Entscheidungsstichwort (Thema)

Schulungsveranstaltung und betriebliche Reisekostenregelung

 

Leitsatz (redaktionell)

Entstehen einem Betriebsratsmitglied durch die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs 6 BetrVG Kosten, die von ihm in der Höhe nicht beeinflußbar sind, kann dem Anspruch auf Freistellung nicht entgegengehalten werden, daß nach der im Betrieb bestehenden Reisekostenregelung diese Kosten nicht zu ersetzen sind (im Anschluß an BAG Beschluß vom 23. Juni 1975 1 ABR 104/73 = AP Nr 10 zu § 40 BetrVG 1972).

 

Normenkette

BetrVG §§ 40, 37 Abs. 6

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 16.09.1981; Aktenzeichen 3 TaBV 69/81)

ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 18.03.1981; Aktenzeichen 3 BV 27/80)

 

Tatbestand

I. Die Antragsgegnerin betreibt mit etwa 180 Arbeitnehmern eine Maschinenfabrik. Der in ihrem Betrieb gebildete Betriebsrat (Antragsteller) besteht aus sieben Mitgliedern. Der weitere Beteiligte ist bei der Antragsgegnerin als Dreher beschäftigt und Mitglied des Betriebsrats.

Aufgrund eines der Antragsgegnerin mitgeteilten Beschlusses des Antragstellers vom 10. Juli 1980 nahm der weitere Beteiligte vom 4. bis 16. August 1980 an einem von der IG Metall in S… veranstalteten Lehrgang “Grundseminar Lohngestaltung und Mitbestimmung im Betrieb” teil. Er wohnt in S…, etwa fünf Kilometer entfernt von der Tagungsstätte.

Für Unterkunft und Verpflegung hat die IG Metall dem weiteren Beteiligten 910,-- DM (13 Tage a 70,-- DM) in Rechnung gestellt und ihm Fahrtkosten von 3,-- DM vorgestreckt.

Die Antragsgegnerin hat entsprechend ihrer betrieblichen Reisekostenregelung sich nur verpflichtet, hiervon die Fahrtkosten sowie 24,80 DM täglich für Unterkunft und Verpflegung zu zahlen, insgesamt also 325,40 DM. Die Zahlung des Restbetrags von 587,60 DM hat die Antragsgegnerin mit dem Hinweis abgelehnt, Einzelkostennachweise der Tagung seien nicht vorgelegt worden, Übernachtungskosten von Wohnort von Mitarbeitern würden nicht gezahlt.

Der Antragsteller und der weitere Beteiligte haben zuletzt beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den weiteren Beteiligten von seiner Verbindlichkeit von 587,60 DM gegenüber der Industriegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland, Bildungszentrum S…, freizustellen. Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Der Antrag des Antragstellers und des weiteren Beteiligten hatten vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen der Antragsteller und der weitere Beteiligte ihren Antrag weiter. Die Antragsgegnerin bittet, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, den weiteren Beteiligten in voller Höhe von den ihm entstandenen Schulungskosten freizustellen.

1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht von § 40 Abs. 1 und § 37 Abs. 6 BetrVG als Anspruchsgrund für das Begehren auf Freistellung von den Kosten für die Schulung des weiteren Beteiligten aus. Seine Ausführungen stimmen insoweit mit der ständigen Rechtsprechung des Senats überein (vgl. z.B. den Beschluß des erkennenden Senats vom 5. November 1981 – 6 ABR 50/79 –, DB 1982, 704). Danach hat ein Betriebsratsmitglied nach § 40 Abs. 1 BetrVG i.V. mit § 37 Abs. 6 BetrVG Anspruch auf Erstattung der ihm durch die Teilnahme an einer Schulungs- und Bildungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstandenen Kosten und damit auf entsprechende Freistellung, wenn die mit der Schulung vermittelten Kenntnisse für die Betriebsratstätigkeit erforderlich sind.

Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, daß die Schulungsveranstaltung, an der der weitere Beteiligte teilgenommen hat, diesen Merkmalen entspricht. Kein Streit besteht auch darüber, daß die Antragsgegnerin jedenfalls grundsätzlich die dadurch bedingten Kosten übernehmen muß. Insoweit sind die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden.

2. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht jedoch angenommen, daß die Erstattung der in den Restkosten enthaltenen Übernachtungskosten des weiteren Beteiligten für die Schulungsveranstaltung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen würde.

a) Das Bundesarbeitsgericht hat bereits entschieden, daß auch bei Bestehen einer betrieblichen Reisekostenregelung pauschale Kosten, die anläßlich einer Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung entstehen, jedenfalls dann vom Arbeitgeber zu übernehmen sind, wenn das Betriebsratsmitglied die entstehenden Kosten nicht beeinflussen kann (BAG Beschlüsse vom 17. September 1974 – 1 ABR 98/73 –, AP Nr. 6 zu § 40 BetrVG 1972; vom 29. April 1975 – 1 ABR 40/74 –, AP Nr. 9 zu § 40 BetrVG 1972 und vom 23. Juni 1975 – 1 ABR 104/73 –, AP Nr. 10 zu § 40 BetrVG 1972).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Übernachtungs- und Verpflegungskosten sind vom Veranstalter mit jeweils 70,-- DM in Anschlag gebracht und pauschal von den Teilnehmern gefordert worden. Damit waren sie nicht von dem weiteren Beteiligten beeinflußbar. Vielmehr ist mit der Anmeldung zur Tagung und der Teilnahmebestätigung der IG Metall der Anspruch der IG Metall auf Zahlung dieser Beträge entstanden. Auf die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts, daß es dem weiteren Beteiligten zumutbar gewesen sei, während der Schulungszeit “zu Hause” zu schlafen und auf diese Weise die Übernachtungskosten zu ersparen, kommt es nicht an.

Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat bereits in seiner Entscheidung vom 29. April 1975 (aaO, zu II B 1 der Gründe) darauf hingewiesen, daß es sich bei dem Verfahren über die Freistellung von Kosten einer Betriebsratsschulung nicht um einen Streit zwischen Veranstalter und dem in Anspruch genommenen Arbeitgeber, sondern um einen Streit handelt, der nur die Rechtsbeziehungen zwischen Betriebsratsmitglied und seinem Arbeitgeber betrifft.

Gründe, von der Rechtsprechung des Ersten Senats in den genannten Entscheidungen abzuweichen, sind nicht ersichtlich. Der weitere Beteiligte hat aufgrund des Beschlusses des Antragstellers an der Veranstaltung der IG Metall teilgenommen. Die Antragsgegnerin hatte Kenntnis von dem Beschluß und hat den weiteren Beteiligten ohne Vorbehalt für diese Veranstaltung freigestellt. Damit konnte der weitere Beteiligte davon ausgehen, daß die Antragsgegnerin die Kosten der auch von ihr als erforderlich erachteten Schulung in dem Umfang übernehmen werde, wie sie von dem Veranstalter in Ansatz gebracht worden sind. Eine Verpflichtung des weiteren Beteiligten oder des Betriebsrats, bei der IG Metall darauf hinzuwirken, daß diese die Teilnahme des Klägers unter Ausschluß der Unterkunftsleistungen gestattet hätte, besteht nicht. Im übrigen ist nicht ersichtlich, daß der Veranstalter, ohne daß zuvor entsprechende Vereinbarungen getroffen worden wären, auf die Erhebung dieses Teils der Tagungsgebühren hätte verzichten müssen, wenn der weitere Beteiligte diese Leistungen des Veranstalters nicht in Anspruch genommen hätte.

b) Damit sind auch die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, der weitere Beteiligte habe “ja auch vom 9. auf den 10. August 1980 ohne Schwierigkeiten in seiner Wohnung übernachtet”, nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu rechtfertigen.

Die Entscheidung des Ersten Senats vom 23. Juni 1975, aaO, die das Landesarbeitsgericht hierzu zitiert, deckt dessen Auffassung auch im übrigen nicht. In dieser Entscheidung war darüber zu befinden, ob Verpflegungskosten, die jeder Teilnehmer jedenfalls in einem bestimmten Umfang selbst bestimmen konnte, auch dann vom Arbeitgeber zu tragen waren, wenn sie die betriebliche Reisekostenregelung überschritten. Vorliegend waren die dem weiteren Beteiligten in Rechnung gestellten Kosten gerade nicht von ihm beeinflußbar.

c) Unter diesen Umständen kann schließlich dahingestellt bleiben, ob den eher sozial-ethisch orientierten Ausführungen des Landesarbeitsgerichts über Vor- und Nachteile des fehlenden Kontakts mit der Familie bei Schulungsbesuchen eines Betriebsratsmitglieds sowie über die Frage, ob ein Betriebsratsmitglied bei nächtlicher Abwesenheit von der Tagungsstätte etwas versäumt, beigetreten werden kann.

 

Fundstellen

BB 1984, 2192-2193 (LT1)

DB 1984, 2200-2200 (LT1)

BetrR 1985, 542-543 (LT1)

EzB, (LT1)

ARST 1984, 182-183 (LT1)

NZA 1984, 362-362 (LT1)

AP, (LT1) Nr 24

AR-Blattei, Betriebsverfassung VIIIA Entsch 57 (LT1)

AR-Blattei, ES 530.8.1 Nr 57

EzA, (LT1)

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