Heizungsstreit: Jetzt kommt die Fernwärme-Offensive

Statt Gas und Öl mehr Wärmepumpe – das war bislang das Credo der Bundesregierung. Im Streit um das Heizungsgesetz musste nun eine Alternative her: Der Ausbau von Fernwärme soll forciert werden, lautet die neue Losung. Passt das so für Hauseigentümer?

Fernwärme soll in Deutschland beimm klimafreundlichen Heizen eine echte Alternative zu Wärmepumpen werden, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am 12. Juni nach einem Treffen mit Branchenvertretern und Verbänden in Berlin, zu dem sein Haus und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) eingeladen haben. Jedes Jahr könnten 100.000 Häuser neu an Wärmenetze angeschlossen werden.

Fernwärme ist Wärme, die nicht im Wohnhaus erzeugt wird, sondern aus einem Kraft- oder Heizwerk in der Umgebung kommt. Meistens wird dort Wasser erhitzt, das dann durch isolierte Rohre in die Häuser geleitet wird. Etwa jede siebte Wohnung in Deutschland wird derzeit mit Fernwärme beheizt, 2020 lag die Trassenlänge bei mehr als 31.000 Kilometern.

Kann Fernwärme die Wärmepumpe ersetzen?

Das Problem bei der Fernwärme: Die Energie stammt aktuell zu rund 70 Prozent aus fossilen Energieträgern, vor allem Kohle und Gas. Bis 2030 sollen die Wärmenetze aber den bisherigen Plänen zufolge zu mindestens 50 Prozent aus Erneuerbaren Energien oder Abwärme gespeist werden, bis 2045 müssen sie komplett treibhausgasneutral sein.

Das 50-Prozent-Ziel für 2030 schwächten Habeck, Geywitz (SPD) und die Verbände in einer gemeinsamen Erklärung ab, indem sie eine "flexible Umsetzung in Abhängigkeit von der lokalen Situation und dem Alter der vorhandenen Anlagen" betonten.

Bei der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung sollen die Netze dennoch eine wichtige Rolle spielen. Wer an ein Fern- oder Nahwärmenetz angeschlossen sei, müsse sich keine Gedanken über eine Wärmepumpe oder andere Alternativen mehr machen, betonte Geywitz. "Wenn man im Fernwärmegebiet ist, muss man sich eigentlich um seine individuelle Heizung keinen Kopf machen, sondern kann sich an die Fernwärme anschließen", sagte die Minsterin im ntv-"Frühstart". Nahwärme könne in ländlichen Gebieten etwa das Heizen über Biomasse vom örtlichen Bauern bedeuten.

Erklärung zum Fernwärmegipfel (PDF)

Fernwärme statt Öl und Gas: Übergangsfrist im GEG

Das geplante Gebeäudeenergiegesetz (GEG) sieht bereits eine besondere Übergangsfrist vor, wenn die alte Öl- oder Gasheizung kaputt geht und die Erschließung mit Fernwärme von der Kommune bereits zugesagt ist. Eigentümer müssen sich dann verpflichten, den Anschluss an ein Wärmenetz bis spätestens Ende 2034 sicherzustellen – und dürfen so lange noch eine alte Heizung nutzen. Eine kommunale Planung soll Abwägung erleichtern.

Ein entsprechendes Gesetz bringt die Bundesregierung derzeit auf den Weg. Demnach sollen Großstädte bis Ende 2026 Wärmepläne vorlegen, kleinere Städte bis Ende 2028.

"Bei der Verzahnung von Fernwärme und Gebäudeenergiegesetz (GEG) drehen die Zahnräder bislang in entgegengesetzter Richtung", kritisierte Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), die Pläne. Bevor Vermieter gesetzlich verpflichtet würden, ein bestimmtes Heizungssystem zu installieren, müsse klar sein, ob mittelfristig das Quartier an ein Fernwärmenetz angeschlossen wird. In der Konsequenz dürfen Verpflichtungen aus dem GEG frühestens dann gesetzlich wirksam werden, wenn die Fernwärmeplanung abgeschlossen ist.

Wohnungswirtschaft: "Klimaschutz-Mogelpackung"

Auch "attraktive Preise" gehörten dazu, wenn die Fernwärme zu einer echten Alternative werden solle, betonte Habeck. Die Bundesregierung setzt dabei vor allem auf mehr Transparenz. Nötig sei eine verlässliche Kalkulation, wie der Preis für die Wärmelieferung entstanden sei, sagte Geywitz.

Zusätzlich könnten mehr Wettbewerb im Fernwärmenetz und die Einspeisung Dritter die Preise fairer machen. Aktuell könnten die Betreiber wegen des Monopols einfach Preise vorgeben.

"Wiederholt haben soziale Vermieter beklagt, dass sie die Ermittlung der Preise nicht nachvollziehen können. Bei intransparenten Preisen für ein Produkt, das ein großer Teil der deutschen Haushalte kaufen soll, muss aber unmittelbar eingegriffen werden", sagte Breitner. Er forderte eine unabhängige, bundesweit agierende Behörde, die laufend die Preise für Fernwärme beobachtet, kontrolliert und umgehend eingreift – "wenn zu Lasten der Verbraucher Reibach gemacht wird."

"So wie sich die Situation bei der Fernwärme heute und in naher Zukunft darstellt, ist das Ganze vorerst eine Klimaschutz-Mogelpackung. Fernwärme steckt bislang voller Kohle, Erdgas und Öl und ist damit in erster Linie eine grüne Gaukelei", schlussfolgerte der VNW-Chef.


Das könnte Sie auch interessieren:

Heizungswende: Hype um Fernwärme – wann rechnet die sich?

In neuen Wohnhäusern werden kräftig Wärmepumpen verbaut

Kritik an Regeln – Wird das Heizungstauschgesetz verschoben?

Rechtsgutachten: Heizungsgesetz in Teilen verfassungswidrig