Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindung an Verweisungsbeschluß

 

Normenkette

ZPO §§ 21, 29, 36 Nr. 6; ArbGG § 48; GVG § 17a

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 19.02.1997; Aktenzeichen 19 Ca 88/97)

 

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Hamburg bestimmt.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten im wesentlichen um Urlaubsabgeltungs- und Vergütungsansprüche aus beendetem Arbeitsverhältnis. Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. Juni 1995 bis zum 30. September 1996 als Oberbauleiter beschäftigt. Der Arbeitsvertrag wurde am 11. April 1995 mündlich in der Niederlassung Mannheim der Beklagten abgeschlossen und durch Schreiben der Hauptverwaltung Hamburg der Beklagten vom 19. April 1995 bestätigt. Mit Schreiben ihrer Hauptverwaltung Hamburg vom 26. Juli 1996 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 30. September 1996.

Der Kläger erhob Klage vor dem Arbeitsgericht Mannheim. Dieses gab den Parteien Gelegenheit, zur örtlichen Zuständigkeit Stellung zu nehmen. Der Kläger begründete die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Mannheim damit, daß die Beklagte dort eine selbständige Niederlassung habe und er ausschließlich von dieser Niederlassung aus für diese gearbeitet habe. Erfüllungsort sei hier der wirtschaftliche und technische Mittelpunkt des Arbeitsverhältnisses, nämlich der Ort der Arbeitsleistung Mannheim.

Durch Kammerbeschluß vom 30. Januar 1997 erklärte sich das Arbeitsgericht Mannheim für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Hamburg. Zur Begründung führte es aus, der Erfüllungsort für die hier streitigen Verpflichtungen sei der Sitz des Schuldners, also Hamburg. Der Kläger habe nicht vorgetragen, daß die Niederlassung Mannheim Abrechnungen vorgenommen habe.

Das Arbeitsgericht Hamburg hat sich durch Kammerbeschluß vom 19. Februar 1997 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Bundesarbeitsgericht vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II. Zuständig ist das Arbeitsgericht Hamburg. Der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Mannheim ist bindend.

1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Die Arbeitsgerichte Mannheim und Hamburg haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt, ersteres durch Beschluß vom 30. Januar 1997, letzteres durch Beschluß vom 19. Februar 1997, der als Rückverweisung anzusehen ist.

2. Rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse sind für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Dies ergibt sich aus § 48 Abs. 1 ArbGG n.F., § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. Die bindende Wirkung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch im Bestimmungsverfahren des § 36 Nr. 6 ZPO zu beachten (vgl. statt vieler: Beschluß vom 11. Januar 1982 – 5 AR 221/81 – AP Nr. 27 zu § 36 ZPO; Beschluß vom 3. November 1993 – 5 AS 20/93 – AP Nr. 11 zu § 17 a GVG = EzA § 36 ZPO Nr. 18 = NZA 1994, 479 f.). Nur so kann der Zweck des § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. erreicht werden, unnötige und zu Lasten der Parteien gehende Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden. Das bedeutet: Es ist das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn, dieser ist ausnahmsweise nicht bindend. In diesem Fall ist dasjenige Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den zweiten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn, (auch) dieser ist ausnahmsweise nicht bindend.

Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind grundsätzlich bindend. Lediglich eine offensichtlich gesetzwidrige Verweisung kann diese Bindungswirkung nicht entfalten (BAG Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92BAGE 70, 374 = AP Nr. 39 zu § 36 ZPO = EzA § 17 a GVG Nr. 1). Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluß dann, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefaßt ist oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten oder einem von ihnen beruht (BAG Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92 –, a.a.O., zu II 3 a der Gründe; BGHZ 71, 69, 72 f. = NJW 1978, 1163, 1164).

3. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Die Verweisung an das Arbeitsgericht Hamburg ist entgegen dessen Auffassung nicht willkürlich.

Allerdings hat der Senat mehrfach entschieden, daß im Hinblick auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) bei Arbeitsverhältnissen i.d.R. von einem einheitlichen (gemeinsamen) Erfüllungsort auszugehen ist und daß dies der Ort ist, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu erbringen hat (BAG Beschluß vom 12. März 1992 – 5 AS 10/91 –, n.v.; BAG Beschluß vom 3. November 1993 – 5 AS 20/93 –, a.a.O.; BAG Beschlüsse vom 30. März 1994 – 5 AS 6/94 –, vom 10. Juli 1995 – 5 AS 12/95 – und vom 23. Oktober 1996 – 5 AS 6/96 –, juris). Auf die Frage, von wo aus das Arbeitsentgelt gezahlt wird und wo sich die Personalvertretung befindet, kommt es regelmäßig nicht an. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Erfüllungsort für die Arbeitsleistung eines Bauleiters, der von einer bestimmten Niederlassung aus eingesetzt wird, ist aber diese Niederlassung. Dies ist jedoch keinesfalls unumstritten. Auch in der neueren Literatur wird teilweise mit vertretbaren Gründen ein anderer Standpunkt eingenommen (vgl. Krasshöfer-Pidde/Molkenbur, NZA 1988, 236, 237 f.; Ostrop/Zumkeller, NZA 1994, 644, 1995, 16).

Der Senat hat mehrfach ausgesprochen, daß von einer offensichtlichen Gesetzwidrigkeit nicht die Rede sein kann, wenn sich ein Arbeitsgericht dieser – vom Senat im Grundsatz nicht geteilten – Auffassung anschließt (Beschlüsse vom 8. März 1995 – 5 AS 1/95 –, vom 29. Mai 1995 – 5 AS 11/95 – und vom 10. Juli 1995 – 5 AS 12/95 –, alle juris). Auch daran hält der Senat fest.

Es ist wünschenswert, daß gerade auch in Fragen der rechtlichen Zuständigkeit die höchstrichterliche Rechtsprechung durchgängig befolgt wird. Das rechtfertigt es jedoch nicht, eine offensichtlich gesetzwidrige Verweisung und damit eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel, daß rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend sind, schon immer dann anzunehmen, wenn von einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen wird. Es gilt gerade auch im vorliegenden Fall, der einen Arbeitnehmer mit wechselnden Einsatzorten betrifft.

4. Der Verweisungsbeschluß ist auch nicht wegen seiner nur kurzen Begründung offensichtlich gesetzwidrig. Die Begründung ist nicht formelhaft und stellt auf den vom Arbeitsgericht Mannheim – wenn auch fälschlicherweise – für entscheidend gehaltenen Gesichtspunkt ab, nämlich daß die hier streitigen Verpflichtungen gemäß §§ 269, 270 BGB am Sitz des Schuldners, mithin in Hamburg zu erfüllen seien.

 

Unterschriften

Griebeling, Schliemann, Reinecke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1254596

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