Bestandssanierung als Investment

Ressource trifft Rendite


Bestandssanierung als Investment: Ressource trifft Rendite

Sanieren im Bestand statt abzureißen ist nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern auch eine wirtschaftlich sinnvolle Strategie für Investoren und Asset Manager – mit vielfältigen Ansätzen, wie nachhaltige Sanierung und Umnutzung ökologische Ziele mit attraktiven Renditen verbinden können.

Mit Nachhaltigkeit hatte der berühmt-berüchtigte Berliner Altsozi und Bausenator Harry Ristock († 1992) wenig am Hut. Vielmehr wollte er Spekulanten "an den Kanthaken" kriegen, die Häuser vorsätzlich verkommen ließen, um durch Abriss und Neubau höhere Renditen zu erzielen. Ristock machte die "behutsame Sanierung von Altstadtquartieren" zum Thema der Internationalen Bauausstellung 1987 und zum Programm der Stadtpolitik.

Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit: Zwei Seiten einer Medallie

Es ist vor allem ihm zu verdanken, dass eine ganze Reihe von Berliner Kiezen mit ihren verschiedenen Bautypen von der Abrissbirne verschont blieben: Gründerzeithäuser, 1930er-Jahre-Bauten oder Q3A-Platten, die ab den 1950er Jahren auf DDR-Territorium entstanden waren.

Berlin verkörpert die Entwicklung des Bauens im Bestand in besonderer Weise: von der roten Ideologie über grün-alternative Konzepte – bis hin zu den schwarzen Zahlen, ohne die alles graue Theorie bliebe. Denn Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sind zwei Seiten derselben Medaille: Umnutzung, Sanierung und Wiederverwendung von Materialien, um Emissionen zu vermeiden, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite Rahmenbedingungen, die es Investoren ermöglichen, mit der Transformation bestehender Gebäude attraktive Renditen zu erzielen.

ESG als Leitmotiv

Im Jahr 2023 flossen laut dem ifo Institut 65 Prozent aller Hochbauinvestitionen in Bestandsmaßnahmen. Der Großteil entfiel auf gewerbliche Immobilien – die Sanierung von Bürogebäuden, Hotelumbauten und Nachverdichtungen im Einzelhandel. Rund 90 Prozent der deutschen Investmentgesellschaften wollen künftig ebenso viel oder mehr als bisher in Bestand investieren. Sie folgen der Logik der EU-Agenda und den Effekten von ESG-Ratings auf die Geldströme am Kapitalmarkt. Zwei Drittel betonen ausdrücklich, ihre Bestandsinvestitionen an ESG-Kriterien ausrichten zu wollen.

Diese bewerten unter anderem die Reduktion von Energieverbrauch und CO2-Emissionen einschließlich der „grauen“ Emissionen aus Baumaterialien. Es geht um transparente Entscheidungsstrukturen und die Einhaltung regulatorischer Vorgaben, insbesondere der technischen Bewertungskriterien. Das Gebäude muss zu den Top 15 Prozent der energieeffizientesten Gebäude im jeweiligen nationalen Markt gehören, gemessen zum Beispiel über den Primärenergiebedarf laut GEG/Energieausweis. Oder es erreicht durch eine Sanierung eine Energieeinsparung von mindestens 30 Prozent. Zum Vergleich: Der Primärenergiebedarf von Neubauten muss mindestens zehn Prozent unter dem gesetzlichen Mindeststandard des nationalen Baurechts liegen.

Bestandssanierung: Für Investoren attraktiv

Gütesiegel und Zertifikate wie DGNB, BREEAM oder LEED, die sich ebenfalls an ESG-Kriterien orientieren, spiegeln den ökologischen Standard eines Gebäudes wider und können seinen Wert erhöhen. Als staatliches Immobilienzertifikat gibt es seit 2022 das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) mit den Rangstufen "Plus" und "Premium". Solche Auszeichnungen sind zwar keine Voraussetzung für die Beantragung von öffentlichen Fördermitteln. Sie können aber dabei helfen, die Zielerreichung oder die ambitionierte Bauweise nachzuweisen, was sich wiederum positiv auf Förderhöhen oder Bewilligungen auswirken kann.

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) bietet seit 2021 ein eigenes Zertifizierungssystem für Sanierungen an – bis heute wurden über 500 Projekte danach bewertet. Eigentümer, die klimabewusst handeln, werden für Anleger folglich attraktiver. "Gerade bei Gewerbeimmobilien ist eine nicht nachhaltige Immobilie heute als Anlageobjekt für die meisten undenkbar", so die Bundesstiftung Baukultur. Umgekehrt drohten höhere Kosten und sogar Leerstände, wenn etwa die Gesetze verschärft würden. "Bauen im Bestand" bedeutet häufig nicht nur Renovierung oder Umbau, sondern Umnutzung.

Beispiel Einzelhandel: Reine Warenhäuser werden zu Auslaufmodellen. Ihre Flächen sind gegenüber 1994 auf ein Viertel geschrumpft. Geblieben sind eine gute Statik und solide Vorhangfassaden. Eine Anpassung der gesunden Substanz an neue, gemischte Nutzungsformen bietet sich an: Einzelhandel, Kultur, Bildung, Gastronomie und Wohnen unter einem Dach. Vor allem in guten Lagen von A- und B-Städten ließen sich ehemalige Warenhäuser profitabel bewirtschaften, befand eine PwC-Studie zur Transformation der Innenstädte.

Beispiel Bürohäuser: Rund 70 Prozent der Flächen in A-Städten sind vor dem Jahr 2000 entstanden. Sie entsprechen laut den Analysten von bulwiengesa nicht mehr den aktuellen Anforderungen. Im Jahr 2019 entfielen nur zehn Prozent der Projektentwicklungen auf den Bestand. Für 2025 und 2026 wird ein Anteil von jeweils 23 Prozent erwartet. Revitalisierte Büroflächen mit guter Raumluft und smarter Technik sind gefragt. Sie erzielen deutlich höhere Mieten und verbrauchen weniger Energie.

Sanierungsstau bei Wohnungen

Dagegen partizipiert der Wohnungsbau bisher vergleichsweise wenig an der Dynamik von Bauen im Bestand. Dabei sind rund 19 Millionen Wohngebäude in Deutschland älter als 40 Jahre und viele weisen energetische und funktionale Defizite auf. "Der Sanierungsstau im Wohnbestand ist gewaltig, doch die Investitionsbereitschaft bleibt niedrig", sagt Dr. Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Als Hauptgründe gelten mietrechtliche Begrenzungen, geringe Margen und fehlende Anreize für private Eigentümer. Öffentliche Gebäude, Schulen, Rathäuser, Verwaltungsgebäude machen mit geschätzten fünf Prozent nur einen kleinen Teil des gesamten Gebäudebestands aus.

Allerdings sind sie Vorbilder und haben das Potenzial für funktionale klimatechnisch richtungsweisende Lösungen. Mit der angekündigten Investitionsoffensive der Bundesregierung dürfte das Bauen im öffentlichen Bestand in den kommenden Jahren deutlich an Fahrt gewinnen. Nicht nur der Kosten wegen. Die sind bei Sanierungen häufig niedriger als bei einem Neubau; allerdings nicht per se – aufgrund womöglich unvorhergesehener Herausforderungen in puncto Bausubstanz oder Statik.

Revitalisierungskonzepte erfordern das Wissen darüber, was in einem Gebäude drinsteckt, und interdisziplinäres Know-how für die Umsetzung. Im Leitprojekt "BAU-DNS" erarbeiten sieben Fraunhofer-Institute zurzeit einen universalen Systembaukasten für die nachhaltige und zirkuläre Sanierung von Bestandsgebäuden.

Das plant die Politik

Die EU-Gebäuderichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Energieeffizienz von Nichtwohngebäuden zu verbessern. Konkret sollen 16 Prozent der Nichtwohngebäude mit den schlechtesten Energieprofilen bis 2030 und insgesamt 26 Prozent bis 2033 renoviert werden. Im Koalitionsvertrag der neuen Regierung wird der Begriff "Bauen im Bestand" zwar nicht ausdrücklich verwendet. Es sind aber Maßnahmen enthalten, die auf die Förderung von Umbau, Sanierung und Umnutzung bestehender Gebäude abzielen.

Auch die neue Regierung will den Gebäudetyp E umsetzen, der Abweichungen von bestimmten zeitraubenden und kostensteigernden Standards ermöglicht. Zur CO2 -Reduktion im Bestand soll künftig der Schwerpunkt auf entsprechend geförderten Umbauten statt auf energieeffizientem Betrieb liegen. Geplant ist eine zweistufige Reform des Baugesetzbuches, um unter anderem die Schaffung von Wohnraum durch Umnutzung und Nachverdichtung im Bestand zu erleichtern, und dies nicht nur in A- und B-Lagen.

Obwohl die Hälfte der CO2 -Emissionen auf den Neubau zurückgehe, stünden viele Büro- und Nachkriegsgebäude leer, so Christina Patz, Koordinatorin für Bauen im Bestand bei Architects for Future Deutschland auf einer Sachverständigen-Anhörung des Bayerischen Landtags. Zwar liege eine Umnutzung auf der Hand, aber die meisten Bauordnungen machten keinen Unterschied zwischen Umbau und Neubau.

Verband für Bauen im Bestand: FAST 200 Mitglieder

Der Berliner Bausenator Harry Ristock glaubte die Marktakteure zu ihrem und aller Glück zwingen zu müssen. Heute ist es genau umgekehrt. Die Immobilienwirtschaft erwartet von der Politik, dass diese sich bewegt und die nötigen bau- und planungsrechtlichen Spielräume schafft. Akteure der Immobilienwirtschaft haben den Verband für Bauen im Bestand e.V. gegründet, der inzwischen fast 200 Mitglieder hat: Projektentwickler, Architekten, Finanzierer, Bauindustrielle und Dienstleister.

Initiator Timm Sassen, CEO des Projektentwicklers Greyfield Group: "Der Umbau von Bestandsgebäuden ist konsequenter Klimaschutz. Durch den Umbau und die Sanierung bestehender Bausubstanz gelingt es uns, neue Flächenversiegelung zu vermeiden und sowohl klima- als auch ressourcenschonend unter anderem dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. In der Umnutzung von Büro und Verwaltungsgebäuden liegt beispielsweise ein Flächenpotenzial für bis zu 1,86 Millionen Wohnungen bis 2040."

Der Auszug stammt aus dem Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe 03/25 der "Immobilienwirtschaft" .


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