BGH: Frühere Abnahme bindet Nachzügler nicht

Der Erwerber einer neuen Eigentumswohnung kann nicht durch die Teilungserklärung, Beschluss oder den Formular-Kaufvertrag an eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums gebunden werden, die vor Abschluss des Kaufvertrages bereits stattgefunden hat.

Hintergrund: Abnahme vor Abschluss des Kaufvertrags

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt von einem Bauträger einen Vorschuss für die Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum.

Die Wohnungseigentumsanlage wurde 2002 errichtet und besteht aus 23 Wohnungen nebst Kfz-Stellplätzen. Die Teilungserklärung sieht in § 19 vor, dass die Wohnungseigentümer in der ersten Eigentümerversammlung ein Ingenieurbüro mit der Abnahme des Gemeinschaftseigentums beauftragen.

Am 25.11.2002 nahm ein Ingenieurbüro das Gemeinschaftseigentum ab, so wie es zuvor in der ersten Eigentümerversammlung beschlossen worden war. Zu diesem Zeitpunkt waren noch nicht alle Wohnungen verkauft.

Die Kaufverträge, die nach der Abnahme geschlossen worden sind, enthalten folgende Klausel:

„Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist am 25.11.2002 erfolgt. Die Verjährungsfrist für Ansprüche und Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum läuft für den Käufer zum selben Termin ab wie für diejenigen Käufer, welche die gemeinschaftliche Abnahme durchgeführt haben.“

Mehr als fünf Jahre nach der Abnahme beanstandete ein Erwerber, der seine Wohnung am 14.5.2003 erworben hat, Mängel am Gemeinschaftseigentum. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat die Mängelansprüche an sich gezogen und verlangt vom Bauträger Zahlung eines Vorschusses von 72.000 Euro, um die Mängel zu beseitigen. Der Bauträger meint, Gewährleistungsansprüche seien verjährt. Auch für die „Nachzügler-Erwerber“ sei die Abnahme im November 2002 bindend, sodass die fünfjährige Verjährungsfrist abgelaufen sei.

Entscheidung: Erwerber nicht an frühere Abnahme gebunden

Die Gewährleistungsansprüche sind nicht verjährt.

Ansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern oder Eigentumswohnungen richten sich grundsätzlich nach Werkvertragsrecht, und zwar auch dann, wenn das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt war. Daher gilt die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB.

Die Verjährungsfrist hat nicht begonnen, denn die Abnahme vom 25.11.2002 wirkt nicht gegenüber den Nachzügler-Erwerbern.

§ 19 der Teilungserklärung ist jedenfalls insoweit nichtig, als die Wirkung der Abnahme des Gemeinschaftseigentums seitens der aufgrund Beschlusses der ersten Eigentümerversammlung beauftragten Abnahmeperson auf Nachzügler-Erwerber erstreckt werden soll. Gegenstand von Vereinbarungen nach § 10 Abs. 2 WEG können lediglich Regelungen sein, die das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander betreffen. Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums fällt nicht hierunter. Sie betrifft vielmehr das Vertragsverhältnis zwischen Bauträger und Erwerber. Beim Erwerb einer Eigentumswohnung erhält der einzelne Erwerber aus dem Erwerbsvertrag einen individuellen Anspruch auf mangelfreie Werkleistung auch in Bezug auf das gesamte Gemeinschaftseigentum. Dementsprechend liegt es grundsätzlich bei ihm, zu entscheiden, ob er das Werk als eine in der Hauptsache dem Vertrag entsprechende Erfüllung gelten lassen will. Der Regelungsort für die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist der jeweilige Erwerbsvertrag.

Die Abnahme vom 25.11.2002 entfaltet auch nicht aufgrund des Beschlusses der ersten Eigentümerversammlung Wirkung zu Lasten der Nachzügler-Erwerber. Der Beschluss bezüglich der Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist mangels Beschlusskompetenz jedenfalls insoweit nichtig, als damit die Wirkung der Abnahme auf Nachzügler-Erwerber erstreckt werden soll.

Auch die Klausel in den Kaufverträgen, wonach die frühere Abnahme für die Nachzügler-Erwerber verbindlich sein soll, ist unwirksam. Die Klausel benachteiligt die Erwerber unangemessen, weil diesen das Recht entzogen wird, über die Abnahme - gegebenenfalls nach sachverständiger Beratung - selbst zu entscheiden oder durch eine selbst beauftragte (Vertrauens-)Person entscheiden zu lassen. Zudem führt die Klausel zu einer unzulässigen Verkürzung der Verjährungsfrist. Das Interesse des Bauträgers an einer frühzeitigen und einheitlichen Abnahme des Gemeinschaftseigentums rechtfertigt es angesichts der Bedeutung der Abnahme und der damit verbundenen nachteiligen Rechtsfolgen für die Nachzügler-Erwerber nicht, dass letztere die bereits vor Vertragsabschluss erklärte Abnahme ohne Überprüfungs- und Widerspruchsmöglichkeit gegen sich gelten lassen müssen.

(BGH, Urteil v. 12.5.2016, VII ZR 171/15)

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