Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer Statusklage

 

Leitsatz (amtlich)

  • Für einen Antrag, festzustellen, daß der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten steht (und nicht etwa nur arbeitnehmerähnliche Person ist), ist das Feststellungsinteresse nicht schon deshalb zu verneinen, weil sich der Antrag auf diese Statusfrage beschränkt und strittige Einzelfragen aus dem Arbeitsverhältnis ungeklärt bleiben (ständige Rechtsprechung, vgl. Statt vieler: BAG Urteil vom 22. Juni 1977 – 5 AZR 353/75 – AP NR. 22 zu § 611 BGB Abhängigkeit).
  • Aus dem Grundsatz der Prozeßökonomie folgt nicht, daß nur solche Feststellungsanträge dem § 256 Abs. 1 ZPO genügen, die (möglichst) alle unter den Parteien strittigen Fragen klären. Aus demselben Grundsatz kann auch die Zulässigkeit von Feststellungsanträgen folgen, die die zentrale Streitfrage der Parteien klären.
 

Normenkette

ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 23.12.1992; Aktenzeichen 3 Sa 81/92)

ArbG Stuttgart (Urteil vom 13.08.1992; Aktenzeichen 7 Ca 5609/90)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 23. Dezember 1992 – 3 Sa 81/92 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Klägerin arbeitete seit 1986 für die Redaktion “Nachrichten Baden-Württemberg” der Beklagten. Diese Redaktion ist eine von vier der im Jahre 1991 geschaffenen Hauptabteilung “Landesprogramm Baden-Württemberg” zugeordneten Redaktionen. Für sie sind fünf Angestellte und etwa 26 Ansicht der Beklagten freie Mitarbeiter tätig.

In den von der Beklagten eingereichten Honoraraufstellungen für die Jahre 1989 bis 1991 wird die Tätigkeit der Klägerin wie folgt beschrieben: Redaktions-Assis(tentin), Produzent, Redaktion, Redaktionelle Mi (tarbeit), Schlußredaktion, Redaktionssitzung, Chef vom Dienst, Regie, Sprechen, Filmbearbeitung. 1989 überwog danach die Mitwirkung als Redaktionsassistentin, für 1990 die redaktionelle Mitarbeit; für 1991 erscheint am häufigsten das Stickwort “Redaktion”. Jedenfalls seit dem 1. April 1991 hat die Klägerin keine “sendeverantwortlichen Dienste” (Chef vom Dienst, Planungsredakteur, Abnahmenredakteur) mehr geleistet. 1989 war sie an 249 und 1990 an 250 Tagen eingesetzt.

Für die verschiedenen Dienste der Nachrichtenredaktion werden – meist für sechs Wochen – im voraus Dienstpläne erstellt. Die von der Beklagten herausgegebenen “Grundsätze der Dienstplangestaltung” lauten auszugsweise wie folgt:

  • Für die Aufstellung der Dienstpläne ist der Redaktionsleiter bzw. ein von ihm beauftragter festangestellter Mitarbeiter zuständig. …
  • Die Dienstpläne umfassen regelmäßig einen Zeitraum von 4 – 6 Wochen. Herr B… stellt dazu die von den Mitarbeitern schon angemeldeten “Fehlzeiten” und sonstigen Wünsche fest. Berücksichtigt werden z.B.:

    • Wer für welche Zeit Urlaub angemeldet/beantragt hatte;
    • wer für welche Zeit Fortbildungsveranstaltungen besucht;
    • wer aufgrund regelmäßiger anderweitiger Verpflichtungen über bestimmte Zeiten nicht zur Verfügung steht (z.B. bei Frau L…: Verpflichtung als Moderatorin beim RIAS);
    • wer für welche Termine und für welche Dienstarten schon besondere Dispositionswünsche geäußert hat, sei es aus familiären oder sonstigen beruflichen Gründen (z.B. wollte Herr … nach der Geburt seines Kindes im Jahre 1991 möglichst keine Abenddienste und keine Wochenenddienste mehr leisten).
  • Steht nach diesem Verfahrensabschnitt fest, wer wann für welche Dienste zur Verfügung steht, werden diese Mitarbeiter in einem nächsten Verfahrensschritt für die einzelnen Funktionsdienste eingeplant. Dabei spielen folgende Kriterien eine Rolle:

    • Arbeitsvertragliche Festlegungen bei den festangestellten Mitarbeitern.

      Festangestellte Mitarbeiter werden vorrangig in den Funktionsdiensten und entsprechend den jeweiligen arbeitsvertraglichen Festlegungen und den Tätigkeitsmerkmalen der jeweiligen Tarifgruppen eingesetzt.

      Bei freien Mitarbeitern gibt es solche Beschränkungen nicht. Sie werden, wenn sie damit einverstanden sind, möglichst breit und vielseitig für alle unmittelbar programmbezogenen Arbeiten eingesetzt.

    • Tarifvertragliche Arbeitszeitbestimmungen

      Weiteres Kriterium ist die Berücksichtigung der tarifvertraglichen Arbeitszeitbestimmung (5-Tage-Woche) bei den festangestellten Mitarbeitern. Begleitend zur Dienstplanung muß laufend überwacht werden, daß Wochenenddienste innerhalb der dafür tarifvertraglich vorgesehen Fristen in Freizeit ausgeglichen werden.

      Ein solcher Freizeitausgleich findet bei freien Mitarbeitern nicht statt. Freie Mitarbeiter werden für jeden Tageseinsatz gesondert honoriert, arbeitszeitliche Begrenzungen gibt es nicht. Der Wunsch, am Wochenende nicht eingeteilt zu werden, wird allerdings respektiert. Ansonsten wird versucht, während des Durchlaufs eines Dienstplanes die Wochenendeinsätze und die sogenannten Früh- und Spätschlichten (Frühschicht: sie endet regelmäßig um 19.00 Uhr nach der Abendschau; Spätschicht: sie endet gegen 20.00 Uhr, 21.15 Uhr nach der Landesschau bzw. nach Südwest aktuell) möglichst gleichmäßig und damit gerecht mit den freien Mitarbeitern zu vereinbaren.

  • Entsprechend den vorgenannten Kriterien entsteht dann eine Vorlauffassung des Dienstplanes (maschinengeschrieben) . … Diese Vorlauffassung hat keinen verbindlichen Charakter in dem Sinne, daß danach Änderungswünsche der Mitarbeiter ausgeschlossen wären. Wie der Aufstellung “Änderungen im Dienstplan” entnommen werden kann, gibt es während des Durchlaufs eines Dienstplanes laufend noch aktuelle Änderungen. Diese werden dann handschriftlich im Dienstplan vermerkt. …

    Die aktuelle Fassung des Dienstplanes liegt … im Sekretariat bei Herrn B…–… aus und kann dort von den Mitarbeitern jederzeit zur Einsicht genommen werden. Die für beide Seiten letztlich verbindliche Dienstplangestaltung erfolgt also genaugenommen von Tag zu Tag, so, wie es letztendlich mit den freien Mitarbeitern vereinbart wurde.

In einem “an alle Kolleginnen und Kollegen … der FS-Nach-richten-Redaktion” gerichteten Schreiben der Beklagten vom 9. Januar 1991 heißt es u.a.:

Aus guten Gründen nochmals nachdrücklich der Hinweis, daß der Dienstplan verbindlich ist und Änderungen erst mit mir und im Falle meiner Abwesenheit mit Herrn B… abgesprochen werden müssen. Selbstverständlich ist, daß jeder der Tätigkeit nachgeht, wie sie im Dienstplan fixiert ist.

Unter dem 18. Februar 1992 richtete der Hauptabteilungsleiter ein Schreiben an die Klägerin, das auszugsweise wie folgt lautet:

Grundsätzlich liegt es in der Kompetenz von Redaktionsleitungen, Aufgabenverteilungen vorzunehmen und zu disponieren. (In) einer großen Redaktion führt das immer zum Eindruck einer “Verschiebemasse”, vor allem, weil es nur wenig beliebte, aber viele unattraktive Tätigkeiten gibt, obwohl alle Tätigkeiten für das Entstehen von Sendungen unerläßlich sind.

Insofern würde ich sie bitten, die angebotene Funktion wahrzunehmen.

In einem weiteren Schreiben vom 5. Mai 1992 heißt es u.a.:

um mögliche Engpässe bei der Dienstplanung vermeiden zu können, bitte ich nocheinmal, mir die Urlaubswünsche für Sommer und Herbst bis zum 15. Mai mitzuteilen.

Ich gehe davon aus, daß alle, die sich bis dahin nicht gemeldet haben, für Dienste eingeteilt werden können.

Die Beklagte behandelte die Klägerin als sog. feste freie Mitarbeiterin gem. den mit ihr abgeschlossenen Tarifverträgen für arbeitnehmerähnliche Personen. Die Klägerin erhielt Honorare, die nach Art und Anzahl der geleisteten Dienste errechnet werden. Bis 1990 erteilte die Beklagte Abrechnung durch Übersendung von auf Wochen bezogenen Honorarbögen. Seither wurde einige Zeit nach dem jeweiligen “Dienst” eine mit “Vertrag” bezeichnete Abrechnung übermittelt.

Die Klägerin hat geltend gemacht, sie sei Arbeitnehmerin der Beklagten. Deren Weisungsrecht ergebe sich aus der Erstellung der Dienstpläne und einer Vielzahl von Schreiben, die sie als Dienstanweisungen ansieht. Die von der Beklagten erstellten “Grundsätze der Dienstplangestaltung” würden nicht praktiziert. Sie erbringe ihre Arbeitsleistung an durchschnittlich fünf Tagen in der Woche, wobei sie regelmäßig mehr als neun Stunden täglich arbeite. Sie habe feste Arbeitszeiten und arbeite im Team und ausschließlich in den Räumen und mit den Arbeitsmitteln der Beklagten. Bereits ab 1. Mai 1987 sei sie als Redakteurin tätig. Sie müsse ihren Urlaub nicht nur rechtzeitig vorher anmelden, sondern darüber hinaus genehmigen lassen.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß sie sich bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis befindet.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Klägerin sei freie Mitarbeiterin. Dazu hat sie vorgetragen: Die Klägerin könne Art und Umfang ihrer Tätigkeit selbst bestimmen. Eine rechtliche Verpflichtung, ihr in bestimmtem zeitlichen Umfang zur Verfügung zu stehen, bestehe nicht. Insbesondere könne die Klägerin frei darüber entscheiden, welche der im Dienstplanentwurf ihr angebotenen Dienste sie annehmen wolle. Sie, die Beklagte, halte sich an die von ihr selbst aufgestellten “Grundsätze der Dienstplangestaltung”. Ein Direktionsrecht gebe es in diesem Zusammenhang nicht; vielmehr würden die Dienstpläne nach den Wünschen und Vorstellungen der Mitarbeiter erstellt. Die Mitarbeiter würden in großem Umfang Dienste untereinander tauschen und noch nachträglich mit ihr, der Beklagten, neue, andere Dienste vereinbaren. Anders als bei festangestellten Mitarbeitern, denen aufgrund ihres Arbeitvertrages bestimmte Aufgabengebiete oder Funktionen übertragen worden seien, sei es gerade charakteristisch für den freien Mitarbeiter, flexibel zu sein und für die unterschiedlichsten Aufgabenstellungen eingesetzt zu werden. Die Klägerin dürfe sich deshalb nicht wundern, wenn ihr nicht immer das gleiche Tätigkeitsgebiet angeboten werde. Sie entscheide frei, welche dieser Tätigkeiten sei bei der Beklagten übernehmen wolle. Habe sie sich aber einmal zu einer bestimmten Tätigkeit entschlossen, müsse sie sich auch an die durch die Herstellung der Sendung vorgegebenen Zwangspunkte halten. Hinsichtlich des Urlaubs sei stets so wie im Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen vorgesehen verfahren worden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben; das Landesarbeitsgericht hat sie als unzulässig abgewiesen. Seit dem 1. Februar 1993, also nach Erlaß des zweitinstanzlichen Urteils, ist die Klägerin nicht mehr für die Beklagte tätig geworden. Die Klägerin behauptet, sie habe mitgeteilt, daß sie als Mitarbeiterin weiter zur Verfügung stehe, und sie habe sich stets dienstbereit gehalten, sei aber nicht eingesetzt worden.

Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Hilfsweise beantragt sie die Feststellung, daß sie bis 31. Januar 1993 bzw. am 31. Januar 1993 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei der Beklagten stand. Weiterhin hilfsweise beantragt sie die Feststellung, daß sie mindestens vom Tag der Klageerhebung bis zum 31. Januar 1993 bzw. bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei der Beklagten gestanden hat. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung. Die Klage (Hauptantrag) ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zulässig.

I. Das Landesarbeitsgericht hat den bei ihm allein gestellten Antrag (jetzt: Hauptantrag) festzustellen, daß die Klägerin sich bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis befindet, dahin ausgelegt, daß er die Zeit ab 1. Juli 1990 und alle seitdem für die Beklagte geleisteten Dienste unfasse. Dieser Auslegung, die von der Revision nicht angegriffen worden ist, schließt sich der Senat an. Mit diesem Inhalt genügt der Antrag dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

II. Den so ausgelegten Antrag und damit die Klage insgesamt hat das Landesarbeitsgericht als unzulässig erachtet und dazu ausgeführt:

Der Klägerin stehe kein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO zur Seite. Denn durch die erstrebte Feststellung erfahre der Streit der Parteien nicht – wie erforderlich – eine “sachgemäße und erschöpfende Lösung”. Aus dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie ergebe sich nichts anderes. Vielmehr folge gerade daraus die Unzulässigkeit der Klage. Diese sei nur sachbescheidungsfähig, sofern die erstrebte Feststellung geeignet sei, den Rechtsfrieden herzustellen. Die Möglichkeit eines Teilurteils trage den Standpunkt der Klägerin nicht. Der Antrag zielte auf eine hier nicht mögliche Vorab-Entscheidung (§ 304 Abs. 1 ZPO). Im übrigen mangelte es an der Teilurteilsfähigkeit.

Der Klägerin fehle auch deshalb ein rechtliches Interesse an der Feststellung, weil sie nicht dargetan habe, warum sie des gerichtlichen Rechtsschutzes bedürfe oder inwiefern die erstrebte Feststellung Richtschnur für ihr künftiges Verhalten bilden solle. Der Umstand allein, daß über die rechtliche Qualifikation eines Vertragsverhältnisses im erörterten Sinne Streit bestehe, reiche nicht aus. Man müsse sehen: Die Parteien lebten mit ihrem Streit.

Außerdem mangele es am Interesse an alsbaldiger Feststellung. Die Rechtsschutzbitte der Klägerin stelle sich als eine Art Vorratsklage dar: Sollte es vielleicht irgendwann in Zukunft der Klägerin zweckmäßig erscheinen, aus dem behaupteten Status Rechte herzuleiten, so könne sie – zunächst – auf die hier erstrebte Feststellung zurückgreifen. Das könne, zumal bei Berücksichtigung der Unjewißheit künftiger Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse, nicht als hinreichend angesehen werden. Sollte je ein solcher Fall eintreten, möge die Klägerin die alsdann erforderliche (Leistungs) Klage mit der Inzidentfeststellungsklage verbinden.

III. Die Ansicht des Landesarbeitsgerichts hält der Revision nicht stand.

1. Das Bundesarbeitsgericht hat die Klagen von Beschäftigten auf Feststellung, daß zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, in ständiger Rechtsprechung für zulässig erklärt (BAG Urteile vom 3. Oktober 1975 – 5 AZR 162/74 –, – 5 AZR 445/74 –, vom 22. Juni 1977 – 5 AZR 353/75 – AP Nr. 15, 17, 22 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAGE 30, 163; 34, 111; 36, 77; 41, 247 = AP Nr. 26, 37, 38, 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG Urteile vom 24. Juni 1992 – 5 AZR 384/91 – und vom 9. Juli 1993 – 5 AZR 123/92 – AP Nr. 61, 66 zu § 611 BGB Abhängigkeit), und zwar auch dann, wenn im Laufe des Statusprozesses bereits erkennbar wird, daß später über einzelne Arbeitsbedingungen gestritten werden wird (Urteil vom 22. Juni 1977, aaO). Daran hält der Senat fest.

2. Das Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) entfällt nicht schon deshalb, weil die Klägerin ihre Klage auf die Statusbeurteilung beschränkt und sie weder den zeitlichen Umfang, in dem sie zu beschäftigen ist, noch die Frage, ob sie Anspruch auf Zuteilung bestimmter Arbeiten hat, zum Streitgegenstand gemacht hat. Es mag zwar im Grundsatz richtig sein, daß ein Kläger unter mehreren möglichen Feststellungsklagen die jeweils weitestgehende wählen muß, um möglichst alle Streitpunkte in einem Rechtsstreit zu klären, damit Folgeprozesse vermieden werden (vgl. Grunsky, Anm. AP Nr. 48 zu § 256 ZPO, zu 1a der Gründe). Für Statusklagen der vorliegenden Art gilt dies aber nicht uneingeschränkt. Grunsky hat seine Ansicht aus dem Prinzip der Prozeßökonomie hergeleitet. Gründe der Prozeßökonomie sprechen bei bestimmten Fallegestaltungen jedoch gegen die Annahme, nur für den weitestgehenden, alle Streitpunkte umfassenden Antrag könne ein Feststellungsinteresse bestehen (vgl. Mayer-Maly, Anm. zu AP Nr. 22 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Erst die hier von der Klägerin erhobene Klage kann Klarheit darüber verschaffen, ob sie Arbeitnehmerin ist. Nur bei positivem Ausgang dieses Verfahrens kommt es auf die weiteren Streitpunkte zwischen den Parteien an (vgl. auch schon BAGE 41, 247 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu A der Gründe). Es wäre prozeßökonomisch wenig sinnvoll, den um die Statusbeurteilung eines Beschäftigten geführten Prozeß von Anfang an mit Streitpunkten zu belasten wie etwa dem zeitlichen Umfang der Beschäftigung oder die Eingruppierung, die bei positivem Ausgang des Rechtsstreits zwischen den Parteien in aller Regel in Verhandlungen geklärt werden. Die Beantwortung der für den Beschäftigten wichtigsten Frage nach dem arbeitsrechtlichen Schutz seines Rechtsverhältnisses soll nicht durch eine vermeidbare Ausweitung des Streitgegenstandes verzögert werden. Die Statusfrage ist die Grundfrage solcher Rechtsstreite; es ist möglich, sie vorab zur gerichtlichen Entscheidung zu stellen (BAG Urteil vom 2. Juni 1976 – 5 AZR 131/75 – AP Nr. 20 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Das gilt selbst dann, wenn im Laufe des Rechtsstreits bereits erkennbar wird, daß später über einzelne Arbeitsbedingungen gestritten wird. Gründe der Prozeßökonomie sprechen auch in einem solchen Fall dafür, den Statusprozeß nicht mit weiteren Streitfragen zu belasten (Urteil vom 22. Juni 1977 – 5 AZR 753/75 – AP Nr. 22 zu § 611 BGB Abhängigkeit).

3. Die Klägerin hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch ein rechtliches Interesse daran, daß das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird (§ 256 Abs. 1 ZPO). Für den Fall, daß ein Arbeitsverhältnis festgestellt würde, wären auf dieses Vertragsverhältnis der Parteien – unabhängig von den getroffenen Vereinbarungen – die zwingenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden, die ein Arbeitsverhältnis gestalten (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur BAGE 41, 247, 250 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu A der Gründe), und zwar sofort, und nicht erst in ferner Zukunft. Für die entgegenstehenden Annahmen des Landesarbeitsgerichts fehlt jeder Anhaltspunkt. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, es handele sich um eine unzulässige Vorratsklage, ist für den Senat nicht nachvollziehbar.

4. Das Rechtsschutzinteresse für den Hauptantrag ist nicht schon deshalb entfallen, weil die Klägerin seit Ende Januar 1993 nicht mehr für die Beklagte tätig geworden ist. Zwar ist ein auf das Bestehen eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtete Feststellungsklage nur zulässig, wenn sich aus der begehrten Feststellung Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben (vgl. statt vieler: BAG Urteil vom 8. Dezember 1992 – 9 AZR 113/92 – AP Nr. 19 zu § 256 ZPO = NZA 1993, 475). Der Hauptantrag, bei dem die Klägerin verblieben ist, bezieht sich aber nicht auf ein nur vergangenen Rechtsverhältnis.

5. Die Zulässigkeit der Hilfsanträge, die die Klägerin erstmals in der Revisionsinstanz gestellt hat, war nicht zu prüfen. Auf die Hilfsanträge ist erst einzugehen, falls die Klägerin mit ihrem Hauptantrag nicht durchdringt.

IV. Da das Landesarbeitsgericht die Zulässigkeit der Klage zu Unrecht verneint hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die Klägerin erhält dadurch Gelegenheit, ihren Hauptantrag in zeitlicher Hinsicht zu präzisieren. Das Landesarbeitsgericht wird zu beachten haben, daß ein etwa bestehendes dauerndes Arbeitsverhältnis nicht schon dadurch beendet worden ist, daß die Klägerin seit Ende Januar 1993 nicht mehr für die Beklagte tätig war. Es müssen weitere Umstände hinzu treten, um ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zu beenden. Solche Umstände sind jedoch bislang nicht vorgetragen worden.

Die Klägerin erhält ferner Gelegenheit, zu präzisieren, für welchen Fall und mit welchem genauen Inhalt sie die Hilfsanträge zur gerichtlichen Entscheidung stellt.

 

Unterschriften

Schliemann, Dr. Reinecke, Dr. Wißmann, Hecker, Dr. Hirt

 

Fundstellen

Haufe-Index 856772

BB 1994, 2212

JR 1995, 264

NZA 1995, 190

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