Kündigung wegen Schriftformmangel: Regierung lehnt Änderung ab

Die Bundesregierung lehnt den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung der Vorschriften über die Schriftform bei Mietverträgen ab. Der Entwurf zielt darauf ab, die Kündigung langfristiger Gewerbemietverträge wegen Mängeln der Schriftform zu beschränken.

Das Schriftformerfordernis für langfristige Mietverhältnisse soll nach dem Willen der Bundesregierung bestehen bleiben. Das ergibt sich aus einer Stellungnahme der Regierung zu einem Gesetzentwurf des Bundesrates. Der Entwurf sieht vor, § 550 BGB zu streichen. Nach dieser Vorschrift bedürfen Mietverträge mit einer Laufzeit von über einem Jahr der Schriftform. In der Praxis nutzen Vermieter und Mieter gewerblich genutzter Räumlichkeiten die Vorschrift häufig, um längerfristige Mietverträge unter Berufung auf einen Schriftformmangel vorzeitig zu kündigen.

Statt des Schriftformerfordernisses soll nach dem Entwurf des Bundesrates ein eingeschränktes Kündigungsrecht für Vermieter für den Fall eingeführt werden, dass ein Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht schriftlich geschlossen wurde.

Die Bundesregierung kann dem Vorschlag wenig abgewinnen. Das mit dem Entwurf verfolgte Anliegen sei zwar für den Bereich des Gewerbemietrechts nachvollziehbar. Allerdings gingen die vorgeschlagenen Änderungen zu weit und seien zudem nur bedingt geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen, heißt es in der Stellungnahme. Zum einen würde die vorgeschlagene Änderung auch bei der Wohnraummiete gelten, obwohl dort keine praktischen Probleme mit der Schriftform bekannt seien. Bei Gewerbemietverhältnissen würde die Änderung Vermieter bevorzugen. Schließlich sei zu befürchten, dass eine Aufweichung des Schriftformerfordernisses die Verbreitung schriftlicher Mietverträge zurückgehen lasse. Zum Abschluss ihrer Stellungnahme kündigt die Bundesregierung an, zu prüfen, mit welchen anderen Mitteln die Planungssicherheit für die Laufzeit von Verträgen im Gewerbemietrecht verbessert werden könne.

Der Gesetzentwurf des Bundesrates wird nun gemeinsam mit der Stellungnahme der Bundesregierung dem Bundestag zugeleitet, damit dieser über den Entwurf beraten kann.

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Mietrecht mit Stellungnahme der Bundesregierung (pdf)

Hintergrund: Schriftformmangel als Hebel für Kündigung

„Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit.“ So steht es derzeit in § 550 BGB.

Diese Vorschrift, die Mietverträge mit einer längeren Vertragslaufzeit der Schriftform unterwirft, dient nach dem Willen des Gesetzgebers hauptsächlich dem Schutz des Erwerbers vermieteter Räumlichkeiten, der in ein laufendes Gewerberaummietverhältnis eintritt. Ein Erwerber soll sich anhand der Mietvertragsurkunde(n) ein vollständiges Bild über die getroffenen Vereinbarungen machen können.

In der Praxis wurde und wird § 550 BGB allerdings häufig sowohl von Vermietern als auch Mietern gewerblich genutzter Räumlichkeiten genutzt, um sich längerfristiger Mietverträge zu entledigen. Eine einzige nicht schriftlich niedergelegte Ergänzung des Mietvertrages reicht oft aus, um die Schriftform des Mietvertrages – und damit die vereinbarte Vertragslaufzeit – zu Fall zu bringen. Da gewerbliche Mietverträge im Laufe der Zeit häufig „auf Zuruf“ oder im Rahmen von Korrespondenz um inhaltliche Absprachen ergänzt werden, werden Vermieter oder Mieter auf der Suche nach Schriftformmängeln oft fündig. Folge: Der Mietvertrag ist jederzeit mit der gesetzlichen Kündigungsfrist kündbar.

Um die hieraus resultierende Unsicherheit zu entschärfen, enthalten viele Gewerbemietverträge sogenannte Schriftformheilungsklauseln. In diesen verpflichten sich die Vertragsparteien, sich nicht auf einen Schriftformmangel zu berufen beziehungsweise einen eventuellen Schriftformmangel zu heilen. Erfolg versprechen solche Heilungsklauseln indes nicht: Im September 2017 hat der BGH Schriftformheilungsklauseln für unwirksam erklärt (Urteil v. 27.9.2017, XII ZR 114/16).

Bundesratsinitiative zum Schriftformerfordernis

Das Land Nordrhein-Westfalen hat einen Vorstoß unternommen, um diese praktisch als unbefriedigend empfundene Rechtslage zu ändern. Am 20.12.2019 hat der Bundesrat beschlossen, einen Gesetzentwurf des Landes beim Deutschen Bundestag einzubringen. Dieser sieht vor, § 550 BGB zu streichen und in einer neuen Vorschrift ein eingeschränktes Kündigungsrecht nur für Vermieter im Falle eines Schriftformmangels zu regeln. Mieter sollen berechtigt sein, unter bestimmten Voraussetzungen eine Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen.

Entwurf für einen neuen § 566 Abs. 3 BGB

Ist der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, ist der Erwerber berechtigt, das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften zu kündigen. Die Kündigung kann nur innerhalb von drei Monaten, nachdem der Erwerber Kenntnis von der ohne Wahrung der erforderlichen Schriftform getroffenen Vereinbarung erlangt hat, erfolgen. Sie ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig. Die Kündigung wird unwirksam, wenn der Mieter ihr binnen zwei Wochen seit Zugang widerspricht und sich mit der Fortsetzung des Mietverhältnisses zu den unter Wahrung der erforderlichen Schriftform getroffenen Vereinbarungen bereit erklärt. Die Kündigung kann nicht auf solche Verstöße gegen die Schriftform gestützt werden, die erst nach dem Erwerb erfolgt sind.

Die Neuregelung soll dem Bundesratsbeschluss zufolge auch bereits bestehende Mietverhältnisse erfassen, solange bei Inkrafttreten noch keine Kündigung erklärt worden ist. Anderenfalls sei auf zahlreiche langfristige Mietverhältnisse noch über Jahrzehnte die bisherige Regelung anwendbar. Dies führe zu einer Rechtszersplitterung und Rechtsunsicherheit, heißt es in einen Antrag der Freien und Hansestadt Hamburg im Vorfeld des Bundesratsbeschlusses.

Diskussion zur Schriftform von Mietverträgen

Eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften zur Schriftform von Mietverträgen wird bereits seit längerem diskutiert. Einen Überblick über die Schriftform-Problematik, den Stand der Diskussion sowie denkbare Lösungsansätze hat BGH-Richter Dr. Peter Günter auf dem Deutschen Mietgerichtstag 2019 gegeben. Er gehört dem XII. Zivilsenat des BGH an, der unter anderem für das das Gewerberaummietrecht zuständig ist.

Gewerberaummiete: Schriftform – Lösungsvorschlag für ein ewiges Problem (pdf)

BGH-Rechtsprechung zur Schriftform von Mietverträgen

In den Jahren 2001 bis 2018 hat der BGH der Entwurfsbegründung zufolge insgesamt 30 Urteile verkündet, in denen die Einhaltung der Schriftform entscheidungserheblich war. Unter anderem folgende Entscheidungen hatten Fragen rund um die Schriftform von Mietverträgen zum Gegenstand:

BGH: Doppelte Schriftformklausel verhindert mündliche Vertragsänderung nicht

BGH: Vertragsübernahme kann Schriftform des Mietvertrags zerstören

BGH: Grundstückskäufer muss Schriftformmangel nicht heilen

BGH: Anpassung von Nebenkosten zerstört Schriftform nicht

BGH: Anpassung der Miete nach Indexänderung kann Schriftform unterliegen

BGH: Schriftform beim gewerblichen Mietvertrag

Schlagworte zum Thema:  Mietvertrag, Kündigung, Mietrecht, Formvorschrift