Entscheidungsstichwort (Thema)

Internationale Zuständigkeit der Arbeitsgerichte

 

Orientierungssatz

 

Normenkette

ZPO § 29; BGB § 269

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Urteil vom 24.04.2001; Aktenzeichen 6 Sa 662/00)

ArbG Weiden (Urteil vom 11.08.2000; Aktenzeichen 2 Ca 470/00 C)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche und hierbei vorab über die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Arbeitssachen.

Der Kläger war zunächst bei der R… GmbH mit Sitz in C… beschäftigt. Am 4. Oktober 1999 schloß der Kläger mit der Beklagten zu 1, einer Gesellschaft nach tschechischem Recht mit Sitz in CZ-34507 Vseruby, einen Arbeitsvertrag. In diesem Arbeitsvertrag ist der Geschäftführer der R… GmbH als Vertreter der Beklagten zu 1 benannt. In dem Vertrag ist ua. geregelt:

“…

§ 2 – Tätigkeit

Herr K… nimmt am 1. November 1999 in oben bezeichnetem Betrieb die Tätigkeit als Schweißfachingenieur und Fertigungsleiter auf.

§ 3 – Gehalt

Die Gehaltsabrechnung erfolgt über den deutschen Betrieb W…-Unternehmensverwaltung e.K., C….

…”

In der Zeit vom 1. November 1999 bis zum 19. Januar 2000 war der Kläger zweimal in dem tschechischen Betrieb tätig. Ansonsten arbeitete er wie bisher bei der R… GmbH in C…. Der Kläger hatte weder eine Arbeits- noch eine Aufenthaltserlaubnis für die Tschechische Republik beantragt. Am 19. Januar 2000 beendete der Kläger seine Tätigkeit unter im einzelnen streitigen Umständen.

Mit seiner auch gegen die W…-Unternehmensverwaltung gerichteten Klage verlangt der Kläger Zahlung bereits abgerechneter Vergütung sowie Urlaubsabgeltung abzüglich des Kaufpreises für ein über die Beklagte bezogenes Garagentor. Er vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht Weiden sei international und örtlich zuständig. Er habe seine Arbeitsleistung auch nach Abschluß des Arbeitsvertrags mit der Beklagten weiterhin in dem Betrieb der R… GmbH in C… erbracht. Bei Vertragsschluß sei geplant gewesen, daß er sich zwei- bis dreimal im Monat im tschechischen Betrieb aufhalte.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 15.238,33 DM brutto abzüglich 6.061,00 DM netto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit dem 15. Februar 2000 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Arbeitssachen gerügt und geltend gemacht, Erfüllungsort des Arbeitsverhältnisses sei der 25 km von dem Betrieb der R… GmbH in C… entfernt liegende Betrieb in Vseruby gewesen. Hierfür sei der Kläger eingestellt worden. Er sei verpflichtet gewesen, dort zweimal täglich zu erscheinen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 1 als unzulässig und die Klage gegen die Beklagte zu 2 als unbegründet abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und, soweit die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen wurde, den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Arbeitsgericht zurückverwiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte zu 1 mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Die Berufung gegen die Beklagte zu 2 hat das Landesarbeitsgericht rechtskräftig zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Arbeitssachen angenommen.

  • Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Arbeitssachen folgt im vorliegenden Fall der örtlichen Zuständigkeit. Vorrangige internationale Verträge oder Übereinkommen bestehen nicht.

    • Mit der Tschechischen Republik gibt es keinen bilateralen Vertrag, der die internationale Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen regelt. Die Tschechische Republik ist auch nicht Vertragspartner des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) und auch nicht des Lugano-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugGVÜ).
    • Die internationale Zuständigkeit wird mit Ausnahme einzelner Vorschriften (zB §§ 606a, 640a Abs. 2 ZPO, §§ 35b, 43b Abs. 1 FGG) durch die örtliche Zuständigkeit indiziert (BAG 17. Juli 1997 – 8 AZR 328/95 – AP ZPO § 38 Internationale Zuständigkeit Nr. 13 = EzA ZPO § 23 Nr. 1; BGH 17. Dezember 1998 – IX ZR 196/97 – NJW 1999, 1395; BAG 4. Oktober 1974 – 5 AZR 550/73 – AP ZPO § 38 Internationale Zuständigkeit Nr. 7 = EzA ArbGG § 101 Nr. 1; 27. Januar 1983 – 2 AZR 188/81 – AP ZPO § 38 Internationale Zuständigkeit Nr. 12; 26. Februar 1985 – 3 AZR 1/83 – AP Internat. Privatrecht, Arbeitsrecht Nr. 23). Örtlich zuständig für die Rechtssache ist gemäß § 29 Abs. 1 ZPO das Arbeitsgericht Weiden.

      • Nach § 29 Abs. 1 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Der Erfüllungsort der streitigen Zahlungspflicht bestimmt sich gemäß Art. 27 Abs. 1, Art. 30 Abs. 1 EGBGB nach deutschem Recht.

        • Nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB unterliegt der Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Ist die Rechtswahl nicht ausdrücklich erfolgt, muß sie sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben (Senat 12. Dezember 2001 – 5 AZR 255/00 – NZA 2002, 734, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
        • Die Parteien haben im Arbeitsvertrag vom 4. Oktober 1999 keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen. Jedoch ist den Bestimmungen des Vertrags und den Umständen des Falles mit hinreichender Sicherheit die Wahl deutschen Rechts zu entnehmen. Der Arbeitsvertrag ist in deutscher Sprache abgefaßt. Er ist mit Ausnahme des bezeichneten Arbeitgebers im wesentlichen wortgleich mit dem zuvor mit der R… GmbH abgeschlossenen Arbeitsvertrag, der deutschem Recht unterlag. Im Arbeitsvertrag wird zum Teil ausdrücklich auf deutsche Rechtsvorschriften Bezug genommen. So verweist § 8 bezüglich des Urlaubsanspruchs auf das Bundesurlaubsgesetz. Die in § 3 dem Kläger zugesagten vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 52,00 DM beruhen auf dem Fünften Vermögensbildungsgesetz. Hieraus haben die Vorinstanzen zu Recht geschlossen, daß durch den neuen Vertrag mit der Beklagten zu 1 vom 4. Oktober 1999 zwar der Vertragspartner auf seiten des Arbeitgebers ausgetauscht werden sollte, die anzuwendende Rechtsordnung, nämlich deutsches Recht, beibehalten bleiben sollte, zumal der im Arbeitsvertrag benannte Vertreter der Beklagten zu 1 auch Geschäftsführer der R… GmbH ist.
      • Die Parteien haben im Arbeitsvertrag keine wirksame Zuständigkeitsvereinbarung getroffen. Zwar hatte der Kläger nach § 2 des Arbeitsvertrags seine Tätigkeit am 1. November 1999 in dem Betrieb in Vseruby aufzunehmen. Nach § 29 Abs. 2 ZPO kann jedoch eine Vereinbarung über einen Erfüllungsort die Zuständigkeit nur für Vollkaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliches Sondervermögen begründen. Der Kläger erfüllt als Arbeitnehmer diese Voraussetzung nicht.
      • Der für § 29 Abs. 1 ZPO maßgebende Erfüllungsort ist gemäß § 269 Abs. 1 BGB aus den Umständen und der Natur des Arbeitsverhältnisses zu bestimmen. Dies ist C….

        • Nach der Senatsrechtsprechung ist zur Bestimmung des Erfüllungsorts bei Arbeitsverhältnissen in der Regel von einem einheitlichen (gemeinsamen) Erfüllungsort auszugehen. Dies ist der Ort, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu erbringen hat (Senat 6. Januar 1998 – 5 AS 24/97 – nv.; 12. März 1992 – 5 AS 10/91 – nv.; 3. November 1993 – 5 AS 20/93 – AP GVG § 17a Nr. 11 = EzA ZPO § 36 Nr. 18; 30. März 1994 – 5 AS 6/94 –, 10. Juli 1995 – 5 AS 12/95 –, 23. Oktober 1996 – 5 AS 6/96 – und 17. April 1997 – 5 AS 8/97 – nv.), also der tatsächliche Mittelpunkt seiner Berufstätigkeit liegt. Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts gilt für alle Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, die auf dem Arbeitsverhältnis beruhen, und zwar auch dann, wenn Forderungen erst nach dessen Beendigung fällig werden (BAG 26. September 2000 – 3 AZN 181/00 – BAGE 95, 372 mwN).
        • Nach diesen Grundsätzen ist der Sitz der R… GmbH einheitlicher Erfüllungsort des Arbeitsverhältnisses. Dort hat der Kläger auch nach Abschluß des Arbeitsvertrags mit der Beklagten zu 1 zum weit überwiegenden Teil seine Arbeitsleistung erbracht. Im Zeitraum vom 1. November 1999 bis zum 19. Januar 2000 war der Kläger nur zweimal in dem tschechischen Betrieb. Die Behauptung der Beklagten zu 1, der Kläger habe nach den getroffenen Vereinbarungen zweimal täglich nach Vseruby fahren sollen, hat das Landesarbeitsgericht als unglaubwürdig erachtet, ohne daß dies von der Revision angegriffen worden ist. Im übrigen hätte der Kläger auch nach diesem Vorbringen der Beklagten die Fahrten nach Tschechien von dem Betrieb in C… aus aufnehmen sollen, was wiederum auch dafür spricht, daß dies der Erfüllungsort sein sollte. Der wirtschaftliche und technische Mittelpunkt des Arbeitsverhältnisses, der zur Begründung eines einheitlichen Erfüllungsorts führt, war der Betrieb der R… GmbH in C….
        • C… liegt im Gerichtsbezirk des Arbeitsgerichts Weiden. Für den Rechtsstreit sind damit die deutschen Gerichte für Arbeitssachen international zuständig. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit deshalb zu Recht gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, § 538 Abs. 1 Nr. 2, § 540 ZPO aF an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
  • Die vom Ausgang des Rechtsstreits abhängige Kostenentscheidung bleibt dem Arbeitsgericht vorbehalten.
 

Unterschriften

Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Müller, Reinders

 

Fundstellen

Haufe-Index 892019

NZA 2003, 339

SAE 2003, 274

AP, 0

EzA-SD 2003, 12

EzA

IPRspr. 2002, 151

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