Virtuelle Teams: So klappt Führen auf Distanz


Virtuelle Teams: So klappt Führen auf Distanz

Kontakt halten und präsent sein, wenn es schwierig wird – keine leichte Aufgabe aktuell für Chefs. Ich habe mit vier Managern aus der Wohnungswirtschaft über ihre Erfahrungen mit dem Führen auf Distanz gesprochen. Erste Erkenntnis: wie enorm wichtig eine Vertrauenskultur für das mobile Arbeiten ist.

„Dass Mitarbeiter nicht ‚vergessen‘ werden, ist ein wichtiges Bedürfnis, das im Homeoffice entsteht“, erzählte mir Jan Schneidewind, Vorstand Wohnen bei der Wohnungsbau-Genossenschaft Greifswald eG. Die Belegschaft der WGG arbeitete während des Shutdowns erstmals mobil, in hälftiger Aufteilung. Die soziale Nähe als wichtigstes Schmiermittel für die Zusammenarbeit fehlte allen. Heute kann Jan Schneidewind jedoch sagen: „Wir haben aus der Krise gelernt. Führung aus der Ferne ist möglich, wenn man sich darauf einlässt.“ 

Doch wie lässt man sich ein, was passt man an? „Wir haben klare Vereinbarungen getroffen, wer wann auf welchen Kanälen erreichbar ist“, meinte Schneidewind. Die Führungskräfte hätten zudem deutlich mehr Zeit in die Abstimmung per Telefon und E-Mail gesteckt.

Mitarbeiter auf neuen Wegen unterstützen

Ein intensives Kümmern um die Mitarbeiter im Homeoffice steht auch bei der DüBS – Düsseldorfer Bau- und Sparverein eG im Fokus, obwohl das Team sehr autonom arbeitet. „Die Führungskräfte halten engen Kontakt, ich rufe die Mitarbeiter regelmäßig an“, erzählte mir Niels Klein, Sprecher des Vorstands. Ansonsten ist den Verantwortlichen Kontinuität wichtig, etwa bei den Meetings.

Doch eine Neuerung gibt es. Im Collaboration-Tool der DüBS wird ein Corona-Tagebuch geführt, auf der jeder Mitarbeiter täglich einträgt, wie es ihm geht. „Sie bekommen dann mit: ‚Wieder Kita geschlossen‘, und können daran anknüpfen“, meinte er. „So hat man das Gefühl, dass man den Bezug zu den Mitarbeitern nicht ganz verliert.“ Dass das Team engagiert mitmacht, zeugt meines Erachtens von dem offenen Betriebsklima und der starken Identifikation der Mitarbeiter mit der DüBS.

Das Wichtigste: miteinander reden

Intensität und Qualität der Kommunikation sind die richtigen Stellschrauben, um Teamspirit und Motivation aufrechtzuerhalten. „Natürlich bedarf es einer gewissen Einübung in der Teamkommunikation, und bestimmte Verhaltensregeln müssen eingehalten werden“, so Ralph Stegner, Geschäftsführer der Bauhilfe Pirmasens GmbH, im Gespräch. Aber sonst sei es nicht anders als in der Präsenzsituation – die Führungskraft müsse moderieren und einen transparenten und intensiven Austausch ermöglichen. Eine „Grundinformationspolitik“ und Verlässlichkeit seien nötig. „Ich versuche, alle Mitarbeiter gleichermaßen zu informieren und regelmäßige Telefonate oder Online-Meetings einzuplanen“, so Stegner.

Wenn Oliver Kulpanek, Vorstand der Baugenossenschaft Esslingen eG, die Lehren aus dem letzten halben Jahr zusammenfasst, klingt das ähnlich. „Unsere Organisation hat gelernt: Dank Digitalisierung funktioniert der Geschäftsbetrieb einfach weiter, aber Kommunikation ist alles.“ Kulpanek sieht hier die Führungskräfte in der Pflicht, die bspw. mehr Informationen weitergeben müssten, aber auch die Mitarbeiter. „Sie müssen den Flurfunk über Chats aufrechterhalten.“ Die teamübergreifende Abstimmung in der hochgradig arbeitsteiligen Organisation stellen Regeln sicher. „Wir haben die Rückrufbitte von internen Kunden mit erster Priorität belegt, und innerhalb und zwischen den Teams sind wöchentliche Präsenztreffen Pflicht.“

Die Grenzen virtueller Führung

In der virtuellen Kommunikation geht einiges verloren, insbesondere das Nonverbale. Schwierige Führungssituationen wie Kritikgespräche sind daher nur Face-to-Face vertretbar. Auch die informelle Kommunikation leidet im Homeoffice. „Das Schwätzchen in der Kaffeeküche, das private Gespräch am Rand, das auch Führungskräfte benötigen, lässt sich durch keine virtuelle Kommunikation ersetzen“, erzählte mir Oliver Kulpanek. „Daher telefoniere ich heute auch ohne sachlichen Anlass regelmäßig mit meinen Mitarbeitern. Den Führungsstil – Freiräume geben und an den Ergebnissen messen – musste ich jedoch nicht anpassen.“

Auch zu viel dezentrales Arbeiten kann den Draht zu den Mitarbeitern gefährden. Als man in der DüBS nach langer Homeoffice-Phase im Sommer einen Motivationsknick spürte, entwickelte man Gegenrezepte: sechs Wochen am Stück Präsenzpflicht für alle und ein Betriebsausflug, als die Infektionszahlen dies vertretbar machten. „Beides haben die Mitarbeiter gebraucht“, so im Gespräch Niels Klein.

Die Erfahrungen werden genutzt

Vertrauen ist wohl die wichtigste Währung beim Führen verteilter Teams. „Absolutes Vertrauen in die Person und die Aufgabenkompetenz“, wie Ralph Stegner mir gegenüber betonte. „Die Mitarbeiter gewinnen damit eine andere Sicht auf Ihre Aufgaben, ihre Möglichkeiten und ihre Verantwortung. Wird eine gute und wertschätzende Kommunikation gepflegt, funktionieren offene Worte auch auf Distanz.“ Niels Klein bestätigte das. „Das Vertrauen in unsere Mitarbeiter, dass sie auch im Homeoffice einen guten Job machen, wurde nie enttäuscht.“

Dass die Homeoffice-Option ein Gewinn für die Mitarbeiter ist, zeigt eine aktuelle, vom Bundesarbeitsministerium beauftragte Studie des IAQ, ZEW und IZA. Demnach möchten zwei Drittel der befragten Arbeitnehmer auch nach Corona einige Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten. Die Bauhilfe Pirmasens wird, wo es möglich ist, das digitale mobile Arbeiten beibehalten. Genauso wenig will die WGG das Rad zurückdrehen. Eine Vereinbarung zum mobilen Arbeiten mit dem Betriebsrat ist geplant. Auch die DüBS ist schon Profi in Sachen Homeoffice, und die BG Esslingen hat ihr Pilotprojekt. Dort hatten sich die Teams während des Shutdowns bei Themen wie Erreichbarkeit und Notdiensten teilweise selbst organisiert.

Die guten Erfahrungen spiegeln heute Regeln wider, die zeigen, wie Eigenverantwortlichkeit gelebt wird. Die Mitarbeiter können ihre Arbeit nach großzügigen Gleitregelungen gestalten, von Montag bis Samstag in einem Zeitfenster von 07:00 bis 20:00 Uhr, zum Freitag als Homeoffice-Tag kommen zwei Tage optional dazu. Dabei muss die Erreichbarkeit der Teams gewährleistet sein.

Interessant zum Schluss, was mir Oliver Kulpanek auf die Frage antwortete, ob die schwäbische Genossenschaft nach Corona zum normalen Bürobetrieb zurückkehren werde. „Nein,“ meinte er, „warum auch …“

Schlagworte zum Thema:  Digital Real Estate, Teamarbeit