Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen. Tarifsperre. Kündigung. Nachwirkung. Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG. Kündigung und Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen. Betriebsverfassungsrecht

 

Orientierungssatz

 

Normenkette

BetrVG §§ 77, 77 Abs. 3, 5-6; BGB § 613a; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Beschluss vom 07.12.1999; Aktenzeichen 13 TaBV 66/99)

ArbG Arnsberg (Beschluss vom 12.03.1999; Aktenzeichen 3 BV 9/98)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über die Fortgeltung der Betriebsvereinbarungen “Schichtzulage” und “Erschwerniszulagen”.

Die Arbeitgeberin betreibt in der Form einer GmbH & Co. KG ein Unternehmen des Holzverarbeitungs- und Holzhandelsgewerbes. Sie ist Rechtsnachfolgerin der D…. GmbH & Co. KG, deren Vermögen und Rechtsverhältnisse zum 1. Juni 1998 auf sie übergegangen sind.

Die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin, die bis dahin Firmentarifverträge mit der Gewerkschaft Holz und Kunststoff (GHK) geschlossen hatte, trat zum 1. März 1978 dem Arbeitgeberverband Holzbearbeitung und Holzhandel in Nordrhein-Westfalen e.V. bei. Aus diesem Anlaß schloß sie mit der GHK eine “Übergangsregelung” vom 12. Oktober 1977, die unter anderem folgende Bestimmungen enthält:

“Für die folgenden Tarifbestimmungen, die im Firmentarifvertrag den Verbandstarifverträgen unterschiedlich geregelt sind, wird Besitzstands-Garantie nach Maßgabe dieser Regelung gegeben.

1. …

5. Schichtzulage

Solange im Verbandstarif keine Schichtzulagen vorgesehen sind, werden diese bei D…. gemäß einer Betriebsvereinbarung gewährt. (Text s. Anlage 1)

6. …

15. Erschwerniszulagen

Die Betriebsvereinbarung über Erschwerniszulagen … wird durch Wegfall des Firmentarifvertrages, auf den sie sich bezog, ebenfalls hinfällig. An ihre Stelle tritt eine neue Betriebsvereinbarung (Text s. Anlage 3)

16. …

19. Soweit in dieser Regelung nichts anderes bestimmt ist, gelten die Verbandstarife ab 1. März 1978 in vollem Umfang.”

Arbeitgeberin und der im Werk A…. gebildete Betriebsrat schlossen am selben Tag die Betriebsvereinbarungen “Schichtzulage” und “Erschwerniszulagen”. Eine Schichtzulage in Höhe von 4 % bzw. 9 % wurde vorgesehen für Mitarbeiter, die wechselnd zwei- bzw. dreischichtig eingesetzt werden. Am Schluß der Betriebsvereinbarung “Schichtzulage” heißt es:

“8. Sollten durch Verbandstarif Schichtzulagen, Spätarbeitszuschläge oder ähnliche Leistungen eingeführt werden, so werden diese mit der hier geregelten Schichtzulage verrechnet. Dabei bleibt der Besitzstand gewahrt.

Diese Betriebsvereinbarung tritt am 1.3.1978 in Kraft und gilt solange, bis aufgrund verbandstariflicher Regelung eine Änderung notwendig wird.”

Erschwerniszulagen waren vorgesehen für bestimmte Arbeitsgänge, die durch den Umgang mit Säuren, Laugen und Nässe, durch Geruchsbelästigung, durch Lärm über 85 dB oder durch eine Raumtemperatur von mehr als 26°C gekennzeichnet sind. Außerdem waren Zulagen geregelt für besonders schmutzige Arbeiten und für Arbeiten, für die bei einer Lärmbelästigung von über 90 dB das Tragen von Gehörschutzmitteln erforderlich ist. Die Betriebsvereinbarung “Erschwerniszulagen” schließt mit folgendem Satz:

“Diese Betriebsvereinbarung tritt am 1.3.1978 in Kraft. Durch sie wird die bisher geltende Betriebsvereinbarung vom 14.1.1977 abgelöst.”

Zum 31. Dezember 1990 trat die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin wieder aus dem Arbeitgeberverband aus. Sie vereinbarte in einem Übernahmetarifvertrag vom 5. Februar 1991 mit der GHK die Geltung der zwischen dieser und der Vereinigung Deutscher Sägewerksverbände e.V. bzw. dem Arbeitgeberverband Holzbearbeitung in Nordrhein-Westfalen abgeschlossenen Tarifverträge. Mit Schreiben vom 27. Mai 1998 kündigte sie “vorsorglich” die Betriebsvereinbarungen “Schichtzulage” und “Erschwerniszulagen” zum 31. August 1998. Die Beteiligten regelten in einer Betriebsvereinbarung vom 5. August 1998 die Weitergewährung der Zulagen gemäß den beiden gekündigten Betriebsvereinbarungen bis zum 30. September 1998.

Der Betriebsrat begehrt die Feststellung, daß die Betriebsvereinbarungen über den 31. August 1998 hinaus fortgelten oder zumindest nachwirken. Er hat die Auffassung vertreten, die Betriebsvereinbarungen seien nicht zum 1. Juni 1998 durch tarifvertragliche Regelungen abgelöst worden. Auch sei die Kündigung vom 27. Mai 1998 nicht wirksam. Sie sei in der Absicht ausgesprochen worden, § 613a BGB zu umgehen, und aus diesem Grund sittenwidrig. Die Betriebsvereinbarung “Schichtzulage” sei zudem ordentlich nicht kündbar. Zumindest wirkten die Betriebsvereinbarungen nach, weil in ihnen allgemeine Verteilungsgrundsätze im Rahmen der erzwingbaren Mitbestimmung geregelt seien.

Der Betriebsrat hat beantragt,

  • festzustellen, daß die Betriebsvereinbarungen “Schichtzulage” vom 12. Oktober 1977 und “Erschwerniszulagen” vom 12. Oktober 1977 über den 31. August 1998 hinaus fortgelten,
  • hilfsweise festzustellen, daß die in Ziffer 1 bezeichneten Betriebsvereinbarungen über den 31. August 1998 hinaus nachwirken.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, sie sei zum 26. Mai 1998 dem Arbeitgeberverband Holzbearbeitung und Holzhandel in Nordrhein-Westfalen e.V. beigetreten. Dadurch seien die Betriebsvereinbarungen zum 1. Juni 1998 durch tarifvertragliche Regelungen abgelöst worden. Die Kündigung vom 27. Mai 1998 sei nicht zur Umgehung des § 613a BGB erklärt worden. Zwar sei zum 1. Juni 1998 ein Betriebsübergang eingetreten. Die Kündigung sei jedoch nur vorsorglich für den Fall erfolgt, daß die Auffassung des Arbeitgebers über die Ablösung der Betriebsvereinbarungen keinen Bestand habe. Auch die Betriebsvereinbarung “Schichtzulage” sei ordentlich kündbar. Es bestünden keine Anhaltspunkte für einen übereinstimmenden Willen der Betriebspartner, den Arbeitnehmern eine unentziehbare Rechtsposition zu gewähren.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seine Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hat hinsichtlich der Betriebsvereinbarung “Schichtzulage” Erfolg; diese gilt über den 31. August 1998 hinaus fort. Sie ist nicht wirksam gekündigt worden. Im übrigen ist die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen angenommen, daß die Betriebsvereinbarung “Erschwerniszulagen” nicht über den 31. August 1998 hinaus weitergilt. Sie ist durch die Kündigung der Arbeitgeberin vom 27. Mai 1998 beendet worden, ohne nachzuwirken.

  • Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet, soweit sie die Fortgeltung der Betriebsvereinbarung “Schichtzulage” betrifft.

    Dabei steht die Geltung im Monat September 1998 nicht mehr im Streit. Da der Betriebsrat insoweit die Erledigung seines Antrags erklärt und die Arbeitgeberin zugestimmt hat, ist hinsichtlich dieses Monats das Verfahren eingestellt worden.

    • Das für den Feststellungsantrag auch im Beschlußverfahren erforderliche Interesse an alsbaldiger Feststellung im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO (BAG 15. Dezember 1998 – 1 ABR 9/98 – BAGE 90, 288, zu B I 3 der Gründe, mwN) ist gegeben. Der Betriebsrat hat ein rechtlich geschütztes Interesse daran, das Bestehen oder Nichtbestehen einer Betriebsvereinbarung als betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis klären zu lassen. Dies folgt schon aus der Tragweite der Betriebsvereinbarung als normativ auf die Arbeitsverhältnisse aller von ihr erfaßten Arbeitnehmer der Belegschaft einwirkende Regelung (BAG 8. Dezember 1970 – 1 ABR 20/70 – BAGE 23, 122, zu 2 der Gründe; Großer Senat 16. September 1986 – GS 1/82 – BAGE 53, 42, zu C IV 3 der Gründe; 17. August 1999 – 3 ABR 55/98 – AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 79 = EzA BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 2, zu B I 2 der Gründe).
    • Auf den Hauptantrag war festzustellen, daß die Betriebsvereinbarung “Schichtzulage” fortgilt.

      • Die Betriebsvereinbarung ist wirksam zustande gekommen. § 77 Abs. 3 BetrVG steht nicht entgegen.

        Gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG können Arbeitsentgelte oder sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein, sofern ein Tarifvertrag den Abschluß ergänzender Betriebsvereinbarungen nicht ausdrücklich zuläßt. Da mit der Betriebsvereinbarung “Schichtzulage” nicht nur die Verteilungsgrundsätze der Schichtzulage iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, sondern auch das Ob der Zahlung geregelt wurde, ist § 77 Abs. 3 BetrVG grundsätzlich anwendbar (BAG Großer Senat 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – BAGE 69, 134 und – GS 1/90 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 52). Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG greift hier aber nicht ein, da es an einer einschlägigen tariflichen Regelung fehlt und eine solche auch nicht üblich ist.

        Dabei kann – entsprechend dem Vortrag der Arbeitgeberin, dem der Betriebsrat nicht entgegengetreten ist – davon ausgegangen werden, daß der Betrieb der Arbeitgeberin dem Geltungsbereich des Bundesmanteltarifvertrags für die Sägeindustrie und die übrige Holzbearbeitung (BMS) sowie der Lohntarifverträge für die Holzbearbeitung (Sägeindustrie und verwandte Betriebe) und des Holzhandels im Lande Nordrhein-Westfalen unterfällt. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, daß die Arbeitgeberin und der Betriebsrat übereinstimmend die fachliche Zugehörigkeit ihres Betriebes verkannt haben könnten.

        Der zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung “Schichtzulage” geltende BMS in der Fassung vom 25. April 1975 sah eine Zulage für die Tätigkeit in Wechselschicht nicht vor. Soweit unter Nr. 37c Zuschläge “für Nachtschichtarbeit und sonstige regelmäßige Nachtarbeit” vorgesehen waren, bezog sich diese Regelung nicht auf Einsätze in wechselnden Schichten. Abgegolten wurden vielmehr Zusatzbelastungen durch Tätigkeiten innerhalb der Nachtzeit. Dementsprechend hat bereits der Vierte Senat entschieden, daß im Geltungsbereich dieses Tarifvertrags eine Betriebsvereinbarung über Wechselschichtzulagen nicht gegen den Tarifvorrang verstößt (BAG 23. Oktober 1985 – 4 AZR 119/84 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 33 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 21; Kreutz in GK-BetrVG 6. Aufl. § 77 Rn. 93; Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 77 Rn. 78; DKK-Berg BetrVG 7. Aufl. § 77 Rn. 64; Coester SAE 1986, 288).

        Da die Tarifvertragsparteien auch in der Folgezeit keine die Betriebsvereinbarung verdrängende Regelung geschaffen haben, führt auch die weitere Tarifentwicklung nicht zur Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung (BAG 26. Februar 1986 – 4 AZR 535/84 – BAGE 51, 178, 181 f.; Kreutz in GK-BetrVG aaO § 77 Rn. 111; Fitting/Kaiser/Heither/Engels aaO § 77 Rn. 88; Hess in Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG 5. Aufl. § 77 Rn. 159).

        Soweit der Manteltarifvertrag mit dem Arbeitgeberverband Holzbearbeitung und Holzhandel in der Fassung vom 8. März 1995 unter Nr. 39 einen Wechselschichtzuschlag von 5 % vorsieht, steht dies der Betriebsvereinbarung “Schichtzulage” nicht entgegen. Diese Regelung enthält eine Öffnungsklausel. Danach können “Zulagen, die bisher in unterschiedlicher Art in den Betrieben für Wechselschichtarbeit gewährt werden, … angerechnet werden; günstigere Regelungen bleiben erhalten.” Diese Regelung zeigt, daß die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen sind, die Wechselschichtzulagen seien im Tarifvertrag nicht abschließend geregelt.

      • Die Betriebsvereinbarung “Schichtzulage” ist auch nicht wirksam gekündigt worden.

        Das Recht zur ordentlichen Kündigung ist durch die Regelung im Schlußsatz nach Nr. 8 “diese Betriebsvereinbarung tritt am 1. März 1978 in Kraft und gilt solange, bis auf Grund verbandstariflicher Regelung eine Änderung notwendig wird” wirksam ausgeschlossen worden.

        Zwar können Betriebsvereinbarungen grundsätzlich nach § 77 Abs. 5 BetrVG mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Dieses Kündigungsrecht kann aber durch den Arbeitgeber und den Betriebsrat einvernehmlich eingeschränkt oder ausgeschlossen werden (BAG 17. Januar 1995 – 1 ABR 29/94 – AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 54, zu II A 1b (1) der Gründe). Das ist hier geschehen, wie die Auslegung der Regelung im Schlußsatz nach Nr. 8 der Betriebsvereinbarung ergibt.

        Für die Auslegung der Betriebsvereinbarung als kollektiver Regelung gelten die Grundsätze der Gesetzesauslegung. Danach ist zunächst vom Wortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den Gesamtzusammenhang der Regelung, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien enthält und so Sinn und Zweck der Normen zutreffend ermittelt werden können. Bleiben hiernach noch Zweifel, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte oder auch eine praktische Übung ergänzend hinzuziehen. Zudem ist die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, welche zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr. zuletzt BAG 7. November 2000 – 1 AZR 175/00 – zur Veröffentlichung vorgesehen).

        Nach diesen Grundsätzen ist der Regelung im Schlußsatz nach Nr. 8 ein Ausschluß des Rechts zur ordentlichen Kündigung der Betriebsvereinbarung zu entnehmen. Das zeigt schon der Wortlaut “diese Betriebsvereinbarung … gilt solange, bis auf Grund verbandstariflicher Regelung eine Änderung notwendig wird”. Allein eine Neuregelung auf Grund veränderter Tarifsituation ist danach als Beendigungsgrund vorgesehen. Auch Systematik und Entstehungsgeschichte der Betriebsvereinbarung “Schichtzulage” sprechen für eine entsprechende Funktion der Laufzeitklausel. Sie machen deutlich, daß der Bestand der Betriebsvereinbarung bis zum Zeitpunkt einer sie ersetzenden tarifvertraglichen Regelung der einseitigen Disposition des Arbeitgebers entzogen sein sollte. So hat der Senat auch bei einer festen Laufzeit der Betriebsvereinbarung einen schlüssigen Ausschluß der ordentlichen Kündigung angenommen (BAG 24. Januar 1996 – 1 AZR 597/95 – BAGE 82, 89).

        Für diese Auslegung sprechen auch Sinn und Zweck der Regelung. Offensichtlich wollten die Parteien der Vereinbarung sicherstellen, daß der durch die Betriebsvereinbarung geschaffene Besitzstand gewahrt wird. Dies wird bestätigt durch Satz 1 der Nr. 8 der Betriebsvereinbarung, wonach andere tarifvertragliche Leistungen wie Schichtzulagen, Spätarbeitszuschläge oder ähnliche Leistungen mit der durch die Betriebsvereinbarung geregelten Schichtzulage verrechnet werden können. Schließlich entspricht dieses Verständnis auch Nr. 5 der Übergangsregelung vom 12. Oktober 1977, wonach Schichtzulagen gemäß der Betriebsvereinbarung gewährt werden, solange im Verbandstarifvertrag keine Schichtzulagen vorgesehen sind.

        Da eine entsprechende tarifliche Regelung bis zum Kündigungszeitpunkt nicht galt, verstieß die ordentliche Kündigung vom 27. Mai 1998 gegen dieses Kündigungsverbot. Für die Annahme, daß die Kündigung zur Umgehung des § 613a BGB erfolgt wäre, fehlen ebenso wie für eine Sittenwidrigkeit jegliche Anhaltspunkte. Mangels anderweitiger Beendigungstatbestände besteht die Betriebsvereinbarung “Schichtzulage” somit fort.

      • Die Betriebsvereinbarung “Schichtzulage” gilt im Betrieb der Arbeitgeberin normativ. Beim Betriebsübergang blieb die Betriebsidentität erhalten, so daß die vorhandenen Betriebsvereinbarungen kollektivrechtlich weitergalten (BAG 27. Juli 1994 – 7 ABR 37/93 – AP BGB § 613a Nr. 118 = EzA BGB § 613a Nr. 123).
  • Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hat keinen Erfolg, soweit sie die Betriebsvereinbarung “Erschwerniszulagen” betrifft. Diese Betriebsvereinbarung gilt nicht mehr.

    Bedenken gegen die Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung “Erschwerniszulagen” ergeben sich schon aus der Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, da gleichartige Arbeitsbedingungen gemäß den Lohntarifverträgen für die Holzbearbeitung (Sägeindustrie und verwandte Betriebe) sowie den Holzhandel im Land Nordrhein-Westfalen galten. § 5 des Lohntarifvertrags vom 10. März 1977 sah Erschwerniszuschläge vor. Die von der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin mit der GHK abgeschlossene “Übergangsregelung” vom 12. Oktober 1977 enthielt insoweit schon deshalb keine wirksame Öffnungsklausel im Sinne von § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG, weil sie nicht von den Parteien des Verbandslohntarifvertrags abgeschlossen worden ist. Der Senat braucht diese Frage jedoch nicht abschließend zu entscheiden. Die Betriebsvereinbarung ist jedenfalls durch die Kündigung der Arbeitgeberin vom 27. Mai 1998 beendet worden; sie wirkt auch nicht nach.

    Auch insoweit ist von der grundsätzlichen Kündigungsmöglichkeit für Betriebsvereinbarungen auszugehen (BAG 17. Januar 1995 – 1 ABR 29/94 – AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 54). Da die Betriebsvereinbarung “Erschwerniszulagen” keine Regelung hinsichtlich eines Ausschlusses des ordentlichen Kündigungsrechts enthält, konnte sie von der Arbeitgeberin gemäß § 77 Abs. 5 BetrVG ordentlich gekündigt werden. Einer besonderen Rechtfertigung für die Kündigung bedurfte es dabei nicht (BAG 17. August 1999 – 3 ABR 55/98 – AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 79 = EzA BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 2). Danach hat die Kündigung der Beklagten die Betriebsvereinbarung “Erschwerniszulagen” beendet.

    Die Betriebsvereinbarung wirkt nicht nach. Da sie freiwillige Arbeitgeberleistungen regelt, deren Fortfall nicht der Mitbestimmung unterliegt, wird sie von der gesetzlichen Nachwirkungsregelung nicht erfaßt (§ 77 Abs. 6 BetrVG).

 

Unterschriften

Wißmann, Rost, Hauck, Buschmann, Federlin

 

Fundstellen

Dokument-Index HI892417

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