Vermieter kann für Kosten einer Notunterkunft haften

Hintergrund: Familie muss in Notunterkunft umziehen
Die Mieterin einer Wohnung in Hamburg hatte diese untervermietet. Das Jobcenter zahlte die Miete für den Untermieter und dessen insgesamt vierköpfige Familie direkt an die Mieterin/Untervermieterin (im Folgenden: Untervermieterin).
Nach einem halben Jahr kündigte der Hauptvermieter der Untervermieterin wegen unberechtigter Untervermietung. Im anschließenden Räumungsprozess verpflichtete sich die Untervermieterin in einem Vergleich, die untervermietete Wohnung an den Hauptvermieter herauszugeben. Anschließend kündigte sie das Mietverhältnis mit dem Untermieter. Auch der Hauptvermieter verlangte vom Untermieter die Herausgabe der Wohnung.
Der Untermieter und dessen Familie zogen aus der Wohnung aus. Weil sie keine andere Wohnung fanden, wurden sie für 22 Monate in einer Notunterkunft untergebracht. Die Kosten beliefen sich auf 590 Euro monatlich pro Person. Insgesamt zahlte das Jobcenter für die Unterbringung 54.000 Euro und klagte gegen die Untervermieterin auf Ersatz dieser Kosten.
Während das Amtsgericht dem Jobcenter Recht gab, wies das Landgericht die Klage ab. Zwar sei die Untervermieterin dem Grunde nach schadensersatzpflichtig, weil sie die Nichterfüllung des Untermietvertrages zu vertreten habe. Eine höhere Miete könne auch einen ersatzfähigen Schaden darstellen, wenn eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vermieters ursächlich für einen Wohnungswechsel des Mieters gewesen sei. Die wesentlich höheren Kosten für die Unterbringung in einer Notunterkunft müsse die Untervermieterin aber nicht erstatten.
Das Jobcenter legte Revision zum BGH ein und verlangt dort aus übergegangenem Recht von der Untervermieterin Ersatz der Mehrkosten für die Unterbringung in Höhe von 37.500 Euro.
Entscheidung: Mehrkosten für Notunterbringung können ersatzfähiger Schaden sein
Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück.
Die Untervermieterin haftet ihrem ehemaligen Untermieter dem Grunde nach auf Schadensersatz. Ein Mieter kann Schadensersatz verlangen, wenn ein Mangel der Mietsache bei Vertragsschluss vorhanden war oder später wegen eines vom Vermieter zu vertretenden Umstands entsteht. Das ergibt sich aus § 536a Abs. 1, § 536 Abs. 3 BGB.
Ein Mangel der Mietsache liegt auch dann vor, wenn dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch ganz oder zum Teil entzogen wird. Das ist hier der Fall. Spätestens nach dem gerichtlichen Vergleich zwischen dem Hauptvermieter und der Untervermieterin konnte ersterer vom Untermieter die Herausgabe der Wohnung verlangen und tat dies auch. Die Untervermieterin war nicht mehr in der Lage, dem Untermieter den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung zu gewähren, so dass der Untermieter auf anderweitigen Wohnraum angewiesen war.
Anders als das Landgericht meint, ist dem Untermieter auch ein ersatzfähiger Schaden entstanden. Die Unterbringung des Untermieters und seiner Familie in einer öffentlichen Notunterkunft ist eine adäquat kausale Folge des Wohnungsverlusts, der durch die Pflichtwidrigkeit der Untervermieterin verursacht worden war. Die hierdurch entstandenen Kosten unterfallen auch dem Schutzzweck der verletzten Vertragspflicht. Es ist unerheblich, dass der Untermieter nicht selbst eine andere (teurere) Wohnung angemietet hat, sondern ihm eine öffentliche Notunterkunft zugewiesen worden ist. Auch die hierfür angefallenen Mehrkosten gegenüber der ursprünglichen Miete sind ein ersatzfähiger Schaden.
Landgericht muss Schadenshöhe prüfen
Das Landgericht muss nun noch Feststellungen zur genauen Höhe des Schadensersatzanspruchs treffen. Dabei muss es berücksichtigen, dass ein Anspruch auf Ersatz der Mietdifferenz in zeitlicher Hinsicht begrenzt ist und nur bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer oder bis zur Wirksamkeit der ersten möglichen Kündigung durch den Vermieter beschränkt ist. Der Höhe nach ist der Ersatzanspruch auf die erforderlichen Kosten beschränkt. Danach können auch für einen gewissen Zeitraum die Mehrkosten für eine Unterbringung in einer öffentlichen Notunterkunft als erforderlich anzusehen sein, wenn der Mieter auf dem freien Markt zunächst keine andere Wohnung finden konnte.
Zudem muss das Landgericht prüfen, ob der Ersatzanspruch nur hinsichtlich der Kosten für die Unterbringung des ehemaligen Untermieters oder auch hinsichtlich der Kosten für die Unterbringung der gesamten Familie auf das Jobcenter übergegangen ist.
(BGH, Urteil v. 21.6.2023, VIII ZR 303/21)
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