Urbane Nachverdichtung in Holz

Im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg zeigt ein holzbasierter Geschosswohnungsbau auf, wie der moderne ­Ingenieurholzbau in einen gewachsenen, innerstädtischen Kontext eingebunden werden kann. Dabei vereint der Siebengeschosser die gemeinhin getrennten Funktionen Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Kultur wieder unter einem Dach.

Das Bauwerk mit dem schlichten Namen C13, das aus drei miteinander verbundenen Trakten besteht, wurde in eine Kriegsbaulücke der Christburger Straße im Stadtteil Prenzlauer Berg gebaut. Die Entwurfsplanung stammt von den Berliner Architekten Kaden Klingbeil, die als Wiederholungstäter auch in Holz gebaut haben. Die unregelmäßige Fassadengestaltung erinnert an das Baukastenprinzip, wobei die einzelnen Nutzungseinheiten klar erkennbar sind: Auf große, rechteckige Fensterflächen folgen verspielte, kleine Ausschnitte. Sie verleihen dem Objekt eine transparente Leichtigkeit, die vom lichten Weiß des Gebäudes fortgeführt wird.
Kaden Klingbeil haben in ihre Entwurfsplanung die umliegende Bauhistorie der Gründerzeit einbezogen. Beim C13 griffen sie den historischen Kontext auf und übersetzten ihn in eine Formensprache des 21. Jahrhunderts. Dabei haben sie sich die für diese Architektur- und Stilepoche typischen Erker bezogen, die für gewöhnlich die prunkvollen Fassaden vom ersten Obergeschoss bis zum Dachgeschoss ungestört durchliefen. Mit ihrer Erker-Interpretation ist es den Architekten gelungen, sowohl die Architektur der Bestandsbauten zu integrieren und wertzuschätzen als auch eine urbane Bauweise hervorzubringen, die sich nicht vor der Schwere der Zeithistorie duckt, sondern im Stande ist eigene, kraftvolle Statements abzugeben.

Brettsperrholz- und Holztafelbau
Das C13 besteht aus drei unterschiedlich hohen und in verschiedenen Holzbauweisen errichteten Gebäudeteilen aus Fichten- und Tannenholz. Während das vorderseitige, siebengeschossige Haupthaus in massiver Brettsperrholz-Bauweise (BSP) ausgeführt wurde, bestehen die rückwärtigen Gebäudetrakte aus vier- (mittlerer Teil) bzw. fünfgeschossigen (hinterer Teil) Holztafelbaukonstruktionen. Beim BSP werden mehrere Brettlagen in Kreuzlagenform zu kompakten und tragfähigen Bauteilen zusammengefügt. Dabei verklebt man die Längs- und Querlagen miteinander, so dass das Bauteil in sich formstabil ist und eine hohe Steifigkeit aufweist. Die massiven BSP-Wand- und Deckelemente verfügen über eine gute Dämmwirkung, vermögen hohe Lasten abzutragen und erfüllen auch die Grundanforderungen an den Schall- und Brandschutz. Der Holztafelbau hingegen basiert auf einer tragenden Rahmenkonstruktion, die ab Werk mit Dämmung und beidseitig aussteifenden Beplankungen bzw. Verkleidungen geschlossen und komplett vorgefertigt werden. In den Elementen ist die Installationsebene mit der Leitungsführung für die Haustechnik bereits integriert. Die hölzernen Außen- und Innenwände steifen den Gebäudekörper komplett aus. Zudem tragen die massiven BSP-Wände sogar die Lasten des außenliegenden Stahlbeton-Erschließungskerns ab.

Millimetergenaue Vorfertigung
Die Tragstruktur der Wohnungstrenndecken im C13 wird durch Holz-Beton-Verbunddecken erzielt. Diese überspannen über die gesamte Tiefe des Gebäudes von 45 Metern ein Raster von Stahlträgern auf Holzstützen. Sie bestehen im Kern aus einer 14 Zentimeter dicken Auflage aus Brettstapelholz, auf die eine Betonschicht von zehn Zentimetern folgt. Die hölzernen Unterseiten aus hellem Fichtenholz sind dabei sichtoffen geblieben. Die gesamte Holzkonstruktion basiert auf durch CAD-Planung und moderne Abbundanlagen millimetergenau vorproduzierten BSP-, Tafelbau- und Holz-Betonelementen. Die Wand-, Boden und Deckenbauteile wurden "just in time" auf die Baustelle geliefert und mittels Kran in Kurzzeit platziert und montiert. Einzig der Verguss des Betons für die Holzbetonverbunddecken erfolgte aus logistischen und baulichen Gründen direkt auf der Baustelle. Die gesamte Montage des Holzbaus dauerte nur drei  Monate, wobei allein die Trocknung des Betons Montageunterbrechnungen von zwei Monaten erforderte.

Während die beiden Holztafelbau-Gebäudetrakte zur Gebäudeklasse 4 gehören, erreicht der vordere BSP-Siebengeschosser mit 22 Metern Höhe sogar die Gebäudeklasse 5. In letzterer sind nur solche Konstruktionen zulässig, bei denen die tragenden und aussteifenden Wände und Stützen in F90-AB-Qualität errichtet werden. Dabei muss bei Feuereinwirkung die Tragfähigkeit bzw. der Raumabschluss von Bauteilen mindestens 90 Minuten lang gewährleistet sein. Um dem geforderten Brandschutz für beide Holzkonstruktionen Rechnung tragen zu können, wurden die hölzernen Bauteile, insbesondere die Außenwände und Hauptstützen sowie die aussteifenden BSP-Wände, mit Gipsfaserplatten der Kapselung K260 verkleidet. Ein Brandmeldesystem sowie  außenliegende Zugangstreppen mit Aufzug in Stahlbetonbauweise komplettieren das Brandschutzkonzept von Dehne, Kruse Brandschutzingenieure GmbH & Co. KG.

Gemeinsame Verantwortung
Im C13 spiegelt die wechselvolle Ausgestaltung der einzelnen Einheiten mit ihren unterschiedlichen Nutzungen und sozialen Bezügen den neuen Variantenreichtum im Kiez wider. Hier wird kommuniziert, gearbeitet und gelernt, hier werden die Menschen beraten und therapiert, hier speisen sie und erholen sich, man lebt hier - miteinander. Diesen gemeinschaftlichen Aspekt betont auch der Vorstand der Bauherrschaft, Dr. Michael Bremicker: "Wir leben im C13 nicht für uns allein, sondern gemeinsam, wir übernehmen Verantwortung für uns und für unseren Kiez." Zudem lege die Stiftung Bildung Werte Leben ein besonderes Augenmerk auf die generationenübergreifende, langfristige Entwicklung des C13: "Unsere auf christlichen Werten basierende Bildungsarbeit mit Familienbetreuung und der Begleitung junger Menschen ist auf die kommenden drei bis vier Generationen ausgelegt. Darum war es uns auch wichtig, mit dem C13 ein architektonisches Zeichen der Nachhaltigkeit zu setzen, das zu unseren Werten passt." Dem folgend hat auch ein Mentoringprojekt der Stiftung zur Förderung und Beratung junger Menschen beim Übergang von der Schule in den Beruf im Haus seinen festen Platz gefunden.

Kleine Stadt in der großen Stadt
Das multifunktionale Gebäude mit u. a. Eigentums- und Mietwohnungen, Büros, Studenten-WG, Kita, Hebammen- und Kinderarztpraxis, Zentrum für Physio- und Ergotherapie, Mal-Atelier, Café, "Kiezküche" mit mietbarem Seminar- und Eventräumen und Familien-Beratungszentrum ist als Nukleus einer neuen Quartiersbildung zu verstehen.
Die Wege sind kurz, die Vielfalt groß, die Bewohner sozial engagiert, Ehrenämtler und Fachangestellte agieren Hand in Hand. Der Ansatz der Stiftung ist ganzheitlich und versteht sich als sozialökonomisches wie gesellschaftspolitisches Signal, das dauerhaft in die Stadt hineinwirken soll. Eigene Feste, Konzerte, Lesungen und Kulturveranstaltungen bringen die Menschen ebenso miteinander in Kontakt wie der "Coworking-Space", der Jungunternehmern und Kreativen einen gemeinsamer Raum zur Entfaltung ihres Potenzials ermöglicht.

CO2-Speicherung anstatt Emission
Insgesamt erzielt die wärmeübertragende Gebäudehülle einen durchschnittlichen U-Wert von 0,534 W/m²K und unterschreitet damit deutlich die aktuelle EnEV-Anforderung von 0,977 W/m²K. Energetisch versorgt wird der holzbasierte Hybridbau, der auf einem Kellergeschoss mit Tiefgaragen aus Stahlbeton ruht, von einer Gastherme, die die Niedrigenergie-Fußbodenheizung auf sämtlichen Geschossebenen speist und auch die Warmwasseraufbereitung übernimmt. Eine kontrollierte Lüftung, Aluminium-Sonnenschutzstores an der Südseite sowie in Teilen raumhohe, dreifach verglaste Holzfenster komplettieren das Energiekonzept. Insgesamt wurden 600 Quadratmeter an Holzvolumina verbaut. Dies entspricht einem Kohlenstoffanteil, aus dem Holz zu 50 Prozent besteht, von umgerechnet 150 Tonnen, woraus eine CO2-Speicherung von über 550 Tonnen resultiert.
Das inhaltliche Konzept des C13 als sozial-ökologischer Raum für Leben, Begegnung und Begleitung konnte ebenso umgesetzt werden wie die Strategie der mit Weitblick investierten Stiftungsgelder als perspektivische Kapitalanlage. Die baulichen Voraussetzungen wurden geschaffen. Nun liegt es an den Menschen, die getrennten Funktionen wieder zusammenzuführen und in einen neuen sozialen Kontext einzubinden.

Marc Wilhelm Lennartz