EU-Ratspräsidentschaft: Das betrifft die Wohnungswirtschaft
Im Zentrum der deutschen EU-Ratspräsidentschaft müssen laut Bundesregierung die wirtschaftliche Bewältigung der Coronakrise und die EU-Finanzen bis 2027 stehen. Auch die Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien und die Außenwirkung Europas werden viel Raum einnehmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zudem in einer Videobotschaft angekündigt, unter anderem den Klimaschutz, insbesondere das Thema CO2-Emmissionen, und die Digitalisierung ganz oben auf der Agenda zu haben.
Einen Überblick darüber, was aus dem ambitionierten Programm der EU-Ratspräsidentschaft der Immobilienbranche, insbesondere der Wohnungswirtschaft, der Stadtentwicklung und der Raumordnung zugute kommen könnte, hat der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen erstellt.
Klimaschutz
Energiethemen werden dem GdW zufolge während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft eine wichtige Rolle einnehmen, damit das Ziel der Klimaneutralität verwirklicht werden kann. Die "Green-Deal"-Strategie der Europäischen Kommission biete bei der Erholung der europäischen Wirtschaft "eine zentrale Leitlinie und auch eine große Chance", heißt es in der Erklärung der Bundesregierung zum EU-Ratsvorsitz.
Man werde auch die Beratungen für ein europäisches Klimaschutzgesetz intensiv fortführen, heißt es in der Regierungserklärung. Das Ziel sei, Europas Klimaneutralität bis 2050 verbindlich festzuschreiben und die Ziele für 2030 anzupassen.
Energieerzeugung
Für die Wohnungswirtschaft ist laut GdW auch eine intelligente Sektorenintegration von Bedeutung. Damit Investitionen in die lokale Stromerzeugung, vor allem in Photovoltaik-Anlagen und in Mieterstrom-Projekte oder Elektromobilität möglich werden, müssen dem Verband zufolge "überall dort, wo es Anforderungen an einen räumlichen systematischen Zusammenhang gibt", Möglichkeiten gefunden werden, die Rechte von Letztverbrauchern soweit zu koordinieren, dass sie mit der Zielsetzung von lokaler Energieerzeugung in Einklang gebracht werden. Das betreffe insbesondere die Definition von "Letztverbraucher" und "Kundenanlage". Darüber hinaus sei eine drastische Vereinfachung für die Erzeugung und Nutzung von Strom im lokalen Zusammenhang notwendig.
Digitalisierung
Europa müsse technologisch und digital souverän werden, so formuliert die Kanzlerin ein Ziel ihrer Ratspräsidentschaft. Als Beispiel nannte Merkel unter anderem den Aufbau einer sicheren und vertrauenswürdigen europäischen Dateninfrastruktur. Außerdem wird im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft dem GdW zufolge die Digitalisierung von Dienstleistungen und Organisationen ein bedeutendes Thema sein.
KMU-Strategie
Die deutsche Ratspräsidentschaft wird dem GdW zufolge auch die europäische Politik für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stärken. Hier wird es für den GdW relevant sein, dass Deutschland darauf drängt, dass die KMU-Strategie der EU-Kommission dahingehend aktualisert wird, dass auch die Interessen öffentlicher KMU berücksichtigt werden und die aktuelle Benachteiligung thematisiert wird.
Kohäsionspolitik
Während der deutschen Ratspräsidentschaft wird ein weiteres Thema die wirksame und flexible Kohäsionspolitik sein, schreibt der GdW. Die Kohäsionspolitik soll sich auf alle Regionen erstrecken, damit die Wettbewerbsfähigkeit und der Zusammenhalt gefördert werden. Für die Wohnungswirtschaft ist eine geografische Ausweitung der Kohäsionspolitik interessant, da hierdurch weitere stadtentwicklungspolitische Initiativen in Deutschland förderfähig werden können, die derzeit nicht möglich sind.
Green Deal
Deutschland unterstützt explizit auch den sogenannten "Green Deal", eine der sechs politischen Leitlinien der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Reform der neuen Europäischen Kommission. Mit dem Green Deal hat die EU-Kommission insgesamt 50 Initiativen und einen ersten Fahrplan für die wichtigsten Strategien und Maßnahmen vorgestellt. Sie sollen in den nächsten Jahren Schritt für Schritt umgesetzt werden.
"Für den Gebäudebestand, auf den 40 Prozent des Energieverbrauchs in der EU entfallen, sind im Green Deal eine "Renovierungswelle" für öffentliche und private Gebäude für Oktober 2020 und mindestens eine Verdoppelung der Renovierungsquote angekündigt." Aus der GdW-Übersicht
Basel IV
In die Zeit der deutschen Ratspräsidentschaft wird voraussichtlich auch die Umsetzung der sogenannten Basel IV-Verordnung fallen. Es ist für die Wohnungswirtschaft relevant, dass die Finanzierung des sozialen und bezahlbaren Wohnraums nicht zusätzlich erschwert wird. Für die Wohnungswirtschaft wird es elementar sein, dass die niedrige Risikogewichtung beibehalten wird. Eine höhere Risikogewichtung würde sich, vor allem vor dem Hintergrund der von Neubauaktivitäten, auf die Finanzierung der Wohnungs- und Immobilienunternehmen in Deutschland besonders stark auswirken, schreibt der Verband.
Wohnungspolitik
Zur Unterstützung der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) im Jahr 2018 ein Forschungsprojekt in Auftrag gegeben, das einen Gesamtüberblick über Programmatik und Ausprägungen der Wohnungspolitiken der EU-Mitgliedsstaaten erarbeiten soll. Diese Studie zur Wohnungspolitik soll den deutschen Beitrag für den europäischen Dialog während der Ratspräsidentschaft darstellen, um den fachlichen Austausch zu verbessern und vergleichende Einschätzungen der Wohnungspolitiken in Europa zu erleichtern, schreibt der GdW. Die Ergebnisse der Studie werden auf einer europäischen Konferenz zur Wohnungspolitik am 6. November in Berlin vorgestellt.
Stadt- und Raumentwicklung
Im Bereich der Stadt- und Raumentwicklung wird in Leipzig am 30. November vom BMI ein informelles Ministertreffen vorbereitet. Zentrale Themen des Treffens sind die Verabschiedung der neuen Leipzig-Charta, welche die Grundlagen für eine nachhaltige Stadtentwicklung in Europa schaffen soll. Auch ein Umsetzungsdokument, das die Urbane Agenda für die EU sowie deren Verknüpfung mit den Leitprinzipien der Leipzig-Charta beinhaltet, soll dann laut GdW in Leipzig verabschiedet werden.
Im Bereich der Raumordnung soll am 1. Dezember 2020 in Leipzig während des informellen Ministertreffens die Verabschiedung der Territorialen Agenda 2030 erfolgen.
EU-Ratspräsidentschaft und Triopräsidentschaft
Alle sechs Monate übernimmt ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union die EU-Ratspräsidentschaft. Im ersten Halbjahr 2020 hatte Kroatien die Präsidentschaft inne, im zweiten Halbjahr wird Deutschland den Vorsitz im Rat der Europäischen Union haben und alle Ratssitzungen leiten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bereits im Jahr 2007 zum ersten Mal die EU-Ratspräsidentschaft inne.
Gleichzeitig beginnt am 1. Juli die sogenannte Triopräsidentschaft Deutschlands, Portugals und Sloweniens: Portugal übernimmt dann den Vorsitz im Januar 2021 von Deutschland und gibt ihn sechs Monate später an Slowenien ab. Damit soll gewährleistet werden, dass politisch wichtige Themen über einen längeren Zeitraum koordiniert und vorangebracht werden können.
Ein klimaneutrales, grünes, faires und soziales Europa ist laut GdW Teil der Umsetzung der Strategischen Agenda 2019 bis 2024, wie sie vom Europäischen Rat am 20.6.2019 angenommen wurde.
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