Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsrechtlicher Status eines Fernsehmitarbeiters

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.02.1993; Aktenzeichen 3 Sa 98/92)

ArbG Stuttgart (Urteil vom 23.09.1992; Aktenzeichen 11 Ca 12/92)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24. Februar 1993 – 3 Sa 98/92 – aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 23. September 1992 – 11 Ca 12/92 – wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Die Klägerin ist seit 1986 für die Beklagte tätig. Sie arbeitet für die Redaktion „Nachrichten Baden-Württemberg”. Diese Redaktion ist eine von vier Redaktionen, die der im Jahr 1991 geschaffenen Hauptabteilung „Landesprogramm Baden-Württemberg” zugeordnet wurden. Für sie sind fünf Angestellte und etwa 26 nach Ansicht der Beklagten freie Mitarbeiter tätig. Sie ist zuständig für die Nachrichtensendungen „Landesschau”, „Abendschau-News”, „Südwest aktuell” und „Schlagzeilen”.

Nach einer von der Beklagten am 21. März 1989 ausgestellten „Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt” ist die Klägerin seit dem 1. März 1988 ständige freie Mitarbeiterin für die Landesschau und als Regisseurin, Redakteurin. Reporterin und Moderatorin tätig. Nach einer Zusammenstellung der Beklagten hatte die Klägerin 1991 folgende Einsätze:

Moderation

47

Filmbearbeitung

37

Redaktion

21

Schlussredaktion

18

Produzent

10

Redakteur i(m) stud(io)

10

Sprechen

1

Für 1992 weist die Zusammenstellung folgende Einsätze auf:

Moderation

41

Filmbearbeitung

25

Redaktion

37

Produzent

22

Redakteur i(m) Stud(io)

1

Sprechen

1

Nach den von der Beklagten ausgestellten Jahresentgeltbescheinigungen erhielt die Klägerin 1989 Honorare in Höhe von 91.631,85 DM, 1990 in Höhe von 85.286,34 DM und 1991 in Höhe von 69.260,06 DM.

In einem Schreiben „an alle Mitarbeiter der Landesschau” vom 22. August 1991 heißt es u.a.:

„…

ich möchte Ihnen auf diesem Weg schriftlich zur Kenntnis bringen, was die Planungsgruppe in der Landesschau über die weitere Arbeit in dieser Redaktion beschlossen hat: Die Themen-Konferenz für den laufenden Tag, sowie die Kritik vom Tag zuvor wird künftig (d.h. ab 02. September 91) um 11.30 Uhr stattfinden. Die Teilnahme für alle, die unter Redaktion oder Moderation und Abnahme eingetragen sind, ist verbindlich.

Um es noch einmal festzuhalten: die Teilnahme ist für alle, die nicht bereits auf Dreh sind, verbindlich. Nach der Sitzung, die normalerweise nicht über 30 Minuten gehen sollte, kann dann ja eine längere Mittagspause genommen werden.”

Ein weiteres Schreiben vom 4. Oktober 1991 lautet auszugsweise:

„…

bei den Wochenend-Sendungen ändert sich einiges:

1. Die Schlagzeilen um 18.30 Uhr enthalten künftig auch samstags die Wetterkarte Baden-Württemberg und werden deshalb auf 3'30 verlängert (wie sonntags).

Das AS-Wetter nach „EBBES” gibt es nicht mehr. Stattdessen kommt nach „EBBES” ein Treffpunkt-Trailer, um den sich die Nachrichtenredaktion nicht zu kümmern braucht, (wird vom Treffpunkt nach Baden-Baden überspielt).”

Ein „Rundschreiben” vom 25. Februar 1992 hat folgenden Wortlaut:

„…

in Abstimmung mit Herrn von O., teile ich Ihnen mit, daß nun endgültig die Sendung AKTUELL im Jahre 1992, Samstag um 18.30 Uhr, wie folgt gefahren wird:

Sie wird betreut von der Redaktion LANDESSCHAU, die dafür einen zusätzlichen Mitarbeiter Samstags einplant.

Die Sendung hat im Regelfall einen hundertprozentigen Landesanteil, es sei denn, überregional passiert etwas von überragendem Nachrichtenwert, das dann selbstverständlich zumindest als Wort vermeldet werden muß.

Diese Regelung tritt mit Beginn des neuen Dienstplanes in Kraft, also erstmals am 04. April 1992.”

Für die verschiedenen Dienste der Nachrichtenredaktion werden – meist für sechs Wochen – im voraus Dienstpläne erstellt. Die von der Beklagten herausgegebenen „Grundsätze der Dienstplangestaltung” lauten auszugsweise wie folgt:

  1. „Für die Aufstellung der Dienstpläne ist der Redaktionsleiter bzw. ein von ihm beauftragter festangestellter Mitarbeiter zuständig. …
  2. Die Dienstpläne umfassen regelmäßig einen Zeitraum von 4–6 Wochen. Herr B. stellt dazu die von den Mitarbeitern schon angemeldeten „Fehlzeiten” und sonstigen Wünsche fest. Berücksichtigt werden z.B.:

    • Wer für welche Zeit Urlaub angemeldet/beantragt hatte;
    • wer für welche Zeit Fortbildungsveranstaltungen besucht;
    • wer aufgrund regelmäßiger anderweitiger Verpflichtungen über bestimmte Zeiten nicht zur Verfügung steht (z.B. bei Frau L.:

      Verpflichtung als Moderatorin beim RIAS);

    • wer für welche Termine und für welche Dienstarten schon besondere Dispositionswünsche geäußert hat, sei es aus familiären oder sonstigen beruflichen Gründen (z.B. wollte Herr … nach der Geburt seines Kindes im Jahre 1991 möglichst keine Abenddienste und keine Wochenenddienste mehr leisten).
  3. Steht nach diesem Verfahrensabschnitt fest, wer wann für welche Dienste zur Verfügung steht, werden diese Mitarbeiter in einem nächsten Verfahrensschritt für die einzelnen Funktionsdienste eingeplant. Dabei spielen folgende Kriterien eine Rolle:

    a. Arbeitsvertragliche Festlegungen bei den festangestellten Mitarbeitern.

    Festangestellte Mitarbeiter werden vorrangig in den Funktionsdiensten und entsprechend den jeweiligen arbeitsvertraglichen Festlegungen und den Tätigkeitsmerkmalen der jeweiligen Tarifgruppen eingesetzt. …

    Bei freien Mitarbeitern gibt es solche Beschränkungen nicht. Sie werden, wenn sie damit einverstanden sind, möglichst breit und vielseitig für alle unmittelbar programmbezogenen Arbeiten eingesetzt.

    b. Tarifvertragliche Arbeitszeitbestimmungen

    Weiteres Kriterium ist die Berücksichtigung der tarifvertraglichen Arbeitszeitbestimmung (5-Tage-Woche) bei den festangestellten Mitarbeitern. Begleitend zur Dienstplanung muß laufend überwacht werden, daß Wochenenddienste innerhalb der dafür tarifvertraglich vorgesehenen Fristen in Freizeit ausgeglichen werden.

    Ein solcher Freizeitausgleich findet bei freien Mitarbeitern nicht statt. Freie Mitarbeiter werden für jeden Tageseinsatz gesondert honoriert, arbeitszeitliche Begrenzungen gibt es nicht. Der Wunsch, am Wochenende nicht eingeteilt zu werden, wird allerdings respektiert. Ansonsten wird versucht, während des Durchlaufs eines Dienstplanes die Wochenendeinsätze und die sogenannten Früh- und Spätschichten (Frühschicht: sie endet regelmäßig um 19.00 Uhr nach der Abendschau; Spätschicht: sie endet gegen 20.00 Uhr, 21.15 Uhr nach der Landesschau bzw. nach südwest aktuell) möglichst gleichmäßig und damit gerecht mit den freien Mitarbeitern zu vereinbaren.

  4. Entsprechend den vorgenannten Kriterien entsteht dann eine Vorlauffassung des Dienstplans (maschinengeschrieben). … Diese Vorlauffassung hat keinen verbindlichen Charakter in dem Sinne, daß danach Änderungswünsche der Mitarbeiter ausgeschlossen wären. Wie der Aufstellung „Änderungen im Dienstplan” entnommen werden kann, gibt es während des Durchlaufs eines Dienstplanes laufend noch aktuelle Änderungen. Diese werden dann handschriftlich im Dienstplan vermerkt. …

    Die aktuelle Fassung des Dienstplanes liegt aber im Sekretariat bei Herrn B. aus und kann dort von den Mitarbeitern jederzeit zur Einsicht genommen werden. Die für beide Seiten letztlich verbindliche Dienstplangestaltung erfolgt also genaugenommen von Tag zu Tag, so, wie es letztendlich mit den freien Mitarbeitern vereinbart wurde.”

Ein „an die Kolleginnen und Kollegen der FS-Nachrichten-Redaktion” gerichtetes Schreiben vom 9. Januar 1991 lautet:

„…

hier nun einige Änderungen im organisatorischen Ablauf innerhalb unserer Redaktion:

Die Funktionen „Abnahme Land” und „Abnahme Welt” entfallen künftig, die ABENDSCHAU-Nachrichten, die LANDESSCHAU und SÜDWEST-AKTUELL bekommen ab sofort jeweils einen eigenen Abnahme-Redakteur.

Der Abnahme-Redakteur der ABENDSCHAU-Nachrichten hilft nach der Sendung bei Bedarf noch dem Abnahme-Redakteur der LANDESSCHAU aus. Zusätzlich gibt es neben dem CvD-AS'Nachrichten noch einen Redakteur für diese Sendung, der dem CvD zuarbeitet.

Aus guten Gründen nochmals ausdrücklich der Hinweis, daß der Dienstplan verbindlich ist und Änderungen erst mit mir und im Falle meiner Abwesenheit mit Herrn B. abgesprochen werden müssen. Selbstverständlich ist, daß jeder der Tätigkeit nachgeht, wie sie im Dienstplan fixiert ist. Auch die Kompetenzen sind eindeutig geregelt und Dauerdiskussionen von den CvD's rechtzeitig vor der Sendung zu beenden.”

Eine „Anlage zum Dienstplan” vom 19. April 1991 lautet auszugsweise:

„Neu im Dienstplan ist die Position Redakteur vom Dienst bei Südwest Aktuell. Dieser Dienst soll wie besprochen in erster Linie der längerfristigen Planung von Südwest Aktuell dienen und über den Tag hinaus Beiträge vorbereiten (sowohl eigene Beiträge als auch von Korrespondenten). Gestrichen ist dagegen die Position Redaktion Abendschau News/Südwest Aktuell. Dieser Dienst ist momentan nicht mehr notwendig, die CvD's der einzelnen Sendungen können jedoch Kollegen dazu verpflichten, bei ihnen mitzuhelfen, falls Bedarf besteht.”

In einem „an die Kolleginnen und Kollegen der FS-Nachrichten-Redaktion” gerichteten Schreiben vom 24. Januar 1992 heißt es:

„Als Ergänzung zum Dienstplan machte ich die neue Wochenend-Regelung noch einmal festhalten.

Samstags macht das LANDESSCHAU-TEAM, verstärkt durch die beiden Euro-Dienste, die SCHLAGZEILEN um 18.30 Uhr, die LANDESSCHAU und – wenn der SDR dran ist – auch die Sendung AKTUELL um 21.45/22.00 Uhr. In der Anfangsphase (bis Ende Februar) kommt auch noch der CvD von SÜDWEST AKTUELL dazu.

Dienstbeginn ist für das Redaktions-Team (ohne Reporter): …”

Die Beklagte behandelt die Klägerin als sogenannte feste freie Mitarbeiterin gemäß den mit ihr abgeschlossenen Tarifverträgen für arbeitnehmerähnliche Personen. Die Klägerin erhält „Honorare”, die nach Art und Anzahl der geleisteten Dienste errechnet werden. Sie hat Anspruch auf Urlaub und auf Zahlungen im Krankheitsfall.

Die Klägerin hat geltend gemacht, sie sei Arbeitnehmerin der Beklagten. Sie ist Mitglied des DJV Baden-Württemberg. Sie erbringe ihre Arbeitsleistung nach festen Arbeitszeiten im Team, in den Räumen und mit den Arbeitsmitteln der Beklagten. Deren Weisungsrecht ergebe sich aus der Erstellung der Dienstpläne und einer Vielzahl von Schreiben, die als Dienstanweisungen anzusehen seien. Bei der Erstellung der Dienstpläne werde zwar im allgemeinen auf Urlaubswünsche Rücksicht genommen, im übrigen habe sie auf deren Ausgestaltung aber keinen Einfluß. Nur theoretisch bestehe die Möglichkeit, Dienste, zu denen sie eingeteilt worden sei, abzulehnen. Das hätte aber zwangsläufig zur Folge, daß die Beklagte sie nicht weiterbeschäftigen würde.

Die Klägerin hat – soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse – beantragt

festzustellen, daß zwischen ihr und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Klägerin sei freie Mitarbeiterin. Die Klägerin könne Art und Umfang ihrer Tätigkeit selbst bestimmen. Eine rechtliche Verpflichtung, ihr in bestimmtem zeitlichen Umfang zur Verfügung zu stehen, bestehe nicht. Insbesondere könne die Klägerin frei darüber entscheiden, welche der im Dienstplanentwurf ihr angebotenen Dienste sie annehmen wolle. Sie, die Beklagte, halte sich an die von ihr selbst aufgestellten „Grundsätze der Dienstplangestaltung”. Ein Direktionsrecht gebe es in diesem Zusammenhang nicht; vielmehr würden die Dienstpläne nach den Wünschen und Vorstellungen der Mitarbeiter erstellt. Die Mitarbeiter tauschten in großem Umfang Dienste untereinander und vereinbarten noch nachträglich mit ihr, der Beklagten, neue und andere Dienste. Die Klägerin entscheide frei, welche Tätigkeit sie übernehmen wolle. Habe sie sich aber einmal zu einer bestimmten Tätigkeit entschlossen, müsse sie sich auch an die durch die Herstellung der Sendung vorgegebenen Zwangspunkte halten. Die Beklagte hat sich weiter auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Rundfunkfreiheit berufen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer durch Senatsbeschluß vom 8. September 1993 zugelassenen Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

A.I. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag der Klägerin dahin ausgelegt, daß er die Zeit ab 1. Dezember 1991 und alle seither für die Beklagte geleisteten Dienste umfaßt. Dieser Auslegung, die in der Revisionsinstanz nicht angegriffen worden ist, schließt sich der Senat an.

II. Der Feststellungsantrag ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zulässig. Der Antrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Auch die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO liegen vor. Für das Feststellungsinteresse ist unschädlich, daß die Klägerin ihre Klage auf die Statusbeurteilung beschränkt und weitere Umstände, etwa den zeitlichen Umfang, in dem sie zu beschäftigen ist, nicht zum Streitgegenstand gemacht hat (BAG Urteil vom 20. Juli 1994 – 5 AZR 169/93 – AP Nr. 26 zu § 256 ZPO 1977 = EzA § 256 ZPO Nr. 43).

B. Zwischen den Parteien besteht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ein Arbeitsverhältnis.

I. Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis einer freien Mitarbeiterin durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich die zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats, der auch das Landesarbeitsgericht gefolgt ist, sind die dazu entwickelten Grundsätze auch im Bereich Punk und Fernsehen maßgebend (vgl. das ebenfalls einen Mitarbeiter der Beklagten betreffende Urteil vom 20. Juli 1994 – 5 AZR 627/93 – AP Nr. 73 zu § 611 BGB Abhängigkeit = EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 54 und Urteil vom 30. November 1994 – 5 AZR 704/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).

1. Programmgestaltende Mitarbeit wie die der Klägerin kann sowohl im Rahmen von Arbeitsverhältnissen, als auch im Rahmen von freien Mitarbeiterverhältnissen erbracht werden.

Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist auch bei programmgestaltenden Mitarbeitern ein Arbeitsverhältnis zu bejahen, wenn der Sender innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung verfügen kann (BAG, a.a.O.). Das ist etwa dann der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang ohne Abschluß dahingehender Vereinbarung zur Arbeit herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich „zugewiesen” werden. Die ständige Dienstbereitschaft kann sich sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung der Vertragsbeziehungen ergeben. Ob ein Mitarbeitereinen „eigenen” Schreibtisch hat oder ein Arbeitszimmer (mit)benutzen kann, zu dem er einen Schlüssel hat, und ob er in einem internen Telefonverzeichnis aufgeführt ist, hat für sich genommen keine entscheidende Bedeutung. Anders verhält es sich, wenn der Mitarbeiter in Dienstplänen aufgeführt wird, ohne daß die einzelnen Einsätze im voraus abgesprochen werden. Dies ist ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

2. Die einseitige Aufstellung von Dienstplänen ist regelmäßig nur dann sinnvoll, wenn Dienstbereitschaft der darin aufgenommenen Beschäftigten erwartet werden kann (BAG, a.a.O.). Vielfach wird den Mitarbeitern erklärt, sie seien nicht verpflichtet, die vorgesehenen Einsätze wahrzunehmen, die Dienstpläne seien also unverbindlich oder träten erst dann in Kraft, wenn ihnen die eingesetzten Mitarbeiter nicht widersprächen. Diese Auffassung läuft darauf hinaus, vertragliche Vereinbarungen über die im Dienstplan vorgesehenen Einsätze kämen erst zustande, wenn die Mitarbeiter nicht widersprächen. Das ist lebensfremd. Die Mitarbeiter leisten die vorgesehenen Einsätze, weil sie im Dienstplan vorgesehen sind und nicht, weil sie in jedem Einzelfall vertragliche Vereinbarungen abschließen. Bereits in seinem Urteil vom 3. Oktober 1975 (– 5 AZR 427/74 – AP Nr. 16 zu § 611 BGB Abhängigkeit) hat der Senat ausgeführt, daß die Aufstellung von Dienstplänen auch dann ein Indiz für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist, wenn die Betreffenden ihr Erscheinen zu den vorgesehenen Terminen jeweils durch ein Kreuz hinter ihrem Namen zu bestätigen haben.

Das den Mitarbeitern eingeräumte Recht, einzelne Einsätze abzulehnen oder zu tauschen, ändert daran nichts. In vielen Bereichen ist es üblich, daß der Arbeitgeber auf derartige Wünsche seiner Arbeitnehmer eingeht. Wer einseitig Dienstpläne aufstellt, die tatsächlich im wesentlichen eingehalten werden, und gleichzeitig erklärt, diese seien unverbindlich, verhält sich im Regelfall widersprüchlich. Entscheidend ist dann das tatsächliche Verhalten, also die Verfügung über die Arbeitskraft der Mitarbeiter nach Maßgabe der Dienstpläne.

II. Hieran gemessen ist die Klägerin Arbeitnehmerin. Das zeigt vor allem die Handhabung der Dienstpläne.

1. Der Vortrag der Beklagten, sie verfahre nach den von ihr selbst aufgestellten „Grundsätzen der Dienstplangestaltung”, und sie berücksichtige die Wünsche der freien Mitarbeiter, vielfach würden Dienste getauscht und neue Dienste vereinbart, kann zu ihren Gunsten als wahr unterstellt werden.

Die Dienstpläne werden einseitig aufgestellt. Auch die Beklagte hält sie für verbindlich, wie das Schreiben vom 9. Januar 1991 zeigt. Wünscht die Klägerin, an einzelnen Kalendertagen oder an bestimmten Wochentagen oder zu bestimmten Tageszeiten nicht eingesetzt zu werden und berücksichtigt die Beklagte dies, so verfügt sie dennoch in dem dadurch vorgegebenen zeitlichen Rahmen ständig über die Arbeitsleistung der Klägerin. Denn die Beklagte behauptet selbst nicht, daß jeder einzelne Einsatz nach Tätigkeitsart und -zeitpunkt vorher abgestimmt wird.

Die Beklagte verfügt durch die Aufstellung von Dienstplänen in zweifacher Hinsicht über die Arbeitsleistung der Klägerin. Zum einen bestimmt sie darüber, wann sie zu arbeiten hat. Zum anderen legt sie die Art der zu verrichtenden Tätigkeit fest. So wird die Klägerin nicht nur als Moderatorin oder Redakteurin, sondern auch für andere Dienste in der Redaktion eingeteilt.

Wie sich aus Nr. 3 a und b der „Grundsätze der Dienstplangestaltung” ergibt, scheint die Beklagte den Unterschied zwischen „festangestellten” und „freien” Mitarbeitern im wesentlichen darin zu sehen, daß sie letztere bei deren generellem Einverständnis für vielseitiger einsetzbar hält als entsprechende Arbeitnehmer. Das spricht für sich. Ein Mitarbeiter ist nicht deshalb „freie” Mitarbeiterin, weil er dem Sender ein weitergehendes Weisungsrecht eingeräumt hat, als es im Rahmen von Arbeitsverhältnissen vergleichbarer Arbeitnehmer besteht. Vielmehr deutet ein so weitgehendes Weisungsrecht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses hin.

2. Die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin wird dadurch bestätigt, daß die Beklagte auch im übrigen das Recht für sich in Anspruch nimmt, über die Durchführung des Vertragsverhältnisses einseitig zu bestimmen. Das zeigen die zitierten Schreiben vom 19. April 1991, 22. August 1991, 4. Oktober 1991, 24. Januar 1992 und vom 25. Februar 1992. Die Klägerin sieht darin zu Recht „Dienstanweisungen”. In diesen Schreiben ist zum Teil von einer „Regelung”, von „Inkrafttreten” und von „verbindlicher” Teilnahme die Rede. Bereits die Wortwahl zeigt, daß die Beklagte ihr Weisungsrecht ausübt. Auch bei den übrigen Schreiben bestand aus Empfängersicht kein Zweifel daran, daß es sich um verbindliche Anweisungen handelt. Maßgebend ist, daß die Beklagte ohne vorherige Vereinbarungen mit der Klägerin und anderen Mitarbeitern einseitig bis ins einzelne gehende Bestimmungen erläßt. Die Inanspruchnahme eines derartigen Weisungsrechts ist aber mit einem freien Mitarbeiterverhältnis nicht vereinbar (BAG Urteil vom 24. Juni 1992 – 5 AZR 384/91 – AP Nr. 61 zu § 611 BGB Abhängigkeit und Urteil vom 20. Juli 1994 – 5 AZR 627/93 –, a.a.O.).

3. Aus dem Gesagten folgt zugleich, daß die Parteien in einem Dauerarbeitsverhältnis stehen und nicht etwa auf einzelne Einsätze oder die jeweiligen Dienstplanperioden befristete Rechtsverhältnisse vereinbaren. Die Beklagte hat selbst keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich der Abschluß befristeter Verträge ergibt. Vielmehr geht sie wie selbstverständlich davon aus, daß die Klägerin auch in den jeweils folgenden Dienstplanperioden zur Verfügung steht.

III. Die Annahme eines Arbeitsverhältnisses scheitert nicht an fehlender Vertretungsmacht der das Vertragsverhältnis auf seiten der Beklagten durchführenden Personen. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf das ebenfalls einen Mitarbeiter der Beklagten betreffende Senatsurteil vom 20. Juli 1994 (– 5 AZR 627/93 –, a.a.O.) verwiesen.

Es ist auch unschädlich, daß die Schriftform der Ziffer 211.2 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Süddeutschen Rundfunks nicht gewahrt ist. Diese Vorschrift lautet:

„Eine schriftliche Passung des Arbeitsvertrages wird dem Arbeitnehmer zusammen mit diesem Manteltarifvertrag spätestens bei Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt. …”

Tarifbestimmungen, nach denen Arbeitsverträge schriftlich abgeschlossen werden müssen, können einer gesetzlichen Formvorschrift im Sinne der §§ 125 Satz 1 und 126 Abs. 1 BGB gleichstehen (BAG Urteil vom 9. Februar 1972 – 4 AZR 149/71 – AP Nr. 1 zu § 4 BAT; Urteil vom 24. Juni 1981 – 7 AZR 198/79 – AP Nr. 2 zu § 4 TVG Formvorschriften). Durch Auslegung der Tarifnorm ist zu ermitteln, ob sie ein konstitutives oder lediglich ein deklaratorisches Schriftformerfordernis aufstellt, d.h. ob die Rechtsfolge seiner Nichtbeachtung in der Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes besteht oder nicht (BAG Urteil vom 6. September 1972 – 4 AZR 422/71 – AP Nr. 2 zu § 4 BAT; Urteil vom 24. Juni 1981, a.a.O.). Bei einem globalen, sich auf den ganzen Vertrag erstreckenden Formgebot liegt im Zweifel nur eine deklaratorische Formvorschrift vor, weil die Tarifverträge letztlich den Arbeitnehmer schützen sollen und diesem ein schlechter Dienst erwiesen wäre, wenn sein Arbeitsvertrag wegen Formmangels unwirksam wäre. Bezieht sich eine Formvorschrift dagegen auf einzelne gefährliche Arbeitsbedingungen oder auf Kündigungen, spricht dies für eine konstitutive Schriftform (Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz 204; Corts, Anm. zu LAG Berlin, AP Nr. 1 zu § 4 TVG Formvorschriften).

Ziffer 211.2 MTV enthält nur eine deklaratorische Formvorschrift. Gegen eine konstitutive Schriftform spricht hier schon der Umstand, daß die Form nicht notwendig vor Arbeitsaufnahme erfüllt werden muß (Birk, Anm. II zu EzA § 397 BGB Nr. 3; offen gelassen im Urteil des BAG vom 24. Juni 1981, a.a.O.). Im übrigen handelt es sich um eine globale Formvorschrift.

IV. Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit steht der Annahme eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses nicht entgegen. Auch insoweit wird auf das vorgenannte Urteil des Senats vom 20. Juli 1994 (a.a.O.) bezug genommen.

 

Unterschriften

Griebeling, Schliemann, Reinecke, Glaubitz, Buschmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073553

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