Leitsatz

Fassen die Wohnungseigentümer in einer Versammlung einen Beschluss in Umsetzung einer Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung, dass die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums durch ein Ingenieurbüro auf Kosten des Bauträgers in Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer durchgeführt werden soll, und erklärt das dementsprechend beauftragte Ingenieurbüro die Abnahme auch im Namen von Nachzügler-Erwerbern, die zu diesem Zeitpunkt weder Wohnungseigentümer noch werdende Wohnungseigentümer waren, so entfaltet diese Abnahme eine Abnahmewirkung zulasten der Nachzügler-Erwerber weder aufgrund der Vereinbarung noch aufgrund des Beschlusses.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 6 Satz 3 WEG

 

Das Problem

  1. Im Jahr 2002 errichtet B eine Wohnungseigentumsanlage mit 23 Wohnungseigentumsrechten. Alle vor dem 25. November 2002 Erwerbenden schließen einen von B vorformulierten Vertrag, der folgende Regelung enthält:

    Die Abnahme gemeinschaftlichen Eigentums ist noch nicht erfolgt. Gemäß § 19 der Gemeinschaftsordnung haben die Wohnungseigentümer in der 1. Eigentümerversammlung das Ingenieurbüro K. mit der Abnahme beauftragt. Die Abnahme wird auf Kosten der Verkäuferin in Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer für diese durchgeführt. Das Ingenieurbüro soll auch die Behebung der festgestellten Mängel bestätigen.

    Am 13. November 2002 schließen die Wohnungseigentümer aufgrund eines Beschlusses mit dem Ingenieurbüro K. einen Vertrag. K wird beauftragt, die Abnahme auf Kosten der B in Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer durchzuführen. Dies geschieht am 25. November 2002.

  2. Am 14. Mai 2003 schließt M einen Erwerbsvertrag (dieser wird bei allen nach dem 25. November 2002 kontrahierenden Erwerbern verwendet). Dort heißt es in § 6 Abs. 3:

    Die Abnahme gemeinschaftlichen Eigentums ist durch das Ingenieurbüro K. am 25.11.2002 erfolgt. Die Verjährungsfrist für Ansprüche und Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum läuft für den Käufer zum selben Termin ab wie für diejenigen Käufer, welche die gemeinschaftliche Abnahme durchgeführt haben.

  3. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer macht gegen B im Jahr 2014 nach einer Vergemeinschaftung einen Mängelanspruch geltend, nämlich einen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für Aufwendungen zur Beseitigung von Mängeln an der Bausubstanz des gemeinschaftlichen Eigentums. B erhebt die Einrede der Verjährung. Das Landgericht gibt der Klage in Höhe von 72.280,60 EUR nebst Zinsen statt. B's Berufung der Beklagten bleibt erfolglos. Mit der Revision verfolgt B ihren Klageabweisungsantrag weiter.
 

Die Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! Die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums entfalte keine Abnahmewirkung zulasten der Nachzügler-Erwerber.
  2. § 19 der Gemeinschaftsordnung sei jedenfalls insoweit nichtig, als damit die Wirkung der Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums seitens der aufgrund Beschlusses der ersten Eigentümerversammlung beauftragten Abnahmeperson auf Nachzügler-Erwerber erstreckt werden solle. Gegenstand von Vereinbarungen nach § 10 Abs. 2 WEG könnten lediglich Regelungen sein, die das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander beträfen. Die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums falle nicht hierunter. Regelungsort für die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums sei der jeweilige Erwerbsvertrag (Hinweis auf Vogel, NZM 2010, S. 377, 382). Die Abnahme beträfe eine Verpflichtung des Erwerbers aus dem Erwerbsvertrag, die keinen unmittelbaren Bezug zu einer Aufgabe der gemeinschaftlichen Verwaltung aufweise. Die Abnahme habe zwar Bedeutung auch für die Geltendmachung von Mängelansprüchen. Darin erschöpfe sie sich aber nicht. Die Abnahme habe darüber hinaus weitere Wirkungen insbesondere bezüglich der Fälligkeit und Verzinsung der Vergütung, bezüglich des Gefahrübergangs und bezüglich des Vorbehalts eines Vertragsstrafenanspruchs. Diese Wirkungen beträfen das Vertragsverhältnis zwischen Erwerber und Bauträger und nicht das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander.
  3. Auch die aufgrund des Beschlusses der ersten Versammlung am 25. November 2002 erklärte Abnahme entfalte keine Abnahmewirkung zulasten der Nachzügler-Erwerber. Fehle es an der erforderlichen Beschlusskompetenz, sei ein dennoch gefasster Beschluss nichtig. So liege es aus den Gründen zu 2. hier.
  4. § 6 Abs. 3 Satz 1 des Vertrags vom 14. Mai 2003 sei unwirksam. Bei dem Vertrag handle es sich um einen von B gestellten Formularvertrag. Die Klausel sei bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung dahin gehend zu verstehen, dass den Nachzügler-Erwerbern mit dieser Klausel die Möglichkeit entzogen werde, bezüglich der Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums selbst zu entscheiden oder hierüber durch eine Person ihres Vertrauens entscheiden zu lassen; vielmehr solle durch diese Klausel die am 25. November 2002 erfolgte Abnahme des im Verhältnis zu den Nachzügler-Erwerbern als für sie verbindlich festgeschrieben werden. Dies Festschreibug sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der ge...

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