Geflüchtete aus der Ukraine: 600.000 Wohnungen extra nötig

Der Bedarf an Unterkünften für Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland kommen, ist groß: Das Analysehaus Empirica Regio prognostiziert, dass bis zum Jahresende 600.000 Wohnungen zusätzlich gebraucht werden.

Die Nachfrage von ukrainischen Geflüchteten nach Wohnungen in Deutschland steigt: Laut einer Datenanalyse von Empirica Regio ist bis Ende des Jahres mit 600.000 zusätzlichen Haushalten zu rechnen. Die Prognose basiert auf der Annahme, dass nach der Aufnahme von etwa einer Million Ukrainer im Jahr 2022 bis Ende 2023 noch einmal zirka 500.000 Menschen aus der Ukraine kommen könnten. Auf dieser Basis und einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 2,58 Personen ergibt sich dann der errechnete Zusatzbedarf im Vergleich zum Dezember 2021.

"Auch wenn sich die Zuwanderung zuletzt wieder etwas abgeschwächt hat, gehen wir derzeit davon aus, dass der Höhepunkt erst Ende 2023 erreicht wird", sagte Jan Grade, Geschäftsführer von Empirica Regio. Über die Studie hatte zuerst die Funke Mediengruppe berichtet.

Durch den Zuzug von ukrainischen Staatsbürgern wachsen der Studie zufolge vor allem mittelgroße Städte überdurchschnittlich stark: In Baden-Baden, Hof, Schwerin, Gera, Chemnitz und Bremerhaven werde die Bevölkerungszahl bis Ende 2023 um 3,5 bis 4,5 Prozent steigen, heißt es bei Empirica Regio.

Empirica Regio "Bevölkerungsprognose 2023"

Wohnungsnot: Thema beim nächsten Flüchtlingsgipfel

Immer mehr Kommunen klagen bereits jetzt über Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung und Integration von Schutzsuchenden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will Ende Februar oder Anfang März einen neuen Flüchtlingsgipfel organisieren.

Einen Flüchtlingsgipfel bei der Bundesinnenministerin hatte es zuletzt im Oktober 2022 gegeben. Damals bot Faeser Bundesimmobilien für die Unterbringung von Geflüchteten an. Der Bund habe Unterkünfte für 67.877 Menschen zur Verfügung gestellt, wie ihr Sprecher Maximilian Kall am 6.2.2023 in Berlin sagte. Davon würden etwa 64 Prozent genutzt. Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), forderte im ZDF-"Morgenmagazin" einen größeren Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt.

Wegen des massiven Zuzugs von Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine nach Deutschland flüchten, gab es am 25.4.2022 einmal einen großen Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt. Für die Wohnungswirtschaft hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner zu dem Gipfel eingeladen.

"Eine langfristige Integration kann es dabei nur geben, wenn die menschenwürdige Unterbringung aller Wohnungssuchenden gesichert wird", sagte Mattner bei dem Treffen. Es dürfe daher nicht zu einer Konkurrenz am Wohnungsmarkt und zu gesellschaftlichen Verwerfungen kommen.

Laut einer Empirica-Studie von März 2022 im Auftrag des ZIA verfügen viele der Flüchtenden aus der Ukraine über ein hohes Bildungsniveau und eine starke Frauenerwerbsquote. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in Deutschland und der schnellen Vergabe von Arbeitserlaubnissen würden deshalb vor allem Wohnungen in angespannten Immobilienmärkten gesucht, so die Studienautoren. Knapp die Hälfte der zusätzlichen Wohnungen müssten demnach neu gebaut werden.

Ukrainische Geflüchtete: So hilft die Wohnungswirtschaft

Zentrales GdW-Onlineportal für Wohnangebote

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW etwa hat ein Onlineportal eingerichtet, auf dem Geflüchtete aus der Ukraine Informationen zu Wohnangeboten und auch sonst Unterstützung finden können. "Alle, die über Hilfs- und Unterbringungsangebote verfügen, können uns die entsprechenden Kontaktadressen zusenden. Sie werden dann in einer Deutschlandkarte, sortiert nach Bundesländern, zu finden sein", erklärte GdW-Präsident Axel Gedaschko.

GdW-Portal mit bundesweiten Infos zu Unterkunfts- und Hilfsangeboten für Geflüchtete

BFW & VDIV: Spenden und schnelle Vermittlung von Wohnraum

Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) rief zu Spenden für die Ukraine-Hilfe des Aktionsbündnisses "Deutschland hilft!" auf. Außerdem stehe man mit den Landesverbänden im engen Austausch, um Unterkünfte zu identifizieren und die Informationen an die entsprechenden Stellen auf Bundesebene weiterzugeben, erklärte BFW-Präsident Andreas Ibel.

Der Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV) und die Landesverbände appellieren an die Mitglieder und Eigentümer, Menschen schnelle Hilfe anzubieten – einen Platz zum Ankommen und zum Übernachten: Zimmer, Wohnungen, Schlafmöglichkeiten auf Zeit, möbliert oder unmöbliert.

Immobilienwirtschaft: Hilfe in Koordination mit Kommunen

Der Immobilienkonzern LEG hat in Absprache mit den Kommunen Koordinierungsstellen für die Unterbringung ukrainischer Geflüchteter eingerichtet. Das Unternehmen bewirtschaftet zirka 167.000 Wohnungen an 170 Standorten in Deutschland, Schwerpunkt ist Nordrhein-Westfalen (NRW). Die LEG-Stiftung “Dein Zuhause hilft“ hat zudem einen Nothilfefonds für Ersteinrichtungen aufgelegt.

Finanzhilfe vom Bund: 1,5 Milliarden Euro für 2023

Über Finanzhilfen des Bundes an die Länder war bei einer Ministerpräsidentenkonferenz Anfang November 2022 entschieden worden. Der Bund sagte zwei Milliarden Euro speziell für die Aufnahme der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu, insgesamt flossen 1,5 Milliarden Euro unter anderem für die Ukrainer. Für 2023 sind weitere 1,5 Milliarden Euro in Aussicht gestellt worden. Für Schutzsuchende aus anderen Ländern wurde eine jährliche Pauschale von 1,25 Milliarden Euro angekündigt.

Den Kommunen helfe es nicht, auf pauschale Bundeszahlungen an die Länder verwiesen zu werden, sagte Reinhard Sager, Präsident des Deutsche Landkreistags. Er forderte "eine wirkungsvolle und direkte Unterstützung der Kommunen seitens des Bundes". Die Bundes-Integrationsbeauftragte, Reem Alabali-Radovan (SPD), sieht vor allem die Landesregierungen in der Pflicht: "Ich erwarte, dass die Länder die massive Unterstützung vom Bund eins zu eins an die Kommunen weitergeben."


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Schlagworte zum Thema:  Krieg in der Ukraine, Wohnungswirtschaft