Balkonkraftwerke vor Gericht – wenn Mieter klagen
Unklare Vorgaben hinsichtlich der Installation von Balkonkraftwerken sorgen immer wieder für Streit zwischen Mietern und Vermietern oder Hausverwaltungen. Vor Gericht wurde bereits der eine oder andere Fall entschieden – auch nach aktuellem Recht.
Im Oktober 2024 trat ein Gesetz in Kraft, das die Nutzung der kleinen Steckersolaranlagen miet- und wohnungseigentumsrechtlich vereinfacht. Mit den neuen Regelungen haben Mieter einen rechtlichen Anspruch auf die Installation der Plug-In-Photovoltaik.
Ist Mietern nach dem neuen Recht alles erlaubt?
Ausgangspunkt ist, dass bauliche Veränderungen durch Mieter die Erlaubnis des Vermieters bedürfen. "Gerichte haben in der Vergangenheit entschieden, dass diese das äußere Erscheinungsbild des Balkons oder Daches dauerhaft verändern", erklärt Charlotte Peitsmeier, Rechtsanwältin bei Koenen Bauanwälte. Vermieter konnten deshalb die Zustimmung zum Einbau einer Steckersolaranlage bislang ohne Begründung verweigern.
Das neue Gesetz sieht vor, dass es sich bei Steckersolargeräten um privilegierte bauliche Veränderungen handelt, die ein Vermieter akzeptieren muss. Damit haben Mieter einen rechtlichen Anspruch auf Errichtung eines Balkonkraftwerks. "Der Wunsch darf nur in absoluten Ausnahmefällen versagt werden", so Peitsmeier. Im Mietvertrag können aber Vorgaben getroffen werden, wie groß, wie viele und in welcher Farbe die Module sind. Auch die Verkehrssicherungspflichten bleiben die alten.
Außerdem müssen Mieter im Vorfeld mit dem Vermieter Rücksprache halten, welche Anforderungen gestellt werden, rät die Anwältin. Wohnungseigentümer müssen die Genehmigung der Mieteigentümer bei der Eigentümerversammlung einholen.
So haben die Gerichte entschieden.
AG Köln: Mieter muss Balkonkraftwerk beseitigen
Das Amtsgericht Köln hat sich mit der Frage beschäftigt, ob ein Vermieter ein Balkonkraftwerk genehmigen muss. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Montage von zwei Solarpaneelen an der Außenseite des Balkons ein erhebliches Sicherheitsrisiko bei Unwettern darstellt.
Im konkreten Fall hatte der Mieter die Zustimmung des Vermieters vorher nicht eingeholt. Der Mieter ging davon aus, dass er seit dem 17.10.2024 einen Anspruch auf die Genehmigung hatte. Dieser Anspruch besteht aber gemäß § 554 Abs. 1 Satz 2 BGB dann nicht, wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann.
Das gilt nach § 20 Abs. 4 WEG auch für Wohnungseigentümer: Bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, nicht beschlossen und gestattet werden, können auch nicht verlangt werden.
Das Amtsgericht Köln entschied, dass der Mieter das Balkonkraftwerk beseitigen muss. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es wurde Berufung zum Landgericht Köln (Aktenzeichen 6 S 9/25) eingelegt.
(AG Köln, Urteil v. 13.12.2024, 208 C 460/23)
AG Kiel: Streitpunkt Statik und technische Sicherheit
Ein Paar klagte vor dem Amtsgericht Kiel gegen ein Verbot zur Anbringung eines Balkonkraftwerks gegen die Hausverwaltung Haus & Grund vor Ort. Die hatte ein Gutachten zur Statik des Balkons, ein Brandschutzgutachten und die Prüfung der gesamten Hauselektrik verlangt. Damit würde sich das Projekt nicht mehr rentieren, berichteten die Kläger. Diese Auflagen seien verhältnismäßig, weil ein Vermieter – und die Hausverwaltung – geltendes Recht beachten müssten, hieß es von Seiten des Unternehmens.
Mieter-Anwalt Dirk Legler sprach von "fadenscheinigen Gründen" und einer "Salamitaktik". Die Anlage habe eine Leistung von 600 Watt. Die Leistung vieler Staubsauger bewege sich in diesem Bereich, die Leistung von Waschmaschinen deutlich darüber. Es mache keinen Unterschied für die Elektrik im Haus, ob Strom erzeugt oder verbraucht werde, so Legler. Zur Statik sagte er, die Anlage wiege nur 20 Kilogramm. Zudem müsse der Vermieter für die technische Sicherheit sorgen.
Die Mieter setzten sich durch. Das Balkonkraftwerk durfte angebracht werden. Die Vermieterin gab den Widerstand per Anerkenntnisurteil auf. Die Entscheidung des AG Kiel von September 2023 beruht auf der alten Rechtslage.
Solarstrom vom Balkon: Gerichte urteilten uneinheitlich
Die Mehrheit der Streitigkeiten um die beliebten Balkonkraftwerke landete vor Gericht, weil eine Genehmigung durch den Vermieter fehlte oder weil eine optische Beeinträchtigung der Fassade bemängelt wurde.
Dabei urteilten die Gerichte in der Vergangenheit unterschiedlich.
Anspruch auf Beseitigung: nur aus triftigem Grund
Eine Vermieterin widersprach der Installation eines Balkonkraftwerks. Als die Mieter eine Anlage in Betrieb nahmen, klagte sie vor dem Amtsgericht Stuttgart auf Entfernung und verlor. Zwar stehe der Klägerin wegen der fehlenden Zustimmung ein Anspruch auf Beseitigung zu, hierfür sei aber ein triftiger Grund notwendig. Da die besagte Anlage baurechtlich zulässig, optisch nicht störend, leicht rückbaubar, fachmännisch ohne Verschlechterung der Mietsache installiert und im Sinne der Energiewende vorteilhaft sei, müsse die Vermieterin die Anlage dulden, so das Gericht.
(AG Stuttgart, Urteil v. 30.3.2021, 37 C 2283/20)
Solarmodule am Balkongeländer: Sicherheit geht vor
Mieter einer Wohnungsbaugenossenschaft im thüringischen Ilmenau mussten eine Anlage mit Solarmodulen demontieren, die – zudem ohne Genehmigung – oberhalb des Balkongeländers angebracht worden ist. Das entsprach nicht den Sicherheitsvorschriften. Da diese auch nach zwei Gerichtsurteilen im Jahr 2021 nicht abgenommen wurden, kam es laut Medienberichten nach einem zweijährigen Rechtsstreit sogar zu einer Räumungsklage.
Mini-Solaranlage: Neuausrichtung bei Blendwirkung
Auch die Blendwirkung einer Photovoltaikanlage kann eine Rolle spielen. Das Landgericht Frankenthal hatte ein Ehepaar dazu verurteilt, die Solarmodule auf dem Dach des Wohnhauses durch geeignete Maßnahmen so auszurichten, dass von der Anlage keine wesentliche Blendwirkung in Richtung des Nachbargrundstücks ausgeht. Entfernt werden musste die Mini-Solaranlage nicht.
(LG Frankenthal, Urteil v. 12.8.2022, 9 O 67/21)
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