Rz. 41

Dem ermäßigten Steuersatz unterliegen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG die Lieferungen, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb der in der Anlage 2 des UStG aufgeführten Gegenstände, mWv 1.1.2014 jedoch mit Ausnahme der in Nr. 49 Buchst. f (Sammlerbriefmarken), Nr. 53 (Kunstgegenstände) und Nr. 54 (Sammlungsstücke) der Anlage 2 des UStG aufgeführten Gegenstände (Rz. 11, Rz. 38, Rz. 647, Rz. 761, Rz. 791). Die Steuerermäßigung wird grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Person des Lieferers oder Leistungsempfängers gewährt. Es handelt sich also grundsätzlich um eine rein objektive Steuervergünstigung, die von allen Unternehmern in Anspruch genommen werden kann, die den allgemeinen Vorschriften des UStG unterliegen, von Herstellern (Erzeugern) ebenso wie von Großhändlern und Einzelhändlern. Voraussetzung ist nur, dass der Gegenstand der Lieferung, der Einfuhr oder des innergemeinschaftlichen Erwerbs als solcher zu den in der Anlage 2 des UStG aufgeführten steuerbegünstigten Gegenständen gehört, mWv 1.1.2014 mit Ausnahme der vorbezeichneten Gegenstände.

Eine Ausnahme von dem Grundsatz, wonach es für die Steuerermäßigung auf die Person des Lieferers nicht ankommt, ist mWv 1.1.2014 durch Art. 10 Nr. 5 Buchst. d des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes v. 26.6.2013[1] in das UStG eingefügt worden. Nach dem neuen § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG ist nämlich die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes u. a. nur noch bei der Lieferung von Kunstgegenständen durch den Urheber (den Künstler selbst), dessen Rechtsnachfolger oder unter bestimmten Voraussetzungen durch andere Unternehmer zulässig. Diese Abkehr von jahrzehntelang geltenden umsatzsteuerlichen Grundsätzen ist in der Literatur als gleichheitswidrige Besteuerung des privaten Letztverbrauchs kritisiert worden.[2]

Eine Ausnahme von dem Grundsatz, wonach es für die Steuerermäßigung auf die Person des Leistungsempfängers nicht ankommt, ist mWv 1.1.2023 durch das JStG 2022[3] in das UStG eingefügt worden. Hierdurch wurde erstmals in Deutschland mWv 1.1.2023 ein sog. Nullsteuersatz eingeführt (neuer Absatz 3 in § 12 UStG). Die Anwendung des Nullsteuersatzes nur für die Lieferung an bestimmte Abnehmer (hier Betreiber einer Fotovoltaikanlage) verstößt – auch wenn sie mit Unionsrecht in Einklang steht – gegen den dem deutschen USt-Recht zugrundeliegenden Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung. Nach einem für die MwSt fundamentalen Grundsatz sollen gleichartige Waren und Dienstleistungen gleich hoch besteuert werden. Dies sollte unabhängig davon gelten, wer der Leistungsempfänger ist. Dementsprechend soll grundsätzlich aus systematischen Erwägungen eine Steuerermäßigung (hier in Form der Anwendung des Nullsteuersatzes) nicht davon abhängig gemacht werden, welcher Personenkreis der Empfänger der Leistung ist.

 

Rz. 42

Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. der Anlage 2 des UStG gilt nicht für sonstige Leistungen (§ 3 Abs. 9 UStG), einschließlich der Werkleistungen. Nicht begünstigt sind deshalb beispielsweise das Verarbeiten oder Befördern von Gegenständen oder die Vermittlung von Geschäften, auch dann nicht, wenn es sich dabei um Gegenstände handelt, deren Lieferung begünstigt wäre (z. B. das Mahlen von Getreide durch einen Müller, das Befördern von Vieh durch einen Frachtführer oder die Vermittlung von Lebensmittelverkäufen durch einen Handelsvertreter). Ab dem 27.6.1998 gehört auch die Abgabe von Speisen und Getränken unter bestimmten Voraussetzungen zu den – nicht unter die Steuerermäßigung fallenden – sonstigen Leistungen (Restaurationsleistungen).[4] Hieran hat sich durch die Aufhebung der S. 4 und 5 in § 3 Abs. 9 UStG durch Art. 8 Nr. 10 des Jahressteuergesetzes 2008 v. 20.12.2007[5] nichts geändert (Rz. 6 sowie Rz. 56ff.). Der ermäßigte Steuersatz ist auch auf an sich begünstigte Gegenstände, die im Rahmen einer sonstigen Leistung verwendet werden, nicht anwendbar. Übernimmt beispielsweise ein Friedhofsgärtner die Pflege eines Grabs, bewirkt er eine Werkleistung, die nicht begünstigt ist, auch nicht hinsichtlich der dabei verwendeten Blumen und Pflanzen (Rz. 238ff.). Wegen der nicht immer eindeutigen Abgrenzung der Lieferungen von den sonstigen Leistungen vgl. Abschn. 3.1 und Abschn. 3.6 UStAE sowie Streit/Korf.[6] Sonstige Leistungen im Zusammenhang mit Gegenständen der Anlage 2 des UStG können jedoch unter andere Steuerermäßigungsvorschriften des § 12 Abs. 2 UStG fallen, so z. B. das Vermieten von Gegenständen der Anlage 2 des UStG (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 UStG) oder die Aufzucht und das Halten von Vieh, die Anzucht von Pflanzen (§ 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG) sowie das Download von E-Books, E-Paper und anderen elektronischen Publikationen (§ 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG).

 

Rz. 43

Rechtssystematisch sind die Voraussetzungen der Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG bei Lieferungen und bei – den Lieferungen gegen Entgelt gleichgestellten – unentgeltlichen Wertabgaben i. S. d. § 3 Abs. 1b UStG in folgender Reihenfolge zu prüfen:

  1. Zunächst ist der Leistungsumfang ...

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