BGH: Zweiter Rettungsweg für Teileigentumseinheit

Auch Teileigentumseinheiten müssen die baurechtlichen Anforderungen an Aufenthaltsräume erfüllen, wenn keine Nutzungsbeschränkungen vereinbart sind. Die erforderliche Herstellung eines zweiten Rettungsweges entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung und kann von jedem Wohnungseigentümer verlangt werden.

Hintergrund: Teileigentümer verlangen zweiten Rettungsweg

Die Eigentümer zweier Teileigentumseinheiten wollen die Errichtung einer Fluchttreppe als zweitem Rettungsweg erreichen. Die Teileigentumseinheiten befinden sich im Souterrain und sind im Aufteilungsplan jeweils als „Kellerraum“ bezeichnet.

Die Gemeinschaftsordnung enthält folgende Bestimmung:

Die Gewerbeflächen dürfen zu baurechtlich zulässigen gewerblichen Zwecken genutzt werden - die im Aufteilungsplan angegebene Nutzung ist nicht die allein maßgebliche. (…) Der Wohnungs- bzw. Teileigentümer ist verpflichtet, auf seine Kosten alle erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen einzuholen und hat alle mit der Nutzungsänderung in Zusammenhang stehenden Kosten und Lasten zu tragen.

Die Nutzung der Teileigentumseinheiten im Souterrain zu Aufenthaltszwecken ist bauordnungsrechtlich nicht genehmigt, weil die Räume in den Plänen als „Kellerraum“ bezeichnet werden. Ein Teileigentümer beantragte eine bauordnungsrechtliche Nutzungsänderung, um seine Einheit als Aufenthaltsraum nutzen zu können. Die Baubehörde teilte mit, hierfür müsse ein zweiter Rettungsweg geschaffen werden.

Daraufhin war das Thema Gegenstand einer Eigentümerversammlung. Dort wurde der Antrag abgelehnt, die Herstellung eines zweiten Rettungsweges zu beschließen und durch eine Sonderumlage von 7.500 Euro zu finanzieren, den Auftrag für die Errichtung der Fluchttreppe zu erteilen und die WEG zu verpflichten, weitere Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum durchzuführen, um den Brandschutz einzuhalten.

Zwei Eigentümer haben gegen den ablehnenden Beschluss Anfechtungsklage erhoben. Gleichzeitig wollen sie erreichen, dass dem Beschlussantrag entsprochen wird.

Entscheidung: Zweiter Rettungsweg ist plangerechter Zustand

Die Anfechtungsklage hat Erfolg. Die Teileigentümer können die Herstellung eines zweiten Rettungsweges verlangen. Dies dient der erstmaligen plangerechten Herstellung des Gemeinschaftseigentums.

Jeder Wohnungseigentümer hat gemäß § 21 Abs. 4 WEG einen Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung. Hierzu gehört die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums. Davon ist auch die erstmalige plangerechte Herstellung umfasst, ebenso wie Maßnahmen zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Anforderungen an das Gemeinschaftseigentum.

Teileigentum muss grundsätzlich zum Aufenthalt geeignet sein

Auch Teileigentumseinheiten müssen dazu geeignet sein, als Aufenthaltsraum zu dienen, sofern keine Nutzungsbeschränkungen vereinbart sind. Da die Bezeichnung „Teileigentum“ jede gewerbliche Nutzung zulässt, sind auch Nutzungen erlaubt, die - wie etwa eine Büronutzung - bauordnungsrechtlich nur in Aufenthaltsräumen zulässig sind, also in Räumen, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind. Daher gehört es zum plangerechten Zustand einer Teileigentumseinheit, dass die öffentlich-rechtlichen Anforderungen an einen Aufenthaltsraum erfüllt sind. Dafür erforderliche Maßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum wie die bauordnungsrechtlich vorgeschriebene Herstellung eines zweiten Rettungswegs entsprechen regelmäßig ordnungsmäßiger Verwaltung und können von einzelnen Wohnungseigentümern gemäß § 21 Abs. 4 WEG beansprucht werden.

Nutzungsbeschränkungen waren nicht ersichtlich

Vereinbarte Nutzungsbeschränkungen sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere ergeben sich solche nicht aus der Regelung der Teilungserklärung, wonach die „Gewerbeflächen“ zu „baurechtlich zulässigen gewerblichen Zwecken genutzt werden“ dürfen. Zwar ist eine Nutzung der Souterraineinheiten mangels eines zweiten Rettungsweges bauordnungsrechtlich unzulässig. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Einheiten dem bauordnungsrechtlich allein zulässigen Zweck entsprechend nur als Keller- oder Lagerraum dienen. Eine solch einschneidende Einschränkung der Zweckbestimmung müsste aus der Teilungserklärung eindeutig hervorgehen, was hier aber nicht der Fall ist. Im Gegenteil ergibt die Auslegung der Klausel, dass unterschiedliche gewerbliche Nutzungen erlaubt sind und die im Aufteilungsplan angegebene Nutzung (nämlich „Kellerraum“) gerade nicht die allein maßgebliche ist. Vielmehr ist jede gewerbliche Nutzung zulässig, soweit die baurechtlichen Anforderungen erfüllt sind. Dabei wird die allgemeine Eignung als Aufenthaltsraum vorausgesetzt. Sie zählt zum plangerechten Zustand, für dessen erstmalige Herstellung nicht der Teileigentümer, sondern die Gemeinschaft zuständig ist.

Rechtsstreit an Landgericht zurückverwiesen

Der BGH hat den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Dieses muss nun klären, ob die von den Klägern begehrte Maßnahme die einzig mögliche Ausführung darstellt oder ob es noch andere Möglichkeiten gibt, das Gemeinschaftseigentum in einen plangerechten Zustand zu versetzen.

(BGH, Urteil v. 23.6.2017, V ZR 102/16)

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