30-Hektar-Ziel auf dem Prüfstand

Wissenschaftler: Mehr Wohnungsbau geht nur mit neuen Flächen


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Wissenschaftler: Mehr Wohnungsbau geht nur mit neuen Flächen

Grund und Boden für den Wohnungsbau sind knapp – trotzdem steht das politische 30-Hektar-Ziel beim Flächenverbrauch bis 2030 weiter im Raum. Bau- und Wohnungsverbände haben eine Studie beauftragt, die zeigt, wie der Konflikt lösbar ist.

Die neue Bundesregierung will "bauen, bauen, bauen", wie Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in der Regierungserklärung Mitte Mai sagte, und Mitte Juni hat Bauministerin Vernea Hubertz (SPD) den sogenannten Bauturbo auf den Weg gebracht. Die Frage ist nur: Wo sollen die dringend benötigten Wohnungen entstehen?

Allein durch Innenentwicklung kann der Wohnungsbedarf in Deutschland nicht gedeckt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der InWIS Forschung & Beratung GmbH im Auftrag von acht Bau- und Wohnungsverbänden mit konkreten Handlungsempfehlungen für Politik, Verwaltung und Planung.

Innenentwicklung deckt Wohnraumbedarf nicht

Im Spannungsfeld zwischen wachsendem Wohnraumbedarf, Flächenkonkurrenz und ökologischen Zielsetzungen drohen künftig zentrale politische Ziele aneinander zu geraten: Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie sieht vor, die Inanspruchnahme von neuen Flächen von derzeit 55 Hektar auf 30 Hektar pro Tag bis 2030 zu begrenzen. Im Jahr 2050 soll der Flächenverbrauch sogar auf null Hektar reduziert werden.

"Das politische Ziel der Flächenneuinanspruchnahme ist unter den aktuellen Bedingungen kaum erreichbar – ohne neue Wohnbauflächen vor allem in wachsenden Städten drohen massive Engpässe am Wohnungsmarkt“, erklärt InWIS-Geschäftsführer und Studienleiter Prof. Dr. Torsten Bölting.

Die Potenziale der Innenentwicklung – etwa durch Baulückenschließung oder Umnutzung – seien begrenzt, schwer mobilisierbar und häufig zu teuer. Innenflächen reichten vielfach nicht zur langfristigen Abdeckung des Wohnungsbedarfs aus.

Pragmatischer Umgang mit der Flächenfrage

Da der Beitrag der Innenentwicklung quantitativ hinter den Erfordernissen zurückbleibt und nur mit zeitlichen Verzögerungen realisiert werden kann, fordern die Autoren der Studie eine ehrliche Diskussion über Zielkonflikte zwischen Wohnraumbedarf, ökologischen Zielen und der Sicherstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land.

"Flächensparen darf nicht zur Wohnraumverknappung führen", so Bölting weiter. Die Studie gibt konkrete Handlungsempfehlungen für Politik, Verwaltung und Planung, wie ein pragmatischer Umgang mit der Flächenfrage gelingen kann – unter anderem durch verbesserte Datengrundlagen, beschleunigte Verfahren und gezielte Förderanreize für Nachverdichtung und Außenentwicklung.

Laut den Auftraggebern der Studie – darunter der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) und der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen – muss Bauministerin Hubertz ihre Ankündigungen zur Ausweisung neuer Baulandflächen schnell in die Tat umsetzen. Denn nur auf ausreichend Flächen lässt sich mehr "bauen, bauen, bauen", wie von Kanzler Merz versprochen.  

InWIS-Studie "Wohnungsbau braucht (mehr) Fläche – Flächenneuinanspruchnahme und Innenentwicklungspotenziale auf dem Prüfstand"

Innenentwicklung: Potenzial in mittelgroßen Städten

Mittelgroße Städte (zirka 100.000 Einwohner) könnten den Wohnraummangel mit zahlreichen Maßnahmen wirksam bekämpfen, wie eine neue Studie des Beratungs- und Forschungsunternehmens FUB IGES zeigt. Mit einer strategischen Kombination aus Innenentwicklung, aktiver Bodenpolitik und kooperativen Planungsprozessen könnten innerhalb von zehn Jahren bis zu 6.000 neue Wohneinheiten geschaffen werden, das würde den Wohnungsbestand um zehn Prozent steigern.

Bereits bestehende Instrumente wie Baulückenkataster, Nachverdichtung, Umnutzung leerstehender Gewerbeimmobilien und gezielte Außenentwicklung bergen demnach erhebliche Potenziale – werden jedoch noch zu selten strategisch eingesetzt. "Was fehlt, ist oft nicht Fläche, sondern die systematische Erfassung und Aktivierung der vorhandenen Reserven", meint FUB IGES-Projektleiter Philipp Kuhlmann.

Die Analyse formuliert Empfehlungen: vom Aufbau eines digitalen Flächenmanagements über die Etablierung revolvierender Bodenfonds bis zur gezielten Eigentümeransprache.

FUB IGES-Studie "Kommunale Instrumente zur Baulandschaffung für den Wohnungsbau und deren Potenziale in mittelgroßen Städten" (PDF)


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Bernd Michalski

Fri Jun 27 13:14:41 CEST 2025 Fri Jun 27 13:14:41 CEST 2025

Umfangreiche Investitionen im hochwertigen und kurzfristigen Wohnungsbau in den Top-sieben-Städten ergeben nur dann eine anhaltende EK-Rendite weit über dem Durchschnitt, wenn einerseits kostengünstig und kurzfristig und andererseits auf günstigem innerstädtischen Baugrund der Kommunen gebaut werden kann.

Die Chance, dieses Konzept zu verwirklichen ist relativ groß, wenn den Kommunen 50% der dringend benötigten Miet-Wohnungen für jedes Einkommen gegen kommunales Bauland angeboten werden kann. Denn die Kommunen können das aus eigener Kraft, also mit eigener Finanzierung und den technisch-technologischen Fähigkeiten ihrer kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, kaum realisieren.
Die anderen 50% der Wohnungen, mit großzügigerer Ausstattung, könnten frei vermietet werden.

Inhaltlich mag die häufige pauschale Aussage erst einmal verständlich sein, dass eine industrielle Produktion wegen der typischen und mit den Bedingungen anderer Branchen nicht vergleichbaren Situation in der Bauwirtschaft nicht möglich sei.
Aber bei einfach strukturierten Prozessen, wie das Bauen von Geschosswohnhäusern, ist es durchaus machbar. Voraussetzung ist allerdings eine hoch entwickelte Produkt-, sowie Produktionsplanung und –steuerung, die es erlaubt, das gesamte Spektrum der Entstehungsprozesse zu planen und zu steuern.
Das ist wesentlich mehr als BIM und Vorfertigung der Bauteile.