BGH

Kein Zurückbehaltungsrecht am Hausgeld


BGH: Kein Zurückbehaltungsrecht am Hausgeld

Wohnungseigentümer können laufende Hausgeldzahlungen nicht mit Hinweis auf ein Zurückbehaltungsrecht einbehalten, etwa wegen fehlender Jahresabrechnungen. Das gilt auch, wenn das Zurückbehaltungsrecht auf anerkannte oder rechtskräftig zuerkannte Ansprüche gestützt wird.

Hintergrund: Eigentümer hält Hausgeld wegen fehlender Abrechnungen zurück

Eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) verlangt von einem Miteigentümer die Zahlung rückständiger Hausgeldvorschüsse für die Monate Juni bis September 2022 in Höhe von mehr als 18.500 Euro. Grundlage sind die im Januar 2021 beschlossenen Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne, die bis zu einer erneuten Beschlussfassung fortgelten.

Seit dem Jahr 2012 wurden in der Gemeinschaft keine Jahresabrechnungen erstellt. Zur Erstellung der Jahresabrechnung 2019 wurde die GdWE nach einer Klage des Eigentümers rechtskräftig verurteilt, doch auch diese Abrechnung steht noch aus. Der säumige Eigentümer meint, wegen der fehlenden Jahresabrechnungen stehe ihm ein Zurückbehaltungsrecht an den laufenden Hausgeldvorschüssen zu.

Entscheidung: Liquidität hat Vorrang

Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB setzt zunächst einen fälligen Anspruch des Schuldners gegen den Gläubiger voraus. Solche Ansprüche stehen dem Eigentümer zu. Er kann von der GdWE die Erstellung der fehlenden Jahresabrechnungen verlangen, weil dies zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehört.

Dennoch kann der Eigentümer die Zahlung der Hausgelder nicht verweigern. Das Zurückbehaltungsrecht des Wohnungseigentümers ist im Hinblick auf Hausgeld-Vorauszahlungen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG generell ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus der Natur der Schuld und dem Finanzierungssystem der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Finanzierungssystem der Gemeinschaft würde gefährdet

Die im Wirtschaftsplan ausgewiesenen Vorschüsse sind das zentrale Finanzierungsinstrument der GdWE. Sie sollen zur Verwaltung des Gemeinschaftseigentums tatsächlich zur Verfügung stehen und gewährleisten, dass die für die Bewirtschaftung notwendigen Mittel bereitstehen.

Ein Zurückbehaltungsrecht könnte alle Wohnungseigentümer dazu verleiten, ihre Vorauszahlungen wegen ausstehender Jahresabrechnungen nicht zu zahlen. Dann wäre der Gemeinschaft die finanzielle Grundlage entzogen und sie in ihrer Handlungsfähigkeit stark beschränkt. Bei Zahlungsausfällen können Versorgungssperren drohen, der Versicherungsschutz kann gefährdet werden und Verzugszinsen können anfallen.

Keine Einzelfallprüfung 

Eine Prüfung im Einzelfall, ob durch das Zurückbehalten der Vorschüsse die ordnungsmäßige Verwaltung tatsächlich beeinträchtigt würde, ist nicht erforderlich. Dies folgt aus Praktikabilitätserwägungen. Der Wirtschaftsplan wird auf prognostischer Basis erstellt, wobei die Wohnungseigentümer den voraussichtlichen Liquiditätsbedarf prognostizieren und ein weites Ermessen haben. Das mehrheitlich ausgeübte Ermessen kann nicht durch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts unterlaufen werden.

Auch rechtskräftiges Urteil gibt kein Zurückbehaltungsrecht

Das Zurückbehaltungsrecht ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Forderung gegen die Gemeinschaft anerkannt oder rechtskräftig zuerkannt ist. Anders als bei der Aufrechnung, die als Erfüllungssurrogat das Finanzierungssystem nicht beeinträchtigt, dient das Zurückbehaltungsrecht lediglich als Druckmittel. Es könnte der Durchsetzung der Vorschussansprüche auf unbestimmte Zeit entgegenstehen und die Liquiditätsgrundlage gefährden.

Einem Wohnungseigentümer, der wie hier ein rechtskräftiges Urteil auf Erstellung der Jahresabrechnung erstritten hat, steht es frei, daraus zu vollstrecken und seinen Anspruch auf diese Weise durchzusetzen.

(BGH, Urteil v. 14.11.2025, V ZR 190/24)

ECLI:DE:BGH:2025:141125UVZR190.24.0


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