CO2-Kosten: Dekarbonisierung für besseren Immobilienwert

Die Immobilienbewertung muss neu gedacht werden: Die Dekarbonisierung des Wohnungsbestands ist der Schlüssel – Investoren in Europa müssen die Folgekosten des CO2-Ausstoßes im Gebäudesektor einpreisen. Wie die ökologische Transformation zur Chance wird, zeigen Studien.

Wer bei der Immobilienbewertung die Dekarbonisierung vernachlässigt, muss mit Abschlägen rechnen. Darauf weist Catella in einem Whitepaper hin. Bislang seien die Folgekosten des CO2-Ausstoßes im Gebäudesektor und die notwendigen Maßnahmen in der Regel nicht ausreichend berücksichtigt worden. Das habe zu einer falschen Bepreisung von Immobilien an den europäischen Wohnungsmärkten geführt.

"Im Endeffekt sind wir mitten in einem Transformationsprozess“, sagt Xavier Jongen, Managing Director bei Catella Residential Investment Management (CRIM). Eine Neuausrichtung des Immobilienmarktes sei in Gange.

Immobilienmarkt in der ökologischen Transformation

"Die Märkte beginnen zu verstehen, dass es eine Bewertungslücke zwischen nachhaltigen und nicht nachhaltigen Vermögenswerten gibt, die sich zukünftig noch vergrößern wird", erklärt Jongen. Gebäude, die nicht nachhaltig sind, werden demnach mit einem Nachhaltigkeitsabschlag abgewertet – Immobilien mit hohen Dekarbonisierungsansprüchen profitieren von einem Aufschlag.

Im Rahmen dieses neuen Paradigmas wird der europäische Wohntransaktionsmarkt dem Experten zufolge nicht zur klassischen zyklischen Form zurückkehren, sondern zu einer Transformations-"Kurve" werden. Catella prognostiziert, dass die wirtschaftliche Produktivität in den kommenden Jahren zurückgehen wird, da das angestrebte Ende von Kohle, Gas, Öl und Atomkraft nicht rechtzeitig mit den notwendigen Investitionen in erneuerbare Energien kompensiert werden kann. Das BIP-Wachstum, eine der wichtigsten Triebfedern der Immobilienmärkte, könne entsprechend schrumpfen, da die Wirtschaft zunächst eine ökologische Transformationsphase durchlaufen muss.

Für die europäischen Wohnungsmärkte beginnt diese Transformationsphase nach einer Periode ultralockerer Geldpolitik, die sowohl die Quadratmeterpreise für Wohnraum als auch – als Dominoeffekt – die Mieten auf dem freien Markt auf Rekordhöhen getrieben haben.

Wertschöpfung durch Dekarbonisierung: nicht ohne Risiken

Die Dekarbonisierung des Wohnungsbestands, einer Assetklasse, die laut Catella wertmäßig größer ist als alle Aktien, festverzinslichen Wertpapiere und sonstigen Finanzmärkte zusammen, stellt eine bedeutende neue Geschäftsmöglichkeit für Energieberater und Bauunternehmen dar. Auf 25.000 bis 40.000 Euro pro Wohnung wird der Investitionsbedarf geschätzt.

"Wenn Dekarbonisierung mit Wertschöpfung verbunden werden soll, heißt das aus Investorensicht, dass ein gewisses Risiko eingegangen werden muss", so Managing Director Jongen. "Daraus ergeben sich große Chancen, da das Verlustrisiko wegen der starken Fundamentaldaten des Wohnungsmarktes begrenzt ist." Langfristige Gewinner dürften demnach Investoren sein, die ihr Geschäftsmodell so umstellen, dass sie fähig sind, Nachhaltigkeitsmaßnahmen am Immobilienbestand zu monetarisieren.

Catella White Paper "European Residential Vision 2023 – The Epsilon – Great Transformation of Real Estate Markets"

Immobilienwert: Kosten für Dekarbonisierung einpreisen

Das Urban Land Institute (ULI) hat vor rund einem halben Jahr europaweit dazu aufgerufen, dass eine standardisierte Methode, die Dekarbonisierungskosten bei der Immobilienbewertung berücksichtigt, entwickelt werden soll. Nur so könnten die im Pariser Abkommen festgelegten Ziele erreicht werden. "Einige führende Marktteilnehmer hätten schon damit begonnen, die Kosten der Dekarbonisierung bei der Immobilienbewertung zu berücksichtigen", sagte Lisette van Doorn, CEO des ULI Europa: "Wir müssen jedoch die gesamte Branche mit ins Boot holen, um den Prozess zu beschleunigen."

Wenn Klimarisiken nicht in die Immobilienbewertung einfließen, könnte das nach Angaben der ULI-Experten zur Folge haben, dass aktuelle Gebäudewerte zu hoch sind. Sollten die Kosten des Übergangsrisikos bei der Erreichung von Dekarbonisierungszielen von Investoren nicht berücksichtigt werden, könnten also die Werte fallen – beispielsweise aufgrund einer Änderung von Vorschriften oder eines wirtschaftlichen Schocks, heißt es in der Mitteilung.

ULI-Leitlinien für Eigentümer und Verwalter

Das ULI hat auf dem ersten "C Change Summit" im Oktober 2022 Leitlinien mit einer standardisierten Methodik zur Bewertung der Kosten für die Dekarbonisierung von Gebäuden und zur Offenlegung der wichtigsten Übergangsrisiken und deren Auswirkungen auf den Wert veröffentlicht.

Zu den Risiken gehören die Kosten der Dekarbonisierung, die internen Ressourcen, die Energiekosten, der CO2-Preis und der verkörperte Kohlenstoff sowie die Auswirkungen der Dekarbonisierung auf die Abschreibung, die Veränderungen der Mieteinnahmen und den Transaktionswert.

Unterstützt wurde der Leitfaden " Transition Risk Assessment Consultation Guidelines" (PDF/engl.) von den Gründungspartnern des "ULI C Change-Programms" – Allianz Real Estate, Arup, Catella, Hines, Immobel, Redevco und Schroders Capital – sowie Mitgliedern des ULI Europe. Dazu wurden mehr als 50 Interviews geführt und Workshops mit rund 100 Experten abgehalten.


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Schlagworte zum Thema:  Immobilien, Klimaschutz, Nachhaltigkeit