der Bearbeitung fielen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Ein Wiedervorlagesystem ist zur Fristenüberwachung ebenso unzureichend wie eine nur in der Handakte erfolgte Eintragung der Frist (BGH 6. Mai 1997 – VI ZB 12/97 – VersR 1997, 1118, zu II 1 b der Gründe; 9. Januar 2001 – VIII ZB 26/00VersR 2001, 1132, zu IV der Gründe).

2. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend angenommen, daß die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf diesem Organisationsverschulden des Prozeßbevollmächtigten des Klägers beruht, das diesem nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

Ein schuldhaftes Fehlverhalten steht der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO zwar nur entgegen, wenn es für die Fristversäumung ursächlich geworden ist. Gibt es mehrere Ursachen für die Fristversäumung, ist von einer die Wiedereinsetzung ausschließenden Verursachung durch das erste Fehlverhalten auch dann auszugehen, wenn die zweite Ursache mitursächlich gewesen ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn nur die zweite Ursache im Sinne einer überholenden Kausalität zum Tragen gekommen ist, die erste sich also auf die Fristversäumung letztlich nicht ausgewirkt haben kann (ua. BAG 30. Mai 2001 – 4 AZR 271/00 – aaO, zu II 2 b aa der Gründe; BGH 6. Februar 1997 – III ZB 97/96 – VersR 1997, 642; 6. Mai 1997 – VI ZB 12/97 – aaO; 9. Januar 2001 – VIII ZB 26/00 – aaO; im Ergebnis abweichend 24. September 1997 – XII ZB 108/97 – NJW-RR 1998, 269).

Nach diesen Grundsätzen ist von einer Mitursächlichkeit des Organisationsverschuldens des Prozeßbevollmächtigten des Klägers auszugehen, die nicht durch das individuelle Fehlverhalten seiner Mitarbeiterin bei der Eintragung im Fristenkalender überholt worden ist. Das Organisationsverschulden des Prozeßbevollmächtigten des Klägers hat dazu geführt, daß im Fristenkalender bei Übermittlung der Berufungsschrift keine vorläufige Frist für die Berufungsbegründung eingetragen worden ist. Da die Berufungsschrift am 31. Mai 1999 in den Nachtbriefkasten des Landesarbeitsgerichts eingeworfen worden ist, wäre bei pflichtgemäßer Anweisung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers bereits an diesem Tag, spätestens am Folgetag, der 30. Juni 1999 als vorläufige Frist für die Berufungsbegründung in den Fristenkalender eingetragen worden. Diese Fristeintragung hätte dazu geführt, daß dem Prozeßbevollmächtigten die Akte spätestens am 30. Juni 1999 mit dem Hinweis auf den Ablauf der Begründungsfrist hätte vorgelegt werden müssen. Es ist, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, äußerst unwahrscheinlich, daß der zuständigen Rechtsanwaltsfachangestellten das glaubhaft gemachte Versehen, nämlich der „Ausrutscher” vom linken Kalenderblatt (30. Juni 1999) auf das rechte Kalenderblatt (1. Juli 1999) bei Eintragung der Frist nach Eingang der gerichtlichen Empfangsbestätigung in gleicher Weise unterlaufen wäre, wenn sie aufgrund einer allgemeinen Anweisung die vorläufig berechnete Frist schon bei Absendung der Berufungsschrift eingetragen hätte. Selbst wenn ihr dieser Fehler – dem Kläger an sich nicht zurechenbar – bei der vorläufigen Eintragung der Berufungsbegründungsfrist unterlaufen wäre, hätte die Mitarbeiterin ihren Fehler mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einer Überprüfung anhand der Eingangsmitteilung des Landesarbeitsgerichts bemerkt und korrigiert. Auch in diesem Falle wäre dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers die Handakte rechtzeitig vor Fristablauf am 30. Juni 1999 vorgelegt worden. Da Vorkehrungen für eine doppelte Sicherung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist getroffen werden müssen, reicht es für die Kausalität des Verschuldens des Prozeßbevollmächtigten des Klägers aus, daß eine der Sicherungen durch das Organisationsverschulden des Prozeßbevollmächtigten nicht eingerichtet worden ist, auch wenn die Fristversäumung im Ergebnis dadurch zustande gekommen ist, daß die einzige tatsächlich organisierte Sicherung wegen eines der Partei nicht zurechenbaren Fehlers der Rechtsanwaltsgehilfin nicht gegriffen hat (BAG 30. Mai 2001 – 4 AZR 271/00 – aaO, zu II 2 b bb der Gründe).

Damit hat in jedem Falle das dem Kläger zurechenbare Organisationsverschulden seines Prozeßbevollmächtigten die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist maßgeblich verursacht. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist schied damit aus.

III. Es kann angesichts dessen offenbleiben, ob ein für die Fristversäumung ursächliches Verschulden des Prozeßbevollmächtigten des Klägers nicht schon darin zu sehen ist, daß er bei Wiedervorlage der Handakte am 23. Juni 1999 keine Vorkehrungen getroffen hat, daß die in der Handakte auf der gerichtlichen Eingangsbestätigung zutreffend mit dem 30. Juni 1999 vermerkte Frist durch Eintragung einer neuen Vorfrist gesichert wurde. Es spricht einiges dafür, daß sich der Prozeßbevollmächtigte des Klägers angesichts des drohenden Fristablaufs gerade im Hinblick darauf, daß die zur Fertigung der Berufungsbegründung angeforderte Gerichtsakte noch nicht vorlag, nicht auf die Anweisung beschränken durfte, er sei zu informieren, wenn die Gerichtsakte eingetroffen sei. Möglicherweise hätte er auch den erst am 1. Juli 1999 gestellten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bereits am 23. Juni 1999 einreichen müssen, um seiner anwaltlichen Sorgfaltspflicht zu genügen.

IV. Da die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt worden ist, kommt es auf die – nicht tragenden – Erwägungen des Landesarbeitsgerichts, ob bereits der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 9. September 1998 hätte verworfen werden müssen, nicht an.

 

Unterschriften

Reinecke, Kremhelmer, Bepler, Stemmer, H. Frehse

 

Fundstellen

Haufe-Index 743674

NZA 2003, 575

EzA

NZA-RR 2003, 44

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