§ 12 Abs. 1 TVAöD sieht in Anlehnung an § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BBiG vor, dass Auszubildende, die durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ohne ihr Verschulden verhindert sind, ihre Verpflichtungen aus dem Ausbildungsvertrag zu erfüllen, für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von bis zu 6 Wochen sowie nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen bei Wiederholungserkrankungen das Ausbildungsentgelt (§ 8) in entsprechender Anwendung der für die Beschäftigten des Ausbildenden geltenden Regelungen fortgezahlt erhalten.

Die Anspruchsvoraussetzungen in § 12 Abs. 1 TVAöD entsprechen inhaltlich § 22 Abs. 1 Satz 1 und 2 TVöD. Die Verweisung bezieht sich daher auf die weiteren Regelungen im TVöD zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im Allgemeinen.

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 12 TVAöD ist an keine Wartefrist gebunden, sodass er im Grunde bereits mit dem rechtlichen Beginn des Ausbildungsverhältnisses vom Auszubildenden geltend gemacht werden kann. Tritt die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zwischen dem Abschluss des Ausbildungsvertrags und dem vereinbarten Beginn des Ausbildungsverhältnisses ein oder ist der Auszubildende ab dem 1. Tag der vereinbarten Aufnahme der Ausbildung arbeitsunfähig erkrankt, besteht der Anspruch vom Zeitpunkt des vereinbarten Ausbildungsbeginns an. Dies muss nach Auffassung des LAG Hamburg[1] auch dann gelten, wenn die Arbeitsunfähigkeit bereits bei Abschluss des Vertrags vorgelegen hat und zu dem Zeitpunkt noch fortbesteht, zu dem die Ausbildung aufgenommen werden sollte.

Bei der Berechnung des Ausbildungsentgelts für krankheitsbedingte Fehlzeiten sind unständige Entgeltbestandteile nicht zu berücksichtigen, da sich der Klammerzusatz "(§ 8)" nur auf das Ausbildungsentgelt nach § 8 TVAöD und nicht auch auf die unständigen Entgeltbestandteile gem. § 8a TVAöD bezieht. Entsprechendes gilt für die sonstigen Entgeltbestandteile i. S. d. § 8b TVAöD – Besonderer Teil BBiG –.

Darüber hinaus ist die Vorschrift des § 18 BBiG zu beachten. § 18 Abs. 1 Satz 2 BBiG sieht vor, dass bei der Berechnung der Vergütung für einzelne Tage der einzelne Tag mit 1/30 der monatlichen Vergütung berechnet wird. Aufgrund der zwingenden Wirkung des § 25 BBiG ist deshalb ein Teiler, der über 30 hinausgeht, unzulässig. Dagegen wäre ein niedrigerer Teiler (z. B. 29 Tage) für den Auszubildenden günstiger und damit wirksam. Einen niedrigeren Teiler haben die Tarifvertragsparteien im TVAöD indessen nicht vereinbart, sodass auch der Monat Februar mit 30 Tagen zu berechnen ist. Im Zähler kommt es auf die Anzahl der Tage an, an denen im betreffenden Monat ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestand.

 
Praxis-Beispiel

Bei 10 krankheitsbedingten Fehltagen im Monat August 2022 hat ein Auszubildender (3. Ausbildungsjahr) einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung i. H. v. 10/30 des Ausbildungsentgelts nach § 8: 1.164,02 EUR geteilt durch 30 mal 10 Fehltage ergibt 388,00 EUR.

Gem. § 12 Abs. 2 TVAöD gilt im Übrigen das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Hierbei handelt es sich lediglich um eine Klarstellung, da nach § 1 Abs. 2 EFZG "die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten" Arbeitnehmer i. S. d. Gesetzes sind. Soweit das Tarifrecht keine zulässigen abweichenden Regelungen vom Entgeltfortzahlungsgesetz enthält (vgl. § 12 EFZG), findet daher das Entgeltfortzahlungsgesetz ohnehin unmittelbar auf die Auszubildenden Anwendung. Dies bedeutet, dass für den Forderungsübergang bei Dritthaftung § 6 EFZG maßgebend ist. Ergänzend zu den tariflichen Regelungen sind auch die gesetzlich geregelten Anzeige- und Nachweispflichten bei Arbeitsunfähigkeit und bei Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation anzuwenden (§§ 5, 7 und 9 EFZG).

 
Hinweis

Kommt der Auszubildende seinen Pflichten aus § 5 EFZG nicht nach, so berührt dies – sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind – nicht seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Insbesondere ist der Ausbildende nicht berechtigt, die Entgeltfortzahlung gem. § 7 Abs. 1 EFZG zu verweigern. Allerdings stellt ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht des § 5 Abs. 1 EFZG eine Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht dar. Die Pflichtverletzung kann Grund für eine Abmahnung und – bei wiederholten Verstößen – ggf. auch für eine ordentliche Kündigung sein. Das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit kann sogar ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein.[2]

Weigert sich der Auszubildende, seine Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen (vgl. § 5 Abs. 1a EFZG), liegt ebenfalls eine Pflichtverletzung vor, die arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Bei fehlendem Nachweis der Arbeitsunfähigkeit hat der Ausbildende die Möglichkeit, die Entgeltfortzahlung zu verweigern, denn der Auszubildende kann seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht durchsetzen.[3] Die Berechnung des einzubehaltenden Betrags für die unentschuldigten Fehltage kann sich mangels tarifvertraglicher Grundlage nur nach § 18 BBiG richten, wonach bei der Berechnung des Ausbildu...

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