Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Prämien bei Tariflohnerhöhung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Durch Tarifvertrag kann die Anrechnung übertariflicher Lohnbestandteile, die aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung geschuldet werden, nicht wirksam normiert werden. Daher ist, soweit diese Tarifnorm das für Tariflohnerhöhungen vorsieht, § 7 Nr. 1 LRTV unwirksam.

2. Von dieser Teilunwirksamkeit wird die Gültigkeit des sonstigen Inhalts der Tarifnorm jedoch nicht berührt. Das ist nach den Grundsätzen zur Teilunwirksamkeit von Gesetzesrecht zu beurteilen.

3. Demgemäß können übertarifliche Lohnbestandteile, die aufgrund einer Betriebsvereinbarung geschuldet werden, gemäß § 7 Nr. 1 auf den erhöhten Tariflohn angerechnet werden.

4. Prämien, die an Betriebshandwerker der Hohlglasindustrie gezahlt werden, denen die Wartung der der Produktion dienenden Maschinen obliegt, sind „Qualitäts- und Ersparnisprämien” im Sinne von § 13 Abs. II MTV, während bei „Mengenprämien” (das. Abs. I) an die quantitative Ausbringung der Arbeit angeknüpft wird.

 

Leitsatz (redaktionell)

Nachwirkung freiwilliger Betriebsvereinbarungen (§ 77 Abs. 6 BetrVG)

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Glasindustrie, § 1; BGB § 139; BetrVG § 77

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14.06.1984; Aktenzeichen 9 Sa 1207/83)

ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 08.11.1983; Aktenzeichen 5 Ca 339/83 L)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Juni 1984 – 9 Sa 1207/83 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der der Industriegewerkschaft Chemie-Papier-Keramik angehörende Kläger steht seit dem 2. Mai 1974 als Maschinenschlosser in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, die dem Fachverband der Hohlglasindustrie e.V. angeschlossen ist. Wie die sonstigen Betriebshandwerker hat der Kläger die Aufgabe, die der Produktion von Flaschen dienenden Maschinen in betriebsbereitem Zustand zu erhalten, Störungen möglichst auszuschließen und sie bei ihrem Eintritt möglichst schnell wieder zu beseitigen. Zunächst erhielt der Kläger Tariflohn nach der Lohngruppe 6 des Lohntarifvertrages für die Hohlglasindustrie und dazu einen Zuschlag für kontinuierliche Arbeitsweise. Außerdem zahlte ihm die Beklagte aufgrund einer am 24. Januar 1980 abgeschlossenen Betriebsvereinbarung eine Prämie, die sich der Höhe nach der Gesamtausbeute aller Maschinen des Werkes G. der Beklagten richtete. Dabei ist unter Gesamtausbeute das Produkt aus Zeitausbeute und Stückausbeute zu verstehen. Die Zeitausbeute gibt das Verhältnis an, in dem die tatsächliche Nutzung zur möglichen Nutzung der Maschinen steht, während unter Stückausbeute das Verhältnis der den Qualitätsanforderungen entsprechenden Flaschen zum Maschinendurchschnittssatz zu verstehen ist.

Aufgrund des am 1. Oktober 1981 in Kraft getretenen Lohnrahmentarifvertrages für die Hohlglasindustrie in der Bundesrepublik Deutschland vom 10. Dezember 1981 (LRTV) wurde der Kläger in die Lohngruppe 7 höhergruppiert. Dadurch erhöhte sich sein Stundenlohn von 12,63 DM auf 14,27 DM. Jedoch rechnete die Beklagte nunmehr einen Teil der Prämie, die der Kläger aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 24. Januar 1980 bezogt, auf dessen erhöhten Tariflohn unter Berufung auf § 7 Nr. 1 LRTV an. Die Betriebsvereinbarung lief im Sommer 1982 aufgrund einer von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung ab.

Der Kläger hält die Anrechnung der Prämie für unzulässig und hat demgemäß mit seiner am 9. Juni 1983 erhobenen Klage die Beklagte für den Zeitraum vom 1. April 1982 bis 31. Mai 1983 auf weitere volle Zahlung der Prämie in Anspruch genommen. Dazu hat der Kläger vorgetragen, bei der Prämie, die er bezogen habe, handele es sich um eine sogenannte „kombinierte Prämie” im Sinne von § 13 Abs. III des Manteltarifvertrages für die Hohlglasindustrie in der Bundesrepublik Deutschland vom 18. September 1974 (MTV). Derartige Prämien dürften nach § 7 LRTV nicht zu seinen Lasten angerechnet werden. Die an ihn gezahlte Prämie habe zumindest auch den Rechtscharakter einer „Mengenprämie” im Sinne von § 13 Abs. I MTV aufgewiesen und sei schon deswegen als „kombinierte Prämie” anzusehen. Das ergebe sich daraus, daß für ihre Höhe sowohl die Zeitausbeute als auch die Stückausbeute maßgeblich gewesen seien. Bei der Stückausbeute sei es auch auf die Zahl der produzierten Flaschen angekommen, also auf quantitative Produktionselemente. Damit lägen der an ihn gezahlten Prämie die drei Faktoren Zeit, Menge und Qualität zugrunde, was sie zugleich als „kombinierte Prämie” im tariflichen Sinne charakterisiere. Demgemäß hat der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.181,60 DM brutto nebst 4 v.H. Zinsen aus dem eingeklagten Bruttobetrag entsprechenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, für das Klagebegehren gebe es keine Rechtsgrundlage. Vielmehr sei sie zur vollen Anrechnung der dem Kläger aufgrund der Betriebsvereinbarung gezahlten Prämie berechtigt. Dabei handele es sich nämlich weder um eine „Mengenprämie” noch um eine „kombinierte Prämie” im Sinne von § 13 Abs. I bzw. Abs. III MTV, sondern um eine „Qualitäts- und Ersparnisprämie” im Sinne von § 13 Abs. II MTV. Diese dürfe sie jedoch nach § 7 LRTV in voller Höhe auf den erhöhten Tariflohn des Klägers anrechnen. Die Zeitausbeute als erster Faktor für die Höhe der Prämie habe mit der Menge der produzierten Flaschen überhaupt nichts zu tun, sondern beziehe sich ausschließlich auf den Lauf der Maschinen. Für die Stückausbeute gelte nichts anderes. Auch sie werde nämlich unabhängig von der produzierten absoluten Stückzahl der Flaschen ermittelt und im übrigen ins Verhältnis zum Maschinendurchschnittssatz gestellt. Damit stelle sich hier die Zahl der produzierten und den Qualitätsanforderungen entsprechenden Flaschen nur als ein Rechnungsfaktor dar, der die Prämie selbst in keiner Weise rechtlich charakterisiere. Die an den Kläger gezahlte Prämie habe daher ausschließlich die Bedeutung einer „Qualitäts- und Ersparnisprämie” im Sinne von § 13 Abs. II MTV, womit zugleich eine „kombinierte Prämie” nach § 13 Abs. III MTV begrifflich ausgeschlossen werde.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß es für das Klagebegehren keine Rechtsgrundlage gibt. Die Beklagte ist berechtigt, die an den Kläger gezahlte Prämie auf dessen erhöhten Tariflohn anzurechnen.

Wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals klargestellt haben und offenbar auch die Vorinstanzen unterstellen, gelten aufgrund beiderseitiger Tarifbindung gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG zwischen den Parteien die Tarifverträge für die Hohlglasindustrie in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar und zwingend. Dabei handelt es sich einmal um den Lohnrahmentarifvertrag vom 10. Dezember 1981 (LRTV) und außerdem um den Manteltarifvertrag vom 18. September 1974 (MTV), die wechselseitig aufeinander Bezug nehmen.

Auszugehen ist mit dem Landesarbeitsgericht von § 7 Nr. 1 LRTV, worin im einzelnen bestimmt wird:

Ergeben sich aufgrund der Einführung dieses Tarifvertrages Erhöhungen der Tariflöhne, so sind alle übertariflichen Lohnbestandteile, auch leistungsbezogene, anrechenbar.

Dies gilt jedoch nicht für in Prämienarbeit gem. § 13 I und III des Manteltarifvertrages i.d.F. vom 18. September 1974 erzielte Verdienste, sofern hier ein Prämienverdienst von 6 % unterschritten wird.

Wird die bisherige Prämienmindestverdienstgrenze von 14 % zur Zeit der Einführung dieses Tarifvertrages durch eine Ausgleichszahlung erreicht, so darf durch die vorstehende Regelung keine Verdienstminderung eintreten.

Schon nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut ist § 7 Nr. 1 Abs. 1 LRTV dahin auszulegen, daß im Falle der Erhöhung der Tariflöhne alle übertariflichen Lohnbestandteile auf den erhöhten Tariflohn angerechnet werden sollen. Damit werden von der Tarifnorm auch übertarifliche Lohnbestandteile erfaßt, die vom Arbeitgeber aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung geschuldet werden. Insoweit ist jedoch die Tarifnorm wegen Gesetzesverstoßes unwirksam, denn den Tarifvertragsparteien ist der Eingriff in einzelvertragliche Vergütungsansprüche schon im Hinblick auf das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG verwehrt, so daß die Aufhebung oder Änderung solcher Ansprüche nur mit den Mitteln des bürgerlichen Rechts möglich ist (vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 235). Andererseits erfaßt die Tarifnorm des § 7 LRTV nach ihrem Wortlaut und ihrem Gesamtzusammenhang aber auch übertarifliche Lohnbeständteile, die – wie bei der Beklagten üblich – aufgrund von Betriebsvereinbarungen geschuldet werden. Insoweit ist eine entsprechende tarifliche Anrechnungsnorm wegen des Vorranges des Tarifrechts gegenüber dem Recht der Betriebsvereinbarung im Sinne des sogenannten Ordnungsprinzips unbedenklich möglich und gültig (vgl. das Urteil des Senats vom 23. Oktober 1985 – 4 AZR 119/84 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, sowie Wiedemann/Stumpf, aaO, § 4 Rz 309 und 315). Dabei geht der Senat aufgrund der entsprechenden übereinstimmenden Angaben beider Parteien in der mündlichen Verhandlung davon aus, daß jedenfalls zu Beginn des Anspruchszeitraums die die Prämienzahlung begründende Betriebsvereinbarung vom 24. Januar 1980 noch gültig war und sich noch nicht in gekündigtem Zustand befand.

Damit erweist sich § 7 Nr. 1 Abs. 1 LRTV insoweit als unwirksam, als danach auch auf einzelvertraglicher Grundlage geschuldete übertarifliche Lohnbestandteile für anrechenbar erklärt werden. Dadurch wird die Gültigkeit der Tarifnorm im übrigen, d.h. insbesondere bezüglich der Anrechenbarkeit der aufgrund von Betriebsvereinbarungen geschuldeten übertariflichen Lohnbestandteile, jedoch nicht beeinträchtigt. Das ist zwar nicht wie bei den Rechtsgeschäften des bürgerlichen Rechts aus § 139 BGB herzuleiten. Vielmehr haben, wenn Teile eines Tarifvertrages nichtig sind, wegen dessen normativen Charakters die Grundsätze über die Nichtigkeit einzelner gesetzlicher Vorschriften bzw. Teilen gesetzlicher Vorschriften zu gelten, wie sie insbesondere das Bundesverfassungsgericht entwickelt hat (vgl. BAG 23, 399, 405 = AP Nr. 8 zu § 4 TVG Effektivklausel; BVerfGE 8, 274, 301 sowie 17, 148, 152, ferner Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd. II/1, § 18 V 2, S. 355 und Wiedemann/Stumpf, aaO, § 1 Rz 111). Danach aber wäre die Anrechnungsnorm des § 7 LRTV nur dann unwirksam, wenn der gültige Teil der Tarifnorm keine eigene rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung hätte oder die Gesamtregelung ihren Sinn verlieren würde, weil sich ein Teil als nichtig erweist. Davon kann vorliegend schon deswegen nicht ausgegangen werden, weil hinsichtlich der Anrechnung auf den erhöhten Tariflohn eine unterschiedliche Handhabung bei einzelvertraglichen und Vergütungsansprüchen aufgrund von Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarungen ohne weiteres möglich ist und die Tarifnorm ausweislich ihres Gesamtzusammenhanges und der praktischen Übung bei der Beklagten in ihrem Schwerpunkt ohnehin Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen und deren Anrechenbarkeit betrifft, die damit mit den Vorinstanzen zu bejahen ist.

Dabei geht das Landesarbeitsgericht mit Recht von § 7 Nr. 1 Abs. 1 LRTV aus. Aufgrund der Einführung dieses Tarifvertrages ist der Kläger von der Lohngruppe 6 in die Lohngruppe 7 höhergruppiert worden, womit sich sein Stundenlohn von 12,63 DM auf 14,27 DM erhöhte. Damit sind bei ihm auch die materiellen Voraussetzungen für die Anrechnung aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 24. Januar 1980 geleisteter Prämien erfüllt.

Die Anrechnung der Prämie wäre nach § 7 Nr. 1 Abs. 2 LRTV nur dann nicht möglich, wenn sie ihre Rechtsgrundlage in § 13 Abs. I oder Abs. III MTV hätte und es sich demgemäß bei der Prämie um eine „Mengenprämie” oder sogenannte „kombinierte Prämie” handeln würde. Das ist jedoch, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, nicht der Fall.

Der hierfür maßgebliche § 13 MTV bestimmt zunächst in seiner Einleitung:

Arbeiten, die sich zur Ausführung in Prämienarbeit eignen, können als Mengen-, Qualitäts- und Ersparnis- oder kombinierte Prämien durch Betriebsvereinbarung für eine einzelne Person oder für eine Gruppe vergeben werden.

Alsdann wird für die einzelnen Prämienarten bestimmt in Abs. I Unterabsatz 1 unter der Überschrift „Mengenprämien”:

Arbeiten, die vom Arbeitnehmer nur beschränkt beeinflußbar sind oder durch variable Materialbeschaffenheit oder sonstige schwankende Arbeitsbedingungen im Akkord nicht vergeben werden können, können in Mengenprämienlohn für eine einzelne Person oder für eine Gruppe vergeben werden. Als Grundlage sollten objektive, meßbare Bezugsgrößen dienen (t, m, kg, Stck. usw.), in Abs. II unter der Überschrift „Qualitäts- und Ersparnisprämien”:

Zur Erhöhung der Qualität, der Ausnutzung betrieblicher Anlagen oder von Materialien der Ersparnis von Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffen sowie Energien usw. können andere Prämien eingeführt werden. Die Prämienverrechnung erfolgt auf den tariflichen Zeitlohn. Die Höhe der einzelnen Prämien ist durch Betriebsvereinbarung festzusetzen. Hierbei sollten objektive, meßbare Bezugsgrößen als Grundlage dienen (t, m, kg,) Stck. usw. unter Berücksichtigung einer normalen menschlichen Belastung

und in Abs. III unter der Überschrift „Kombinierte Prämien”:

Treffen Einflußfaktoren von Abschnitt I und II zusammen, können kombinierte Prämien angewandt werden. In diesem Falle gelten die Bestimmungen des Abschnittes I.

Mit den Vorinstanzen ist bei der Auslegung der vorstehenden Tarifnormen aus dem MTV zu beachten, daß es sich dabei um einen Tarifvertrag für einen speziellen Industriezweig handelt, womit auf dessen Verhältnisse und Bedürfnisse besondere Rücksicht genommen wird. Im übrigen nimmt der Senat Bedacht darauf, daß es einen allgemein feststehenden oder gesetzlich vorgegebenen Rechtsbegriff weder hinsichtlich der Prämie noch der tariflich im einzelnen vorgesehenen Arten von Prämien gibt, wenngleich bei der Mengenprämie in aller Regel an die quantitative Ausbringung der Arbeit angeknüpft wird (vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 87 Rz 321; Wiese in GK-BetrVG, 3. Bearbeitg., § 87 Rz 377 sowie Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 5. Aufl., § 65 II 1 und 2. S. 317).

Wie schon das Arbeitsgericht im einzelnen ausgeführt hat, ist der Kläger im Werk G. der Beklagten als Betriebshandwerker eingesetzt. Als Maschinenschlosser betreut er die zur industriellen Herstellung von Flaschen dienenden Maschinen. Diese hat er in betriebsbereitem Zustand zu erhalten. Störungen hat er möglichst zu verhindern und bei ihrem Eintritt schnellstmöglich wieder zu beseitigen. Damit hängt zwar, wie die Vorinstanzen richtig hervorheben, von der sachgerechten und zuverlässigen Ausführung der Tätigkeit des Klägers und der sonstigen Betriebshandwerker entscheidend ab, ob bei der Beklagten überhaupt und störungsfrei produziert werden kann. Gleichwohl ist der Kläger aufgrund seiner speziellen Aufgabenstellung in den eigentlichen industriellen Fertigungsprozeß bei der Beklagten überhaupt nicht einbezogen. Darauf kann er mit seiner Tätigkeit unmittelbaren Einfluß nicht ausüben.

Schon daraus folgern die Vorinstanzen zutreffend, daß es sich bei der Prämie, die der Kläger von der Beklagten! bezogen hat, nicht um eine „Mengenprämie” im Sinne von § 13 Abs. I MTV handeln kann. Diese Tarifnorm bezieht sich nach ihrem Wortlaut und dem daraus ersichtlichen Sinn und Zweck nur auf Arbeitnehmer, die im eigentlichen industriellen Fertigungsprozeß tätig sind. Nur sie haben nämlich unmittelbare Einflußmöglichkeiten auf das Produktionsergebnis. Nur bei ihrer Tätigkeit kann sich im Sinne der Tarifnorm die Materialbeschaffenheit auf das Arbeitsergebnis auswirken. Nur bei ihnen sind tarifrelevante „schwankende Arbeitsbedingungen” denkbar, die zu unterschiedlichen Arbeitsergebnissen führen können. Nur bei ihnen hat es einen Sinn, bei der Höhe der Prämie an die quantitative Ausbringung der Arbeit anzuknüpfen, wie es für eine Mengenprämie charakteristisch ist.

Dagegen sehen die Vorinstanzen die an den Kläger gezahlte und von der Beklagten nunmehr angerechnete Prämie mit Recht und in Übereinstimmung mit den tariflichen Bestimmungen als „Qualitäts- und Ersparnisprämie” im Sinne von § 13 Abs. II MTV an. Wie es dem erkennbaren Sinn und Zweck dieser Tarifnorm entspricht, hängt es nämlich von der Tätigkeit des Klägers und der sonstigen Betriebshandwerker ab, ob die betrieblichen Produktionsanlagen wirtschaftlich und sachgerecht ausgenutzt werden können. Ebenfalls hängt es von der Tätigkeit des Klägers und seiner Kollegen ab, ob Energie und Betriebsstoff gespart werden können, worauf die Tarifnorm des § 13 Abs. II MTV ebenfalls abstellt. Hierauf haben umgekehrt – anders als die Betriebshandwerker – die in der Flaschenproduktion stehenden Arbeiter der Beklagten keine Einflußmöglichkeiten. Weiter braucht dem jedoch schon deswegen nicht nachgegangen zu werden, weil nach § 7 Nr. 1 LRTV jedenfalls Qualitäts- und Ersparnisprämien nach § 13 Abs. II MTV – wie von der Beklagten gehandhabt – auf den erhöhten Tariflohn des Klägers angerechnet werden können, wobei es den Gerichten für Arbeitssachen versagt ist, die entsprechende Differenzierung der Tarifvertragsparteien auf ihre Zweckmäßigkeit oder allgemeine Billigkeit (§ 242 BGB) hin zu überprüfen (vgl. das Urteil des Senats vom 6. Februar 1985 – 4 AZR 275/83 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, mit weiteren Nachweisen).

Damit könnte dem Klagebegehren nur dann entsprochen werden, wenn es sich bei der vom Kläger bezogenen Prämie um eine „kombinierte Prämie” im Sinne von § 13 Abs. III MTV handeln würde, die die Tarifvertragsparteien in § 7 Nr. 1 LRTV wie eine Mengenprämie nicht für anrechenbar erklärt haben. Aufgrund der vorinstanzlichen Feststellungen und des unstreitigen Sachverhaltes nimmt das Landesarbeitsgericht jedoch mit Recht an, daß die streitbefangene Prämie auch keine „kombinierte Prämie” im Sinne von § 13 Abs. III MTV ist. Das setzt nach § 13 Abs. III MTV voraus, daß sie „Einflußfaktoren” auch von § 13 Abs. I MTV, also Elemente einer Mengenprämie, enthält. Daran fehlt es jedoch nach den Feststellungen und Rechtsausführungen der Vorinstanzen.

Auch in diesem Zusammenhang weist das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf hin, daß schon angesichts der Tätigkeit des Klägers keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Mengenprämie oder auch nur von Elementen einer solchen gegeben sind, sondern daß nach den tariflichen Kriterien die an den Kläger gezahlte Prämie ausschließlich den Rechtscharakter einer Qualitäts- und Ersparnisprämie von § 13 Abs. II MTV hat, weil bei dieser Prämie entscheidend auf den Nutzungsgrad der Maschinen abgestellt wird, wie es bei Betriebshandwerkern üblich und typisch ist.

Im übrigen stützt das Landesarbeitsgericht seine auf der Tarifauslegung beruhende Rechtsauffassung mit Recht auch auf den Inhalt der Betriebsvereinbarung vom 24. Januar 1980. Für sie ist charakteristisch, daß sich ihr Geltungsbereich ausschließlich auf Betriebshandwerker wie Schichtschlosser, Schichtelektriker und Schichtmechaniker bezieht und von ihr im eigentlichen Produktionsprozeß stehende Arbeitnehmer nicht erfaßt werden. Daraus folgert das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise, daß es sich bei den in der Betriebsvereinbarung geregelten Prämien nur um solche im Sinne von § 13 Abs. II MTV handeln kann. Das bestätigt auch noch der weitere vom Landesarbeitsgericht herangezogene und erläuterte Inhalt der Betriebsvereinbarung. Unstreitig geht diese nach Absatz I Nr. 2 von der „Gesamtausbeute” als Grundlage für die Prämienberechnung für die Betriebshandwerker aus, wobei die Betriebsparteien und die Prozeßparteien übereinstimmend unter „Gesamtausbeute” das Produkt aus. Zeitausbeute und Stückausbeute verstehen. Dabei gibt die Zeitausbeute das Verhältnis an, in dem die tatsächliche Nutzung der Maschinen zu dem Ausmaß ihrer möglichen Nutzung steht, während die Stückausbeute das Verhältnis bezeichnet, in dem die Zahl der den Qualitätsanforderungen entsprechenden Flaschen zum Maschinendurchschnittssatz steht.

Auch hiernach fehlt es, wie das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei folgert, an jeglichen Elementen einer Mengenprämie nach § 13 Abs. I MTV und damit auch an den Voraussetzungen einer „kombinierten Prämie” nach § 13 Abs. III MTV. Das wird schon daraus deutlich, daß es sich bei der Zeitausbeute ausschließlich um den Nutzungsgrad der Maschinen handelt, der mit der Produktion selbst unmittelbar nichts zu tun hat, während im Rahmen der Stückausbeute der Zahl der den Qualitätsanforderungen entsprechenden Flaschen nach den weiteren Ausführungen des Landesarbeitsgerichts allenfalls die Bedeutung eines Rechnungspostens zukommt.

Die demgegenüber erhobenen Einwendungen der Revision greifen nicht durch. Es ist bereits fraglich, ob, wie die Revision meint, jede Prämienzahlung, die mehr aufweist als Einflußfaktoren aus § 13 Abs. II MTV, als „kombinierte Prämie” im Sinne von § 13 Abs. III MTV anzusehen ist. Vielmehr fordern die Tarifvertragsparteien ausdrücklich das Vorhandensein von Elementen einer Mengenprämie nach § 13 Abs. I MTV, woran es vorliegend nach den den Senat bindenden Feststellungen der Vorinstanzen fehlt. Im übrigen übersieht die Revision, daß sich die einzelnen Faktoren der Gesamtausbeute im Sinne der Betriebsvereinbarung entweder ausschließlich auf den Maschinenlauf beschränken oder aber bloße Rechnungsposten darstellen.

Da aus den dargestellten Gründen des Tarifrechts die Klage nicht begründet ist, kommt es nicht darauf an, ob die irgendwann im Sommer 1982 abgelaufene Betriebsvereinbarung vom 24. Januar 1980, wie Vorinstanzen und Prozeßparteien übereinstimmend annehmen, nachwirkungsfähig im Sinne von § 77 Abs. 6 BetrVG war, was zweifelhaft erscheint, weil viel für die Annahme einer sogenannten freiwilligen Betriebsvereinbarung spricht. Es kommt daher auch nicht mehr darauf an, ob die Betriebsparteien einer lediglich freiwilligen Betriebsvereinbarung ihrerseits Nachwirkungscharakter beilegen können (vgl. Thiele in GK-BetrVG, aaO, § 77 Rz 230 ff.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Neumann, Dr. Etzel, Dr. Feller, Polcyn, Wiese

 

Fundstellen

BAGE 51, 178

NZA 1986, 790

AR-Blattei Betriebsvereinbarung, Entsch 37

EzA § 4 TVG, Tariflohnerhöhung Nr. 8

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