Bevorzugung von Gewerkschaftsmitgliedern in Tarifverträgen

Eine bessere Behandlung von Gewerkschaftsmitgliedern in einem Tarifvertrag verstößt grundsätzlich nicht gegen das Grundgesetz. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Privilegierung der Gewerkschaftsmitglieder nur zu einem faktischen Anreiz und nicht zu einem Zwang zum Gewerkschaftsbeitritt führt.

Der Beschwerdeführer erhob Verfassungsbeschwerde gegen Bestimmungen zu Überbrückungs- und Abfindungsleistungen in einem Sozialtarifvertrag, wonach bestimmte Leistungen nur solchen Beschäftigten zukommen sollten, die an einem vereinbarten Stichtag Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft waren. Da der Beschwerdeführer selbst keiner Gewerkschaft angehörte, erhielt er diese Leistungen nicht, sondern wurde nur arbeitsvertraglich und durch einen Sozialplan begünstigt.

Bundesverfassungsgericht: Keine Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit

Die Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.Nach Auffassung der Richter verletzen die Differenzierungsklauseln des Sozialtarifvertrags den Beschwerdeführer weder in seinem Grundrecht auf negative Koalitionsfreiheit aus Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) noch in seiner Berufsfreiheit aus Artikel 12 Abs. 1 GG.Zwar schützt Artikel 9 Abs. 3 GG auch die Freiheit eines Arbeitnehmers, Gewerkschaften fernzubleiben. Deshalb darf kein Zwang oder Druck ausgeübt werden, einer Gewerkschaft beizutreten.Allerdings bedeutet die Tatsache, dass organisierte Arbeitnehmer anders behandelt werden als nicht organisierte Beschäftigte, nach Ansicht des BVerfG noch keine Grundrechtsverletzung. Dies gilt zumindest so lange, wie sich daraus nur ein eventueller faktischer Anreiz zum Beitritt ergibt, aber weder Zwang noch Druck entsteht.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass es im hier entschiedenen Fall den Druck gebe, einer Gewerkschaft beizutreten, wurde nicht weiter belegt. Auch eine individuelle Zwangswirkung war nicht erkennbar. Zumindest wurde kein höherer Druck erzeugt als derjenige, der sich stets ergibt, wenn individualvertragliche Vereinbarungen hinter den Abreden zurückbleiben, die eine Gewerkschaft im Wege eines Tarifvertrags nur für ihre Mitglieder treffen kann.

Bundesverfassungsgericht: Keine Verletzung der Berufsfreiheit

Außerdem führte das BVerfG in seiner Begründung aus, dass das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Artikel 12 Abs. 1 GG, einen Arbeitsvertrag frei zu schließen und aushandeln zu können, verletzt worden ist.  Abhängig Beschäftigte befänden sich beim Abschluss von Arbeitsverträgen typischerweise in einer Situation struktureller Unterlegenheit. Daher müssten Vorkehrungen getroffen werden, um sie zu schützen. Im hier entschiedenen Fall waren die betrieblichen und tarifvertraglichen Regelungen, die auch auf den Beschwerdeführer Anwendung fanden, geeignet, eine strukturelle Unterlegenheit aufzufangen.

(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14.11.2018, 1 BvR 1278/16)