Wo die Ampel beim Thema Wohnen stolperte

Herr Voigtländer, das Ende der Legislaturperiode bietet eine gute Gelegenheit, zurückzublicken: Ein großes Thema ist bezahlbares Wohnen. Warum scheiterte der Plan der Bundesregierung, 400.000 Wohnungen zu bauen?
Michael Voigtländer: Fairerweise muss man sagen, dass sich die Rahmenbedingungen dramatisch verschlechtert haben. Als die Bundesregierung angefangen hat, war das Zinsniveau noch bei einem Prozent. Es ist dann infolge des Ukrainekriegs auf mehr als vier Prozent gestiegen, was die zehnjährige Zinsbindung angeht. Die Umstände haben sich deutlich verändert. Die finanziellen Möglichkeiten, zu unterstützen, haben sich geändert. Es war deutlich schwieriger. (...)
Allerdings muss man eben auch sagen, da gibt es viele, (...) die von vornherein gesagt haben: "Na ja, so wie ihr das angeht, werdet ihr die 400.000 nicht erreichen." Die Vorgängerregierung hatte sich 375.000 vorgenommen, die neue Regierung dann 400.000. Beide sind gescheitert, weil man die großen Themen einfach nicht angegangen ist, zum Beispiel die Baukosten (…), dafür zu sorgen, dass man einfacher bauen kann, dafür zu sorgen, dass wir genug Bauland haben. (…) All das sind Themen, die die Bundesregierung nicht alleine machen kann, aber wo man vielleicht einen gewissen Schubs den Kommunen und den Ländern geben kann. (...)
Ein Kardinalfehler war sicherlich, dass die Fördermittel (…) beim Wirtschaftsministerium liegen und das Bauministerium da eigentlich relativ wenig Möglichkeiten hat. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir weiterhin ein Bundesbauministerium oder Wohnungsministerium oder wie auch immer haben, einfach um die Wertigkeit dieses Themas zu verdeutlichen. Aber es sollte mehr Kompetenzen haben. Für mich ist es auch ganz wichtig, dass wir das Thema Regionalpolitik da verankern.
Denn das hängt stark miteinander zusammen. Warum ist der Sog in die Städte so groß? Wegen der Attraktivität, aber natürlich auch Unattraktivität vieler Regionen. Das müssen wir viel stärker miteinander denken. Das heißt, wenn eben mehr Menschen Perspektiven sehen, auch (...) in ihren ländlichen Regionen, wenn mehr junge Menschen dort Perspektiven sehen, dann wird der Zuwanderungsdruck in die Städte auch etwas abnehmen.
Von Energieeffizienzklassen abrücken
Was könnte die neue Regierung besser machen? Alle Politiker, die etwas auf sich halten, reden über das Thema Bürokratieabbau. Auch der Gebäudetyp E ist in aller Munde …
Das Thema Deregulierung und niedrigere Baukosten ist (…) ein Dauerbrenner. Genauso wie Genehmigungsverfahren beschleunigen. Auch das findet sich in allen Wahlprogrammen. (...) Ein Thema finde ich (...) wahnsinnig wichtig. Was sich jetzt leider aber nicht in den Wahlprogrammen findet. (...) Ob wir nicht mal von den Energieeffizienzklassen etwas abrücken sollten.
Denn das Ganze hat ja seine Berechtigung aus Klimaschutzgründen, weil wir CO2 einsparen wollen. Und natürlich kann man sagen, mit weniger Energie habe ich auch weniger CO2. Aber eigentlich geht es jetzt zunehmend darum, dass ich die richtige Heizungsart habe beziehungsweise mit erneuerbaren Energien heize. Und deswegen wäre es eigentlich sinnvoll, jetzt auf die Emissionseffizienz zu gehen statt auf die Energieeffizienz – das heißt die Frage, wieviel CO2 stoße ich denn eigentlich aus.
(…) Der Standard ist jetzt EH55, aber wir wissen, auch EH70 oder EH100 reicht aus, um eine Wärmepumpe problemlos zu betreiben. Das heißt, dann kann ich eigentlich schon komplett CO2 frei leben (...). Und wenn wir jetzt so einen Schritt gehen würden und sagen, okay, wir lassen das jetzt mit den Energieeffizienzklassen, ich kann vielleicht wieder nach altem Standard bauen, wenn ich eben direkt von vornherein in den Neubau, die Wärmepumpe einbaue.(...) Dann kann ich auch mehr Möglichkeiten in der Sanierung schaffen. (...)
Darüber hinaus geht es natürlich darum, wie wir wieder Innovationen zulassen können. Es gibt viele Projektentwickler, die sich vor dem Gebäudetyp E scheuen, (...) auch wenn die Möglichkeit schon besteht. Denn nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch hat jeder Erwerber Anrecht auf den Stand der Technik. Alles muss wissenschaftlich fundiert und in der Praxis erprobt sein. (...) Das ist der Tod jeder Innovation. Solche Themen müssen wir angehen, damit wir tatsächlich innovativer bauen. (…)
Das Thema ist komplex und deswegen braucht es sehr viel Willen und Durchhaltevermögen in der nächsten Regierung. (…) Ich glaube, man muss den größeren Wurf machen und ermöglichen, dass man von diesem Stand der Technik irgendwo abweichen kann. Was aber natürlich viele Diskussionen auch mit Verbraucherschützern hervorrufen wird.
Die Parteien haben viele Vorschläge zum Thema Energie. Die SPD zum Beispiel ist für zinsgünstige Kredite und Zuschüsse zur energetischen Sanierung. Doch die Frage bleibt häufig: Woher kommt das Geld dafür?
(...) Ich glaube, viele Akteure im Immobilienmarkt müssen sich darauf einstellen, dass so manche steuerliche Regelung fällt. Im Endeffekt ist es schon so, dass der Staat mehr Geld braucht. Und Steuern erhöhen ist natürlich schwierig. Aber manche Steuerregulierung oder Steuerregel ändern, das ist, glaube ich, etwas, was man eher angehen wird.
Was habe ich im Sinn? Zum Beispiel die Spekulationsfrist, die steuerfreie Veräußerung nach zehn Jahren. Das war bei der letzten Regierung schon im Sondierungspapier drin und ist dann noch gekippt worden – wahrscheinlich wegen der FDP. Das Thema Share Deals ist auch so ein Dauerthema, was man sicherlich angehen will. Es gibt so ein paar Regelungen, wo man genauer drauf schauen möchte. (...) Ich glaube, dass das eine Rolle spielen wird und das wäre etwas, worauf sich die Branche, glaube ich, einstellen muss, dass manches da vielleicht etwas schwieriger wird.
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